Franz Liszt – "der irrende Ritter aller möglichen Orden"

  • Bis auf die h-moll-Sonate besitze ich leider kaum Aufnahmen von Liszt-Werken. Gefunden habe ich aber eben eine CD, auf der Michael Ponti neben Klavierkonzerten von Eugen d´Albert und Hans von Bronsart die "Malediction" für Klavier und Streicher von Liszt spielt. Damit habe ich es jetzt noch einmal versucht, aber auch bei sehr viel gutem Willen bleibt diese Musik für meine Ohren einfach höchst schwammig und auf seltsame Art und Weise konturlos.

    die "Malediction" ist ein Frühwerk, soweit mir bekannt. Ich finde es ganz lohnend, aber an die Qualität z.B. seines 2.Klavierkonzertes kommt es m.E. überhaupt nicht dran.

    Genau, Malédiction geht vermutlich auf ein Werk des 16jährigen zurück, wurde von Liszt 1833 erheblich überarbeitet, aber zu seinen Lebzeiten nie publiziert. Ziemlich originell, finde ich, ein früher Vorgänger des Totentanzes. Aber in der Tat nicht mit dem A-dur-Konzert vergleichbar.


    Ich habe den Verdacht, dass mit Ausnahme der h-moll-Sonate die Kenntnis auch der bekannteren Werke für Klavier solo von Liszt nicht sehr verbreitet ist. Deshalb vielleicht mal außerhalb der Reihe ein CD-Hinweis:

    Volodos bietet fantastisches Klavierspiel, aber ich empfehle die CD in erster Linie wegen der intelligenten Werkauswahl. Enthalten sind:

    Vallée d'Obermann (1838, in den 1850ern überarbeitet) aus dem ersten Band der Années de pèlerinage: Musik über Literatur, zeigt die byroneske Seite Liszts, sehr exzessiv.

    Sposalizio und Il pensieroso (1839) aus dem zweiten Band der Années: die ersten Musikstücke, die auf konkrete Werke der bildenden Kunst komponiert worden sind, ein hymnisches und ein ganz unvirtuoses, chromatisches, grüblerisches Stück.

    La prédication aux oiseaux (1863) repräsentiert eine für den späteren Liszt nicht ungewöhnliche Mischung aus prä-impressionistischen Klang und religiöser Thematik.

    Das Präludium in f-moll nach Bachs Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen (um 1860) steht für die Bach-Rezeption Liszts, ein zurückhaltendes, konzentriertes und trauriges Stück.

    Les Funérailles (1849) ist ein absolutes Muss: Liszt erkundet wie kein anderer die tiefen Lagen des Klaviers, stellt dem dissonanten Trauermarsch einen sich selbst zerstörenden Triumphmarsch im Mittelteil gegenüber.

    Das Pseudo-Nocturne En rêve (1885), die zweite Fassung der schon erwähnten Trauergondel (1882) und die frappierende Bagatelle ohne Tonart (1885) repräsentieren Aspekte des radikalen Spätwerks.


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Ein Lieblingswerk meines ehemaligen Klavierlehrers, einem Cortot- Schüler, dem die Karriere durch Lähmungen in den Händen verwehrt blieb, war die Franziskuslegende „Der heilige Franziskus über die Wogen schreitend“
    In den 70er Jahren hat mein Lehrer seine Lähmung überwunden und dieses Werk häufiger aufgeführt.
    Sein Riesensound und die äußerst intelligente Durchdringung des Notentextes, basierend auch auf Cortots unnachahmlicher Fingersatztechnik mit wenig Pedal, bleibt mir unvergesslich.

    Genau wie dieses Werk auch, welches einen analytischen und intelligenten Interpreten benötigt, denn das ist kein Klingeling.
    Mein Lehrer lebt hochbetagt immer noch, ist ein guter Freund und heißt Erwin Kemmler, das, um meinen Respekt auszudrücken.

    Viele Pianisten verehren Liszt als den Begründer des "modernen" Klavierspiels, und Liszt hat- im Gegensatz zu seinem direkten Konkurrenten Thalberg- höchstwertige Werke für sein Instrument komponiert. Auch wenn die Wertigkeit einfach schon mal darin liegen konnte, neue Techniken und Sounds vorzustellen, was ja sein Job als Paganini des Klavieres war.

    LG,
    Michael

  • Da hast Du mich missverstanden: eine Gleichsetzung von Postmoderne und "Substanzlosigkeit" liegt mir fern.

    Nach nochmaligem lesen wird mir das auch klar, war etwas schnell von mir..

    Zitat

    Ansonsten sollte man hier den Begriff der Postmoderne vielleicht nicht überstrapazieren, sondern eher mit schon eingebrachten Begriffen hantieren: übermalen, umschreiben, rearrangieren bzw. -kombinieren, dadurch Infragestellen des geschlossenen Werkbegriffs usw.

    Da ich ein ausgesprochener Liebhaber des Begriffes "Postmoderne" bin, fasziniert mich doch der Gedanke, Liszt als "postmodernen Künstler" zu verstehen, der transkribiert, umschreibt, der der Substanz (gibt es etwas flüchtigeres und schwerer zu fassendes?) in verschiedenen Formen und Gattungen nachspürt... Gerade die Transkription, im 19.Jh. eine praktisch notwendige Geschichte, bekommt ja heute ein ganz anderes Eigenleben: als postmodernes Kunstwerk, das die Substanz eines fremden Werkes in eine andere instrumentale Sphäre zu überführen versucht. Noch postmoderner: die Paraphrase, auch so eine Lisztsche Kunstform...

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Von der h-moll-Sonate existiert m.W. wirklich nur die eine Fassung. Faust-Sinfonie und Klavierkonzerte liegen aber auch in Fassungen für zwei Klaviere vor, andere Orchesterwerke m.W. sogar in zwei verschiedenen Klavierfassungen. Wobei das angeblich - ich verlasse mich hier auf Dömling - keine bloßen Klavierauszüge, sondern wirkliche Umschreibungen sind.

    Nochmal genauer nachgeschaut: Von der Faust-Sinfonie existieren auch in der Orchesterfassung zwei Versionen (1854 und 1857), wobei der Hauptunterschied in der Hinzufügung des Chorfinales besteht. Vom A-dur-Klavierkonzert gibt es offenbar eine erste Fassung von 1839, zehn Jahre später arbeitete Liszt das Werk um und benannte es als Concert symphonique - aber erst in den 50er Jahren wurde die bis heute gespielte Fassung geschaffen. Auch das Es-dur-Konzert scheint mehrere Entwicklungsstufen durchlaufen zu haben.

    Was die sinfonischen Dichtungen anbetrifft: zwei Fasssungen von Les préludes (1848, 1854), Prometheus (1850, 1855), Mazeppa (1851, 1854) und Heroide funèbre (1849, 1854), sogar drei Fassungen von der sog. Bergsinfonie (1848, 1850, 1854) und von Tasso. Lamento e trionfo (1849, 1851, 1854). Alle Angaben nach Wolfgang Dömling, Liszt und seine Zeit, Laaber 1985.


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Von der h-moll-Sonate existiert m.W. wirklich nur die eine Fassung. ...

    Was die Sonate betrifft, so sind doch vermutlich die Änderungen im Autographen gemeint (besonders der Schluss). Keine Ahnung, ob so etwas als eigene "Fassung" gelten kann.

    Zum Thema (nur kurz): Also ich besitze geschätze 20-25 CDs die ausschließlich (Klavier)-Musik von LISZT enthalten. Un die höre ich auch gern und immer wieder.
    Trotzdem spiegelt die oben erwähnte Verteilung der Threads (im Vergleich mit CHOPIN und SCHUMANN) durchaus mein Interesse wieder.
    Dennoch würde ich mich auch noch an weiteren LISZT-Threads beteiligen (z.B. über die "Etüden" oder die "Années")
    Interessant ist, dass ich bei LISZT immer erst eine absolut stimmige Interpretation brauchte um die Musik zu lieben, während z.B. ich bei SCHUMANN oder CHOPIN, die Musik oft auch schon mochte, wenn ich sie in einer (nach meinen heutigen Maßstäben) zweit- oder sogar drittklassigen Interpretation kennengelernt hatte.
    Ob das aber grundsätzlich für oder gegen "LISZT spricht " weiß ich allerdings nicht.

    Gruß petit_concours

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

  • Was die Sonate betrifft, so sind doch vermutlich die Änderungen im Autographen gemeint (besonders der Schluss). Keine Ahnung, ob so etwas als eigene "Fassung" gelten kann.

    Stimmt, Liszt hatte ja wohl ursprünglich einen hymnischen Fortissimo-Schluss der Sonate niedergeschrieben. Ist der in der Liszt-Gesamtausgabe abgedruckt? Hast Du den jemals gehört? Den jetzigen Schluss, bei dem die Sonate auf höherer Ebene quasi wieder zu ihrem Anfang zurückkehrt, fand ich immer besonders überzeugend.

    Gerade das Ende eines Werks ist naturgemäß ein neuralgischer Punkt - und wir haben jetzt immerhin schon drei Fälle, bei denen Liszt mit zwei sehr unterschiedlichen Schlüssen experimentiert hat: Die Faust-Sinfonie (bei der er erst drei Jahre später das Chorfinale angehängt hat), die Dante-Sinfonie (bei der er dem Dirigenten freistellt, welcher Schluss gewählt wird - was ich besonders bemerkenswert finde) und eben die h-moll-Sonate.


    Da ich ein ausgesprochener Liebhaber des Begriffes "Postmoderne" bin, fasziniert mich doch der Gedanke, Liszt als "postmodernen Künstler" zu verstehen, der transkribiert, umschreibt, der der Substanz (gibt es etwas flüchtigeres und schwerer zu fassendes?) in verschiedenen Formen und Gattungen nachspürt... Gerade die Transkription, im 19.Jh. eine praktisch notwendige Geschichte, bekommt ja heute ein ganz anderes Eigenleben: als postmodernes Kunstwerk, das die Substanz eines fremden Werkes in eine andere instrumentale Sphäre zu überführen versucht. Noch postmoderner: die Paraphrase, auch so eine Lisztsche Kunstform...

    In mancher Hinsicht liegen dabei, worauf Kater Murr oben schon aufmerksam gemacht hat, die prämoderne und die postmoderne Praxis gar nicht weit auseinander. Wie Du sagst: Im 18. und frühen 19. Jahrhundert ist das Umarbeitungs- und Transkriptionswesen vielleicht noch eher pragmatischen Gründen geschuldet, während es dann beim späteren Liszt einen ästhetischen Eigenwert bekommt. Liszt hat sich selbst als Reformator des Transkiptionswesens gesehen und dabei den sozialen Aspekt betont: Diese unschönen Vervielfältigungen, diese Verbreitung der Kunst nach unten hin ermangelt immerhin nicht einer guten Seite; denn sie erbaut hie und da den Ungebildeten, der sich nicht zum Verständnis höherer Kunstregionen erheben kann. In diesem Sinne möchten wir die wohlfeile Kunst nicht nur dulden, sondern uns ihrer annehmen (verbessernd wo möglich).

    Liszt war auf entsprechende begriffliche Prägungen stolz. In sein Exemplar von Lina Ramanns Biographie Franz Liszt als Künstler und Mensch notierte er in seinen letzten Lebensjahren folgende Randbemerkung: Das Wort Transcription ward von mir zum 1ten Mal gebraucht - desgleichen Reminiscences, Paraphrase, Illustration, Partition du Piano.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Noch zwei Literaturhinweise, auf die ich in der letzten Ausgabe der Pianonews gestoßen bin:

    Sehr gelobt wurde das Buch von Serge Gut, dass es zwar auf Französisch schon eine Weile lang gibt, dass aber jetzt auf Deutsch vorliegt. Für diese Veröffentlichung hat der Verfasser das Buch noch einmal umfassend überarbeitet:

    Und noch ein neuer Bildband von Ernst Burger:

    Übrigens: der Schluss der h-moll Sonate gefällt mir auch ganz ausgezeichnet! Kein pompöser Ausklang, sondern ein leises Verhallen, eben kein Theaterdonner!

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Ich versuche, auch mal zum Thema zurückzukehren und stelle einfach fest, daß ich doch einiges von Liszt habe, nicht übermäßig viel, aber auch gar nicht mal so wenig, vielleicht 15 CDs. Unter anderem eine 3 CD Box von Brilliant, eine Sony CD, was in der Brendelbox und der Decca Piano Masterworksbox drin ist, eine Solti CD mit Tondichtungen, dann noch eine weitere CD mit Tondichtungen. Wirklich "gezündet" hat wirklich das wenigste davon. Ich hörte mir, angeregt durch Empfehlungen in diesem Thread noch mal den Totentanz, Orpeus und Prometheus an - aber nichts davon gefiel mir, am ehesten noch der Prometheus.

    Da mich persönlich Liszt, von diesen gewissen Dingen wie der h moll Sonate einmal abgesehen, eigentlich immer enttäuscht hat, sehe ich auch wenig Veranlassung, mich mit weiteren CDs einzudecken, tut mir leid.

    Gruß Malcolm

    Der Hedonismus ist die dümmste aller Weltanschauungen und die klügste aller Maximen.

  • Im größten Aufnahmeprojekt, das je in der Geschichte der Tonaufzeichnung von einem einzelnen Künstler unternommen wurde, hat der Pianist Leslie Howard das Gesamtwerk Liszts für Klavier eingespielt: insgesamt 99 CDs (zum Vergleich: Schumann ca. 15, Chopin ca. 20).

    Jetzt bei Amazon für den 3. Februar angekündigt. Ungefähr 121 Stunden Klaviermusik. 99 CDs für 267,99 €, das ist ein erkleckliches Sümmchen, wenn auch auf die einzelne Scheibe umgerechnet durchaus fair.

    Wohl nur was für Freaks :D. Zudem finde ich die beiden Einzel-CDs, die ich von Howards Gesamteinspielung kenne, nicht soooo berauschend. Aber die Edition besitzt natürlich enormen Repertoirewert, weil unzählige der enthaltenen Werke wohl zum erstenmal überhaupt eingespielt worden sind.

    Auf der überaus lobenswerten Website des Labels Hyperion kann man sich hier detailliert über den Inhalt der 99 CDs informieren und erhält auch von jedem Track einen Hörschnipsel. Schon beim Scrollen über die Liste ist leicht zu erkennen, wie hoch der Anteil an unterschiedlichen Fassungen eigener Werke und an Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten ist - allein 10 CDs mit Schubert-Transkriptionen... :faint:

    Sehr zu rügen ist natürlich :D , dass die Werke für Klavier vierhändig und zwei Klaviere fehlen (somit auch alle Transkriptionen der sinfonischen Dichtungen und Sinfonien Liszts). Vielleicht wird ja noch nachgelegt... :hide:

    Wenn irgendwann mal der Preis stark runtergesetzt werden sollte, schlage ich eventuell zu. Jetzt noch nicht.


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Ich werde meistens hellhörig, wenn einem Komponisten "formale Schwächen" und "mangelnde Geschlossenheit" und "schlampige Technik (z.B. Kontrapunkt) attestiert werden. Denn wer wurde damit nicht alles abgetan? Berlioz, Liszt, Dvorak, Mahler... Vor allem hört man dies aus der Ecke, welche die Musikgeschichte auf die Linie der drei großen B's, Bruckner und Wagner reduzieren will. Aber diese Ansicht ist heute (hoffentlich) weitgehend ein historisches Artefakt. Die oft beschworene "formale Geschlossenheit" eines Bach oder Brahms kann ich jedoch nicht zwangsläufig als unabdingbar für ein großes Kunstwerk sehen. Auch wenn man Liszt eine solche Geschlossenheit gut begründet absprechen kann, kann ich dies nicht ohne weiteres als abwertendes Urteil anerkennen.

    Beste Grüße,
    Falstaff

  • Die Faust-Sinfonie habe ich seit Jahren nicht mehr gehört und sie leider nicht auf CD griffbereit, deshalb kann ich nicht detailliert werden. Aber auf eines will ich hinweisen, was mich an ihr stets besonders fasziniert hat. Nämlich wie der dritte Satz zum großen Teil mit Themen der ersten beiden bestritten wird, diese Themen jedoch sehr stark verfremdet werden. Und zwar nicht verändert in der Art einer typschen Variation, sondern vielmehr verschoben in Bezug auf die Klangfarbe und vor allem auf den Charakter. Das pompöse Faust-Motiv z.B. kommt auf einmal in diabolischen Klangfarben daher. Ich werde mir demnächst evtl. eine Aufnahme der Faust-Sinfonie besorgen, dann kann ich weitere Beispiele nennen und mehr ins Detail gehen.

    Beste Grüße,
    Falstaff

  • Ich werde meistens hellhörig, wenn einem Komponisten "formale Schwächen" und "mangelnde Geschlossenheit" und "schlampige Technik (z.B. Kontrapunkt) attestiert werden. Denn wer wurde damit nicht alles abgetan? Berlioz, Liszt, Dvorak, Mahler...

    Der große Unterschied zwischen recht vielen Werken Dvoraks und Berlioz' und fast allen Mahlers gegenüber Liszt ist allerdings deren Beliebtheit.
    Ich glaube nicht, das die Verbreitung eines Werks direkt von technischer Kunstfertigkeit abhängig ist (sonst müsste Reger wohl wesentlich populärer sein). Theoretisch motivierte, vernichtende Kritik an Tschaikowsky oder Sibelius hat deren Popularität kaum oder gar nicht eingeschränkt. Daher vermute ich, dass es im Falle von Liszt entweder etwas anderes ist (wenig eingängige oder auch nur prägnante Melodik und Motivik z.B.) oder dass die bekrittelten Mängel eben keine bloß theoretischen sind, sondern sich, selbst wenn das der nichtanalytische Hörer natürlich nicht explizit merkt, in irgendeiner Weise doch auf die Wirkung der Musik niederschlagen (z.B was die Kohärenz des Hörerlebnisses betrifft, nur eine Vermutung).
    Es kann ja nicht an einer prinzipiellen Abneigung gegenüber sinf. Dichtungen liegen, wenn die von Strauss und einige weitere (Smetana und noch ein paar, oder auch Berlioz, wenn man dessen Werke hierzu zählen möchte) bei Musikern und Publikum nach wie vor beliebt sind, während es die von Liszt anscheinend nie wirklich waren.

    Kater Murr

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Die Faust-Sinfonie habe ich seit Jahren nicht mehr gehört und sie leider nicht auf CD griffbereit, deshalb kann ich nicht detailliert werden. Aber auf eines will ich hinweisen, was mich an ihr stets besonders fasziniert hat. Nämlich wie der dritte Satz zum großen Teil mit Themen der ersten beiden bestritten wird, diese Themen jedoch sehr stark verfremdet werden. Und zwar nicht verändert in der Art einer typschen Variation, sondern vielmehr verschoben in Bezug auf die Klangfarbe und vor allem auf den Charakter.

    Dieses Verfahren der Themen-Metarmophose, bei dem ein und dasselbe Thema sehr unterschiedliche Charaktere annehmen kann, ist für Liszt ja nicht untypisch - siehe das quasi monothematische A-dur-Klavierkonzert, die h-moll-Sonate und viele andere Werke.


    Der große Unterschied zwischen recht vielen Werken Dvoraks und Berlioz' und fast allen Mahlers gegenüber Liszt ist allerdings deren Beliebtheit.

    Wenn man bei Berlioz die Fantastique abzieht, bleiben aber gerade noch dreieinhalb Werke, denen man mit einer gewissen Regelmäßigkeit in den Konzertsälen und auf den Opernbühnen begegnet: Harold en Italie, Les nuits d'été, La damnation de Faust und die notorischen Auszüge aus Roméo et Juliette. Liszt ist dagegen beim klavieristischen Repertoire nach wie vor eine feste Nummer und aus dem 19. Jahrhundert nach Beethoven, Schubert, Chopin und Schumann der meistgespielte Komponist.

    Wirklich selten hört man dagegen in der Tat die sinfonischen Dichtungen und Sinfonien, sowohl im Konzertsaal als auch auf Tonträgern: Wenn ich mich nicht irre, gibt es überhaupt nur vier Gesamtaufnahmen der sinfonischen Dichtungen in der Orchesterfassung (Haitink, Masur, Halasz, Noiseda, evtl. noch Plasson?) und erstaunlich wenige Einzelaufnahmen. Ich habe ja auch meine Schwierigkeiten mit manchen dieser Werke (und einige kenne ich kaum), aber mangelnde Komplexität kann man ihnen sicher nicht vorwerfen. Ein - auch hier - öfter geäußerter Vorwurf lautet, die thematische Substanz sei nicht immer auf der Höhe. Außerdem gibt es die z.B. aus der Tschaikowsky- und früheren Mahler-Rezeption bekannten Vorwürfe bezüglich Plakativität, kompositorischer Klischees und "Geschmacklosigkeit". Eine große Rolle spielt sicher auch, dass die virtuose Tradition des 19. Jahrhunderts uns heute eher fernsteht.

    Kürzlich las ich in Alfred Einsteins Größe in der Musik (urspr. 1941 in englischer, 1953 überarbeitet in deutscher Sprache erschienen), wie der Autor sich über die beklagenswerte Rolle Liszts im damaligen Konzertbetrieb äußert: es würde überhaupt nur noch eine sehr kleine Auswahl seiner Klavierwerke gespielt, und das bedeutendste - die h-moll-Sonate - fast gar nicht mehr. Zumindest letzterer Tatbestand trifft heute nicht mehr zu.

    Wenn diese penetranten Gedenkjahre ein Gutes haben, dann die vermehrte Präsenz der Werke eines Komponisten live und auf Tonträgern. Der Prozess einer Erweiterung des Kanons der gespielten Klavierwerke ist in vollem Gange. Bei den Liedern ist eine kleine Renaissance zumindest nicht auszuschließen. Und die sinfonischen Dichtungen - wer weiß...


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Und dann gibt es ja noch die ungarischen Rhapsodien, die man als Klassik-Einsteiger auch gern zu hören bekommt und die sicherlich nicht unter zuwenig Popularität leiden.. Ich war keine 11 Jahre, als ich die zweite? das erste mal hörte. Dann war ich lang abstinent, aber ich muß bekennen: das ist gute Musik, wenn man nicht überhaupt allem Unterhaltsamen abhold ist... Tatsache ist aber wohl schon, daß vom Lisztschen Oeuvre wie vom Berliozschen ein großer Teil kaum gespielt wird.
    Gruss
    herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Wenn man bei Berlioz die Fantastique abzieht, bleiben aber gerade noch dreieinhalb Werke, denen man mit einer gewissen Regelmäßigkeit in den Konzertsälen und auf den Opernbühnen begegnet: Harold en Italie, Les nuits d'été, La damnation de Faust und die notorischen Auszüge aus Roméo et Juliette. Liszt ist dagegen beim klavieristischen Repertoire nach wie vor eine feste Nummer und aus dem 19. Jahrhundert nach Beethoven, Schubert, Chopin und Schumann der meistgespielte Komponist.

    Angesichts der Anzahl der Klavierwerke sind aber nur recht wenige Stücke wirklich präsent (im Gegensatz zu Chopin, oder auch Schumann und Beethoven) und fast immer wieder dieselben. Bei Berlioz spielt sicher auch der extreme Aufwand einiger Opern oder der geistlichen Werke eine Rolle. Aber es stimmt tatsächlich, dass hier nur sehr wenig bekannt ist (es gibt freilich auch nicht so viel wie von Liszt).

    Zitat


    Wirklich selten hört man dagegen in der Tat die sinfonischen Dichtungen und Sinfonien, sowohl im Konzertsaal als auch auf Tonträgern: Wenn ich mich nicht irre, gibt es überhaupt nur vier Gesamtaufnahmen der sinfonischen Dichtungen in der Orchesterfassung (Haitink, Masur, Halasz, Noiseda, evtl. noch Plasson?) und erstaunlich wenige Einzelaufnahmen. Ich habe ja auch meine Schwierigkeiten mit manchen dieser Werke (und einige kenne ich kaum), aber mangelnde Komplexität kann man ihnen sicher nicht vorwerfen. Ein - auch hier - öfter geäußerter Vorwurf lautet, die thematische Substanz sei nicht immer auf der Höhe. Außerdem gibt es die z.B. aus der Tschaikowsky- und früheren Mahler-Rezeption bekannten Vorwürfe bezüglich Plakativität, kompositorischer Klischees und "Geschmacklosigkeit".

    Die von mir oben aufgeworfene Frage zielt eben gerade dahin: Warum haben die "bekannten Vorwürfe bezüglich Plakativität, kompositorischer Klischees und 'Geschmacklosigkeit'" bei Tschaikowsky, Grieg, Rachmaninoff, Sibelius u.va. deren Popularität weder verhindert noch je ernsthaft gefährdet, während sich Liszts sinf. Dichtungen anscheinend von Anfang an gar nicht recht etablieren konnten? Liszts Werke hatten 40 oder mehr Jahre mehr Zeit gegenüber Mahlers, waren im 3. Reich nicht verbannt und der Name war aufgrund der populäreren Klavierwerke wie der Ungar. Rhapsodien immer präsent. Sicher sterben Vorurteile nur langsam. Aber nach 40 Jahren "Mahler-Renaissance", ungebrochener Popularität der anderen genannten, Etablierung von Sibelius, Nielsen usw. fragt man sich schon, wann den die Zeit dieser Werke kommen soll...
    (Mangelnde Komplexität habe ich übrigens gar nicht erwähnt. Ich vermutete mangelnde Kohärenz, da diese die Fasslichkeit erleichter, wenn die nicht durch prägnante Melodik o.ä. ohnehin leichter fällt.)

    Zitat


    Eine große Rolle spielt sicher auch, dass die virtuose Tradition des 19. Jahrhunderts uns heute eher fernsteht.

    Das gilt aber eben nur für Liszt von den bekannteren Komponisten. Nicht für Chopin oder Rachmaninoff, oder bei Konzerten auch Grieg, Tschaikowsky

    Zitat


    Kürzlich las ich in Alfred Einsteins Größe in der Musik (urspr. 1941 in englischer, 1953 überarbeitet in deutscher Sprache erschienen), wie der Autor sich über die beklagenswerte Rolle Liszts im damaligen Konzertbetrieb äußert: es würde überhaupt nur noch eine sehr kleine Auswahl seiner Klavierwerke gespielt, und das bedeutendste - die h-moll-Sonate - fast gar nicht mehr. Zumindest letzterer Tatbestand trifft heute nicht mehr zu.

    Im Beiheft der Naxos-Ausgabe von Horowitz' Einspielung der Sonate aus den 1930er Jahren wird erwähnt, dass bei einer damaligen Rezension der Platten "the Gramophone Reviewer [...] took a whole column denigrating the work." Die Sonate sei als "a funny mixture of real and shoddy, art and artificiality, great ideas and tawdry mindedness" beschrieben worden. "The coda breaks lolloping in: cheap, cheap, Liszt."

    Tovey, der Berlioz' Fantastique" und Harold ungeachtet einiger Seitenhiebe wohlwollend diskutiert (ebenso Mahlers 4., Elgars Falstaff, Strauss' Don Juan), sinkt nicht so tief, aber er schreibt zur "Bergsinfonie" (in einem Aufsatz zu Beethovens 9.):
    "This work consists of an introduction to an introduction to a connecting link to another introduction to a rhapsodic interlude, leading to a free development of the thrid introduction, leading to a series of still more introductory developments of the previous introduction, leading to a solemn slow theme (which after these twenty minutes, no mortal power will persuade any listener to regard as a real beginning), and so evenutally leading backwards to the original mysterious opening by way of conclusion." (Symphonies and orchestral works, Oxford, 1989, 89)
    Im Text zu Sibelius 3. (ebd. 492): "Liszt achieved at best, as in Orpheus, a large orchestral lyric, or, as in Mazeppa, an enlarged Etude d'execution transzendante: at worst, in Ce qu'on entend sur la montagne, forty minutes of impressive introductions to introductions." Und im Text zu Mahlers 4., (ebd. 383): "[...] I flatly refuse to class Mahler with either Liszt or Meyerbeer. Liszt is for me a composer whose art has a definite taint which ruins my enjoyment of much that would otherwise fascinate me. Meyerbeer is a very clever, and sometimes very inventive composer who is such a thorough humbug that I cannot regard him as a real person at all, and cannot be bothered to argue with people who can." Liszt ist also immerhin satisfaktionsfähig... schade, dass unklar bleibt, worin der grundsätzliche Makel besteht, der Tovey stört.

    viele Grüße

    Kater Murr

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)


  • "This work consists of an introduction to an introduction to a connecting link to another introduction to a rhapsodic interlude, leading to a free development of the thrid introduction, leading to a series of still more introductory developments of the previous introduction, leading to a solemn slow theme (which after these twenty minutes, no mortal power will persuade any listener to regard as a real beginning), and so evenutally leading backwards to the original mysterious opening by way of conclusion." (Symphonies and orchestral works, Oxford, 1989, 89)

    Haargenau so hab ich das auch empfunden. Einleitungen zu Einleitungen, but "where is the meat?"
    Von einer "Berg-Sinfonie" erwarte ich irgendwie auch "bergmäßige" Themen, erratische, charakteristische, Bruckner-artige...

    Zitat

    ... schade, dass unklar bleibt, worin der grundsätzliche Makel besteht, der Tovey stört.


    Das ist ja auch schwer zu benennen, zumal manche Werke wunderbar funktionieren, andere dagegen irgendwie enttäuschen. Am technischen scheint es ja, nach unseren vielen Beispielen für entwickelnde Variation etc, nicht zu liegen. Vielleicht hat ihn manchmal einfach das Gefühl für tragende Themen verlassen, das, was bei aller Konstruktivität auch mal von "schlagender" Überzeugungskraft ist - vielleicht ist es eben grad das Plakative, das manchmal fehlt, das uns im Übermaß nerven würde, aber ohne das es eben auch schnell fad wird. Die Werke, die von solch "plastischen" Themen getragen werden, wie die Klavierkonzerte, "les Préludes", Mazeppa etc, funktionieren ja, und dann macht es auch Freude, den Weg eines solchen Themas durch allerlei Verwandlungen zu verfolgen. Aber wenn das Thema nicht recht zu fassen ist oder Einen nicht recht ergreift, kommt einem auch die Verwandlung nicht so spannend vor.

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Angesichts der Anzahl der Klavierwerke sind aber nur recht wenige Stücke wirklich präsent (im Gegensatz zu Chopin, oder auch Schumann und Beethoven) und fast immer wieder dieselben.

    Was sich aber seit einiger Zeit ändert: Wenn man sich CD-Neuerscheinungen und Programme von Klavierabenden anschaut, bringen die Pianisten neben dem unangefochtenen Spitzenreiter h-moll-Sonate inzwischen größere Teile des Liszt'schen Klavierwerks zu Gehör als früher.

    Eine kleine Renaissance scheinen Liszts Lieder zu erfahren: Zwei Gesamteinspielungen sind in Angriff genommen und diverse Auswahl-CDs erscheinen. Das sah vor etwa 4-5 Jahren noch ganz anders aus.


    Die von mir oben aufgeworfene Frage zielt eben gerade dahin: Warum haben die "bekannten Vorwürfe bezüglich Plakativität, kompositorischer Klischees und 'Geschmacklosigkeit'" bei Tschaikowsky, Grieg, Rachmaninoff, Sibelius u.va. deren Popularität weder verhindert noch je ernsthaft gefährdet, während sich Liszts sinf. Dichtungen anscheinend von Anfang an gar nicht recht etablieren konnten?

    Ich kann auch nur Vermutungen anstellen: Liszts Themen sind weitaus spröder als etwa die von Tschaikowsky, Grieg, Dvorak (wie im letzten Beitrag von Philmus dargelegt). Der formale Aufbau der Werke ist teilweise wesentlich schwieriger nachzuvollziehen. Die Hörerwartungen orientieren sich bis heute immer noch stark am Typus der klassisch-romantischen mehrsätzigen Sinfonie - da hat es die sinfonische Dichtung schwer (siehe auch die relative Unbekanntheit der sinfonischen Dichtungen Dvoraks gegenüber den Sinfonien, bei mindestens ebenbürtiger Qualität). Die wenigen populären Exemplare der Gattung Sinfonische Dichtung sind entweder stark illustrativ (Moldau) oder sehr gut narrativ nachvollziehbar (Strauss - man vergleiche nur die Alpensinfonie mit Liszts Bergsinfonie). Liszt dagegen "erzählt" fast nie außermusikalische Handlungen, sondern geht von der "Idee" oder Struktur bestimmter Dichtungen bzw. Bilder aus.


    Zitat

    Liszts Werke hatten 40 oder mehr Jahre mehr Zeit gegenüber Mahlers, waren im 3. Reich nicht verbannt und der Name war aufgrund der populäreren Klavierwerke wie der Ungar. Rhapsodien immer präsent. Sicher sterben Vorurteile nur langsam. Aber nach 40 Jahren "Mahler-Renaissance", ungebrochener Popularität der anderen genannten, Etablierung von Sibelius, Nielsen usw. fragt man sich schon, wann den die Zeit dieser Werke kommen soll...
    (Mangelnde Komplexität habe ich übrigens gar nicht erwähnt. Ich vermutete mangelnde Kohärenz, da diese die Fasslichkeit erleichter, wenn die nicht durch prägnante Melodik o.ä. ohnehin leichter fällt.)

    Zumindest vor dem Ersten Weltkrieg scheinen die sinfonischen Dichtungen öfter gespielt worden zu sein. Ganz sind sie nie aus dem Repertoire verschwunden, seit den 70er Jahren gibt es immer mal wieder stärkere Wiederbelebungsversuche - was vielleicht auch daran liegt, dass die Schlüsselstellung dieser Werke in der Sinfonik des 19. Jahrhunderts von der Musikwissenschaft stärker hervorgehoben wurde.

    Ich habe gestern und heute nochmal drei der sinfonischen Dichtungen angehört: Prometheus, die Bergsinfonie und Les préludes.

    Prometheus, von mir weiter oben noch angepriesen, hat mich jetzt doch etwas enttäuscht: Der Beginn mit den übereinandergeschichteten Quarten ist grandios und auch sehr imaginativ. Die beiden späteren Themenkomplexe dagegen sind ziemlich unkonturiert. Liszt neigt hier auch dazu, bestimmte Dinge zweimal zu sagen. Außerdem gibt's einiges Skalengesause, als handele es sich um die Orchesterfassung eines Klavierstücks. Formal ist dieses Stück gut nachvollziehbar, eine Art Sonatensatzform ohne Durchführung, aber mit stark veränderter Reprise.

    Bei der Bergsinfonie hab ich keinen Fuß auf den Boden gekriegt, was wohl den den oben geschilderten Erfahrungen Toveys und Philmussens ähnlich ist. Gerade an diesem Werk hat ja anscheinend Carl Dahlhaus die Neuartigkeit und Schlüssigkeit der Liszt'schen Kompositionsweise in einem Aufsatz dargelegt. Muss ich mir mal besorgen. Fazinierend fand ich auch hier den Beginn, dieses vage Grummeln in den tiefsten Tiefen des Orchesters. Aber dann...

    Les préludes fand ich diesmal am ansprechendsten: schönes thematisches Material, originelle formale Konzeption, einfallsreiche Instrumentation. Das Ende kommt etwas militant daher, aber es ist noch zu ertragen.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Die Hörerwartungen orientieren sich bis heute immer noch stark am Typus der klassisch-romantischen mehrsätzigen Sinfonie - da hat es die sinfonische Dichtung schwer (siehe auch die relative Unbekanntheit der sinfonischen Dichtungen Dvoraks gegenüber den Sinfonien, bei mindestens ebenbürtiger Qualität)...
    .... Liszt dagegen "erzählt" fast nie außermusikalische Handlungen, sondern geht von der "Idee" oder Struktur bestimmter Dichtungen bzw. Bilder aus.


    Also geht es vielleicht um ein grundsätzliches Problem der "Programmmusik"? Daß sie eben doch manchmal ohne detailierte Kenntnis der Vorlage nicht zu verstehen ist? Was die Vorliebe für extrem illustrative Werke (Moldau, Alpensinfonie) verständlich macht und für Liszt, der auf eben diese "Plakativität" und "Erzählung" zugunsten der "Idee" verzichtet, zu einem Problem wird. Vielleicht könnte man so formulieren: daß er für dieses Genre zu ernsthaft komponiert hat, also die symphonische Tradition, wo ja vordergründig auch die Themen und ihre Entwicklung als Inhalt erstmal reichen, in dieser doch nach anderen Gesetzen funktionierenden Richtung fortzusetzen versucht hat.
    Ähnlich problematisch fand ich auch die Messen, aber das ist nochmal ne andere Baustelle...

    Zitat

    seit den 70er Jahren gibt es immer mal wieder stärkere Wiederbelebungsversuche - was vielleicht auch daran liegt, dass die Schlüsselstellung dieser Werke in der Sinfonik des 19. Jahrhunderts von der Musikwissenschaft stärker hervorgehoben wurde.

    Was ich auch wichtig finde: Daß die Bedeutung eines Komponisten nicht immer daran gemessen werden kann, was sie uns heute grad zu sagen haben.

    Gruss
    herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Also geht es vielleicht um ein grundsätzliches Problem der "Programmmusik"? Daß sie eben doch manchmal ohne detailierte Kenntnis der Vorlage nicht zu verstehen ist? Was die Vorliebe für extrem illustrative Werke (Moldau, Alpensinfonie) verständlich macht und für Liszt, der auf eben diese "Plakativität" und "Erzählung" zugunsten der "Idee" verzichtet, zu einem Problem wird. Vielleicht könnte man so formulieren: daß er für dieses Genre zu ernsthaft komponiert hat, also die symphonische Tradition, wo ja vordergründig auch die Themen und ihre Entwicklung als Inhalt erstmal reichen, in dieser doch nach anderen Gesetzen funktionierenden Richtung fortzusetzen versucht hat.

    Genauso argumentiert Wolfgang Dömling in seiner Liszt-Monographie: Straussens sinfonische Dichtungen seien eine "Trivialisierung" des Liszt'schen Konzepts. (Jetzt haben wir gleich wieder eine Strauss-Debatte am Bein kleben - ich bekenne mich also vorsichtshalber dazu, dass ich einige Strauss-Tondichtungen sehr schätze :D ).

    Ich bin allerdings schon von Berufs wegen skeptisch gegenüber einem Ausspielen der "Idee" gegen das "Illustrative" und "Narrative"...

    Der Bezug der sinfonischen Dichtungen Liszts zu ihren außermusikalischen Referenzen scheint sehr verschieden auszufallen, es gibt da auch viel "Narratives" und "Illustratives".

    Vielleicht hätte ich mir vor dem Hören der Bergsinfonie mal Victor Hugos Ce qu'on entend sur la montagne zu Gemüte führen sollen: Ce fut d'abord un bruit large, immense, confus... ;+)


    Was ich auch wichtig finde: Daß die Bedeutung eines Komponisten nicht immer daran gemessen werden kann, was sie uns heute grad zu sagen haben.

    Das stimmt. Mich reizt ja gerade das Problematische, Sperrige, Disparate an Liszt.


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Genauso argumentiert Wolfgang Dömling in seiner Liszt-Monographie: Straussens sinfonische Dichtungen seien eine "Trivialisierung" des Liszt'schen Konzepts. (Jetzt haben wir gleich wieder eine Strauss-Debatte am Bein kleben - ich bekenne mich also vorsichtshalber dazu, dass ich einige Strauss-Tondichtungen sehr schätze :D ).

    Da schließe ich mich gleich mal an.... Und dreh das mal um: vielleicht stellt Strauss das Lisztsche Konzept auf die Füße? Zumindest scheint an dem Konzept irgendwas unklar...
    Ist es eben der Versuch, Programmusik zu schreiben, aber das Programm auf die "Idee" zu reduzieren, also es auch als formalen Anker relativ unbrauchbar zu machen?
    Könnte man von "Tod und Verklärung" auch behaupten, aber da geht es auf.

    Zitat

    Ich bin allerdings schon von Berufs wegen skeptisch gegenüber einem Ausspielen der "Idee" gegen das "Illustrative" und "Narrative"...


    Das ist jetzt für mich ein Insider, da ich Deinen Beruf nicht mal erahnen kann.....
    Aber es geht ja auch jetzt nur darum, die Eignung der "Idee" bzw des "Narrativen" als formevozierende Größe zu vergleichen. Das sagt ja über den absoluten Wert solcher Kategorien nichts aus. Allemal wird es leichter sein, für ein Ding oder eine fest umrissene Figur ein charakteristisches, plastisches -verständliches?- Tonsymbol zu finden als für eine Idee...

    Zitat

    Das stimmt. Mich reizt ja gerade das Problematische, Sperrige, Disparate an Liszt.

    Was dann aber leider oft nicht so sperrig und interessant klingt, wie es sich im drüber-nachsinnen anfühlte...
    Klar ist, es lohnt sich in dem Fall unbedingt, darüber zu sinnieren, was einen da seltsam an- oder auch mal garnicht be-rührt.

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

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