Leo Fall - Opernkomponist als Operetten-Großmeister

  • Leo Fall - Opernkomponist als Operetten-Großmeister

    Leo Fall war ein Großmeister der Operette. Selbst die Nationalsozialisten konnten seinen Werken nicht mehr antun, als von 1933 bis 1945 die Aufführungstradition zu unterbrechen. Danach standen „Der fidele Bauer“, „Madame Pompadour“ und „Die Rose von Stambul“ bald wieder auf den Spielplänen – doch nicht lange. Als es in den 70er Jahren Mode wurde, Operette als seichte Unterhaltungskunst verächtlich zu machen, verschwanden Falls Werke allmählich von den Bühnen. Dem harten Kern der Operettenliebhaber waren sie ohnedies zu intellektuell opernhaft, und als E-Musik gingen sie nun einmal nicht durch. Heute ist Fall nahezu verschwunden.

    Biografisches
    Von ganz ungefähr kommt das nicht. Denn der am 2. Februar 1873 in Olmütz (Mähren) geborene Leo Fall, Sohn eines mährischen Militärkapellmeisters, ist zwischen Oper und Operette hin- und hergerissen. Als er mit 14 Jahren das Konservatorium in Wien besucht, um bei Robert Fuchs Komposition zu studieren, wohnt er im Haus der Eltern von Oscar Straus. Und um Geld zu verdienen, spielt er als Geiger gemeinsam mit Franz Lehár am selben Pult in der Militärkapelle von Lehárs Vater. Aus dieser Zeit stammt auch die Freundschaft mit Robert Stolz, der später den „Fidelen Bauern“ uraufführen und sich Zeit Lebens für Fall einsetzen wird.
    Nach der Beendigung seines Studiums geht Fall gemeinsam mit seinem Vater nach Berlin, wo er, wie auch später in Hamburg und Köln, als Kapellmeister arbeitet. 1906 lässt er sich als freier Komponist in Wien nieder.
    Falls Liebe gehört der Oper – allein: Sie wird nicht erwidert. „Frau Denise“ fällt 1902 in Berlin mit Bomben und Granaten durch, „Irrlicht“ ergeht es 1905 in Mannheim nicht besser. Fall versucht sich daraufhin an einer Operette – und scheitert abermals: „Der Rebell“ floppt noch im selben Jahr, 1905, im Theater an der Wien, verhilft damit aber einem anderen Komponisten zu einem ersten Erfolg. Denn man braucht schnell ein Stück und setzt in der Eile auf eines, an das niemand so recht glauben will: „Die lustige Witwe“ von Franz Lehár.
    Doch dann glückt Fall der Sensationserfolg: 1907 wird der Komponist mit „Der Fidele Bauer“ über Nacht zum Star unter den Operettenkomponisten. Später im selben Jahr bestätigt er seinen neu erworbenen Ruf mit der „Dollarprinzessin“. 1909 folgt ein Ausflug, der ganz in die Nähe der Oper führt: „Brüderlein fein“ – das Werk kommt bei Fachleuten und Komponistenkollegen allerdings besser an als beim Publikum und kann sich nicht auf Dauer halten.
    1912 erfolgt die Ehrenrettung des „Rebellen“ – umgearbeitet zu „Der liebe Augustin“ hat das Werk jetzt Erfolg.
    1916 ist Fall wieder in aller Munde mit der „Rose von Stambul“. Und er denkt wieder an die Oper. 1920 ist es so weit. Fall setzt seine Hoffnung auf „Der Goldene Vogel“. Doch die Uraufführung in Dresden ist wieder ein eklatanter Mißerfolg. 1922 glückt ihm seine vielleicht beste Operette, „Madame Pompadour“, eine der besten Werke des gesamten Genres und eigentlich mehr eine Spieloper.
    Am 16. September 1925 stirbt Fall nach einer Konzertreise durch Südamerika an einem Gallenleiden. Er wird auf dem israelitischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs beigesetzt.

    Kurioses
    Fall trat nicht wie ein Starkomponist der Operette auf, sondern kleidete seine ohnedies wenig imposante Erscheinung stets schlicht korrekt. Das trug ihm den Ruf ein, er wirke eher wie ein Bankbeamter als wie ein erfolgreicher Künstler.
    In Hamburg hatte Leo Fall Eine eine Affaire mit Julie Schrader, die als "Welfischer Schwan" mit naiv-erotischen Dichtungen von unfreiwilliger Komik in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Nachdem Fall die Affaire im Jahre 1907 beendet hatte, dichtete Julie Schrader: „Du heil'ger Geist, du warst mein Fall! / Ach, Leo, komm' zurücke! / Und hol' das Zicklein aus dem Stall, / Damit es mich beglücke!"

    Die Musik
    Leo Fall ist kein Operettenkomponist, sondern ein Opernkomponist, der das Genre gewechselt hat. Seine Musik kennt weder die Süßlichkeiten noch die Walzer-Routine, die man in den Werken der sogenannten „silbernen Ära“ so oft findet. Fall ist ein glänzender Melodiker, und so merkt man beim genießenden Zuhören oft gar nicht, wie sich seine Melodien durch Tonarten durchmodulieren und scheinbar nebensächliche Wendungen den Impuls zum neu ansetzenden Bogen geben. Das wird gestützt von der raffiniertesten Instrumentation aller Operettenkomponisten außer Oscar Straus und der pikantesten Harmonik aller Operettenkomponisten – auch hier ist wieder nur Oscar Straus ebenbürtig.
    Schon „Der fidele Bauer“ ist ein Meisterwerk, denn „bäuerlich“ ist zwar das Milieu, nicht aber die Musik. Selbst eine Nummer wie das bekannte „Heinerle“-Lied ist fern von Simplizität. Einfach ist die Melodik wohl, doch wie die Begleitung mit ihr verfährt, erhebt diese Nummer zu großer Kunst. Glänzend vermag Fall den Unterschied zwischen Land und Stadt zu treffen, indem er für das Land bunte Farben wählt und für die Stadt eine parfümiert weichzeichnende Instrumentierung. Das bäuerliche Milieu stilisiert Falls Musik, ahmt es aber nicht nach. Ein Walzer, der zu einer Rauferei gespielt wird, begibt sich gar in Strawinski-Nähe, so aufgepulvert ist die Harmonik an dieser Stelle.
    Auch in „Madame Pompadour“ erweist sich Fall als Meister der musikalischen Stilisierung von Zeit und Stand – so verströmt die höfische Musik einen Duft, der sich von den herberen Konturen der buffonesken Gestalten deutlich abhebt. Ein Kuriosum dürfte der kurze Dritte Akt sein: Hier dunkelt das Intrigengeschehen stark ein, immerhin soll ein Todesurteil unterschrieben werden. Dann wird alles aufgeklärt und löst sich in Wohlgefallen. Fall verzichtet hier fast vollständig auf Musik, erst bei der glücklichen Lösung tritt sie wieder in ihre Rechte. Viele Aufführungen trauten diesem Konzept nicht und brachten zumindest eine Einlagenummer. Wie gut indessen das Original funktioniert, wies das Münchner Gärtnerplatztheater in seiner meilensteinsetzenden Produktion 1996 nach. In dieser Aufführung merkte man auch, wie raffiniert Fall mit dem Orchester umgeht. Fast scheint es, als kenne er Francis Poulencs Satz, demzufolge die Instrumentierung wie eine Sauce sei: Es sei egal, woraus sie gemacht sei, Hauptsache, sie würde den Geschmack des Gerichts heben.

    Fazit
    Leo Fall ist einer der raffiniertesten und technisch perfektesten Komponisten des Operettengenres. Viele seiner Werke sind auch nur der Bezeichnung nach Operetten, und es stellt sich gerade bei Leo Fall die Frage, ob eine Kategorisierung überhaupt sinnvoll ist, zumal zahlreiche Opern des 20. Jahrhunderts, die sich vom Typus Spieloper ableiten, mit Sprechtexten arbeiten. Rein musikalisch besteht bei Fall zumindest in „Brüderlein fein“ und „Madame Pompadour“ kein wesentlicher Unterschied zum moderneren Spieloperntypus. Falls angebliche Operetten wären auch an Opernhäusern ganz ohne Niveauverlust mühelos spielbar. Auf seine Werke Verzicht zu leisten heißt, das Repertoire einiger Werke berauben, die ebenbürtig neben so mancher Oper bestehen können.


    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Ich setz' den Fall

    Lieber Edwin,

    die zitierte Zeile wurde natürlich von Carl Millöcker vertont, aber sie fällt mir gerne ein, wenn ich an den Komponisten Leo Fall denke. Vielen Dank dafür, dass Du meiner Anregung aus dem Benatzky-Thread so schnell gefolgt bist und diesem Komponisten das überfällige Lob widmest, dem ich nur uneingeschränkt beipflichten kann. Das gilt auch und gerade, was Dein Lob für die in der Tat "perfekte Operette" MADAME POMPADOUR betrifft, deren von Dir engesprochene Aufführung aus dem Münchener Gärtnerplatztheater mit der großartigen Noemi Nadelmann zum Glück vom Fernsehen aufgezeichnet wurde und sich so in meinem Besitz befindet.

    Leider kann ich mich Deinem Urteil, dass die Nazis Leo Fall nicht schadeten, nicht so ganz anschließen. Da er das fatale "Glück" hatte, deren Schreckensherrschaft nicht erleben zu müssen, traf ihn nämlich deren Missachtung gleich mehrfach, und das bis heute. Weil er nämlich als Nichtaufgeführter nach dem Krieg voll in die Phase der verkitschten Operettenaufführungen der 50er Jahre geriet, die seine Werke mit triefendem Schmalz auffüllten und aufführten, traf ihn zunächst die Verachtung derer, mit gutem Grund die diese Art Operette nicht schätzten. Später aber ging auch die - ohnehin immer noch zaghafte - Rehabilitierung der Verfolgten an ihm vorbei, weil er eben kein Verfolgter mehr hatte sein müssen. Hand auf's Herz: wie viele kennen und schätzen Leo Fall heute noch?

    Zum Glück gibt es aus den frühen 50er Jahren einige Rundfunkmitschnitte unter Franz Marszalek, der sich immer sehr für Leo Fall eingesetzt hatte und auch dessen Orchestrierungen noch nicht so verfälschte, wie das in den schlagergeprägten Fünfzigern bald der Fall werden sollte. Ich führe mal nur zwei empfehlenswerte Aufnahmen an, die mit Auszügen aus Falls DER SÜSSE KAVALIER bzw. DER FIDELE BAUER auch noch hervorragende "Füller" haben:

    Neben den von Dir erwähnten Werken würde ich unbedingt noch DIE GESCHIEDENE FRAU hervorheben wollen, das ironische Walzer mit dem leichten, aber keineswegs leichtfertigen Stil eines Offenbach oder Straus zu einem subtil erotischen Spiel verdichtet, dessen vielsagende Doppelbödigkeit selbst in den 20er Jahren nur selten erreicht, geschweige denn übertroffen wurde. Auch dvon gibt es eine Aufnahme mit Anny Schlemm, unter der Leitung von Werner Schmidt-Boelke, die dringend wieder angeboten werden sollte. Einen leider nur all zu flüchtigen Eindruck - auch von der Überarbeitung Erich Wolfgang Korngolds, der sich nach dessen Tod sehr für Fall einsetzte - gibt dieser Clip auf YouTube mit (u.a.) Adolf Wohlbrück und Lucy Mannheim: "

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    Mehr dazu, wenn ich meine Gesamtaufnahme wieder einmal habe hören können. Ich hoffe jedenfalls, dass dies erst der Auftakt einer längeren Auseinandersetzung mit diesem großartigen Komponisten wird, der ein Teil der ganz großen Trias der sogenannten Silbernen Operette ist, die für mich aus Oscar Straus, Leo Fall und Eduard Künneke (der als Nächster drankommen sollte) besteht, Komponisten, die ohne Scheu einen gleichen Rang neben den großen musikalischen Namen ihrer Zeit beanspruchen können.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Ich habe mich im Zusammenhang mit der Kölner "Csárdásfürstin"-Produktion Anfang diesen Jahres vermehrt mit Operette auseinandergesetzt (Kálmáns "Mariza", "Zirkusprinzessin" und "Bajadere") und bin dabei auch an Leo Falls "Rose von Stambul" geraten, in der ich all das Piefige, Humorlose und Reaktionäre wiederzufinden meine, das mir die Operette in meiner Jugend so dermaßen verleidet hat. Den ebenfalls hier vorliegenden "Lieben Augustin" habe ich mir daraufhin erstmal erspart. Es mag ja mit an der gewöhnungsbedürftigen Rundfunk-Einrichtung der Produktion liegen - es dürfte (ohne daß ich nochmal nachgesehen habe) diese sein:

    - oder an dem flügellahmen Dirigat Schmidt-Boelckes (zwischen ihm und Marszalek liegen auch bei den Kálmán-Operetten mMn Welten!); und nicht zuletzt an dem für meine Empfindung unangenehm demanzipatorischen Libretto: aber das Stück habe ich nur mit Mühe zu Ende hören können! Insbesondere das von Edwin konstatierte Fehlen von Süßlichkeit kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

    Ich mache aber gerne bei Gelegenheit eine Überprüfung anhand des "Lieben Augustin".

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Ja, mit den alten Rundfunkaufnahmen ist das ein Kreuz. Ich muss mal die Aufnahme von Schmidt-Boelke mit der von Franz Marszalek vergleichen, die mit Fritz Wunderlich schon mal einen kaum einholbaren Vorteil hat, und melde mich dann noch mal.

    Tatsächlich ist es aber auch so, dass sich Falls Operetten mit ihren exotisch operettigen Themen weit eher für eine plüschige Verwurstung eignen als etwa die von Straus und Künneke, und die ROSE VON STAMBUL mit ihrem gleichnamigen Wunschkonzerthit steht da ganz vorne. Hier gilt es wirklich, die Operette nicht nur gegen die überkommenen Vorurteile, sondern auch gegen manche ihrer Interpreten zu verteidigen.

    Es ist wirklich jammervoll, dass es ausgerechnet von der MADAME POMPADOUR keine Aufnahme am Markt gibt, aber ich würde mal hier hinein hören, denn wie Fritzi Massary das "Heut' könnt' einer sein Glück bei mir machen" bringt, ist eine bessere Werbung für Leo Fall und den ihm gemäßen Stil, als jede Zeile von mir vermöchte: "

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    ". Hörenswert ist auch das Duett mit Max Pallenberg "Joseph, ach Joseph": "
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    ". In diesen Beispielen hört man, wie frech die Operette der 20er Jahre wirklich war, aber daran und nicht an denbis zur Unkenntlichkeit weichgespülten Aufnahmen der nachfolgenden Jahrzehnte muss man die Komponisten eigentlich messen.

    Ansonsten ist DER LIEBE AUGUSTIN sicher kein schlechter Einstieg, obwohl ich dafür einen weniger "operettigen" Stoff wie DIE GESCHIEDENE FRAU vorziehen würde, wäre er denn greifbar.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Hallo.

    Es ist wirklich jammervoll, dass es ausgerechnet von der MADAME POMPADOUR keine Aufnahme am Markt gibt,

    Madame kann man durchaus auf CD auftreiben.


    "Alles Syphilis, dachte Des Esseintes, und sein Auge war gebannt, festgehaftet an den entsetzlichen Tigerflecken des Caladiums. Und plötzlich hatte er die Vision einer unablässig vom Gift der vergangenen Zeiten zerfressenen Menschheit."
    Joris-Karl Huysmans

  • Das ist aber eine gute Nachricht. Die Aufnahme von Max Schönherr kenne ich zwar noch nicht, scheint mir aber, auch wegen der Kombination mit DIE GESCHIEDENE FRAU, ein primäres Desiderat der Fall-Studien zu sein.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Lieber Rideamus,

    Leider kann ich mich Deinem Urteil, dass die Nazis Leo Fall nicht schadeten, nicht so ganz anschließen. Da er das fatale "Glück" hatte, deren Schreckensherrschaft nicht erleben zu müssen, traf ihn nämlich deren Missachtung gleich mehrfach, und das bis heute. Weil er nämlich als Nichtaufgeführter nach dem Krieg voll in die Phase der verkitschten Operettenaufführungen der 50er Jahre geriet, die seine Werke mit triefendem Schmalz auffüllten und aufführten, traf ihn zunächst die Verachtung derer, mit gutem Grund die diese Art Operette nicht schätzten. Später aber ging auch die - ohnehin immer noch zaghafte - Rehabilitierung der Verfolgten an ihm vorbei, weil er eben kein Verfolgter mehr hatte sein müssen.


    Du hast prinzipiell Recht, aber ich bin nun mal aus Österreich, und hier sah es anders aus: Fall wurde an der Volksoper nach 1945 als einer der wichtigsten Komponisten der Operette gepflegt, und seine "Madame Pompadur" stand bis tief in die 70er-Jahre hinein permanent auf dem Spielplan. Zudem verfilmte das Fernsehen den "Fidelen Bauern" mit einer TV-Spitzenbesetzung mit Josef Meinrad, Fritz Muliar, Franz Muxeneder (der damals noch ein sehr guter Volksschauspieler war, sein Abstieg kam erst später) u.a. Außerdem war Fall stets im Radio präsent, und zwar sowohl auf dem Klassik-Sender als auch auf dem Regional-Sender, der die leichtere Muse förderte. Fall wurde so akzeptiert, daß man nicht einmal von "Wiedergutmachung" sprach, man setzte einfach fort, wo man zuvor aufhören mußte. Erst in den 80er-Jahren, in denen auch die großen Komponisten des Genres von einem sich elitär gebenden Musikjournalismus nach und nach totgeschlagen wurden, verschwanden die Werke Falls. Die Volksoper bringt übrigens "Madame Pompadour" 2012 in einer Neuinszenierung von Hinrich Horstkotte.

    Lieber Quasimodo,
    ich kenne diese Aufnahme der "Rose von Stambul" nicht, wohl aber zwei andere Produktionen: In beiden war die Musik Falls durch Kapellmeisterzutaten verfälscht. Genau diese Zutaten, die bei Operetten leider Gang und Gäbe sind (nicht einmal die "Fledermaus" wird "original" gespielt, in der "Nacht in Venedig" wird die Instrumentierung retouchiert, im "Zigeunerbaron" zumindest das Finale des Zweiten Akts durch den Bearbeiter-Fleischwolf gedreht, und die Operetten der "Silbernen Ära" waren ohnedies Freiwild für tantiementrächtige "Fassungen"), machten die "Rose" süßlich. In Wirklichkeit ist sie eine - musikalisch - interessante Gratwanderung zwischen Oper, Operette und einem lustvoll zelebrierten Pseudo-Orientalismus, wie er später fallweise in Musicals zum Einsatz kam, wobei letztgenannte zur Zeit der "Rose"-Uraufführung ja eigentlich noch gar nicht so richtig "erfunden" waren. Was der "Rose" das Genick brach, war die Verfilmung im Jahr 1953, die keines, aber auch nicht ein einziges der übelsten Klischees ausließ und natürlich Falls Musik einer Bearbeitung unterzog. Der Film war schlecht, obendrein verleumdete er geradezu die Musik Falls, war aber, aufgrund der Publikumslieblinge in der Besetzung, ein Erfolg. Leider. Denn dadurch brachte man die gar nicht so üble "Rose" mit einem Kitschprodukt in Zusammenhang, das dem Komponisten mehr schadet als nützt. Ich bin kein sonderlicher Freund der "Rose", ich mag andere Operetten Falls wesentlich lieber, etwa den "Fidelen Bauern", die "Pompadour" und "Brüderlein fein", aber so übel wie ihr Ruf, ist die "Rose" nicht. Dennoch wäre sie bei einer allfälligen (und längst fälligen) Fall-Renaissance nicht eines jener Werke, auf denen ich aufbauen würde.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Eduard Künneke (der als Nächster drankommen sollte)


    Ja - oder Edmund Eysler, der vielleicht der vergessenste der Operetten-Großmeister ist. Den haben die Nationalsozialisten wirklich nachhaltig vernichtet.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Wie schön, daß sich ein Thread Leo Fall widmet.


    Madame Pompadour: die Schönherr-Aufnahme ist leider nicht makellos und fällt durch hahnebüchene Striche negativ auf, obwohl Erich Dörner, der bereits in den 1930er Jahren als Operettenbuffo am Deutschen Theater in Prag in den Kraus'schen Fassungen der Offenbachiaden spielte, ein umwerfender Calicot ist.


    Die Geschiedene Frau ist musikalisch zweifellos äußerst reizvoll doch leider wirkt das Thema heutzutage allzu antiquiert, aber immerhin vor einigen Jahren gab es eine englischsprachige Aufführung in Chicago.


    Eine der gelungensten und thematisch aktuellsten Operetten dürfte der Liebe Augustin sein - davon zeugt nicht nur eine Rundfunkeinspielung unter Marszalek sondern ebenso eine ungekürzte und trefflich gelungene Fernsehinszenierung des WDR mit Christine Görner, Friedel Blasius, Peter Minich und dem großartigen Willy Hofmann! Immerhin wird Leo Falls Dollarprinzessin ab dem 18.Juni auf dem Spielplan des Stadttheaters Baden bei Wien stehen, wo man in der jüngeren Vergangenheit neben Madame Pompadour (die nach meinen Beobachtung heutzutage zurecht meistgespielte Fall-Operette) auch den Fidelen Bauern und Die Rose von Stambul kennen lernen konnte.

  • Meine Lieben!

    Edmund Eysler wurde auch vom Theatersterben in Wien stark betroffen [Bürgertheater, Johann Strauß-Theater- abgerissen, Carl-Theater - bombenzerstört] einzig des Raimundtheater brachte die wirklich guten Operetten. Das Raimuntheater wurde aber durch Prof. Dr. Weck im Vorhinein für manche noch schwächere Musical zweckentfremdet] die es auch in Gesamtaufnahmen die "Goldene Meisterin" habe ich auch als Gesamtaufnahme, hier ist die "Beschreibung drin. Auch gab es, Seinerzeit, vom ORF eine LP mit Edmund Eysler Melodien, mit Peter Minich und Mirjana Irosch. Viel ist es leider nicht, aber ich habe Edmund Eysler noch persönlich gekannt, der ja Wien nicht verlies und sich durch Stundengeben das Leben, mehr als trist, verdient, auch seinen Bruder kannte ich gut, er hat ein Haus neben mir einen Friseureinrichtungsladen gehabt.

    So jetzt ab in die UNI Euer Peter aus Wien. :wink: :wink:

  • Meine Lieben!

    Ich habe sowohl Gesamtaufnahen der "Geschiedenen Frau" und "Madame Pompadour" beide mit Gerda Scheyrer, Rita Borsos, Fred Liewehr u.a. Dirigent ist bei beiden Max Schönherr gestern gehört [28.6.] und mir fiel auf, dass gerade bei der "Pompadour" Gerda Scheyrer, die wirklich große Operettenprimadonna hervorragend sang, und ich diese Aufnahmen nicht missen möchte.

    Dass diese Aufnahmen ohne Cover sind ist das einzige Manko.

    Liebe Grüße sendet Euch Euer Peter. :wink:

  • die Schönherr-Aufnahme ist leider nicht makellos und fällt durch hahnebüchene Striche negativ auf


    Lieber Daniel,
    ich kenne diese Aufnahme nicht - was macht Schönherr im dritten Akt? Im Original gibt's da ja nur ein paar Takte Musik.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Madame Pompadour

    hallo zusammen,


    auch ich liebe Leo Fall sehr, besonders verdienstvoll fand ich die Ausstrahlung von Madame Pompadour mit Hans Clarin, Adolf Dallapozza, Ingeborg Hallstein und Julia Migenes. Was da an vokalem Feuer und Glanz, an Spielfreude und Verve entfacht wird, ist einfach stupend. Dallapozza und Hallstein singen herrlichste Duette vor gleißendem Orchester, man schmilzt dahin und ist völlig entrückt, zumindest ich :juhu: :D Erstaunlich auch, wie gut "Pumuckl/ Hui Buh" Hans Clarin singt und seine Rolle anlegt, er braucht sich durchaus nicht zu verstecken, denke ich.

    Schade, dass besagter ZDF theaterkanal nun gänzlich umgekrempelt wurde und überwiegend nur noch schauderlichsten independent-Rock bringt.

    Ansonsten hätte besagte Aufnahme eine DVD-Veröffentlichung sehr verdient. Bis dato gibt es nur eine LP:

    „Orchester haben keinen eigenen Klang,den macht der Dirigent"
    Herbert von Karajan

    „nicht zehn Prozent meiner Musikleute verstehen so viel von Musik wie diese beiden Buben“.
    Karajan nach einem Gespräch mit den Beatles George Harrison und Ringo Starr.

  • Lieber Boris!

    Diese Aufnahme habe ich damals vom ZDF Theaterkanal auf VHS überspielt, ich bin noch nicht dazugekommen sie auf DVD zu überspielen, kommt aber bald dran.

    Ich liebe diese Operettenaufnahmen sehr, die 1970er Jahre hatten da im TV den Vorteil recht gute Operettenaufnahmen zu bringen. Die Opernaufnahmen waren dafür in Deutsch umso mieser.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien. :wink: :wink:

  • Natürlich ist diese Aufnahme der "Geschiedenen Frau" in die Jahre gekommen -

    aber es gibt keine andere.

    Gerda Scheyrer und Dorothea Siebert sind wahre Operettenprimadonnen gewesen, was Gerda Scheyrer damals an Operette einsang war erstaunlich. Fred Liewehr war nicht umsonst der Operttencharmeur an der Volksoper, der einen Shakespeare genauso gut spielte, wie eben Leo Fall. Dass das Libretto nicht schlecht ist habe ich erfahren und die

    "Madame Pompadour" kommt ja wieder an der Volksoper heraus, jetzt am 6. Juni?, glaube ich. Leider habe ich bei der Doppel CD dieser Operette kein Cover, sie stimmt zwar mit der von Malrodor angebenen Besetzung überein.

    Liebe Grüße sendet Euch Euer Peter aus Wien. :wink:

  • Die ZDF-Fernsehinszenierung von Madame Pompadour ist äußerst gelungen. HANS CLARIN ist ein Maßstäbe setzender Calicot - ich habe seitdem keinen besseren gehört und gesehen !!!

    Leider leider wurden (wie so oft) für diese Inszenierung nicht die originalen Orchestrierungen verwendet, was das Hörvergnügen deutlich schmälert.

  • Eine sehenswerte Dokumentation, lief bereits im WDR:

    8.9.2013
    12:00 Uhr
    3sat
    Leo Fall - Vergessenes Enfant Terrible der Wiener Operette
    Film von Thomas Macho

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Im Jahr 2011 ist in Bad Ischl O. Ö. eine Aufführung des "Fidelen Bauern" herausgekommen, die ich mir gestern ausborgte und ich muss sagen sie ist äußerst gelungen.

    Es singen und spielen da, für mich, weniger bekannte Leute, außer Franz Suhrada der in Wien den Frosch in der "Fledermaus" gibt und gab, und ein großer Komödiant ist ohne Schmiere zu spielen. Rupert Bergmann ist der Bauer vom Lindobererhof, Robert Maszl ist der Vincenz der Doktor wird - mit schönem Tenor, Franz Suhrada der Michael Scheichelkroither u.a. und Vinzenz Paxmarer dirigiert das Franz Lehár-Orchester sehr profund und mit viel Charme.

    Die Firma cpo hat immer solche "Zuckerln" im Programm was lobenswert ist. :juhu: :juhu:

    Euer Peter aus Wien. :wink: :wink:

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    Die Kaiserin, entstanden 1916, wurde von Leo Fall selbst am meisten geschätzt. Trotzdem ist sie aus dem Repertoire fast ganz verschwunden (die Bühne Baden macht gerade eine hochlöbliche Ausnahme). Das liegt sicher nicht an der Musik, die geradezu füllhornartig eine reizende Melodie an die andere reiht. Leider aber zählt das Textbuch von Julius Brammer und Alfred Grünwald zu den dümmlichsten und geistlosesten im ganzen Operettengenre. Die müssen das in sehr schwachen Stunden verbrochen haben. Schon die Art, wie zwei ganz verschiedene Handlungen ohne echte Verbindungen aneinandergereiht werden, ist peinlich und direkt dilettantisch: Teil A zeigt, wie Maria Theresia, noch Kronprinzessin, und Franz Stephan von Lothringen trotz gegenteiliger Intrigen einander lieben und kriegen, Teil B ist dem buffonesken Liebespaar Prinzessin Adelgunde, genannt Bichette, und Pepi Graf Cobenzl gewidmet, während die nunmehrige Kaiserin und ihr Franzl mehr Nebenrollen spielen und dafür zeitweilig ein bißchen ehekriseln. Natürlich geht alles gut aus.
    Die 1953 entstandene Aufnahme unter Franz Marszalek steht in der Rangliste seiner Operetteneinspielungen für mich ganz weit oben. Das Ensemble ist perfekt und schmeißt sich voll hinein, daß es eine wahre Freude ist: Anny Schlemm als Kaiserin, Franz Fehringer als Franz Stephan, Gretl Schörg als Bichette, Willy Hofmann als Graf Cobenzl, Willy Schneider als Graf Kaunitz usw. Man hat sich auch bezüglich der gesprochenen Texte viel Mühe gegeben und zum Teil, wenn die Sänger im Wienerischen nicht firm genug waren, mit erstklassigen Schauspielern besetzt (gesprochen wird Maria Theresia von niemand Geringerem als Paula Wessely!), aber das rettet das kindische Libretto auch nicht. Wirklich schade. Wenn man es aber schafft, den Verstand weitgehend auszuschalten, und nur ganz Ohr ist, dann erlebt man eine Sternstunde der Operettenkunst.

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    Homo sum, ergo inscius.

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