DVOŘÁK: Rusalka - Kommentierte Diskographie

  • DVOŘÁK: Rusalka - Kommentierte Diskographie

    Antonín Dvořáks populärste Oper ist das „lyrische Märchen“ Rusalka, dass sich in die Traditionen der romantischen und auf Volksmärchen zurückgehenden Nixen-Erzählungen (Undine, Melusine und ihre Schwestern) einreiht. Vielen Hörern ist „nur“ Rusalkas berühmte Klage, also das „Lied an den Mond“ bekannt, wobei aber das gesamte Werk sehr hörenswert ist. Dvořák, der den Stoff im Jahre 1900 auf ein Libretto von Jaroslav Kvapil vertonte, schuf mit seiner Oper ein ungeheuer poetisches Werk, märchen- und traumhaft, ausgesprochen weich, melodisch, lyrisch.

    Die vorliegende Aufnahme stellt eine preisgünstige und vor allem ausgezeichnete Möglichkeit dar, das Werk genauer kennenzulernen. Das ist ja bei LINE-Produktionen nicht immer selbstverständlich, da die Historizität der Aufnahmen eine gerechte Beurteilung der Aufnahmen schon aufgrund ihres Klanges kaum noch zulassen. Ich denke da z.B. an die LINE-Veröffentlichung von Spontinis Agnese di Hohenstaufen, wo außer Rauschen kaum etwas wahrnehmbar ist. Insofern ist diese Rusalka ein echter Glücksgriff, handelt es sich doch um eine Wiedervorlage einer 1961 für Supraphon entstandenen Studioproduktion, die – 1994 remastered - klanglich ganz ausgezeichnet ist.

    Lässt man den Klang nun einmal beiseite, so muss man auch sagen, dass es sich um eine ganz ausgezeichnete Produktion handelt. Unter der untadeligen Leitung des großen tschechischen Dirigenten Zdenek Chalabala entfalten die hauseigenen Kräfte des Nationaltheaters Prag – allen voran die ausgezeichnete Milada Subratová, die eine ganz ergreifende Charakterstudie Rusalkas liefert – eine durchweg gute Interpretation. Neben Rusalka fällt der strahlende Tenor Ivo Zidek, der den wankelmütigen Prinzen gibt, in keiner Hinsicht ab, gleiches gilt für Marie Ovcaciková als Hexe Jezibaba oder Alena Miková als die giftige fremde Fürstin. Mir persönlich ist lediglich Eduard Hakens Wassermann in der Tongebung zu dick, er singt nicht selten, als hätte er eine heiße Kartoffel im Mund. Doch selbst wenn man diese Art des Gesanges nicht mag, so muss man doch anerkennen, dass auch er die ihm anvertraute Rolle gestalterisch solide meistert.

    Die durchweg gute Leistung des Chores und des Orchesters des Nationaltheaters Prag runden den ausgesprochen positiven Eindruck ab.

    :wink: Agravain

  • Dvorak: Rusalka - Kommentierte Diskographie

    Ich habe mir gerade folgende DVD gekauft:



    Und wenn mich nicht alles täuscht, fehlt ein Thread zu dieser Oper noch ;+) Was sind Eure Empfehlungen?

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • [Aus "Eben verarmt" hierher transferiert: die folgenden 6 Beiträge.
    :wink:
    Gurnemanz]


    Dieses Mal trifft "Eben verarmt" wirklich zu:

    A. Dvorak: Rusalka

    Ich kenne diese Oper noch gar nicht und schließe nun diese Lücke. Bin sehr gespannt! Na, die Mackerras-Einspielung halt.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Dieses Mal trifft "Eben verarmt" wirklich zu:


    A. Dvorak: Rusalka


    Ich kenne diese Oper noch gar nicht und schließe nun diese Lücke. Bin sehr gespannt! Na, die Mackerras-Einspielung halt.

    Da hättest Du wenig verarmen und was Besseres Dir zulegen können: z.B.
    oder

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Lieber Philbert!

    Da hättest Du wenig verarmen und was Besseres Dir zulegen können: z.B.


    Wie hätte ich das tun können, da solches Wissen trotz der Existenz geeigneter Threads hartnäckig verschwiegen wird ... :shake:

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Wie hätte ich das tun können, da solches Wissen trotz der Existenz geeigneter Threads hartnäckig verschwiegen wird ... :shake:

    Die erste im Thread angeführte Aufnahme ist die gleiche wie dejenige, die ich zuerst verlinkt habe (eine Zweitverwendung der originalen Supraphon-Aufnahme). Ich wußte von diesem Thread nicht, kann aber nur hoffen, daß Du die Fleming Aufnahme second hand gekauft und meine kürzlich losgewordene CDs erworben hast. Die waren in einem erstklassigen Zustand, denn nach ein paar Zuhören wollte ich eine Hollywood aufgepäppelte mit zweifelhaftem Tschechisch ausgestattete Aufnahme nicht mehr hören. Mit Chalabala und Krombholc hat man die ganze Poesie, die gleichzeitig menschliche und zauberhafte Gefühlswelt und Sänger, die mit dieser Musik und diesem Idiom großgeworden sind, mit Mackerras hingegen Breitband-Sound.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Mit Chalabala und Krombholc hat man die ganze Poesie, die gleichzeitig menschliche und zauberhafte Gefühlswelt und Sänger, die mit dieser Musik und diesem Idiom großgeworden sind, mit Mackerras hingegen Breitband-Sound.


    Lieber Philbert,

    danke für die Hinweise! Es muss ja nicht bei einer einzigen Aufnahme bleiben ... kennst Du die Aufnahme unter Vaclav Neumann?

    Viele Grüße
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Liebes Mauerblümchen,

    Ich kenne die Aufnahme unter Neumann, finde sich aber weniger überzeugend als die unter Chalabala und Krombholc. Die goldene Ära des Prager Nationaltheaters war schon vorbei. Gabriela Benackova ist eine sehr schöne Rusalka, Wieslaw Ochman aber kein sehr glaubwürdiger Prinz und Richard Novak als Wassermann hat nicht die Autorität und die Überzeugungskraft von Eduard Haken.
    Milada Subrtova ist für mich diejenige, die am besten die verschiedenen Aspekte der Titelrolle zusammenbringt.
    Eine weitere Aufnahme mit Gabriela Benackova gibt es, und zwar die Live-Aufnahme der Wiener Erstaufführung (!)

    Damals hatte man eine Produktion aus München importiert. Der junge Peter Dvorsky hamoniert sehr gut mit seiner slowakischen Landsmännin, allerdings hat man damals im Werk reingefummelt - einiges gestrichen und die Rolle der Hexe und der Fremden Prinzessin zusammengetan, so daß diese Aufnahme kaum als Erstbegegnung geeignet ist.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Der Dirigent Jaroslav Krombholc war mir natürlich ein Begriff (der jüngeren Generation ist er wohl weniger bekannt), die Sänger nicht, was sich als bedeutende Bildungslücke herausstellte. Die Aufnahme ist jedenfalls referenzverdächtig. Für 1952 ist die Tonqualität sehr gut. Ludmila Cervinkova braucht keine dunkel-samtige Stimme, um in der Titelrolle zu begeistern. Ihr klangvolles, lyrisch sehr ansprechendes Organ verfügt auch über entsprechende dramatische Qualitäten. Das Ensemble mutet mich perfekt an. Vielleicht sollte man den Wassermann Eduard Hakens noch besonders herausheben.

    In jeder Hinsicht ein Genuß!

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Die Sänger sind eine absolute Star-Riege der goldenen Zeit des Pragers Nationatheaters.
    Beno Blachut ist wohl der meist aufgenommene Sänger aller Zeiten; er hat das ganze Tenor-Repertoire auf Tschechisch für den tschechischen Rundfunk aufgenommen. Insbesondere sein Werther und sein Manrico waren Glanzleistungen. Im tschechischen Repertoire wurde er als Prinz, Dalibor und Jenik besonders gefeiert.
    Ludmila Cervinkova war ein dramatischer Sopran, Milada und Libuse. Obwohl lyrischer disponiert, teilte sie das Repertoire von ...
    Marie Podvalova, der Ikone schlechthin. Sie hat die Libuse nach dem Krieg wiederaufgeführt und wurde mit der Rolle identifiziert. Sie war auch eine bemerkenswerte Milada und Turandot.
    Marta Krasova wurde in Preßburg von Richard Strauss bemerkt, der sie nach Wien holen wollte. Sie hat abgelehnt und wurde in Mezzo- und Alt-Rollen in Prag gefeiert.
    Eduard Haken war ein basso profondo sondergleichen. Er hat auch dem Wassermann in der zweiten großen Aufnahme der Rusalka verkörpert, unter Zdenek Chalabala mit Milada Subrtova und Ivo Zidek.
    Als erste Nymphe Maria Tauberova, die tschechische Koloratursopranistin (die auch Martinus Julietta aufgenommen hat), als Jäger Premysl Koci, ein großer Don Giovanni, der auch als Schauspieler tätig war und später Leiter des Nationaltheaters wurde.
    Alle diese Sänger findet man wieder in bedeutenden Aufnahmen der großen tschechischen Opern. Blachut und Cervinkova in der Verkauften Braut unter Ancerl, Blachut und Podvalova in Dalibor unter Krombholc...
    Es gibt auch einen fantastischen Boris Godunov mit Haken und Blachut.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Zu ergänzen ist noch, daß Maria Tauberová und Jaroslav Krombholc miteinander verheiratet waren.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • [Blockierte Grafik: https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/51ITbGfbqHL.jpg]

    Den Empfehlungen für diese Aufnahme kann ich mich ohne jede Einschränkung anschließen. Die tschechische Sprache ist - zumindest für viele unter uns - ja nicht unbedingt die sangbarste (vielleicht ist Agravains Kartoffeleindruck irgendwie dadurch bedingt), aber die Musik ist nun einmal dafür komponiert. Alles wirkt wie aus einem Guß, obwohl dieser technische Vergleich hier eigentlich wenig paßt. Zdenek Chalabala entfaltet den ganzen Zauber slawischer Neoromantik.
    Milada Subrtova singt und gestaltet phänomenal. Und Eduard Haken mit seiner großen Arie: :verbeugung1:

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Die Chalabala-Aufnahme von 1961 wurde 1975 einem von Bohumil Zoul für das tschechische Fernsehen gestalteten Film unterlegt, bei dem bis auf zwei Ausnahmen (eine davon Eduard Haken als Wassermann) nicht die seinerzeitigen Sänger sondern - übrigens vorzügliche - Schauspieler die Rollen verkörpern. 2005 hat Supraphon den Film als DVD aufbereitet und herausgebracht. Die Farben, die ziemlich sicher auch damals nicht üppig, sondern von östlicher Qualität waren, sind überwiegend bläßlich, was aber vor allem bei den Wasserszenen gar nicht so schlecht paßt. Im ersten Akt ist dem Regisseur teilweise nicht viel eingefallen und da stören ein paar Längen, auf "Action"-Szenen verstand er sich besser. Nur die Kombination von Geisterwelt und Realität ist nicht hundertprozentig geglückt. Die Idee, mit Überblendungen zu arbeiten, ist zwar angemessen, aber mit der optischen Umsetzung bin ich nicht ganz zufrieden. Mechanisches Zoomen und Kameraschwenks mit zu starren Figuren wirken etwas stilbrüchig. Andere Szenen sind dafür recht hübsch angelegt (die Böhmen haben eine Ader fürs Märchenhafte, siehe die berühmten "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel").
    Hervorzuheben ist aber die für einen solchen Film ausgezeichnete Tonqualität, die vieles Westliche übertrifft.
    Die Anschaffung lohnt sich aus meiner persönlichen Sicht durchaus.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Ich liebe diese Oper nach wie vor, aber ich komm langsam drauf, dass sie musikalisch schon seeehr einfach gestrickt ist.

    Ich kenne Rusalka leider zu wenig. Aus eigenen Erfahrungen mit anderen späten (instrumentalen) Dvořák-Werken glaube ich dennoch nicht, dass Dein Qualitätsurteil auf diese Oper zutrifft. Bei kurzem Querlesen z. B. dieser Dissertation fühle ich mich in meiner Hypothese bestätigt. Da scheint sich ja musikalisch doch so einiges zu tun.

    Mich würde nun interessieren, in welcher Hinsicht Du Rusalka für "seeehr einfach gestrickt" hältst.

  • Guten Morgen! Wenn ich es richtig überblicke, gibt es noch keinen Rusalka-Werkthread. Ich werde einen solchen in den nächsten Tagen eröffnen und im Eröffnungsbeitrag auch auf Deine Frage eingehen. Hier im Diskographie-Thread würde das untergehen. Passt das für Dich?

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Da ist der angekündigte Thread: DVOŘÁK: Rusalka - "tschechische Undine"

    P.S.: Dein Link zur Dissertation führt übrigens ins Leere, ich konnte ihn nicht anklicken (er verweist offenbar auf einen Pfad in Deinem Computer, nicht im Internet).


    EDIT (23:40 Uhr): Der Link funktioniert jetzt, danke! Mit diesem Link kommt man direkt zur Dissertation, die ich mir soeben abgespeichert habe. Ich habe auch kurz hineingelesen, klingt interessant!

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Gerade sind die letzten Takte verklungen, hat sich der imaginäre Vorhang gesenkt in der Home-Opera (eine andere gibt es ja nicht zur Zeit) und ich will gar keine richtige Rezension schreiben, ich will nur aml eben sagen: Ich bin begeistert! Was ist das für ein gut komponiertes Stück, mit einem unheimlichen Sinn für Timing und vor allem für Klangfarben! Und was ist das für eine gute Aufführung, die hier bei den Salzburger Festspielen mitgeschnitten wurde! Das könnte neben den alten tschechischen tatsächlich eine neue Referenz-Aufnahme sein. In allen Rollen toll besetzt (mit einer Einschränkung bei der für meine Ohren etwas arg schrill kreischenden Emily Magee als fremder Fürstin, was mir sehr leid tut zu schreiben, denn ich mag diese Sängerin eigentlich sehr), phantastische Sänger, phantastisches Orchesterspiel - ich bin begeistert. Und weil jetzt sicher irgendjemand anmerken wird, dass da ja kein einziger Tscheche unter den HauptdarstellerInnen ist - mich stört´s nicht, wenn sie so singen, und sie können auf jeden Fall besser tschechisch als ich und die allermeisten Hörer hier.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

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