VERDI: La Traviata – Kommentierte Diskographie
Wenn jemand meint, daß es unnötig ist, für eine Diskografie ein eigenes Thema aufzumachen, würde er das dann bitte verschieben?
Vermutlich dürfte es wenige Opern geben, die so oft auf Schallplatte und CD gebannt wurden wie Verdis „La Traviata“, und nahezu jede Sopranistin die die vokalen Voraussetzungen auch nur annähernd erfüllt, dürfte sich an dieser Rolle versucht haben.
Die erste Operngesamtaufnahme die überhaupt jemals erschienen ist, soll
eine französische Traviata gewesen sein. Sie wurde für das Grammophon aufgenommen und man mag sich gar nicht vorstellen, wie viele Platten das gewesen sein müssen. Ich habe sie vor vielen Jahren auf Schallplatte bei SATURN in Köln ergattert. Sie befindet sich zur Zeit in irgendeinem Umzugskarton, aber wenn ich sie wiederfinde, werde ich nochmal reinhören und was dazu sagen.
Daher also: „Zeigt her Eure Aufnahmen!“
Ich habe ja bei „Davon interessiert mich alles“ erwähnt, saß ich von dieser Oper nahezu 30 Aufnahmen und DVDs besitze, denn sie gehört, (mit Hoffmann und Don Giovanni) zu meinen Lieblingsopern.
Es gibt viele großartige Violettas, aber die Wunderbarste ist für mich immer noch Maria Callas. Hier gefällt mir vor allem die Live-Aufnahme aus Lissabon aus dem Jahre 1958.
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Ich werde nicht müde zu betonen, daß Callas nicht nur eine Meisterin der großen, emotionalen Ausbrüche war, sondern auch, und vielleicht vor allem, der stillen Momente. Es gibt bei dieser Aufnahme viele Momente, die mich sehr berühren, aber
keinen, der so zu Herzen geht wie Violettas stilles, resigniertes „E vero, è vero“ im Duett mit Germont.
Violettas Alfredo ist hier der junge Alfredo Kraus und er gefällt mir sehr gut, auch wenn er in der Ballszene durchaus etwas mehr aus sich hätte herausgehen können. Ein wenig von der kalten Wut eines Rolando Villazón in Salzburg wäre da nicht verkehrt gewesen. Extrem störend allerdings ist der nicht zu überhörende Souffleur.
Es gehört m.E. zu den ganz großen Unterlassungssünden der Musikgeschichte, daß Callas’ Violetta niemals für den Film festgehalten wurde, wie es ja überhaupt überraschend wenige Filmdokumente dieser größten aller Singschauspielerinnen gibt.
Ihre einzige Studioaufnahme dieser Oper hat mich nie wirklich begeistern können, Callas gefällt mir auch hier, aber ihr Alfredo (Francesco Albanese) singt doch arg schaumgebremst.
Bei beiden Mitschnitten überzeugen mich die Sänger des Germont nicht wirklich, meine Lieblingsgermonts heißen Sherill Milnes in der Aufnahme mit Cotrubas und Domingo
Josef Metternich in der alten (und leider nur als Querschnitt erhältlichen) Aufnahme mit Melitta Muszely und Rudolf Schock, und Thomas Hampson, dessen (auch darstellerisch) phänomenale Leistung 2005 in Salzburg mich immer wieder begeistert.
Meine Lieblingstraviatas auf DVD:
Eine Inszenierung, in der m.E. einfach alles stimmt, und in der erzählt wird, warum gerade diese drei Menschen aufeinander treffen und diese Begegnung in einer Katastrophe enden musste. Die Elemente deren Decker sich bedient (große Uhr, leere Bühne, Gevatter Tod in Persona etc.) sind alle nicht wirklich neu, aber was er und seine Darsteller daraus machen ist schon beeindruckend.
Die zweite Lieblings-Traviata ist die von Oper337 bereits erwähnte Zeffirelli-Verfilmung mit Teresa Stratas und Placido Domingo
Ich habe den Film als junges Mädchen im Kino gesehen, und natürlich war ich am Ende in Tränen aufgelöst und bin es wenn ich ihn heute sehe immer noch. Geärgert haben mich allerdings die m.E. unnötigen musikalischen Striche, der letzte Akt zum Beispiel beginnt nach dem Vorspiel sofort mit der Briefszene und „Addio del passato“, auch klingt Stratas im ersten Akt manchmal etwas angestrengt („Sempre libera“) dennoch: da ich Maria Callas in dieser Rolle nie auf der Bühne gesehen habe, und sie bei mir ohnehin außer Konkurrenz läuft, ist Stratas für mich eine nahezu ideale Violetta, darstellerisch, optisch, und über weite Strecken auch gesanglich. Placido Domingo war über Jahrzehnte mein Lieblings-Alfredo.
Teresa Stratas Rollendebüt fand 1965 in München an der Seite von Fritz Wunderlich und Hermann Prey statt. Die Aufführung ist auf CD erhältlich und ich mag sie sehr. Ich habe niemals eine so ermattete, buchstäblich zu Tode erschöpfte Violetta gehört wie Stratas in der Sterbeszene, Wunderlich ist ein großartiger Alfredo. Nebenbei kann man ihm bei einem seiner seltenen Patzer erleben: kurz vor „Parigi o cara“ verbaselt der Gute einen Einsatz, und ich finde es ausgesprochen sympathisch und beruhigend, daß selbst einem Wunderlich sowas passieren konnte.