DOWLAND, John (1563 - 1626) - "Semper Dowland, semper dolens"

  • Liebe Fairy Quenn,


    Mir gefällt dieser Stimmklang der Kirkby aber, weil er etwas ätherisch engelhaft Androgynes hat, etwas fragiles Jenseitiges, das mich sehr berûhrt und emotional anspricht- ganz für sich und ohne jeden Bedarf nach Gestaltungsfähigkeit. So wie die Stimme eines Kindes sehr berühren kann, ohne dass sie ausgebildet wurde.
    Gerade dass das kein Standard ist, macht es mir noch besonderer.
    :fee:

    Genau das ist es ! Als ich sie das erstemal im Radio hörte, wollte ich nicht glauben, dass es sich um ein erwachsene Frau handelt, die dort singt. Wie du schon sagtest: eine Stimme, wie aus einer anderen Welt.

    :wink:

  • Standard meinte ich normativ, dass es in gewissen Kreisen zum Ideal erhoben wird, nicht im Sinne des statistisch Normalen. Aber das muss nicht vertieft werden.
    Nur ist mir allerdings, anders als vielleicht bei mancher geistlicher Musik nicht ganz klar, warum für Dowlands Lieder eine "Stimme aus einer anderen Welt" besonders passend sein sollte?
    Die Inhalte sind doch weitgehend ziemlich diesseitig (vielleicht mit Ausnahme der Holy Sonnets of John Donne)

    Kater Murr

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Nur ist mir allerdings, anders als vielleicht bei mancher geistlicher Musik nicht ganz klar, warum für Dowlands Lieder eine "Stimme aus einer anderen Welt" besonders passend sein sollte?


    Haja, Stimme, wie Siegfried und Brünhilde passt da irgendwie nicht... ;+)


    Sehr angenehm bei Dowland ist die Tessitura, die geht für fast alle hohen und mittleren Stimmen.


    für die tiefen auch. Notfalls gibt's so eine tolle Erfindung: nennt sich Transponieren... :thumbup:

    Rythmisch sollte man allerdings sicher sein, sonst wird's kompliziert.

    Wieso? Synkopen singen kann doch jede Lehrerin im Gospelchor? :hide:

    Und es gibt nicht wenige Stimmen, da passt es hinten und vorne nicht.

    Wenn Du damit die Tessitura meinst: s. oben. Und vierstimmig liegen alle Stimmen dort, wo man sie wunderbar singen kann, das passt immer... :yes:

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • dass man nicht anerkennen will, dass das, was in den 1970ern Krikby, Rooley u.a. gemacht haben, teils Pionierleistungen gewesen sind

    Nichts läge mir ferner, als das abzustreiten. Dass ich manches Repertoire, und zwar insbesondere Monteverdis Madrigale, in Rooleys Aufnahmen kennengelernt habe, ist ja kein Zufall: Soweit ich mich erinnern kann, gab es lange Zeit einfach keine Alternativen. Und schlecht können sie ihre Sache ja auch nicht gemacht haben - immerhin habe ich mit den CDs diese Musik ja lieben gelernt. Heute weiß ich allerdings nicht mehr, wie ich die Platten jemals am Stück von vorne bis hinten habe durchhören können. Jetzt habe ich das Gefühl, nach der 3. oder 4. Nummer immer wieder das gleich zu hören. Diese Monotonie, die die einzelnen Stücke (seien es nun Madrigale von Monteverdi oder Lautenlieder von Downland) ihrer Individualität beraubt - das ist der Hauptgrund, warum ich die Platten nicht mehr auflege.

    Mir gefällt dieser Stimmklang der Kirkby aber, weil er etwas ätherisch engelhaft Androgynes hat, etwas fragiles Jenseitiges, das mich sehr berûhrt und emotional anspricht- ganz für sich und ohne jeden Bedarf nach Gestaltungsfähigkeit. So wie die Stimme eines Kindes sehr berühren kann, ohne dass sie ausgebildet wurde.

    Das ist eben Geschmackssache. ätherisch, engelhaft androgyn , fragil jenseitig beschreibt ganz gut, warum ich diese Art des Gesangs nicht mag. Aber ich mag eben auch keine Kinderstimmen, weder solo noch im Chor. Was die Teufelchen dem Menschen zu sagen haben, ist eben viel spannender, als das, was die Engelchen singen :P


    Michel [Blockierte Grafik: http://www.cosgan.de/images/midi/teufel/a010.gif]

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Die Einspielung der Lautenwerke mit O'Dette kenne ich noch nicht, da ich den bei Brilliant gelabelten Interpretationen von Jakob Lindberg einiges abgewinnen kann und mich daher bis jetzt noch nicht genötigt gesehen habe, mir eine weitere Einspielung zuzulegen:


    Adieu,
    Algabal

    Ich habe beide und mir gefällt meistens O'Dette etwas besser. Der Klang ist bei ihm heller und transparenter (andere Besaitung womöglich? Aufnahmetechnik? Wer weiß?), die Interpretation etwas melodischer, und rhytmisch fester (obwohl meistens etwas langsamer) jedoch kann ich auch bei Lindberg über nichts meckern.

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Kennt eigentlich jemand diese Aufnahme? Sie ist unlängst bei Naxos erschienen:

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Ich habe beide und mir gefällt meistens O'Dette etwas besser. Der Klang ist bei ihm heller und transparenter (andere Besaitung womöglich? Aufnahmetechnik? Wer weiß?), die Interpretation etwas melodischer, und rhytmisch fester (obwohl meistens etwas langsamer) jedoch kann ich auch bei Lindberg über nichts meckern.

    LG
    Tamás
    :wink:

    Ich möchte schnell hinweisen auf die folgende, wie ich finde sehr klangschöne Aufnahme. Norths weicher Ton hat es mir wirklich angetan:

    Schön auch:

    Hier singt Tenor Rufus Müller das First Booke of Songs, die Laute zupft Christopher Wilson.
    Die von Caesar gezeigt CD ist eine Zusammenstellung aus andern bereits bei Naxos erschienenen Aufnahmen mit North (s.o.) und dem Rose Consort of Viols, zu denen es jeweise weitgehend positive Kritiken gab.

    :wink: Agravain

  • Lieber Michel,

    Du hattest ja die Aufnahmen mit Paul Agnew empfohlen:


    Was seine Lieder betrifft, so schwöre ich auf Paul Agnew:

    ....


    - seit ich diese Aufnahmen kenne, finde ich Emma Kirkbys ausdrucksarmen, gleichförmigen Gesang kaum noch erträglich. Wenn Du die Gelegenheit haben solltest, in Agnews Version mal reinzuhören, wirst Du die Platten auch gleich kaufen ;+)

    [align=justify]Ich habe sie daraufhin bestellt, leider ist bis dato nur die erste Aufnahme eingetroffen, weil der zweite Teil bei JPC nicht mehr lieferbar war. Ich hab es jetzt mal über den Amazon-Marketplace probiert, mal sehen ob das klappt. Du hast jedenfalls nicht übertrieben: Die Stimme Agnews harmoniert mit Dowlands Miniaturen unwahrscheinlich gut. Man mag sie fast gar nicht mehr in einer anderen Interpretation hören. Ich schreibe fast, weil Dorothee Mields sich durchaus mit Paul Agnew zu messen vermag ;+)


    :wink: :wink:


    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • DOWLAND, John (1563-1626) - Der immer leidende

    Man sagt, die Melancholie sei im elisabethanischen England sei Mode gewesen: gewisse Werke von Shakespeare, aber vor allem die Kunst von John Dowland seien da die berühmtesten Beispiele dafür. Es mutet ja wirklich ein wenig befremdend an: diese Neigung zur Melancholie bei dem bekannten Lautenist-Komponisten. Er ist wahrscheinlich 1563 in London geboren, stand im Dienst des englischen Gesandten in Paris. Hier ist er zum Katholischen Glauben konvertiert. Danach machte er eine Europareise - wobei er (und das wirkt für mich mindestens überraschend) vor allem protestantische Höfe besuchte. In Florenz suchte er die Gesellschaft von katholischen Emigranten aus England, wo er aber über ein möglicher Attentat erfuhr, reiste er umgehend ab nach Nürnberg. Er versuchte immer wieder britisch königlicher Lautenist zu werden, das schlug aber, wahrscheinlich wegen seines Katholischen Glaubens, immer fehl. Interessanterwesie suchte er aber keine Stelle bei einem katholischen Hof - umso mehr am protestantischen Hof von Christian IV von Dänemark. Scheinbar hat er dort auch Spionagearbeit für England betrieben. Er komponierte auch gesitliche Musik... - aber auch die für die protestantische Kirche: Psalmkompositionen auf Englisch in einem streng homphonen Stil. Endlich in 1612 bekam den ersehnten Posten und er wurde Lautenist am Hofe von Jacob I. Er starb am 20. Februar 1626.

    Seine berühmtesten Werke sind seine Lautenwerke und seine Songs, die so von einem Sänger-Ensemble, wie von einem Sänger mit Lautenbegleitung aufgeführt werden können. Man muss noch seine Consortstücke, die berühmten "Lachrimae" erwähnen, in Variationszyklus von 7 Pavanen über eine seiner Lieder ("Flow my tears"). Der Zyklus wird von einigen weiteren Pavanen und anderen Tänzen ergänzt.

    CD-Empfehlung:

    Seine sämtlichen Werke in der Interpretation von Consort of Musicke unter Anthony Rooley. Die Lautenwerke erklingen in den Aufführungen von Jakob Lindberg, Nigel North, Anthony Rooley, Christopher Wilson und Anthony Bailes, was eine schöne Abwechslung macht: die Interpretationen sind durchwegs sehr gut. Die hier erklingende Einspielung der Lachrimae ist wunderbar: es werden manche Verzierungen angebracht und die einzelnen Pavanen haben alle ihre eigene Stimmung. Die Liedaufnahmen sind klasse: man hört auch manche als mit Vokalconsort aufgeführt, manche mit Lautenbegleitung für Solostimme, andere mit Gambenconsort, wieder andere zweistimmig gesungen - wechselvoll, schön. Eine sehr gute Einspielung: sehr englisch, sehr leichtfüßig. Klasse!


    Es gibt mehrere Gesamtaufnahmen der Lautenwerke von Dowland. Für mich am überzeugendsten ist aber die Einspielung mit Paul O'Dette, obwohl ich nicht alle seine Aufnahmen für so gut gelungen halte. Diese Sammlung von 5 CDs ist aber wirklich wunderschön, sowohl von der Interpretation, wie von der Aufnahmetechnik her.


    Jakob Lindberg hat auch seine Gesamtaufnahme gemacht, die auch sehr gut gelungen ist, eigentlich steht sie der von O'Dette in nichts nach.

    Von der Lachrimae gefällt mir die Einspielung von Fretwork am besten:

    Die von The King's Noyse ist eher bei den Gagliarden und weiteren schnellen Tänzen unterhaltsam, die Pavanen sind für mich da zu schnell.

    Mit Savall habe ich Probleme: Obwohl die Aufführung eigentlich schön ist, hat man den Eindruck der Eintönigkeit, dass Savall zu sehr in der Schwermütigkeit haften bleibt, dazu noch ist der Ausdruck der tiefschlürfenden melancholie immer derselbe in allen Stücken. Das macht diese Aufnahme für mich "klumpig" (ich verstehe darunter, dass ich sie mir nicht durchgehend anhören kann, sie bleibt mir "im Hals stecken"), und bei einem Zyklus halte ich das für einen Fehler. Wenn ich mir aber nur einzelne stücke oder stellen anhöre, gefallt sie mir immer sehr: die Langeweile kommt immer erst nach zwei-drei Stücken. (Das selbe gefühl habe ich bei Consort of Musicke oder Fretwork nicht.)

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Lieber Tamás,

    herzlichen Dank für den Thread über Dowland! Auch ich höre immer noch gern die Rooley-Aufnahmen, wenngleich da bereits anderes erschienen ist, was wenigstens mithalten kann. Paul O´ Dettes Einpielung der vokallosen Lautenwerke ist in der Tat beeindruckend, ich habe selten bei einem Soloinstrument eine derart angenehme Ausgewogenheit zwischen Virtuosität und... nuja, Verinnerlichung gehört. Die kann auch ich nur empfehlen.

    Endlich in 1612 bekam den ersehnten Posten und er wurde Lautenist am Hofe von Elizabeth I


    Da war die Lizzy doch schon tot?

    Liebe Grüße,

    Alex :wink:


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

  • Lieber Tamás,

    der Abwechslungsreichtum, den Rooley bei den lacrimae bietet, ist wirklich genauso wie Du gesagt hast. Das macht Spaß, das am Stück zu hören. Auch hier ist die Aufnahmetechnik übrigens ganz hervorragend gewesen, obwohl es ja schon ein paar Jahrzehnte her ist.

    Und Savall magst Du bei Dowland nicht so? Von wann sind denn seine Aufnahmen?


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

  • Die Gesamtaufnahme der Lautenwerke mit Lindberg gibt es auch als preiswerte Wiederveröffentlichung:

    Daneben sei noch auf die relativ neue Gesamtaufnahme mit Nigel North hingewiesen, der nach meinem Eindruck noch etwas differenzierter gestaltet als O'Dette und Lindberg:

    Viele Grüße,
    Fugato

  • Gibt es da noch andere Gesamtaufnahmen des Liedschaffens?


    Eine Gesamtaufnahme kenne ich nun nicht, aber es z.B. das hier erschienen:

    Die habe ich mal bei einem Freund gehört, der viel mehr von klassischer Musik als ich versteht, aber in keinem Forum mitmachen will. Die Aufnahme ist etwas detailverliebter als die britische mit Emma Kirkby u. Co, aber ebenfalls ganz eindringlich.

    Andreas Scholl hat vereinzelt auch Dowland gesungen.


    Alex :wink:


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

  • Und Savall magst Du bei Dowland nicht so? Von wann sind denn seine Aufnahmen?


    Seine Aufnahme entstand 1988. Wie gesagt ist seine Interpretation technisch perfekt und wie üblich mit dem hochgelobten "erdigen" Klang - aber eben den Abwechslungsreichtum fehlt mir: alles ist irgendwie "klobig", immer dasselbe Schwermut, auf Dauer etwas langweilig. Das zieht dann mit sich, dass wenn ich nur einzelne tücke vergleiche, kommt öfters der Savall als Erster raus, dennoch: wenn ich seine Aufnahme mir als Ganze anhöre, langweilt sie mich.

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Nach Rücksprache mit Tschabrendeki habe ich seinem neuen Dowland-Thread an den bereits bestehenden angehängt.

    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Die habe ich mal bei einem Freund gehört, der viel mehr von klassischer Musik als ich versteht, aber in keinem Forum mitmachen will. Die Aufnahme ist etwas detailverliebter als die britische mit Emma Kirkby u. Co, aber ebenfalls ganz eindringlich.

    Andreas Scholl hat vereinzelt auch Dowland gesungen.


    Mein Problem mit diesen Aufnahmen ist, dass es dabei zum Anschein kommt, Dowland habe seine Lieder immer für Laute und Gesang gesetzt: obwohl dieselben Songs auch mit vierstimmigem Madrigalensemble, oder mit Gambenensemble auch aufführbar sind. Einige Songs sind dann ausdrücklich für zwei Stimmen komponiert, andere haben ihre Wirkung eben nur mit Vokalensemble (z.B. eins meiner Lieblinge: Fine knacks for Ladies) - diese werden auf diesen Solisten-CDs dann immer ausgelassen, wodurch aber das Bild über Dowland einseitig wird: weil in der Lautenlied-Fassung ist meistens die wunderbare, kontrapunktische Kunst von Dowland nur sehr schwer nachvollziehbar.
    Und noch etwas: Rooley meint zu der Aufführung der Lieder - und da kann er recht haben - dass wenn die Solotimme mit einem Tenor besetzt und er nur mit einer Laute begleitet wird, würde die Basslage des instruments verdeckt, und so gingen die harmonischen Feinheiten der Komposition verloren, da wäre also empfohlen den Bass mit einer Gambe zu verstärken. Dieser Ratschlag wird leider an anderen CDs nicht immer befolgt.

    LG
    Tamás
    :wink:

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    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

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