Leonel Power (um 1375 - 1445)
Das Leben und die Biographie von Leonel Power, auch Lionel oder Leonell bzw. Leonellus genannt, liegen weitgehend im Dunkel. Es wird angenommen, dass er um 1375 (von 1370 - 1385 wird in der Literatur angegeben) in Canterbury oder Kent geboren wird. In einem Wirtschaftsbuch des Hofs von Thomas, Duke of Clarence, einem der Brüder von Henry V., wird er für die Jahre 1418 - 1421 als Chorleiter der Hofkapelle genannt.
Die Forschung, so auch von Paul Hillier 1981 im Booklet der Aufnahme die Hilliards Ensembes für die Reflexe-Serie zitiert, hat versucht, diese Zeit sozusagen mit Leben zu füllen. Power erscheint in diesem Wirtschaftsbuch als zweiter nach Dienstalter und Leiter einer großen Kapelle; man nimmt daher an, dass er um 1412, als Thomas heiratet und zum Duke of Clarence ernannt wird, an dessen aus diesem Anlass gegründeten Hof angestellt wird. Mit dem Duke of Clarence wird Leonel Power sich sicher auch im von den Engländern besetzten Nordfrankreich aufgehalten haben, bis der Duke of Clarence in einer Schlacht 1421 gestorben ist.
Die Zeit danach liegt wieder im Dunkeln. 1423 wird in Urkunden eine Aufnahme Powers in die Bruderschaft der Christ Church von Canterbury verzeichnet, doch scheint es sich dabei um ein reines Ehrenamt gehandelt zu haben.
Man nimmt an, dass es Power in der Folgezeit möglich ist, in der Kapelle von John, Duke of Bedford, zu arbeiten, der sich ebenfalls lange in Frankreich aufhält. Möglicherweise hat Dunstable, der in Bedfords Hofkapelle angestellt ist, diesen Kontakt vermittelt. Die Vermutung wird gestützt durch die Tatsache, dass viele Werke dieser Komponisten in nicht-englischen Quellen erhalten sind; zudem werden einige Kompositionen mal dem einen, mal dem anderen zugeschrieben.
Seinen letzten Lebensabschnitt hat Leonel Power wohl in Canterbury verbracht. 1438 wird er in einer Urkunde als Zeuge erwähnt, von 1439 bis zu seinem Tod 1445 als der Christ Church zugehörig erwähnt und als erster Master des Chores der Lady Chapel der Kathedrale genannt. Aus dieser Zeit stammt wohl auch sein Traktat über den Kontrapunkt, der als Leitfaden zur praktischen Ausbildung der Chorknaben verfasst ist.
Die englische Musik der Zeit um 1400 und ihre hohe Qualität wurden in Europa allgemein anerkannt. Der englische Stil, die ‘Contenance angloise’ entstand aus einer Mischung traditioneller englischer Musik mit französischen und italienischen Elementen und hatte auf dem Kontinent, besonders bei den francoflämischen Komponisten großen Einfluss.
Dieser Stil wird gekennzeichnet durch eine “als discantus bezeichnete Parallelbewegung in Akkorden, und textliche und melodische Imitation der einzelnen Stimmen”. Die Vorliebe für eine akkordische Klangfülle wird in England beibehalten und das bisher als Dissonanz empfundene Terzintervall betont, so Paul Hillier im Booklet zur CD “Medieval English Music”. Bernhard Morbach (Die Musikwelt des Mittalalters) beschreibt diesen Stil als “satte Dreiklangsharmonik” und “Fortschreitung der Terz-Sext-Parallelen, erzeugt durch die Führung der Oberstimme eine Sexte über der tiefsten Stimme, genannt ‘englischer Diskant’ oder 'Faburden' (Fauxbourdon).
Die bedeutendste Leistung dieser englischen Schule ist die Entwicklung der zyklischen Tenormesse. Die Missa Alma redemptoris mater von Leonel Power ist vermutlich das früheste Beispiel für eine solche Messe, in der alle Teile durch einen gemeinsamen Cantus firmus miteinander verbunden sind.
Die Grundlage der Messe Alma redemptoris mater ist die gleichnamige marianische Antiphon. Power nimmt hier zum vielleicht ersten Mal in der Musikgeschichte die Melodie eines Textes als Grundlage der Messe, der nicht aus dem liturgischen Messkorpus stammt. Auf der oben gezeigten CD wird die Messe, wie es nach damaligen Brauch üblich war, durch eingeschobene Motetten ergänzt.
Offenbar ist diese CD die einzige, ganz der Musik Leonel Powers gewidmete CD, die momentan erhältlich ist. Ihr Inhalt entspricht der CD aus dieser Box 9 der Reflexe-Serie:
Ansonsten sind Kompositionen von Lionel Power nur noch auf Cds mit Sammlungen früher englischer Musik zu finden, die meisten auf einer CD nach dem Old Hall Manuskript (London, BL, Add. 57950).
In den kriegerischen Auseinandersetzungen des ausgehenden Mittelalters sowie den späteren religiösen Konflikten in England sind viele Manuskripte und Kunstschätze verloren gegangen. Um so wichtiger ist die Erhaltung dieser Handschrift, die eine bedeutende Sammlung mehrstimmiger englischer Musik enthält.
Von Leonel Power sind etwa 40 - 50 Kompositionen erhalten, davon sind allein 40 im Old Hall Manuscript überliefert. Dieses Manuscript besteht zum größten Teil aus voneinander unabhängigen Messsätzen, wie Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei. Paul Hillier führt aus, dass diese Musik wie überhaupt alle mehrstimmige Musik dieser Zeit solistische Musik ist, die am besten von ein bis zwei Stimmen je Gesangslinie gesungen wird. Der Gebrauch von anderen Instrumenten als der Orgel ist in der Kirche selten. Uns instrumental erscheinende Musik, die in anderen Manuskripten ohne Rext überliefert wurde, ist sicherlich gesungen worden. Das gilt auch für die Messteile im Old Hall Manuscript.
Quellen:
MGG-CD
"http://en.wikipedia.org/wiki/Leonel_Power" Wikipedia
Werke und Discographie:
"http://www.lib.latrobe.edu.au/MMDB/composer/COM150.htm" La Trobe University
"http://www.hoasm.org/IIIC/PowerDiscography.html" HOASM
"http://www.diamm.ac.uk/jsp/Source.jsp…1&sourceKey=210" Digital Image
"http://www.diamm.ac.uk/jsp/rism.jsp?rism=4-675" Digital Image
"http://www.lib.latrobe.edu.au/MMDB/Mss/OH.HTM" La Trobe University
"http://www.lib.latrobe.edu.au/MMDB/composer/H1509006.HTM" La Trobe University
CDs:
Video:
"http://www.google.de/search?q=leone…=firefox-a&aq=f" Power
"http://www.google.de/search?q=old+h…=firefox-a&aq=f" Old Hall Ms .
Dieser Text basiert auf einem Beitrag, den ich im vorigen Jahr für Prospero geschrieben habe.
lg vom eifelplatz, Chris.
Edit: 25.3.2011