Plagiate in der klassischen Musik?
Plagiate sind gerade ein aktuelles politisches Thema. Allerdings möchte ich mich hier nicht über die Umstände verbreiten, unter denen die Dissertation des derzeitigen deutschen Verteidigungsministers entstanden ist, sondern Plagiate zur Diskussion stellen, die in die Musikgeschichte gehören.
Laut Tante Wiki versteht man unter einem Plagiat (von lat. plagium, „Menschenraub“) "im Urheberrecht allgemein das bewusste Aneignen fremden Geistesguts". So etwas ist grundsätzlich auch in der Musik möglich: Wenn ich unter meinem Namen eine Symphonie veröffentliche, die in Wirklichkeit ein anderer komponiert hat, dann bin ich ein Plagiator. Juristisch gesehen möglicherweise nur dann, wenn dieser Kollege selbst im Besitz der Urheberrechte ist.
Plagiate setzen demnach ein existierendes Urheberrecht voraus. So etwas entstand in Deutschland erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Wenn Johann Sebastian Bach Violinkonzerte von Vivaldi übernahm, sie in eigene Konzerte umarbeitete, war er also kein Plagiator. Auch Georg Friedrich Händel nicht, der sich bekanntlich gern bei den Werken seiner Kollegen bediente. Aber damals war das offensichtlich eine gängige Praxis und galt nicht als anstößig.
Plagiate setzen außerdem wohl die Meinung voraus, daß der Komponist so etwas wie der Besitzer seiner Werke sei; schon im 18. Jahrhundert entstand dann die Konzeption des "Originalgenies", die eine solche Vorstellung stützen konnte.
Soweit ein paar allgemeine Gedanken, die gern ergänzt und korrigiert werden können.
Die Frage, die ich hier aufwerfen möchte, lautet allerdings: Gibt es Plagiate in der Musik seit, sagen wir, um 1800? Oder sind das alles Zitate? So würde niemand ernsthaft Debussy oder Berg tadeln, wenn sie in ihren Werken Wagner zitieren, ohne in der Partitur die Quelle zu benennen, etwa als Fußnote. Aber Pelléas et Mélisande und die Lyrische Suite sind ja auch keine wissenschaftlichen Werke.
Aus dem Bereich der Musik, die wir gewöhnt sind, "klassische Musik" zu benennen, fällt mir kein Beispiel ein. Auf diesen Bereich würde ich die Diskussion auch gern begrenzt sehen.
Dabei gibt es in Popmusik ja immer wieder Prozesse um urheberrechtliche Verstöße, wenn der Künstler A vier oder mehr Töne in der gleichen Reihenfolge verwendet wie Künstler B: Wurde hier der melodische Einfall "gestohlen"?
Doch wie sieht es in der Klassik aus?