Franz Liszt – "der irrende Ritter aller möglichen Orden"

  • Aus den Tiefen des Netzes hervorgekramt: Einen NZZ-Artikel über Liszts sinfonische Dichtung "Von der Wiege bisz um Grabe" von Wolfgang Dömling aus dem Jahr 2005.

    Ich muss gestehen, dass ich diese Tondichtung von Liszt überhaupt nicht kenne. Allerdings geht mir das auch mit einigen anderen Tondichtungen Liszts so. Die Tendenz, die Dömling beschreibt, lässt sich aber auch sonst im Spätwerk Listrs beobachten: die Tendenz zur Verknappung und Konzentration. Weg von dem pompösen Überschwang so mancher Werke, die einige Jahrzehnte früher entstanden.

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Wie nicht wenige andere hatte auch ich bisher um Liszt eher einen Bogen gemacht. Nun, anlässlich des 200., hat sich dies geändert.
    Seit Tagen höre ich (beinahe) nichts anderes: die Klavierkonzerte(Ax, Salonen), Etudes d'execution trancendante (Ott),Année de pèlerinage(Brendel).
    Sehr hörenswert und Appetit anregend fand ich die "Diskothek im Zwei"-Ausgabe zu den Etudes d'execution trancendante. Die geladenen Gäste zeigten sich begeistert über die Qualität jüngerer Aufnahmen (Vesselin Stanev (2010), Miroslav Kultyshev (2008) und Alice Sara Ott (2008) während die Einspielungen von Gorge Bolet(1986) und Claudio Arrau(1974/77) schnell rausflogen. Das Blatt wendete sich allerdings noch zu Gunsten der alten Klavierlöwen als die Moderatorin als Surprise Busoni und Cziffra einspielte. Die Studiogäste und vermutlich auch viele Radiozuhörer (so wie ich) waren völlig von den Socken und wollten am liebsten nur noch Busoni hören. Der Wunsch konnte aber nicht erfüllt werden, weil nur die eine gespielte Etüden auf CD greifbar sei. Es handelt sich eine Welte-Mignon-Aufnahme von 1900. Aber auch Cziffra(1954/55) überragte die jüngeren Pianisten in Perfektion.Letztere wurden trotzdem sehr positiv bewertet. Auch in Hinsicht des noch jungen Alters (Ott und Kultyshev) könne man hier gespannt auf ihre zukünftige Leistung sein. Ich habe mir die Ott-Einspielung gekauft, um die ich ohne die Höreindrücke aus der Sendung wohl eher einen Bogen gemacht hätte, da mich das dämliche Sex-Sells-Marketing von DG hier eher skeptisch stimmt. Bestellt habe ich mir ausserdem noch die Stanev-Einspielung.

    Vorletzte Woche war ich in der Berliner Philharmonie, wo unter der Leitung von Jos van Immersell das belgische Ensemble Anima Eterna
    Liszt auf historischen Instrumenten gespielt hat. Das Programm war in etwa identisch zu dem auf dieser CD enthaltenen:

    Mit dem Konzert und dieser CD habe ich nun einen kleinen Einblick in das Orchersterwerk, das mich bisher etwas weniger begeistert als die Klavierwerke.

    Zuletzt noch möchte ich dringend vor den Kauf der Lisztbiographie von Oliver Hilmes warnen:

    Leider hatte ich ohne vorherige Recherche zugegriffen. Das Buch bietet leider fast ausschliesslich einen (voyeuristisch gefärbten) Einblick in Liszts Privatleben. Dies gehört sicherlich mit der nötigen sachlichen Zurückhaltung zu einer Biographie dazu und ist im Falle von Liszt auch alles andere als uninteressant. Aber ich hatte gehofft über die Biographie auch der Bedeutung und der Entstehungsgeschicht von Liszts umfangreichen Werk näher zu kommen. Statt Details zu seinen Frauenbekanntschaften hätten mich vielmehr Details zu seinen Musikerfreundschaften und zum damaligen Kulturleben allgemein interessiert. Aber hier ist das Buch äusserst dünn. Auch die Beziehung zu Wagner wird rein familiär ausgeleuchtet. Im Vorwort wird angedeutet Wagner hätte bei Liszt geklaut. Das wäre ein interessantes Thema zur Vertiefung gewesen.
    Die Enttäuschung über das Buch ist besonders gross, nachdem ich neulich die ausgezeichnete Mahlerbiographie von Jens-Malte Fischer gelesen habe. Ich hätte vorgewarnt sein sollen: Statt einer Mahler-Biographie hat Oliver Hilmes eine Biographie zu Alma Mahler-Werfel verfasst. Den Inhalt kann ich mir vorstellen. Ob es da auch ein Kapitel mit der Überschrift "Spionin in Spitzenhöschen" gibt?

    Für Hinweise auf bessere Literatur zu Franz Liszt und seiner Rezeptionsgeschichte wäre ich Euch dankbar.

    Auch würde mich Näheres zur angedeuten musikalischen Einfluss Liszts auf Wagner interessieren. Und in wie fern ist es es wahr, dass der Wagner-Clan einen grösseren Bekanntschaftsgrad seines Werkes zu unterdrücken gesucht hat, um ihn ganz in den Schatten Wagners zu stellen?

    Gruss
    Hudebux


  • Auch würde mich Näheres zur angedeuten musikalischen Einfluss Liszts auf Wagner interessieren. Und in wie fern ist es es wahr, dass der Wagner-Clan einen grösseren Bekanntschaftsgrad seines Werkes zu unterdrücken gesucht hat, um ihn ganz in den Schatten Wagners zu stellen?

    Das Gerücht habe ich noch nie gehört. Es scheint mir angesichts der Tatsache, dass die jeweiligen Oeuvres beinahe völlig disjunkt bezüglich der behandelten Musikgattungen sind, auch ziemlich unwahrscheinlich. Es gibt keine Liszt-Opern, die im Schatten Wagners stehen könnten und keine Wagnerschen Klavierwerke oder Tondichtungen usw.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • An Kater Murr:
    Wer sollte, von aussen betrachtet, berufener sein als die Familie Wagner, neben R. Wagner auch das Andenken an F. Liszt zu wahren?
    Wenn man aber UrUrenkelin von Liszt Nike Wagner glauben darf, wird Liszt in Bayreuth seit jeher stiefmütterlich behandelt. Siehe z.B. dieses Zeit-Interview: http://www.zeit.de/2011/18/KS-Liszt , in dem Nike Wagner unter anderem gefragt wird:

    Zitat

    Haben die Wagnerianer die Rezeption von Liszt ruiniert? Noch immer ist nur eine Handvoll seiner Stücke bekannt, den meisten gilt er nur als schillernde Figur.


    Sie antwortet ausweichend und eher verneinend. Aber die Frage scheint also doch im Raum zu stehen...
    Im Vorwort von Oliver Hilmes Buch wird Simon Rattle zitiert. Er nenne R.Wagner eine "ganz grosse Elster" und: "Wenn man die Walküre kennt, dann ist es ein Schock , Liszts Faust-Sinfonie kennen zu lernen und zu hören, wie viel Wagner gestohlen hat."
    Eingefleischte Wagnerianer sind über solche Unterstellungen sicherlich nicht amused.

    An Miguel54:
    Vielen Dank für den Hinweis.

    Hudebux

  • Es scheint mir angesichts der Tatsache, dass die jeweiligen Oeuvres beinahe völlig disjunkt bezüglich der behandelten Musikgattungen sind, auch ziemlich unwahrscheinlich.

    Das wäre ein Argument, das Wagner ja auch davon hätte abhalten können, gegen Brahms zu polemisieren. Ist also keins.

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Klar, Cosima war das einzige überlebende Kind Liszts - und sie hat nicht das Geringste für die Verbreitung des Werks oder Andenkens ihres Vaters getan. Das gleiche gilt für ihre Kinder (vielleicht mit Ausnahme Danielas) und Enkel. Zudem wurde die Rolle Liszts in der wagnerianischen (sprich: von der Familie Wagner direkt und indirekt kontrollierten) Literatur durchweg minimiert. Angesichts der Tatsache, dass Wagner ohne die Förderung Liszts kaum soweit gekommen wäre und von dessen kompositorischen Errungenschaften stark profitiert hat, ist das sicher kein schöner Zug.

    Auf der anderen Seite ist die temporäre Missachtung Liszts in Musikerkreisen sicher nicht nur auf die (In)aktivität der Wagner-Familie zurückzuführen, das hatte auch andere Gründe. Nike Wagner muss halt als dem Wagnerclan entstammende Intendantin eines Liszt-Festivals diese Butter aus Werbezwecken besonders dick aufs Brot schmieren.

    Eine große Neuentdeckung ist es jedenfalls nicht, dass Wagner sich einiges von Liszt abgeschaut hat (Wagner hat das zumindest zeitweise auch offen zugegeben). Da jetzt wieder mal mit bürgerlichen Eigentumsbegriffen zu hantieren ("Elster"), finde ich eher albern: in diesem Sinne wäre auch Beethoven gegenüber Haydn und Mozart eine "Elster", oder Schubert gegenüber Beethoven. Prozesse produktiver Aneignung prägen nun mal einen Großteil der Musikgeschichte. Wagner hat die Liszt'schen Techniken und (im Einzelfall) Motive/Themen ja nicht bloß kopiert, sondern in neue Kontexte versetzt und weiterentwickelt.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Hallo Zwielicht,

    ich wundere mich auch über die starken Formulierungen von S. Rattle, wenn er es denn so gesagt hat. Alles nur effektvolles Rhetorik, oder wirklich so gemeinte Anklage? Er soll es auf einer Podiumsdiskussion zum Thema Wagner vor einigen Jahren in Amsterdam so formuliert haben. Als Quelle ist Nicholas Kenyon, Simon Rattle. Abenteuer der Musik, Berlin 2001 angegeben.

    Hudebux

  • Das wäre ein Argument, das Wagner ja auch davon hätte abhalten können, gegen Brahms zu polemisieren. Ist also keins.

    Brahms war aber ein "Gegner", da ging es um den grundlegenden Gegensatz der konservativen und neudeutschen "Schulen", Liszt ein Förderer.
    Was genau hätte "Bayreuth" denn machen sollen? Klavierabende mit Listzscher Musik im Winter? Bayreuths Zweck war die Aufführung der Bühnenwerke Wagners, mir ist schleierhaft, warum man von den Wagners in Bayreuth überhaupt Einsatz für Liszts Musik erwartet. Angesichts der familiären Verhältnisse vielleicht nachvollziehbar, angesichts der Ressourcen und Energien, die das Festival erforderte, aber wenig wahrscheinlich, und schon Richard Wagner interessierte sich bekanntlich hauptsächlich für die Musik Wagners... Fehlender Einsatz ist übrigens auch etwas anderes als aktives Unterdrücken.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Prozesse produktiver Aneignung prägen nun mal einen Großteil der Musikgeschichte. Wagner hat die Liszt'schen Techniken und (im Einzelfall) Motive/Themen ja nicht bloß kopiert, sondern in neue Kontexte versetzt und weiterentwickelt.

    Geschenkt. Nur war es bis dato unter wohlerzogenen Komponisten üblich, seine Vorläufer und alle, denen man da etwas verdankt, zu ehren anstatt sie zu ignorieren oder gar (wie bei Mendelssohn) völlig unsachlich zu verdammen. Und das betrifft eben nicht nur die materielle Förderung, die Du hier

    Angesichts der Tatsache, dass Wagner ohne die Förderung Liszts kaum soweit gekommen wäre und von dessen kompositorischen Errungenschaften stark profitiert hat, ist das sicher kein schöner Zug.

    ansprichst. Anscheinend hat sich dieser ignorante 1-Personenkult in der Familie dann fortgesetzt, und ich gönne es Nike Wagner, daß sie damit auch ruhig etwas Werbung macht, da auszuscheren. Daß man dabei auch gerne etwas dick aufträgt, gehört wohl zum Handwerk. Das Interview fand ich jedenfalls erfrischend und informativ.

    Gruss
    herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Angesichts der familiären Verhältnisse vielleicht nachvollziehbar, angesichts der Ressourcen und Energien, die das Festival erforderte, aber wenig wahrscheinlich, und schon Richard Wagner interessierte sich bekanntlich hauptsächlich für die Musik Wagners...

    Das verzeihe ich jedem Schaffenden Künstler immer, auch wenns nicht sympathisch ist; der muß seine Energie beisammenhalten. Aber

    Was genau hätte "Bayreuth" denn machen sollen?

    von den Nachkommen kann man doch erwarten, daß sie das im Nachhinein zurechtrücken, und wenn sie nur mal zum Ausdruck bringen, daß sie das etwas anders sehen als ihr Vorfahr???

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Klavierabende mit Listzscher Musik im Winter?

    Warum eigentlich nicht? Und gleich noch ein paar "Lieder ohne Worte" eingestreut... :D

    Vielleicht kommt ja irgendwann ans Licht, daß die Wochenschau-Fanfaren auf einen Tip der Wagners zurückgehen und daß das eine Art Förderung war :stumm:

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Was genau hätte "Bayreuth" denn machen sollen? Klavierabende mit Listzscher Musik im Winter? Bayreuths Zweck war die Aufführung der Bühnenwerke Wagners, mir ist schleierhaft, warum man von den Wagners in Bayreuth überhaupt Einsatz für Liszts Musik erwartet.

    Soviel habe ich immerhin aus meiner Lektüre gelernt. Liszts Präsenz in Bayreuth war als Zugpferd sehr wichtig für Wagner. Und ja, er hat auch Klavierabende in Bayreuth gegeben. Ein wichtiger Unterhaltungsfaktor an Opern freien Abenden, denke ich. Bis zu Wagners Tod war Liszt daher gern gesehener Gast in der Villa Wahnfried. Als die Finanzierung des Festspielhauses zu scheitern drohte begab sich Wagner auf Konzerttournee, um Geld einzuspielen. In Pest drohte das Konzert ein finanzielles Desaster zu werden bis Liszt einsprang und seine Teilnahme am Konzert ankündigte.
    Gegenfrage: Warum sollte es sich für die Wagners nicht lohnen, sich mit "ihrem" genialen Liszt zu schmücken, wie sie es dazumal ja getan haben? Sicherlich: Liszt musste sich auch damals hüten sich nicht all zu sehr in den Vordergrund zu schieben. Das hätte Richard sicherlich nicht geschmeckt.

    Hudebux

  • Was genau hätte "Bayreuth" denn machen sollen? Klavierabende mit Listzscher Musik im Winter? Bayreuths Zweck war die Aufführung der Bühnenwerke Wagners, mir ist schleierhaft, warum man von den Wagners in Bayreuth überhaupt Einsatz für Liszts Musik erwartet.

    Naja, "Bayreuth" = "Wagners" = "Liszts". Und spätestens seit der Konsolidierung der Festspiele in den späten 1880ern und 1890ern waren die Wagners (sprich: Cosima, später Siegfried) einer der einflussreichsten Faktoren im deutschen Musikleben. Da hätte schon einiges bewirkt werden können, was die Aufführungen Liszt'scher Werke betrifft. Oder einfach auch die Nachlasspflege: Herausgabe unveröffentlichter Werke etc. Außerdem, wie gesagt: Würdigung Liszts als Wegbereiter Wagners.


    Nur war es bis dato unter wohlerzogenen Komponisten üblich, seine Vorläufer und alle, denen man da etwas verdankt, zu ehren anstatt sie zu ignorieren oder gar (wie bei Mendelssohn) völlig unsachlich zu verdammen.

    Bezüglich Mendelssohn hast Du recht. Aber dass Wagner Liszt nicht geehrt und gedankt hätte, kann man wirklich nicht behaupten: das hat er in Wort und Schrift ausführlich getan (z.B. Rede bei der Grundsteinlegung zum Festspielhaus, Aufsatz über die sinfonischen Dichtungen Liszts usw.). Man kann Wagner auch nicht vorwerfen, dass er grundlegende ästhetische Differenzen zu Liszt brieflich artikuliert hat oder mit Liszts Spätwerken nichts anfangen konnte. Wenn beide sich in ihren letzten Lebensjahren zunehmend gegenseitig auf die Nerven gegangen sind, ist das bei zwei alternden, idiosynkratischen Alphatieren im übrigen nicht weiter verwunderlich :D.

    Die weitgehende Negierung Liszts in der Wagner-Familie ist erst unter Cosima virulent, vorher wird sie nur intern artikuliert (vgl. Cosimas Tagebücher).


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Die Enttäuschung über das Buch ist besonders gross, nachdem ich neulich die ausgezeichnete Mahlerbiographie von Jens-Malte Fischer gelesen habe. Ich hätte vorgewarnt sein sollen: Statt einer Mahler-Biographie hat Oliver Hilmes eine Biographie zu Alma Mahler-Werfel verfasst. Den Inhalt kann ich mir vorstellen. Ob es da auch ein Kapitel mit der Überschrift "Spionin in Spitzenhöschen" gibt?

    Oliver HIlmes ist eben kein Musikwissenschaftler. Was die "Witwe im Wahn" betrifft muss ich aber doch eine Lanze für Hilmes brechen. Es gibt ein interessantes Charakterbild dieser Frau, gepaart mit einem bunten Sittengemälde der Künstlergesellschaft der Zeit bis hin zu einer spannenden Fluchtgeschichte vor dem Dritten Reich zusammen mit Werfel. Ich habe die Lektüre nicht bereut. Übrigens habe ich auch den Liszt von Hilmes als Urlaubslektüre gerne gelesen, weil ich genau das erwartet hatte: eine kurzweilige Beschreibung seines Lebens und seiner Umstände. Ich finde, Du gehst mit dem Buch etwas zu hart ins Gericht und bist mit falschen Erwartungen an das Buch gegangen. Einen Vergleich mit Jens-Malte Fischer, den ich im Übrigen auch gerne gelesen habe, hält das Buch nicht stand, dem will es sich aber m.E. auch gar nicht stellen.

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

  • Ich finde, Du gehst mit dem Buch etwas zu hart ins Gericht und bist mit falschen Erwartungen an das Buch gegangen.

    Da hast Du sicherlich recht. Ich hatte falsche, oder besser gesagt andere Erwartungen. Auch ich habe das Buch streckenweise als kurzweilig empfunden. Aber letztlich fehlt es mir doch an Substanz und Tiefe. Mir fehlt unter anderem der Versuch einer wirklichen Annäherung an Liszts Innenleben, an sein geistiges Umfeld und ein Verständlichmachen seiner Wirkung auf den Lauf der Musikgeschichte.
    Aber meine allenfalls zu harte Kritik möchte ich gern zurücknehmen.

    Über weitere Vorschläge zur vertiefenden Lektüre würde ich mich weiterhin freuen.

    Gruss
    Hudebux

  • Zuletzt noch möchte ich dringend vor den Kauf der Lisztbiographie von Oliver Hilmes warnen:

    Leider hatte ich ohne vorherige Recherche zugegriffen. Das Buch bietet leider fast ausschliesslich einen (voyeuristisch gefärbten) Einblick in Liszts Privatleben. Dies gehört sicherlich mit der nötigen sachlichen Zurückhaltung zu einer Biographie dazu und ist im Falle von Liszt auch alles andere als uninteressant. Aber ich hatte gehofft über die Biographie auch der Bedeutung und der Entstehungsgeschicht von Liszts umfangreichen Werk näher zu kommen. Statt Details zu seinen Frauenbekanntschaften hätten mich vielmehr Details zu seinen Musikerfreundschaften und zum damaligen Kulturleben allgemein interessiert. Aber hier ist das Buch äusserst dünn. Auch die Beziehung zu Wagner wird rein familiär ausgeleuchtet. Im Vorwort wird angedeutet Wagner hätte bei Liszt geklaut. Das wäre ein interessantes Thema zur Vertiefung gewesen.

    Mir hat Reinhard Haschens Buch Franz Liszt - Die Überwindung der Romantik durch das Experiment recht gut gefallen, weil es eine gute Balance zwischen biographischer Betrachtung und Verknüpfung zur Werkgeschichte herstellt. Auch die Beziehung zu Wagner wird gut beleuchtet.

    Lieber Hudebux, ich fand Dein erstes Urteil über das Hilmes-Buch durchaus angemessen: Hilmes hat offensichtlich überhaupt kein Interesse an Musik. Und Schlüssellochbiographik hat es über Liszt genug gegeben, da hätte es dieses Autors nicht gebraucht.

    Das von Miguel54 empfohlene Buch von Reinhard Haschen (1989 in der DDR erschienen) habe ich auch gelesen und fand es ausgezeichnet, sehr abwägend und sachlich, in musikalischen Dingen sehr kompetent, unter Einbeziehung ideengeschichtlicher Kontexte. Bekommt man antiquarisch fast hinterhergeworfen, sehe ich gerade.

    Als kurze Biographie mit fundierten Beiträgen zu Liszts Werken präsentiert sich die Rowohlt-Monographie von Barbara Meier, die in derselben Reihe auch ausgezeichnete Bände über Schumann und Verdi veröffentlicht hat. Sehr empfehlenswert!


    In der Wissen-Reihe von C.H. Beck ist ein Bändchen von Wolfgang Dömling erschienen: das ist sicher auch nicht schlecht, ich habe es aber nur durchgeblättert.


    Ausführlicher ist das Buch von Klára Hamburger, ursprünglich in den 70ern auf ungarisch erschienen, jetzt komplett überarbeitet 2010 auf Deutsch. Nach dem Muster "Leben und Werk" verfasst, in beiden Bereichen sehr informativ. Mit einem Schuss ungarischem Patriotismus.


    Es gibt aber in diesem Jahr einen regelrechten Liszt-Boom auf dem Buchmarkt (mehr als bei den Tonträgern), vieles kenne ich nicht.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Vergessen: Fast nur vom Komponisten und seinen Werken - dem Konzept der Reihe des Laaber-Verlags entsprechend - handelt folgendes Buch von Wolfgang Dömling. Weiter oben hatte ich gelegentlich darauf Bezug genommen. Stellt etwas höhere Ansprüche an musikalische und musiktheoretische Kenntnisse. Man sollte sich keinesfalls einen Konzertführer erwarten, eher eine Reihe von Essays über charakteristische Aspekte des Komponisten Liszt. Mit dieser Einschränkung sehr lesenswert:


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Das von Miguel54 empfohlene Buch von Reinhard Haschen (1989 in der DDR erschienen) habe ich auch gelesen und fand es ausgezeichnet, sehr abwägend und sachlich, in musikalischen Dingen sehr kompetent, unter Einbeziehung ideengeschichtlicher Kontexte. Bekommt man antiquarisch fast hinterhergeworfen, sehe ich gerade.

    Lieber Bernd,
    vielen Dank für Deine wertvollen Hinweise! "Franz Liszt oder Die Überwindung der Romantik durch das Experiment" weckt auch vom Titel her schon mein Interesse. Ich werde es mir organisieren.

    Viele Grüsse
    Hudebux

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