• einen kontextbedingenten Hinweis im Schönberg-Streichtriofaden wiederhole ich gern hier an passenderer Stelle:

    Es geht um die Bearbeitung (Instrumentation) von Schubert, Deutsche Tänze (DV 820) durch Webern, deren Existenz vielleicht gar nicht mal so bekannt ist. Vielleicht vergleichweise weniger spektakulär (für Kammerorch.) als die des Bach-Ricercare hat sie den unschätzbaren Vorzug, unter Weberns eigenem Dirigat überliefert zu sein.

    Ein Rundfunkmitschnitt Frankfurt befindet sich in der ALTEN Boulez-Gesamtaufn. CBS/SONY von Webern quasi als Zugabe.

    Neuerdings hat sich in den Archiven noch ein Mitschnitt Berlin 1932 gefunden, den es auf yt jetzt (offenbar auch urheberrechtlich unbedenklich) gibt:

    https://www.youtube.com/watch?v=K6avxpj2LSg

    allen Interessenten, die das nicht schon kennen, sehr ans Herz gelegt!

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Es gibt (zumindest bei Schönberg, Berg, Webern) keine "rock-bottom"-Dodekaphonie. Die haben alle in ihren zwölftönigen Stücken mehr als eine Reihenform verwendet.

    Weberns "Kinderstück" (das "Liebliche" :D ) besteht aus ein paar Durchläufen der unveränderten Grundreihe.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Ein wenig schade, dass Don Fatale sich wohl aus dem Forum zurückgezogen hat, denn sein Einführungsbeitrag hatte meines Erachtens ganz exquisites Format. Andererseits kann ich mich an einen sehr renommierten Germanisten bei meinem Studium in Erlangen erinnern, der eine Vorlesung von ... bis ... angekündigt und tatsächlich auch ein, sagen wir, Viertel dieses Zeitraums abgehandelt hat. Nichts Neues im Westen ...

    Ich kopiere mal meinen Beitrag von vorhin aus dem Eben gehört -Thread hierher. Vielleicht kann und mag sich jemand äußern. Die Behauptung, die ich dort aufgestellt habe, findet sich wohl im Werbematerial des Labels. Es ist die Rede davon, dass die Werke ohne Opuszahl in großer und repräsentativer Auswahl enthalten seien - wenn ich mich jetzt recht erinnere. Da müsste ich aber noch einmal nachsehen und wüsste nicht so recht, wo genau ... Pardon! [EDIT: "Sie ist nicht wirklich vollständig im wörtlichen Sinn, aber mit genügend frühen Werken ausgestattet, um die späteren in den rechten Kontext setzen zu können." Richard Whitehouse]

    Josquin Dufay dem Jüngeren [, der aus der alten Boulez-Box mit dem Gesamtwerk op. 1- 31 gehört hat] schließe ich mich da gerne an mit einer Auswahl aus der Boulez-Box:

    Gesamtwerk liest man auch hier. Und es sind immerhin sechs CDs.

    Um dann zu erfahren, dass wiederum nur eine repräsentative Auswahl der Nummern ohne Opuszahl enthalten sei.

    Ich habe mich noch nicht um eine Antwort auf diese Frage bemüht, indes: Warum spielt man dann nicht gleich wirklich mal das Gesamtwerk ein? Überlängen bei Unveröffentlichtem? - Das wäre für den Komponisten eigenartig. Fragmentarisches? - Auch das hätte bei diesem Komponisten etwas sehr Ironisches. Rechtliche Aspekte? - Inwiefern? Die schlichte Tatsache, dass bislang nicht alles eingespielt wurde? - Das könnte man ja ändern. Vielleicht allerdings benötigt es dazu eines Geburtstages ...

    [...]

    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ja, Webern sollte auch ich mal wieder hören... Zum Gesamtwerk, auch mit Werken ohne Opuszahlen: Da hat ein Capriccio-Mitglied (das leider ebenfalls nicht mehr aktiv dabei ist) vor einigen Jahren ein möglicherweise komplettes Verzeichnis erstellt:
    https://www.klassika.info/Komponisten/Webern/wvjh.html

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Interessant - es gibt also doch mehr als nur die 31 Opuswerke. Jedenfalls vielen Dank für das Werkverzeichnis, Gurni... :thumbup:

    Nach guten zwei Stunden Webern bin ich jetzt doch etwas platt. Man braucht schon eine gute Konzentration, um sein musikalisches Geflecht zu entwirren.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Das Klassika-Verzeichnis kenne ich und habe es schon öfters benützt. Es ist mal erstaunlich vollständig, mal weniger. Aber ich habe noch nicht verglichen mit der Sammlung auf den sechs Webern-CDs. Bin mal gespannt.

    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Interessant - es gibt also doch mehr als nur die 31 Opuswerke.

    Es sind bemerkenswert viele ohne Opuszahl. Sie dürften vor allem in die quasi konventionelle Frühphase des Komponisten gehören - aber das müsste ich auch erst überprüfen.

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Sie dürften vor allem in die quasi konventionelle Frühphase des Komponisten gehören - aber das müsste ich auch erst überprüfen.

    Läßt sich alles über das Werkverzeichnis ansehen: Werke sortiert nach Entstehungszeit

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Die bei der DG erschienene Gesamtausgabe von 2000 - oben verlinkt - erschien zum 75. Geburtstag von Pierre Boulez, der ein kurzes Vorwort verfasst und einige Neueinspielungen mit den Berliner Philharmonikern und dem Ensemble Intercontemporain vorgenommen hat. Es wurden natürlich auch ältere Aufnahmen übernommen. Weiter beteiligt sind bekannte Künstlerinnen und Künstler wie die Sopranistin Christiane Oelze, die BBC Singers, die Pianisten Pierre-Laurent Aimard und Krystian Zimerman oder das Emerson String Quartet.

    Das dreisprachige Booklet ist sehr informativ und auch bebildert. Noch dem Vorwort vorausgehend, wird in einem knappen editorischen Text verdeutlicht, dass über Weberns eigenes Verzeichnis der zu veröffentlichten Opera 1 mit 31 hinaus alle posthum erschienenen Originalwerke aufgenommen wurden. Was nicht enthalten ist - aber eben in der Klassika-Übersicht aufgeführt wird -, scheint demnach unveröffentlicht zu sein. Ich verstehe darunter zugängliche Manuskripte, nämlich diverse Lieder aus der Frühzeit, wenn auch nicht ausschließlich, ein wenig Kammermusik, zum Teil wohl fragmentarischen Charakters, aber auch ein Trio für Klarinette, Trompete und Klavier von 1920, ein weiteres Streichquartett von 1929, ein Konzert für Violine, Klarinette, Horn, Klavier und Streichorchester von 1928 oder eine dritte Kantate von 1944. All diese Angaben entnehme ich der Klassika-Seite - möglich, dass das Fehlen dieser Werke bedauerlich ist. Über die Gründe der editorischen Unzugänglichkeit bzw. der nicht gegebenen Einspielungen kann ich nur spekulieren, zumindest solange ich nicht intensivere Recherchen anstelle oder sich jemand meldet, der oder die Einblick hat.

    Durchaus denkbar, dass die Gesamtausgabe realistischerweise nicht noch vollständiger sein konnte anno 2000.

    In der DG-Ausgabe enthalten, aber nicht Gegenstand der Klassika-Listen sind zwei Bearbeitungen von Musik Schuberts und Bachs - dem Booklet ist zu entnehmen und es ist ja auch keineswegs verwunderlich, dass Webern in dieser Hinsicht darüber hinaus tätig gewesen ist. Die deutsche Wikipedia verweist noch auf eine Version des Strauss'schen Schatzwalzers, die englische ist umfangreicher.

    Noch ein interessanter Fall: Das in der Liste angeführte Lied Schmerz, immer blick' nach oben von 1913 ist der mittlere Satz der 3 Stücke für Streichquartett. Die DG-Einspielung ist diesbezüglich vollständig - bei Klassika scheint mir der rein instrumentale Kontext zu fehlen. Hier orientiert sich Webern am Kollegen Schönberg und dessen zweitem Quartett und lässt ebenso Luft von anderem Planeten strömen ... ;)

    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • in der klassika-Liste sind für mich einige Sensationen , z.B. ein Trio für klar, trp, vl. in mgg-online ist sogar ein Verlag für Leihmaterial angegeben .

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • in der klassika-Liste sind für mich einige Sensationen , z.B. ein Trio für klar, trp, vl. in mgg-online ist sogar ein Verlag für Leihmaterial angegeben .

    Ja, irgendwie habe ich das auch so empfunden ... pfiffig und schade zugleich. :)

    Die englischsprachige Wikipedia enthält übrigens neben einer ganzen Reihe Webern'scher Bearbeitungen und dem korrekt angeführten dreisätzigen Streichqartett mit Sopran im Mittelsatz durchaus keine Hinweise auf dieses Trio oder das von mir oben genannte Konzert von 1928 und die dritte Kantate. Andere wohl ebenfalls nicht editierte und eingespielte Kompositionen sind hingegen enthalten.

    Es ist mir klar, dass man bei gründlicher Befassung Näheres erfahren würde, aber dafür fehlt mir halt der Elan (im weiteren Sinne einschließlich der Lust zur Investition spezifischer (Un-)Kosten ... Morgen interessiert sich mich dann doch wieder was ganz anderes dringlicher ...).

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Nach guten zwei Stunden Webern bin ich jetzt doch etwas platt. Man braucht schon eine gute Konzentration, um sein musikalisches Geflecht zu entwirren.

    Das ist doch zu viel ... obwohl tatsächlich auch derartige Konzertreihen organisiert wurden, ich halte das nicht für sinnvoll.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Zu den Sechs Stücken für Orchester op. 6, dieser Tage wieder mal gehört:

    Informationen zum Werk:

    https://www.universaledition.com/anton-webern-762/werke/6-stucke-op-6-861

    Uraufgeführt wurden sie ja im wegen Tumulten abgebrochenen Wiener „Skandalkonzert“ 1913.

    Mich fasziniert der Orchestersatz - er ist differenziert durchsichtig, und kompositorisch grandios finde ich die Verknappung aufs Wesentlichste, das nur ganz wenig Zeit braucht, um musikalisch gesagt zu werden – zwischen Intellekt und Empfindsamkeit. Und diese Intensivierung mit dem zweiten Stück, und die gewaltige Steigerung im Trauermarsch...

    Das Skandalkonzert vom 31.3.1913 wurde am 16.6.1988 im Wiener Musikverein, diesmal ohne Tumult und Abbruch, vom ORF-Orchester unter der Leitung von Heinz Wallberg wiederholt. Mit dieser Aufführung habe ich das Werk live kennengelernt.

    Claudio Abbado bot im 8. Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker am 8.4.1990 vor der Pause ausschließlich Werke von Webern an, darunter auch dessen op. 6 – damals in Ö1 live übertragen und später auf CD veröffentlicht. das war meine nächste akustische Begegnung damit. Da werden meinem Höreindruck nach die Stücke mit der erlesenen Wiener Klangkultur veredelt. Abbado versteht es, etwa die Steigerung im Trauermarsch beeindruckend wirkungsvoll auszuloten.

    Bei den Salzburger Festspielen hat Pierre Boulez Weberns op. 6 am 27.8.1994 im Großen Festspielhaus mit den Wiener Philharmonikern aufgeführt, auch in Ö1 (am Folgetag) gesendet, das war das nächste Mal, wo ich diesem Werk begegnet bin.

    In der CD-Box „my RSO“ findet sich eine Liveaufnahme vom 19.11.2010 aus dem Konzerthaus in Wien. Beat Furrer dirigiert das ORF Radio Symphonieorchester. Das ist für mich gediegene Rundfunkorchesterqualität, engagiert und tadellos.

    Leonard Bernstein wählte für seine Konzerte mit dem New York Philharmonic in der Carnegie Hall am 16., 17., 18. (ein Young People´s Concert) und am 19.1.1958 Weberns revidierte Fassung von 1928. In der CD-Box „New York Philharmonic – Bernstein live“ ist der Rundfunkmitschnitt vom 19.1.1958 enthalten. Bernstein liefert hier einmal mehr Emotion pur, gelebte Leidenschaft. Das anderswo Zarte erscheint da kräftig durchblutet.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Ich lernte die sechs Stücke für Orchester op. 6 in einer Einspielung des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg unter Michael Gielen kennen, der sie mit der Musik zu Rosamunde D797 von Schubert montiert. Hierdurch habe ich auch erstmals wirklich erkannt, welche Ähnlichkeiten zwischen Schubert und Webern bestehen.

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