Beethovens Klaviersonaten im Interpretationsvergleich

  • Es wird wohl eine Wiederveröffentlichung sein.

    Es ist sogar eine Wiederveröffentlichung. Bei mir hat die von Dir abgebilderte Box 1998/99 Eingang gefunden. Bemerkenswert und sehr extrem ist die Herangehensweise Lills an den 2. Satz von op. 111. Einzigartig - was die Spieldauer anbetrifft, die ich nicht exakt wiedergeben kann, da ich dies aus der Ferne schreibe. Jedenfalls weitaus länger, als alles mir bekannte.

  • Das adagio von op.106 im halben Tempo fällt m.E. bei Korstick auseinander. Wenn ich das Stück nicht schon gut gekannt hätte, hätte ich Schwierigkeiten gehabt, hier melodische Gestalten zu erkennen. Allerdings ist Korstick seit Schnabel einer der wenigen, die ziemlich nahe an das notierte Tempo im Kopfsatz kommen. Das sollte man mal gehört haben, auch wenn man es letztlich vielleicht zu schnell findet. Auch die Fuge ist meiner Erinnerung nach angemessen furios.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Das adagio von op.106 im halben Tempo fällt m.E. bei Korstick auseinander. Wenn ich das Stück nicht schon gut gekannt hätte, hätte ich Schwierigkeiten gehabt, hier melodische Gestalten zu erkennen. Allerdings ist Korstick seit Schnabel einer der wenigen, die ziemlich nahe an das notierte Tempo im Kopfsatz kommen. Das sollte man mal gehört haben, auch wenn man es letztlich vielleicht zu schnell findet. Auch die Fuge ist meiner Erinnerung nach angemessen furios.


    Habe es mir gerade daraufhin noch einmal angehört. Für mich zerfällt es nicht, erfordert aber eine sehr hohe Aufmerksamkei und Konzentration. Sagen wir: es ist zumindest schwierig, die Bögen und Gestalten nachzuvollziehen. Ich finde aber, dass es den Aufwand lohnt.
    Die Spannung während des ganzen Satzes überträgt sich von Korstick auf den Zuhörer.

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)


  • Wenn wir der Wahrheit näher kommen wollen, verlagern wir sie doch einfach um 13 bis 18 Jahre in die Vergangenheit (bezogen auf das Ausgangsjahr 1993), denn ursprünglich ist die von Dir weiter oben gezeigte Gesamtaufnahme zwischen 1975 und 1980 bei dem britischen Label ASV entstanden, es sei denn Du meinst etwas völlig anderes.

  • Besten Dank an Yukon! Also noch LP-Zeit! Wie hast Du es herausgefunden bzw. wo kann man das am bequemsten finden?

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Versuche es mal auf der Seite des Beethovenhauses. Dort hat sich mal jemand die Mühe gemacht eine erhebliche Anzahl der Aufnahmen im Zusammenhang mit Beethoven nach Interpret/Aufnahmejahr/Label zu dokumentieren (Stand: 15.01.2011).

    www.beethoven-http://haus-bonn.de/.../Beethoven%20Diskographie%2015.doc

    Im übrigen müßten sich die Aufnahmedaten doch aus den "Beizetteln" der CD-Boxen ergeben. Ich kann dies derzeit leider nicht nachprüfen, da ich momentan aus der Ferne schreibe.

  • Zitat

    Im übrigen müßten sich die Aufnahmedaten doch aus den "Beizetteln" der CD-Boxen ergeben. Ich kann dies derzeit leider nicht nachprüfen, da ich momentan aus der Ferne schreibe.

    Mit Beipackzetteln ist es in der Brilliant-Ausgabe nicht weit her - vorsichtig ausgedrückt.

    Danke nochmals!

    Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • obwohl ich wenig Ahnung von Musik habe, nie Musikunterricht genossen und nie ein Instrument nicht mal singen gelernt habe, habe ich mich gestern mal an einen Vergleich meiner Aufnahmen von op 14,2 gewagt.
    Ich kann aber deshalb auch nur einen groben Eindruck wiedergeben.
    Ich habe gehört:
    Barenboim
    Schnabel
    Korstik
    Gould
    Bräutigam
    Buchbinder

    Insgesamt muss ich sagen sind immer noch Barenboim und Schnabel dieabsoluten Favoriten. Barenboims Aufnahme ist halt an Klangschönheit Differenziertheit und Sensibilität nicht zu überbieten.
    Schnabels Interpretationen sind so genial, dass sie die kleinen Tonprobleme weit mehr als aufwiegen
    Sehr gut fand ich auch die Aufnahme von Gould, die einigen Witz in den letzten Satz legte.
    Auch Bräutigam und Buchbinder gefallen mir recht gut.

    Mit Korstik dagegen habe ich meine Probleme, er spielt mir zu klobig, zu direkt zu deftig und auftrumpfend halt mit dem dicken Pinsel der Pranke des Löwen, die nicht überall angemessen ist (sein Instrument trägt auch einiges dazu bei). dagegen fand ich aber seine Interpretation des letzten Satzes genial, soviel Witz und Originalität hat noch niemand da heraus geholt.

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum (Nietzsche)
    In der Tat spuckte ... der teuflische Blechtrichter nun alsbald jene Mischung von Bronchialschleim und zerkautem Gummi aus, welchen die Besitzer von Grammophonen und Abonnenten von Radios übereingekommen sind Musik zu nennen (H Hesse)
    ----------------------------
    Im übrigen bin ich der Meinung, dass immer Sommerzeit sein sollte (gerade im Winter)

  • Mich würde interessieren, wie lange Korstick genau für das Adagio aus der Hammerklaviersonate braucht.

    Das adagio von op.106 im halben Tempo fällt m.E. bei Korstick auseinander.


    Ich habe am Wochenende zum ersten Mal die "Hammerklaviersonate", also Beethovens op. 106 gehört. Mit ziemlich großem Erstaunen habe ich dann hier gelesen, dass Pianisten für das Adagio 25 oder sogar 29 Minuten brauchen (wobei, Kater Murr das als halbes Tempo bezeichnet). In der Aufnahme, die ich hier habe, dauert das Adagio 17.13 Minuten.
    Deshalb frage ich jetzt mal ganz naiv: Wie lange dauert denn das Adagio der Hammerklaviersonate normalerweise (also so in den durchschnittlichen Aufnahmen)?

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Such Dir was aus, auf die Schnelle aus dem Regal gegriffen (ohne Datum/Label - zT Mehrfacheinspielungen)

    Korstick 28:42

    Oland 17:42

    Schnabel 18:04

    Pommier 16:45

    Serkin 16:23

    Demidenko 20:17

    Pollini 17:12

    Gilels 19:51

    Solomon 22:20

    Rosen 18:23

    Kempff 15:21

    Lill 24:41

  • Beethovens eigener Metronomvorschrift dürften die schnellsten Interpreten etwa entsprechen.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Beethovens eigener Metronomvorschrift dürften die schnellsten Interpreten etwa entsprechen.

    Mit welcher Präzision kann man autographe Metronomangaben Beethovens überhaupt umsetzen? Angesichts der recht unterschiedlichen Spielzeiten scheint es zu dieser Frage offenbar verschiedene Einschätzungen/Interpretationen zu geben. Worauf bezieht sich eigentlich eine Metronomangabe?

  • Gulda braucht in den Sechzigern (Amadeo) nur gute 13 Minuten in seiner vielleicht nicht unstrittigen, aber sicher diskussionswürdigen Darstellung. Die Koreanerin HJ Lim - so habe ich gelesen - tut es in unseren Tagen noch schneller; eines Urteils muss ich mich mangels Kenntnis enthalten (andere tun dies und sind recht eindeutig ...).

    Der langsame Satz von op. 106 ist diesbezüglich deutungsoffen wie nicht viele Musik. Ob nun tatsächlich diejenigen Recht haben, die Beethovens Metronomvorschrift genau beachten, ist eine spannende Frage.

    :wink: Wolfgang

    Wie ich sehe, stellt Yukon die gleiche Frage in den Raum! :)

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich würde mal sagen, es geht gar nicht darum, die Metronomangabe "präzise" umzusetzten - es reicht völlig, sie einigermaßen umzusetzen (10 % langesamer dürften keinen gravierenden Schaden bedeuten - das halben Tempo ist dann sicherlich ein anderes Stück).

    Beethovens Angabe lauet: 1/8 = 92, d.h. die Metronomangabe bezieht sich auf die Achtel.

    Das Stück steht im 6/8-Takt, derein zweiteiliger Takt ist, jede Taktzeit = 3/8. Das Tempo wäre also zu verstehen als 3/8 = ca. 31 (31 usw. sind auf der Metronomskala nicht drauf, deswegen mußte Beethoven auf die Achtel beziehen).

    "Adagio" sind also die 31, nicht die 92. Viele Interpreten wollen aber das Adagiogefühl mit den Achteln realisieren, und kommen so zu viel langsameren Auffassungen.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Ich muß mich etwas korrigieren - bei den "schnellsten" hatte ich die Gulda-Aufnahme im Kopf als Referenz für ein einigermaßen getroffenes Tempo, konnte aber die Zeit momentan nicht kontrollieren.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Die zügigsten Aufnahmen (wie zB Guldas) entsprechen in etwa der Beethovenschen Vorschrift (laut Riezlers Beethovenbuch habe Busoni den Satz ebenfalls so flüssig gespielt).
    Sicher hat Beethoven nicht erwartet, dass ein so langer und vielgestaltiger Satz stur in einem Tempo durchgezogen wird, aber so breite Tempi wie heute teils üblich wären auf den weniger tragfähigen Klavieren von 1820 vermutlich kaum realisierbar gewesen.
    "Typisch" sind eher 16-19 min. 25-28 min sind aber tatsächlich etwa das halbe Beethovensche Tempo und wie man sieht auch erheblich langsamer als die "üblichen" Tempi.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

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