Plagiate in der klassischen Musik?

  • Ich moscher mich mich jetzt mal kurz dazwischen. Denn: als ich gestern Bruckners 1. Sinfonie gehört habe, da hat mich ein Motiv im ersten Satzes stark an Wagner. War es Tannhäuser? Ich weiß nicht mehr genau. Ist da was dran oder habe ich mich geirrt? Mein Eindruck war jedenfalls so.

  • Wagner-Zitate in Bruckners Erster kenne ich nicht. Überraschend wäre es kaum, denn in der Dritten (Erstfassung?) hat er ja Wagner ausführlich zitiert. Wie auch immer: Das (auch die Wagner-Zitate in Schostakowitschs Fünfzehnter) würde vielleicht hierhin besser passen: Wagner wird zitiert - warum? ;+)

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Aye. Stimmt auch wieder. Als Plagiat wollte ich es kaum bezeichnen.

    Aber aufgefallen ist die Stelle durchaus, auf einem Plattencover las ich mal die Formulierung "Nachhall des Tannhäuser-Erlebnisses". Es scheint also eine Art "Stil-Zitat" zu sein, das sich vor allem auf die damals unerhört neue Instrumentation mit streicherumrauschten Posaunen-Melodien bezieht. Es spricht für Dein stilistisches Ohr, daß Du das gehört hast. Ich selber kannte Bruckner früher als Wagner, hätte das also niemals so hören können und mußte die Information vom Plattencovertext so hinnehmen...

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Plagiat, Zitat, Reminiszenz oder einfach nur Zufall: Die Solooboe zwischen Rezitativ-Teil und Arie von Antonias Romance "Elle a fui la tourterelle" beginnt ihr Solo mit dem Schicksalsmotiv aus Carmen.

    Fürs Zitat spricht natürlich, dass die Uraufführung von "Carmen" an der Opèra-Comique 1875 wohl kaum an Offenbach vorbeigegangen sein konnte, und dass ein Todesmotiv im Orchester, wenn Antonia singt, sehr passend erscheint. Außerdem hat die Oboe ja keinen Grund, ausgerechnet mit diesem markanten Motiv, das sonst bei Offenbach nie mehr anklingt, einzusetzen.

    Oder stand das gar nicht so bei Offenbach und erst Guiraud, der mit der Carmen-Partitur gewiss einigermaßen vertraut war, hat sich beim Instrumentieren diesen Spaß erlaubt? :D

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Man vergleich mal:

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    Ist das weithin bekannt und anerkannt?
    Auf Wikipedia hab ich weder beim Wagner noch beim Nicolai was gefunden. Plagiat? Hommage? Jedenfalls hat Richard von Otto abgeschrieben.

    Wenn ich F10 auf meinem Computer drücke, schweigt er. Wie passend...

  • Die ersten vier Töne, wenn ich recht höre. Natürlich kann man nichts ausschließen, zumal hier auch der Rhythmus passt, aber m.E. gibt es tausende von Ähnlichkeiten dieser Art, die fast alle auf Zufall oder einem gemeinsamen Vorrat von musikalischen Floskeln oder Bausteinen bei Komponisten beruhen.
    Das eigentliche Motiv bei Wagner (was vermutlich auch einen Namen hat), geht schon nach dem zweiten Ton anders weiter, daher vermute ich, dass der Nicolai-Anklang an dieser Stelle eher zufällig ist.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Interessant wäre aber zu wissen ob Wagner die Weiber von Windsor kannte und was er davon hielt. Edwin hat weiter oben auch schon sowas angedeutet.

    Wenn ich F10 auf meinem Computer drücke, schweigt er. Wie passend...

  • Das eigentliche Motiv bei Wagner (was vermutlich auch einen Namen hat), geht schon nach dem zweiten Ton anders weiter

    Höre ich auch so. Nur das Intervall zwischen den ersten beiden Tönen und der Allerweltsrhythmus kurz-lang-kurz-lang stimmen überein - das ist wirklich ein bisschen wenig.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Wagner müsste NIcolais Oper gekannt haben. Wenn er daher eine bewusste Anspielung auf einen "älteren Meister" o.ä. angezielt hätte, müsste das m.E. deutlicher sein. Bei aller Ironie, mit der die Meistertradition in der Oper auch dargestellt wird, wenn irgendwelche "alten Meister" honoriert werden sollen, dann doch vermutlich Bach und ggf. Händel in den polyphonen Passagen des Vorspiels usw.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Bei aller Ironie, mit der die Meistertradition in der Oper auch dargestellt wird, wenn irgendwelche "alten Meister" honoriert werden sollen, dann doch vermutlich Bach und ggf. Händel in den polyphonen Passagen des Vorspiels usw.

    Wobei ein wie auch immer gemeinter Verweis auf einen Klassiker der Spieloper nicht abwegig wäre - die Meistersinger sind schließlich auch Wagners Reform(versuch) der deutschen komischen Oper.

    Aber wie gesagt, ich finde den konkreten Bezug nicht konkret genug.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Es handelt sich hierbei zwar nicht um ein Plagiat "innerhalb" der klass. Musik, aber ich hoffe, es ist dennoch in Ordnung, wenn ich es hier poste.
    Heute hörte ich das Lied "Ninon", gesungen von Max Raabe. Da musste ich spontan an Schuberts Winterreise ("Wasserflut") denken.
    Hier mal eine ältere Version von "Ninon":

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    Ab 00:28 bis 00:33 min.

    Und, zur Erinnerung, das Stück "Wasserflut" aus der "Winterreise":

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    Bis 00:10 min.

    Ich finde jedenfalls, dass es sehr ähnlich klingt. Aber vielleicht wurde es ja schon irgendwo gepostet ...

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Mehr noch als bei Marschner (den ich kaum kenne), Meyerbeer und Weber hat Wagner mMn bei Mendelssohn entlehnt - und zwar vor allem im o.g. Sinne (wenn ich Dich und Edwin da recht verstanden habe); auch, wenn es bei ihm sozusagen ein auf den Kopf gestellter Mendelssohn wird. Die harmonischen Entwicklungen Wagners sind Fortführungen derer Mendelssohns, die "sprechende" Orchesterbehandlung kommt auch von ihm. Daneben habe ich schon immer zwei unmittelbare "Plagiate" (ich besetze das nicht negativ - der "Diebstahl geistigen Eigentums" ist eine blödsinnige Abstraktion einer auf Geldverwertung fixierten Gesellschaft) Wagners bei Mendelssohn gehört: der Beginn der Sommernachtstraum-Ouvertüre (im Lohengrin-Vorspiel) und das Thema der "Schönen Melusine" (annähernd dem Rheingold-Beginn identisch).

    Für mich ist der Einfluss Mendelssohns auf Wagner immer in der Nornenszene der "Götterdämmerung" (eine meiner Lieblingsstellen bei Wagner, vielleicht weil ich Mendelssohn so gern hab) besonders ohrenfällig geworden. Ästhetisch klingt das anfangs ganz nach Sommernachtstraum-Ouverture. Und dann die Varianten des Erda-Motivs zu "Weißt du, wie das wird?" etc., die erinnern mich ganz frappant an den Beginn der Schottischen.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

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