J.S. Bach: BWV 988 - Die Goldberg-Variationen

  • Geht mir ähnlich. Ich habe mir aus dieser Doppel-CD diejenigen Stücke herausgeschnitten, die nahe am Original sind, und wie viele "tracks" erhalte ich wohl? Zweiunddreißig. Cool, gell?
    Kürzlich las ich mir einmal die Kundenbewertungen bei "amazon" durch: Es gibt bemerkenswert viele Total-Verisse! So what ...

  • Vielleicht interessiert’s ja einen; aber ich habe wieder neue „Goldbergs“ an Land gezogen: An Adaptionen für Streichtrio gibt es ja mittlerweile eine Menge, zwischen denen die Entscheidung oft dem persönlichen Geschmack anheim fällt. Neu sind aber Aufnahmen für Streichquartett, bei denen die Quantität doch oft etwas Neues schafft, indem eine Tenorstimme durch die Viola neue Klangräume erschließt (weiß, ist es sehr abgegriffene feuilletonistische Phrase).


    Das Catalyst Quartet: Eine Interpretation eher im schnellen Tempo, ohne Wiederholungen, in 40 Minuten sind sie „durch“. Vielleicht liegt da der Bezug des Titels zur frühen Aufnahme von Gould (die ich gar nicht schätze, um das Mindeste zu sagen), in der ja in wahnwitzigem Tempo alle Differenzierungen verloren gehen.

    Dann gibt es zum ersten Mal Koreaner, allerdings nur in 12 Stücken.
    https://www.youtube.com/watch?v=v5kGrlR25UU“.
    Ich weiß nicht, warum die sich so nennen; vielleicht einfach einmal anhören.

    Ganz apart finde ich eine Teilaufnahme einer Gruppe namens „Wayward Sisters“
    https://www.youtube.com/watch?v=1jpobw2PDSc
    Altblockflöte und Theorbe erzeugen einen völlig ungewohnten, neuen Klang; ich empfinde da eine extrem zupackende Vitalität und Spiellust.
    So weit meine neue Entdeckungen.

    PS
    Am 1. Weihnachtsfeiertag sendet Deutschlandradio Kultur eine Version für Orchester von Heribert Breuer, in die laut Ankündigung Lesungen aus den Essays von Montaigne eingefügt werden.

  • :wink:

    Gestern konnte ich die Version für Streichtrio von Sitkovetsky im Konzert hören und sehen. Letzteres ist faszinierend und hilfreich zugleich bei diesem komplexen Miteinander der Musiker. Die Interpretation empfand ich sehr gelungen. Die Aria und Variationen wurden ehrlich gespielt, dem Charakter der einzelnen Stücke wunderbar nachgespürt, trotzdem auch mithinreißend schönen Momenten. Früher fand ich Bearbeitungen einfach falsch, was sich grundsätzlich geändert hat, und ein Konzert mit dem Arrangements von Sitkovetsky kann ich sehr empfehlen.

    Gruß, Frank

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Aber nicht vergessen die anderen Bearbeitungen (z.B. für Streicher), auf die ich hinwies. Alle haben sie ihre jeweiligen Vorzüge. Es ist eine Aufgabe der Herausforderung, sie miteinander zu vergleichen.

  • Hier kommen zwei wirklich außergewöhnliche Versionen meines Lieblingsstückes: Zunächst "Goldberg vokal": Ein Sakrileg? Dilettantisch? Ich meine nicht.

    Und dann fünf Niederländerinnen auf Blockflöten: Eine für mich nicht nur äußerst virtuose, sondern vor allem spielerische, tänzerische Version, die wirklich Neues zeigt.
    Ich bin gespannt auf eure Reaktionen.

    Link oben gemäß den derzeitigen FAQ korrigiert.
    AlexanderK, Moderation

  • Hier die Goldberg-Variationen mit Kempff. Mit wenig Verzeirungen (daher die ungewohnt klingenden Arias), täuschend beiläufig gespielt, viel Pedal, "romantisch" interpretiert.

    In verschiedenen Rezensionen bei Amazon wird bemängelt, dass man BWV 988 nicht so spielen darf: keine Dynamik, kein Pedal im Original, komponiert im barocker Zeit, nicht in der Romantik.

    Dies ist mir irrelevant. Diese Einspielung funktioniert. Sie vermittelt den beruhigenden, heilenden Charakter mindestens genau so gut wie alle anderen mir bekannten Fassungen. Ich finde, dass aggressives Stakkato diesem Stück gar nicht bekommt (hier fallen mir aber keine Beispiele ein). (Gut, ich gebe zu, dass ich die Nähmaschinen-Versionen generell nicht schätze, da müsste es schon ein sehr weich klingendes Instrument sein.)

    Die Musikalität von Kempff ist unbestreitbar. Am Klangbild finde ich für eine Aufnahme von 1969 nichts auszusetzen. Nach wie vor eine meiner Lieblings-Einspielungen, auch wenn Puristen hier die Nase rümpfen.

    Die Preise auf dem Gebrauchtmarkt sind sehr schmal, auch von da eine klare Empfehlung.

    Helli

  • Gut, ich gebe zu, dass ich die Nähmaschinen-Versionen generell nicht schätze, da müsste es schon ein sehr weich klingendes Instrument sein.

    Das ist inzwischen auch möglich, denn die neueren Cembalos variieren stark in ihrem Klang (sind ja alles Nachbauten verschiedener Instrumente). Und es gibt definitiv Aufnahmen, die nicht grell klingen, sondern mit feinem Diskant:

    Pierre Hantaï
    Miyuki Takahashi

    Oder gleich was Subtiles:

    Michael Tsalka (Clavichord)

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Hallo Josquin,

    der Tsalka ist wirklich speziell. Die Version von Hantai ist schön, aber über die ganze Länge mag ich das auch nicht.

    Es gibt eine Arta-Doppel-CD mit Jaroslav Tûma. Auf einer CD die Clavichord-Version, auf der anderen Cembalo. Ist aber auch nicht wirklich was für mich.

    Helli

  • der Tsalka ist wirklich speziell.


    Es ist aus meiner Sicht jedenfalls spannend nachzuverfolgen, wie etwas vermeintlich Altvertrautes, vor dem Hintergrund der Kenntnis diverser Instrumentierungen des Werkes (Orgel, Klavier, Cembalo, Akkordeon, Streichquartett, Orchester usw.), in einem recht ungewohnten, nämlich einem Clavichord-Klanggewand, präsentiert wird, dadurch vielleicht auch das Verständnis für den Zyklus geschärft wird oder anders formuliert, neue erkenntnisfördernde Sichtweisen vermittelt werden.

    Es ist zweifellos richtig und auch gut, dass die Aufnahme sehr direkt, sozusagen aus allernächster Nähe, das Spektrum von außerordentlich subtil und intim (Var. 21, 25 - besonders schön) bis kompromisslos-energisch-perkussiv (z.B. Var. 14, 16, 17) intensiv auskostend, daherkommt. Besonders schön gelungen ist auch der der Übergang vom Quodlibet zur abschließenden Aria da capo - während noch das verhauchende Echo des Quodlibet vernehmbar ist, setzt auch schon die abschließende Aria ein, um das Gleichgewicht nach der zerrissenen Variationenfolge wieder ins schönste Gleichgewicht zu bringen.

    Es dürfte klar sein, dass das einmanualige Clavichord eben nicht bespielbar ist wie ein Clavier historischer oder moderner Bauart, ein Cembalo oder eine Orgel. Wenn dies so gehandhabt würde, stellte sich wohl recht bald eine Ernüchterung hinsichtlich des musikalischen Ergebnisses ein (auf ein nachvollziehbares musikalisches Ergebnis kommt es aber im übrigen meines Erachtens entscheidend an), mit anderen Worten, durch die Einspielung Tsalkas wird eine spezifische Lesart der Goldberg-Variationen dem Hörer/der Hörerin vermittelt, die ihren eigenständigen Stellenwert neben Einspielungen mit anderen Instrumenten beanspruchen darf, unabhängig davon was Bach konkret gewollt hat. Dass Bach aber dem Clavichord, wahrscheinlich auch aufgrund der mannigfaltigen Möglichkeiten der Anschlags- und Ton-/Klanggestaltung, sehr zugeneigt war, ist ja schließlich auch überliefert (Forkel/CPE).

    Fazit: aus meiner persönlichen Sicht - eine gelungene Aufnahme.

  • Hallo Yukon,

    die Tsalka-Einspielung muss man in der Tat genauer hören. Vom Klavier-Schönklang ist sie ja weit entfernt. Faszinierend finde ich hier die "perfekte Unperfektheit", die für mich einen großen Teil des Charmes des Clavichords und dieser Aufnahme macht. Essentiell finde ich hier auch, leise zu hören, denn das Clavichord ist ja extra ein leises Instrument.

    Faszinierend. Bestellknopf wurde gedrückt 8)

    Helli

  • Mit dieser geilen Box, wenn Du sie Dir denn zulegen solltest, machst Du gewiß nichts falsch. Bezogen auf die GBV sind dort beide Aufnahmen versammelt.

    Vielleicht sollte ich das wirklich tun... und sei es nur der Vollständigkeit halber :versteck1: gibt es tatsächlich als FLAC-Download bei presto 8)
    ... aber ohne Booklet :schimpf1:

    Helli

  • Apropos, falls eine Art nachhaltiges Interesse an Scott Ross bei Dir geweckt worden sein sollte, schau Dir die nachfolgende Doku an.

    "In April 1989, Scott Ross went to Rome, at the Villa Médicis, where he gave a lesson of music for the French Television."

    Scott Ross, bereits schwer gezeichnet , in: "Une leçon particulière de musique avec Scott Ross", Jacques Renard, 1989:

    https://www.youtube.com/watch?v=2OPBKP7c9Kg


    Cours d'interprétation avec Nicolau de Figueiredo
    J.S. Bach: Fantaisie chromatique et Fugue D minor BWV 903

    Cours d'interprétation avec Alessandro de Marchi
    François Couperin: Les Barricades mystérieuses

    Cours d'interprétation avec Nicolau de Figueiredo
    J.S. Bach: Partita No. 1, B flat Major

    36:35 --- -- zu Glenn Herbert Gould


    Zitat von Scott Ross meinte

    I say he understood nothing of Bach's music! I've listened carefully to his records: he didn't understand. He was very brilliant; I respect him up to a certain point. For me, the fact that an artist doesn't appear in public poses a problem. But at least he was a guy with the courage not to do things like other people. All the same, he was wide off the mark, so wide off the mark that you'd need a 747 to bring him back. I'm hard on Glenn Gould. Well, he's dead now, so I won't attack a colleague.

    Eine filmische Perle, wie man sie selten findet.

  • Danke, das hatte ich auch schon gefunden. Ich hab mal reingeschaut, die ersten 10 min etwa, mich interessierte seine Mimik. An AIDS glaube ich nicht, denn er wirkt er ziemlich unschwul (ich spreche aus Erfahrung ;) ), da wird es eher die unbehandelte Lungenentzündung gewesen sein. Wirklich eine Schande. (Obwohl: Boots und Lederjacke? Hmmm)

    Die FLAC sind so teuer, da kann ich auch die Box kaufen. Verkehrte Welt.

    Helli

  • Wirklich eine Schande.

    Eben:

    "The difficulty of the harpsichordist's final years were compounded because he never formalised his French residency and had not made social security payments. Which meant he was not eligible for professionally qualified medical care; so, in his last months he depended on the support of devoted friends, notably the harpsichord maker David Ley and music producer Monique Davos, who cared for him at his home in Assas until his death."

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!