Franz Schubert: Fantasie C-Dur, D 934, für Violine und Klavier

  • Schiff/Shiokawa haben in der Introduktion einen besonderen Reiz. Dann muss man allerdings den Anspruch auf schwindelerregendes Tempo ablegen (das Stück dauert bei ihnen über 26 Minuten). Einfach sich zurücklehnen und die Poesie genießen. Fast wäre es eine "Fantasie für Klavier mit Begleitung der Violine". Nur fast.
    Nicht die alleinseligmachende Interpretation aber mit der entsprechenden Einstellung kann man sich mitnehmen lassen ...

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Schiff/Shiokawa haben in der Introduktion einen besonderen Reiz. Dann muss man allerdings den Anspruch auf schwindelerregendes Tempo ablegen (das Stück dauert bei ihnen über 26 Minuten). Einfach sich zurücklehnen und die Poesie genießen. Fast wäre es eine "Fantasie für Klavier mit Begleitung der Violine". Nur fast.
    Nicht die alleinseligmachende Interpretation aber mit der entsprechenden Einstellung kann man sich mitnehmen lassen ...

    Ich finde die Tempi schon ok. "Andante molto" bedeutet in der Einleitung ganz sicher ein langsames Andante, der Teil danach ist nur Allegretto (bei Busch/Serkin deshalb meines Erachtens zu schnell), nach den Variationen (Andantino) folgt dann Allegro vivace und erst ganz am Ende Presto. Allerdings spielen Schiff/Shiokawa innerhalb dieser Tempi dann für meinen Geschmack doch zu einheitlich weich artikuliert, mit sehr gepflegten Ausbrüchen und unter Vermeidung auch der dynamischen Extreme. Das macht das Stück etwas einseitig "hübsch", wozu auch beiträgt, das Schiff nebenher (und sehr gekonnt) am Wegesrand ein paar Blümchen in Form von Nebenstimmen abpflückt. Die Musik hat auf die Dauer etwas Betuliches, stellenweise fast Niedliches. Das finde ich dann doch ziemlich verfehlt.

  • ".....mit einer Pianistin namens Maria Bergmann....." (Rosamunde #20)

    Ältere Forianer, die wie ich den Südwestfunk Baden Baden empfangen konnten, haben den Namen Maria Bergmann unzählige Male gehört. Sie war eine fest angestellte Hauspianistin beim SWF, sehr vielseitig und immer auf sehr hohem Niveau. Schade dass die meisten Aufnahmen nur in den Archiven liegen, wie übrigens auch viele von Ernst Bour, dem damaligen Chefdirigenten des Baden-Badener Orchesters, mit dem sie oft zusammenspielte.

  • Ältere Forianer, die wie ich den Südwestfunk Baden Baden empfangen konnten, haben den Namen Maria Bergmann unzählige Male gehört. Sie war eine fest angestellte Hauspianistin beim SWF, sehr vielseitig und immer auf sehr hohem Niveau. Schade dass die meisten Aufnahmen nur in den Archiven liegen, wie übrigens auch viele von Ernst Bour, dem damaligen Chefdirigenten des Baden-Badener Orchesters, mit dem sie oft zusammenspielte.

    Ah ! Vielen Dank - Abendroth.
    :wink:

  • Ich finde die Tempi schon ok. "Andante molto" bedeutet in der Einleitung ganz sicher ein langsames Andante, der Teil danach ist nur Allegretto (bei Busch/Serkin deshalb meines Erachtens zu schnell), nach den Variationen (Andantino) folgt dann Allegro vivace und erst ganz am Ende Presto. Allerdings spielen Schiff/Shiokawa innerhalb dieser Tempi dann für meinen Geschmack doch zu einheitlich weich artikuliert, mit sehr gepflegten Ausbrüchen und unter Vermeidung auch der dynamischen Extreme. Das macht das Stück etwas einseitig "hübsch", wozu auch beiträgt, das Schiff nebenher (und sehr gekonnt) am Wegesrand ein paar Blümchen in Form von Nebenstimmen abpflückt. Die Musik hat auf die Dauer etwas Betuliches, stellenweise fast Niedliches. Das finde ich dann doch ziemlich verfehlt.

    Wir sind uns weitgehend einig. Andante molto ist für Schubert nahe an Adagio und Allegretto an Andantino. Schiff "pflückt Blümchen am Wegesrand" bzw. wertet seinen Part auf und man ist fast bei der "Fantasie für Klavier mit Begleitung der Violine". Mit einem anderen Partner (oder Partnerin) hätte er wohl kräftigere Akzente gesetzt. Ich finde das ganze poetisch, weil schon mehr Substanz drin steckt als mit Fischer/Helmchen, und ich kann es auch genießen, aber das Existenzielle, das macht, dass man die Fantasie nicht nur genießen sollte, ist hier nicht zu finden.

    So sehr ich Johanna Martzy liebe, hämmert Jean Antonietti am Anfang zu sehr, als ich weiter mitmachen möchte.

    Oleg Kagan und Vassily Lobanov (live in Ettlingen 30.03.1988)

    hingegen zeigen eine Mischung aus Schönheit und Intensität, die ich ganz ansprechend finde.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Mit einem anderen Partner (oder Partnerin) hätte er wohl kräftigere Akzente gesetzt.

    Da bin ich nicht so sicher. Bei Schiff finde ich fast immer eine gewisse Einseitigkeit zum weichen, abgerundeten Klang, oft auf Kosten der Kontraste bzw. der Dramatik. Zum Beispiel geht er innerhalb von Phrasen sehr oft schon vor dem eigentlichen Höhepunkt zurück. Er differenziert zweifellos sehr fein, bleibt aber insgesamt für mich zu oft in einem mittleren, bequemen und risikolosen Ausdrucksbereich. Diese Aufnahme ist insofern schon typisch für ihn.

    So sehr ich Johanna Martzy liebe, hämmert Jean Antonietti am Anfang zu sehr, als ich weiter mitmachen möchte.

    Da habe ich eben reingehört: Mir gefällt das auch nicht. Aber: Als Interpretationsidee finde ich es eigentlich gar nicht so abwegig, diesen Anfang gerade nicht "schwebend" sondern unruhig bewegt oder sogar unterschwellig motorisch zu spielen, wogegen dann die Violine umso mehr kontrastiert. Die Tremoli sind ja nicht frei sondern rhythmisch gebunden (in 64steln), was schon so verstanden werden kann, dass man nicht nur "bewegten Klang" sondern aktiven Rhythmus hören soll. Die Idee finde ich wie gesagt interessant, aber die Umsetzung gefällt mir dann hier doch nicht. Ich strebe eher eine Synthese von Klang und Rhythmus an.

  • Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als ich die Violinfantasie vor mehr als 20 Jahren kennengelernt habe. Ich war damals im totalen Schubertfieber und war völlig außer mir, als ich feststellte, dass Schubert auch eine Fantasie für Violine und Klavier geschrieben hat - und dann auch noch ein Spätwerk! Ich wieselte also in den Plattenladen und kaufte mir mit meinem Studentenbudget folgende Scheibe:

    Was folgte, war wohl die schlimmste Enttäuschung meines Lebens als Musikliebhaber. Nach dem fantastischen Beginn entfaltete sich eine nicht enden wollende Kaskade von figurativen Variationen, oft nahe am Süßlichen und Salonesken. Unendlich weit entfernt von den Ausdruckssphären der f-Moll Fantasie! Die Fantasie wurde daraufhin für mich das Hasswerk schlechthin.

    Unlängst wollte ich dem Werk, oder besser gesagt: mir, eine neue Chance geben und bestellte die Aufnahme von Silke Avenhaus und Antje Weithaas, meinem allerliebsten Duo, und hörte noch einmal hinein (bevor dieser Thread wieder reaktiviert wurde übrigens):

    Das Werk gefällt mir nun viel besser (auch den Interpretinnen geschuldet), v.a. kann ich die für mich gelungenen Stellen viel mehr genießen, aber generelles Unbehagen bleibt. Warum so lange figurative Variationen mit demselben Grundpuls, weshalb dieser oft süßliche Ton? Ich meine nun Einflüsse von der Kreutzersonate und dem langsamen Satz aus dem Erzherzogtrio herauszuhören, trotzdem will das Ganze - im Ganzen - bei mir nicht verfangen. Die im Vergleich so simple a-Moll Sonate auf derselben CD (D 385) nimmt mich hingegen immer noch so gefangen wie am ersten Tag. Wie Schubert mit nur so wenigen Tönen gleich zu Beginn so eine tiefe Traurigkeit evozieren kann (mit denselben Noten anschließend von der Violine ins Trotzige gekehrt), ist für mich immer noch ein Wunder.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Beethoven macht zB im langsamen Satz von op.47 oder op.97 oder 111 auch (fast) "nur" Figuralvariationen; es kommt halt darauf an, was ein Komponist erreichen will.
    Ich vermute, Schubert will die träumerisch-sehnsüchtige Stimmung des "Sei mir gegrüßt"-Lieds nicht zu stark beeinträchtigen.
    Mir hat das Stück seit je spontan gefallen, aber ich finde es nach wie vor schlüssig und sehr originell. Ich habe mich hier schon mehrfach in die Nessel gesetzt, wenn ich spekuliert habe, dass Schubert in seinen späten Sonaten etwas freier, mehr Richtung der Violin- (oder Wanderer)Fantasie hätte komponieren sollen.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ja, die Variationen aus op. 97 habe ich deswegen auch explizit erwähnt. Tatsächlich mochte ich diese ursprünglich auch nicht so gerne, bis ich mich gründlich in sie vertieft und die vielen Feinheiten bewusst hörend verfolgt habe. Möglich, dass ich mir auch die Violinfantasie erarbeiten kann, aber von der direkten Wirkung von D 940 wird sie für mich immer weit entfernt sein.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Beethoven macht zB im langsamen Satz von op.47 oder op.97 oder 111 auch (fast) "nur" Figuralvariationen; es kommt halt darauf an, was ein Komponist erreichen will.
    Ich vermute, Schubert will die träumerisch-sehnsüchtige Stimmung des "Sei mir gegrüßt"-Lieds nicht zu stark beeinträchtigen.

    Wie so oft, wenn Schubert an Beethoven erinnert, sind auch beim Vergleich der Fantasie mit der Kreutzer-Sonate die Unterschiede weitaus charakteristischer als die Ähnlichkeiten: Das Lied-Thema in der Fantasie ist durch die vorbereitenden Klang- und Rhythmus-Abschnitte des Beginns bzw. des Allegrettos in seiner melodischen Erscheinung wesentlich bedeutsamer und auch sofort als Zentrum des Werkes erkennbar. Diese endlich erreichte und ungeheuer eindrückliche melodische Intensität wird in den folgenden drei Variationen nun immer mehr aufgelöst, man könnte fast sagen verflüssigt. In der Kreutzer-Sonate ist das Variationsthema hingegen kein Entwicklungsziel sondern ganz eindeutig ein Zurücknehmen nach der extremen dramatischen Intensität des ersten Satzes. Melodisch unauffällig und harmonisch zu Beginn wie eine offene Frage (mit lang ausgeführtem Septimakkord) ist es eher das Material, aus denen dann die Variationen (in mancher Hinsicht konventioneller als in der Fantasie) entstehen. Bei Schubert ist das Ereignis hingegen gerade die Auflösung des so mühsam errungenen Melodischen. Etwas vereinfacht gesagt: Von der Einleitung über das Allegretto bis zum Liedthema findet eine allmähliche Verfestigung statt, in den Variationen dann eine "Verflüssigung". Der Versuch einer Rückkehr zum Melodischen in der vierten Variation "scheitert" dann auf halber Strecke und führt ganz zurück zum konturenlosen Tremolo-Beginn. Bis hierhin (nach beinahe 500 Takten!) hat die Musik noch keinerlei Ziel erreicht sondern steht wieder ganz am Anfang. Hätte Schubert einen Beethovenschen Entwicklungsprozess schreiben wollen, wäre ihm das spätestens an dieser Stelle gründlich misslungen. Aber natürlich ist gerade dieses "Misslingen" der Kern der Sache. In der Kreutzer-Sonate führen die Variationen nach einem fast beiläufigen Thema zu einer tröstlichen und tief bewegenden Verklärung am Ende. Ein solches Ziel gibt es bei Schubert nicht. Der Trost und die scheinbare Stabilität des Lied-Themas erweisen sich als brüchig, Ähnlich ist es dann übrigens auch im folgenden Allegro-Teil: Das C-Dur-Thema wirkt wie gemeißelt, kann sich aber trotzdem nicht behaupten. Nach den Triolen-Einschüben (die stark an "Ich such im Schnee vergebens" aus der Winterreise erinnern) ist dann beim a-Moll-Abschnitt mit dem zitternden Tremolo jegliche Stabilität wieder dahin.

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