Der Nominierungsthread zu Verfolgt, emigriert, ermordet...

  • Marcel Rubin (1905-1995), Komponist

    Der österreichische Komponist Marcel Rubin wurde am 7. Juli 1905 in Wien geboren. Er war in Wien Schüler von Franz Schmidt und nahm von 1925 bis 1927 privaten Kompositionsunterricht bei Darius Milhaud in Paris. An der Universität Wien promovierte er 1934 zum Dr. jur.
    1938 emigrierte Rubin nach Paris, 1939 wurde er als „feindlicher Ausländer“ interniert. Er wurde in das Internierungslager Meslay-du-Maine deportiert und im Februar 1940 in das „Verdächtigen-Lager“ Damigny bei Rennes, wo er die Musik zu Jura Soyfers „Dachau-Lied“ schrieb, ohne von der heute bekannten Fassung Herbert Zippers zu wissen. 1940 gelang Rubin die Flucht zu seiner Familie, die es nach Marseilles geschafft hatte. Vor allem aus Protest wider den Nationalsozialismus trat Rubin in die kommunistische Partei ein, der er bis 1969 angehörte: In diesem Jahr trat er aus der Partei aus, um damit gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings zu protestieren. 1942 floh Rubin nach Mexiko, wo er bis 1947 blieb. In diesem Jahr kehrte er nach Wien zurück. Er lebte als freischaffender Komponist und schrieb Musikkritiken für das „Österreichische Tagebuch“ und bis 1969 für die „Volksstimme“. Rubin starb am 12. Mai 1995 in Wien.
    Sein Oeuvre umfaßt sämtliche Genres. Hauptwerke sind die zehn Symphonien, das Orchesterwerk "Hymnen an die Nacht", die Kantate "Oh ihr Menschen" nach Beethovens Heiligenstädter Testament, das Oratorium "Licht über Damaskus" sowie die komische Oper "Kleider machen Leute".
    Marcel Rubins Stil ist in den Werken bis zu den Fünfzigerjahren stark von Milhaud beeinflußt: Scharf konturierte Themen erscheinen in polytonalen Überlagerungen, die Grundhaltung ist die einer temperamentvollen Vitalität. Danach bleibt Rubin zwar einer stark erweiterten Tonalität verhaftet, seine Musik wird jedoch zunehmend grüblerischer und dunkler. Rubins Spätwerke sind große, von echtem Pathos erfüllte Werke und können als letzter und bedeutender Nachklang einer österreichischen Symphonik in der Nachfolge von Mahler, Schmidt und Wellesz angesehen werden.

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Kletzki, Paul (1900-1973), Dirigent, Komponist

    In Polen als Paweł Klecki (die deutsche Schreibweise nahm er erst später an) geboren, spielte er bereits als Fünfzehnjähriger als Violinist im Sinfonieorchester Lódz, studierte zunächst an der Musikakademie Warschau bei Emil Mlynarski (Violine) und Juliusz Wertheim (Komposition) und zu Beginn der 1920-er Jahre an der Hochschule für Musik in Berlin. Bis 1933 war er als Dirigent und Komponist in Deutschland tätig. Wilhelm Furtwängler und Arturo Toscanini nahmen Werke Kletzkis ins Programm. Furtwängler lud ihn ausserdem ein, die Berliner Philharmoniker zu dirigieren. 1933 floh er vor dem wachsenden Antisemitismus aus Deutschland, über Stationen in Venedig und als Dirigent in Charkow, wo er vor den Säuberungen Stalins abermals flüchten mußte, gelangte er nach Mailand. Dort unterrichtete er von 1935 bis 1938 an der Scuola Superiore di Musica Komposition. Nachdem 1938 auch in Italien antisemitische Rassengesetze eingeführt wurden und Kletzki seine Unistelle verlor, ging er 1939 in die Schweiz, was ihm durch Heirat einer Schweizerin möglich war. Seine Eltern, seine Schwester und zahlreiche andere Familienangehörige wurden jedoch von den deutschen Faschisten ermordet.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg war Kletzki als angesehener Dirigent vielbeschäftigt. 1954 wurde er Leiter des Liverpool Philharmonic Orchestra, von 1958 bis 1962 war er Chefdirigent des Dallas Symphony Orchestra, danach dirigierte er das Berner Symphonie-Orchester. Von 1967 bis 1970 leitete er als Nachfolger von Ernest Ansermet das Orchestre de la Suisse Romande. Darüber hinaus war er international als Gastdirigent tätig, besonders häufig beim Philharmonia Orchestra und dem Israel Philharmonic Orchestra.

    Kletzki gehörte als Dirigent zu den Mahler-Pionieren der Nachkriegszeit, der in den 50er Jahren auch viel Mahler auf LP aufnahm.

    Kletzki komponierte unter anderem 3 Sinfonien (die 3. mit dem Titel „In Memoriam“ entstand 1939), eine Sinfonietta für Streicher, 2 Streichquartette, weitere Kammermusik und Lieder.

  • Danke für die fleißige Arbeit!

    Ich habe jetzt alle Beiträge bis zu diesem Punkt in die Gedenktafel übernommen.


    Viele Grüße
    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Klein, Elisabeth (1911 - 2004), Pianistin

    Elisabeth Klein wurde in Ungarn, in der heutigen Slowakei, geboren, wuchs in Budapest auf, studierte dort an der Franz-Liszt-Akademie und anschliessend privat von 1934-1936 bei Béla Bartók.

    Vom Ausbruch des 2. Weltkriegs wurde sie auf Konzertreise in Dänemark überrascht und blieb dann dort aufgrund der zunehmende antisemitischen Bedrohungslage auch in Ungarn und heiratete einen dänischen Marineoffizier. Bei der deutschen Besetzung Dänemarks hielt sich ihr Mann in Schottland auf und blieb während des Krieges dort im Exil und war als Verbindungsoffizier der alliierten Marine zum dänischen Widerstand tätig. Ihr gelang es, in Dänemark mit Hilfe des dänischen Widerstands mit dem gemeinsamen ersten Sohn unterzutauchen, als dies nötig wurde, und so Krieg und Besatzung zu überleben.

    In ihrer langen Karriere als Pianistin konzentrierte sie sich ganz auf Neue Musik und spielte Klaviermusik u.v.a. von Bartók, Schönberg, Webern, Berg, Boulez, Stockhausen, Cage, Berio, Evangelisti, Donatoni und zahlreichen dänischen und norwegischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, die viele Werke eigens für sie schrieben, auch auf LPs/CDs ein. Außerdem gründete und leitete sie Kammermusikgruppen für neue Musik und lehrte in Kopenhagen, Oslo und Liverpool.

  • Preger, Kurt (1907 – 1960). Sänger

    Der Bariton Kurt Preger wurde 1907 in Berlin geboren. Preger debütierte in der Saison 1931/1932 an der Wiener Volksoper im Operettenfach. 1933 bis 1936 folgten Engagements am Deutschen Theater Brünn (Brno) und am Deutschen Theater Prag (Praha). Bis zum sog. Anschluss Österreichs sang er wieder an der Wiener Volkoper und ging dann an das Stadttheater Basel, wo er bis 1946 engagiert blieb. Während des Einmarsch Deutschlands in die Niederlande befand sich Preger gerade auf einer Holland-Belgien-Tournee und musste sich aufgrund seiner jüdischen Herkunft verstecken und fliehen. Nach seiner Tätigkeit in Basel wirkte er von 1947 bis 1948 am Theater von St. Gallen. Danach bis zu seinem Tod am 12. Oktober 1960 war er wieder Ensemblemitglied der Wiener Volksoper, sang aber ebenso an der Wiener Staatsoper. 1933 wirkte er in der Uraufführung der Oper „Die Hochzeit der Sobeide“ von A. Tscherepnin in Wien sowie 1946 in den ersten deutschsprachigen Aufführungen der Oper „Peter Grimes“ von B. Britten in der Schweiz mit. – Kurt Preger ist der Sohn des ehemaligen Direktors des Wiener Carl-Theaters Miksa Preger.

  • Brod, Max (1884-1968). Schriftsteller, Übersetzer, Librettist, Komponist, Herausgeber.

    Bekannt ist der jüdische Schriftsteller Max Brod heute vor allem als Herausgeber und Freund von Franz Kafka. Der am 27. Mai 1884 in eine wohlsituierte Prager Familie hineingeborene Brod war aber auch als Komponist tätig und förderte früh den tschechischen Komponisten Leoš Janáček, in dem er die Libretti der Opern "Jenufa", "Katja Kabanowa", "Das schlaue Füchslein", "Die Sache Makropulos" und "Aus einem Totenhaus" ins Deutsche übersetzte und so eine Rezeption auf deutschsprachigen Opernbühnen ermöglichte. Brod schrieb auch das Libretto zur Oper "Nana" von Manfred Gurlitt. Als Komponist schrieb Brod hauptsächlich Kammermusik.
    Im März 1939 flüchtete Brod mit dem buchstäblich letzten Zug, der Prag verlassen konnte, vor den Deutschen über Rumänien nach Israel, wo er als Autor, Herausgeber der Werke Kafkas und Dramaturg des Theaters "Habimah" lebte.
    Der bis ins hohe Alter äußerst produktive Brod schuf ein umfangreiches literarisches Werk, das sich vielfach mit dem Judentum und Fragen der Ethik auseinandersetzt.
    Brod starb am 20. Dezember 1968 in Tel Aviv

    One word is sufficient. But if one cannot find it?

    Virginia Woolf, Jacob's Room

  • Richter, Nico (1915 – 1945). Komponist

    Der Komponist Nico Richter wurde am 02. Dezember 1915 in Amsterdam geboren. Während seiner musikalischen Ausbildung u. a. an der Violine studierte er auf Wunsch des Vaters Medizin. Bereits in Jugendjahren widmete sich Richter der Komposition. Die erste Aufführung einer seiner Kompositionen - das Violinkonzert - fand am 16. März 1935 statt. Kurz darauf nahm Richter an einem Meisterkurs bei H. Scherchen teil. Dieser dirigierte in Brüssel auch die Uraufführung des Cellokonzerts. Richter betätigte sich als Komponist, Musikkritiker, Dirigent des Studentenorchesters „Amsterdamsche Studenten Muziek Vereeniging (MUSA)“ und beendete sein Medizinstudium. Im Oktober 1941 musste er auf Druck der Nationalsozialisten die Leitung des Orchesters aufgeben. Am 17. auf 18. April 1942 wurde Richter von den Nationalsozialisten verhaftet und über mehrere Internierungslager in den Niederlanden Ende 1943 nach Auschwitz deportiert. Im Oktober 1944 wurde Richter nach Dachau - Außenlager Kaufering - verlegt. Nach der Befreiung des Konzentrationslagers durch die US-Amerikaner am 27. April 1945 kam er über Eindhoven zurück zu seiner Frau der Violinistin Hetta Scheffer (Hetta Rester-Scheffer) nach Amsterdam. Aufgrund der mit der mörderischen Zwangsarbeit verbundenen Auszehrung verstarb Nico Richter am 16. August 1945.

  • Wolfsohn, Juliusz (1880-1944). Komponist, Pianist

    Juliusz Wolfsohn wird am 7. Jänner 1880 in Warschau (damals Russisches Reich) geboren. Er entstammt einer reichen Kaufmannsfamilie. Seine Begabung als Pianist tritt schon früh zutage. Er studiert in Warschau, Moskau und Paris, ehe er 1908 nach Wien kommt, wo er seine Ausbildung vervollkommnet und sich niederläßt. Er macht sich einen Namen als herausragender Chopin-Interpret und exzellenter Pädagoge. Um die Jahrhundertwende hatte er sich bereits mit jiddischer Folklore auseinandergesetzt. Auf dieser Basis versucht er, eine spezifisch jüdische Musik zu entwickeln. Er komponiert die „Paraphrasen über altjüdische Volksweisen“, die "Hebräische Suite" und die "Jüdische Rhapsodie" auf der Basis jiddischer Volkslieder. 1928 ist er eines der Gründungsmitglieder des Wiener Vereins zur Förderung jüdischer Musik.
    1939 gelingt es Wolfsohn, aus der mittlerweile nationalsozialistischen Ostmark zu fliehen und in die USA zu emigrieren, wo er bis zu seinem Tod als Klavierlehrer sein Leben fristen mußte. Die große Anerkennung, die er vor der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich genossen hatte, blieb ihm verwehrt. 1934 bearbeitete er Johann Strauß' Donau-Walzer im Auftrag des einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein für Klavier für die linke Hand. Sein letztes kompositorisches Werk stammt aus dem Jahr 1937: "Schir hamalojs" (ein Kantorialgesang) für Klavier. Am 12. Februar 1944 stirbt Wolfsohn in völliger Vergessenheit in New York.

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Kaminski, Heinrich (1886-1946). Komponist

    Heinrich Kaminski wird am 4. Juli 1886 in Tiengen geboren. Er ist der Sohn eines altkatholischen Pfarrers und einer Opernsängerin. Zuerst verdient er seinen Lebensunterhalt als Klavierlehrer, später als Kompositionslehrer an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin, wo er Nachfolger Hans Pfitzners ist. Zu seinen Schülern gehören Carl Orff und Reinhard Schwarz-Schilling.
    Auf die Machtübernahme der Nationalsozialisten reagiert Kaminski mit der "Messe deutsch" auf einen eigenen Text, der die "Wirre Welt" anprangert und sich in Opposition zum Regime stellt. Das kann nicht ungestraft bleiben: Die Nationalsozialisten lassen Kaminskis Vertrag mit der in Berlin lief mit der Akademie der Künste im Jahr 1933 aufgrund der „politischen Gesinnung“ ohne Verlängerung auslaufen. Gegen Kaminskis herbe, klar konturierte Musik haben die Nationalsozialisten zuerst noch nichts einzuwenden. 1938 wird Kaminski jedoch als "Halbjude" eingestuft, was einen Einbruch der Aufführungszehlen bedeutet. 1941 wird er zum "Vierteljuden" erklärt, theoretisch darf seine Musik damit wieder aufgeführt werden, doch interessiert sich niemand für den politisch unzuverlässigen Komponisten. 1943 bietet Kaminski dem von der Gestapo verfolgten Weiße-Rose-Mitglied Alexander Schmorell nach dessen Flucht aus Elmau Unterschlupf, obwohl Kaminskis Gesundheit bereits angegriffen ist und seine zum Widerstand neigenden Ansichten längst amtsbekannt sind. Seine ganze Energie widmet er in dieser Zeit seiner Oper "Das Spiel vom König Aphelius". Kaminski stirbt am 21. Juni 1946 in Ried. Zu diesem Zeitpunkt haben die Nationalsozialisten den Komponisten in einem Ausmaß totgeschwiegen, daß sein Werk auch von den Wiedergutmachungsbestrebungen der Nachkriegszeit nicht mehr profitieren kann.
    Kaminskis Musik ist zeichenhaft, klar, die Emotioen werden objektiviert. Kaminski ist ein Meister des Kontrapunkts, er besitzt ein feines Ohr für Klangfarben. Seine Musik wirkt nobel und erhaben.

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Maerker, Edit(h) (1896 - ?). Sängerin, Gesangspädagogin


    Die Sopranistin Edit Maerker wurde am 12. Dezember 1896 in Magdeburg geboren. Ihre musikalische Ausbildung erhielt sie u. a. bei Hermine Rabl-Kristen und Jacques Stückgold. Ihr Debüt erfolgte 1921 in Königsberg. Von 1922 bis 1929 war sie Ensemblemitglied am Staatstheater Wiesbaden. Danach ging sie für eine Saison an das Nationaltheater Mannheim, dann bis 1934 an das Stadttheater Freiburg im Breisgau. Darüber hinaus gab sie Gastspiele an der Staatsoper Berlin, der Städtischen Oper Berlin, in Dresden, Stuttgart, Frankfurt am Main, Köln, Basel und Barcelona. Es folgte das Berufsverbot, so dass sie nur noch für den Jüdischen Kulturbund auftreten durfte. Die Zeit des Nationalsozialismus überlebte sie. Von 1947 bis 1951 sang Edit Maerker an der Komischen Oper Berlin, wo sie sich auch der Ausbildung des Nachwuchses widmete und Regie führte.

    * Leider ist die Quellenlage sehr bescheiden (hier lediglich 'Kutsch-Riemens'). Ihre weiteren Lebensstationen sind mir nicht bekannt. Ebenso finden sich keine weiteren Angaben über ihre Zeit während des Nationalsozialismus'. Ich hoffe die Capriccio-Mitglieder können diese Lücken schließen, so dass Edit Maerker in unsere Gedenktafel aufgenommen werden kann.

  • Landshoff, Ludwig (1874 – 1941). Dirigent, Musikwissenschaftler


    Der Dirigent und Experte für Musik des 17. und 18 Jhs. Ludwig Landshoff wurde am 3. Juni 1874 in Stettin (heute: Szczecin) geboren. Nach seiner musikalischen Ausbildung bei M. Friedlaender, O. Fleischer, A. Sandberger sowie H. Urban und M. Reger wurde er von 1902 bis 1904 Opernkapellmeister in Aachen. Weitere Stationen waren Kiel, Breslau und Würzburg. Ab 1918 war er Leiter des Münchner Bach-Vereins. Das erste öffentliche Konzert des Münchner Bach-Vereins unter L. Landshoff fand am 16. November 1911 statt. 1928 übersiedelte er nach Berlin und leitete Rundfunk-Musiksendungen und war Professor an der Lessing-Hochschule. 1936 emigrierte Landshoff über Italien und Frankreich nach New York. Landshoff war einer oder derjenige der den Begriff „Aufführungspraxis“ prägte. Besonders seine Forschungen über J. S. Bach (erste Urtext-Ausgabe) sowie das Zeitalter des Belcanto (Alte Meister des Bel Canto, 5 Bände) sind herausragend. Am 20. September 1941 ist Ludwig Landshoff in New York verstorben. – Teile des Nachlasses seiner wissenschaftlichen Werke liegen bei der Princeton University Library.

    Ludwig Landshoff wird im Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit (LEXM) der Universität Hamburg lediglich namentlich genannt. Über die genauen Hintergründe seiner Emigration konnte ich bis dato nichts in Erfahrung bringen.

  • Chitz, Arthur (1882 – 1944). Komponist, Dirigent, Musikwissenschaftler, Pianist


    Der vielseitig hochbegabte Komponist und Dirigent Arthur Chitz wurde am 5. September 1882 in Prag (Praha) geboren. Seine musikalische Ausbildung erhielt er u. a. von V. Novák, F. Špilka und I. Knorr. Nach seiner Promotion („Die Hofkapelle Kaiser Rudolfs II. [verschollen]) im Jahr 1905 war er am Prager Landestheater (L. Blech) und bei der Prager Zeitung „Bohemia“ beschäftigt. 1908 übersiedelte er nach Dresden und studierte an der dortigen Technischen Universität (Dipl-Ing. im Fach Chemie), beschäftigte sich aber darüber hinaus mit musikwissenschaftlichen Studien. Chitz gilt als Entdecker der Handschrift „Thema mit Variationen für Mandoline und Cembalo“ von L. v. Beethoven. Die erste öffentliche Aufführung dieses Werks fand zusammen mit dem Mandolinisten P. Wunderlich 1915 statt. 1914/1915 wurde Chitz Dozent für Musiktheorie und -geschichte an der Musikschule von E. v. Schuch und G. Minkowski. Während der Zeit des ersten Weltkriegs war er Korrepetitor an der Hofoper Dresden. Danach wirkte er als Kapellmeister, Musikdirektor und Musikwissenschaftler. Später wurde er Mitglied des Künstlerischen Beirats am Dresdner Schauspielhaus. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten erhielt Chitz Berufsverbot. Während er seine Kinder noch ins Ausland bringen konnte, verblieb er mit seiner Frau in Dresden. 1938 (Pogromnacht) wurde er vorübergehend im KZ Buchenwald interniert. Am 20. auf 21. Januar 1942 wurde das Ehepaar Chitz verhaftet und in ein KZ bei Riga deportiert, wo Arthur Chitz vermutlich 1944 gestorben ist.* – Arthur Chitz komponierte u. a. eine Vielzahl von Bühnenmusiken sowie Klaviermusik und war eine herausragende Persönlichkeit im Dresdner Musikleben.

    * Die genauen Umstände sind nicht bekannt. Seine Frau Gertrud Helene Chitz (geb. Stern) ist, vmtl. auf dem Rückweg nach Dresden, ebenfalls gestorben. Die Familie Chitz war zahlreichen Drangsalierungen und Demütigungen ausgesetzt. So musste das Ehepaar 1940 in das sog. "Altersjudenhaus" ziehen. Auch beim Abtransport von Dresden-Neustadt wurde Arthur Chitz misshandelt.


  • Zeisl, Erich (1905 - 1959), Komponist, Musikpädagoge

    Erich Zeisl wurde am 18.05.1905 in Wien geboren. Nach privatem Musikunterricht setzte er seine Ausbildung an der Wiener Musikakademie fort. 1922 wurden in der Edition Strache 3 Lieder von ihm veröffentlicht. Weitere Veröffentlichungen von Liedern und Orchesterkompositionen folgten. 1934 gewann er einen Österreichischen Staatspreis für ein Requiem. Einen Verleger konnte er zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr finden, da das Werk aufgrund seiner jüdischen Herkunft in Deutschland nicht hätte verkauft werden können.

    Nach der Reichskristallnacht musste Zeisl mit seiner Frau Österreich verlassen. Sie fanden zunächst Zuflucht in Paris, danach in Amerika. Zeisl starb in Los Angeles am 18.02.1959.

    Bei cpo erschien folgende hörenswerte Aufnahme mit Liedern von Zeisl:

    Weitere Informationen zu Erich Zeisl findet man hier: http://www.zeisl.com/index.htm

    With music I know happiness (Kurtág)

  • Aus gegebenem Anlass habe ich die Gedenktafel erweitert. Alle Beiträge bis zu diesem Punkt sollten jetzt übertragen sein.

    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Singer, Kurt (1885 – 1944). Dirigent, Musikschriftsteller, Intendant, Arzt


    Der Namensgeber des Kurt-Singer-Instituts für Musikergesundheit (Berlin) wurde am 11. Oktober 1885 in Berent (heute: Kościerzyna in Polen) geboren und ist in Koblenz als Sohn des dortigen Rabbiners aufgewachsen. Nach seinem Studium der Medizin und Musik (Violine, Musikgeschichte, Chorgesang und Dirigieren) arbeitete er zunächst als Arzt an der Charité in Berlin, betätigte sich als Musikredakteur (u. a. für den ‚Vorwärts’) sowie Musikwissenschaftler, gründete 1913 den Berliner Ärztechor (später als ‚Kurt Singerscher Chor’ im Rahmen des Jüdischen Kulturbunds) und erhielt 1923 einen Lehrauftrag an der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik. 1927 wurde er zunächst stellvertretender Leiter der Städtischen Oper Berlin-Charlottenburg unter H. Tietjen, ab 1930 -1931 Intendant (und Regisseur). Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten - seine Lehrtätigkeit musste er bereits 1932 aufgeben - wurde Singer aus dem Staatsdienst entlassen. Er wurde Vorsitzender des Jüdischen Kulturbunds. In dieser Funktion war er 1938 in den Vereinigten Staaten von Amerika, kehrte nach Kenntnis von der Pogromnacht jedoch umgehend nach Europa zurück. Nachdem ihn Bekannte warnten verblieb er in Amsterdam. Im Frühjahr 1943 wurde Kurt Singer verhaftet und über das KZ Westerbork in das KZ Theresienstadt deportiert. Dort ist Kurt Singer am 07. Februar 1944 an den Folgen der Drangsalierung und Entkräftung gestorben.

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    In die Gedenktafel übertragen - Michel

  • Haubenstock-Ramati, Roman (1919 - 1994). Komponist, Musikpädagoge, Maler, Grafiker

    Der Komponist (u. a.!) Roman Haubenstock-Ramati wurde am 27. Februar 1919 in Kraków (Krakau) geboren. Seine musikalische Ausbildung (Violine, Komposition, Musiktheorie) erhielt er u. a. von A. Malawski und später von J. Koffler in Lwów (Lemberg; heute: Lwiw). In Lwów fand der aus einer deutsch-polnisch-jüdischen Familie stammende Haubenstock-Ramati Zuflucht vor den Nationalsozialisten nachdem diese Polen überfallen hatten. Jedoch wurde er 1941 von den Sowjetrussen verhaftet und nach Tomck (Tomsk) deportiert und inhaftiert. Nach dem 2. Weltkrieg kehrte er nach Polen zurück und wurde Leiter der Musikabteilung des Polnischen Rundfunks und Chefredakteur der Zeitschrift ‚Ruch Muzyczny’ in seiner Heimatstadt. 1950 emigrierte Haubenstock-Ramati nach Israel und wurde Leiter der Zentralen Musikbibliothek Tel Aviv, später zudem Professor an der Musikakademie. 1957 übersiedelte er - nach Station in Paris - nach Wien und nahm die österreichische Staatsbürgerschaft an, wurde Lektor der ‚Universal-Edition’ und gab weltweit Kompositionskurse. Von 1973 bis 1989 war er Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien. Haubenstock-Ramati gilt als eine der herausragenden Musikerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Am 03. März 1994 ist Roman Haubenstock-Ramati in Wien verstorben.

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    In die Gedenktafel übertragen - Michel

  • Kurt Sanderling (geb. 19.09.1912) Dirigent

    Kurt Sanderling startete seine musikalische Laufbahn als Korrepetitor an der Städtischen Oper in Berlin-Charlottenburg. Auch für den Jüdischen Kulturbund engagierte er sich. 1935 wurde er als Jude aus Deutschland ausgebürgert und emigrierte 1936 in die Sowjetunion. Das bewahrte ihn vor der Gaskammer.
    Auch unter der Schreckensherrschaft Stalins fühlte er sich nicht sicher.
    Er schlug sich zunächst als Korrepetitor durch, wurde später jedoch Dirigent beim Moskauer Rundfunk. In den 40ziger Jahre wurde er Chefdirigent Leningrader Philharmoniker bis 1960.
    Dann siedelte er nach Ost-Berlin über und war bis 1977 Chefdirigent des Berliner Sinfonie-Orchesters.
    Seine Liebe gehört der Sinfonik Mahlers, Schostakowitschs (mit dem er sogar befreundet war).
    Auch zeitgenössischen Komponisten wie z.B. Ernst Hermann Meyer gilt sein Einsatz.

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    In die Gedenktafel übertragen - Michel

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Plamondon, Arthur (1881 - ?). Sänger und Gesangslehrer


    Der Tenor (Joseph) Arthur Plamondon wurde am 09. Juni 1881 in Montreal geboren. Nach seiner musikalischen Ausbildung (Klavier und Gesang) u. a. bei Guillaume Couture wurde er Solist an der Notre Dame Cathedral Montreal. Danach folgten Studien- und Konzertaufhalte in Paris. Hier heiratete er die Sängerin Alice Michot mit der er 1908 nach Kanada zurückkehrte, um ein Engagement für die Montreal Opera Company anzunehmen. Plamondon gründete 1915 gemeinsam mit seiner Frau die École de chant Plamondon-Michot (eine seine Schülerinnen war Albertine Morin-Labrecque). Von 1920 bis 1927 und ab 1929 war er wieder in Frankreich und trat mit dem Komponisten Louis Aubert zu Liedkonzerten auf. Während des 2. Weltkriegs starb Arthur Plamondon im Kriegsgefangenenlager von Saint-Denis (Konzentrationslager Drancy?). – Arthur Plamondon ist der Bruder des Tenors und Cellisten Rodolphe Plamondon und der Onkel des Violinisten und Dirigenten Ernest-Gill Plamondon.

    * Die Quellenlage ist sehr dürftig. Die genauen Umstände seines Todes sind unbekannt, so kann/müsste das Todesdatum (gem. Quellen: "1939" und "nach 1939") auch später liegen.

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    In die Gedenktafel übertragen - Michel

  • Lieber Bernd,

    stimmt. Diese wurden erst ab Mai/Juni 1940 eingerichtet. Darum die Fußnote bzgl. 'Quellenlage`, '1939 (gem. Quelle) oder später'; eine Gefangennahme und Internierung seitens der Franzosen (nicht Vichy-Regime) kann ich mir nicht vorstellen. Ich hoffe auf weitere Aufklärung von interessierten Capriccio-Lesern, damit es nicht bei der Nominierung bleibt, sondern Arthur Plamondon Eingang zu unserer Gedenktafel findet.

    Vielen Dank für Deine Präzisierung bzw. Verdeutlichung. Ich habe es oben umformuliert.

    Bis dann.

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