Ich meine, dass nicht nur bei der Kunstrezeption, sondern auf allen Lebensfeldern Vorlieben und Abneigungen zumindest begründbar sind. Wie rational diese Begründung wird, hängt m. E. erheblich davon ab, wie weit ich bereit bin, der Zu- und Abneigung auf den Grund zu gehen.
Von einem Seminar für Führungskräfte ist sinngemäß die Aussage hängengeblieben, dass bei Ungereimtheiten, unbehagliche Situationen und Konflikten, speziell in deren Vorfeld zu analysieren ist, was genau die Störung für mich darstellt und inwieweit Anteile davon "mein Problem" sind. So finde man Lösungsansätze, und das funktioniert auch. Oft stecken subjektive Kriterienkataloge dahinter, die ggf. auch mal der Überprüfung bedürfen, wenn man in einer Sache weiterkommen will.
Bei Musik- und Kunstrezeption geht es wohl nicht immer darum, dass die Abneigung Zuneigung wird, aber vorkommen kann es, wenn ich mir in der Tat Gedanken mache, warum ich ein Stück, ein Werk nicht mag und ich finde den Forenaustausch dazu genau richtig. Mir geht es nicht selten so, dass eine gedankliche und gelegentlich auch eine "handwerkliche" Beschäftigung (Einstudierung) einen Weg zur Zuneigung - zumindest graduell - eröffnet.
In der Tat würde hier wirklich jedes Gespräch verstummen, wenn außer "gefällt mir, herrliches Werk" oder "ist der größte Mist aller Zeiten" nicht mehr gesagt würde. Das würde genügen für eine Verabredung, mal mit Gleichgesinnten in ein entsprechendes Konzert zu gehen, aber mehr nicht. Auch der "Mist" und das Naserümpfen sind begründbar, vielleicht sogar deutlicher als die Zuneigung.
Warum ich z. B. eine Stimme nicht mag, kann ich wahrscheinlich fachlich eher begründen als eine Abneigung gegen eine Sonate oder auch nur ein Instrumentenklang. Eine handwerkliche Macke ist hier des Öfteren der Hintergrund. Jedoch hängt es von sehr vielen subjektiven Kriterien ab, die andere nicht als Code erkennen. Daher streitet es sich um Geschmack ebenso grandios leidenschaftlich wie sinnlos.
Also: Weitermachen!