Messiaen: Saint-François d'Assise - Bayerische Staatsoper München, 1.7.2011 (Premiere)

  • Messiaen: Saint-François d'Assise - Bayerische Staatsoper München, 1.7.2011 (Premiere)

    Kent Nagano hat sich immer schon stark für die Musik Olivier Messiaens eingesetzt, immer wieder auch für dessen Oper Saint-François d'Assise, seit er in jungen Jahren 1983 schon Seiji Ozawas Assistent bei der Uraufführung in Paris sein konnte (auf ausdrücklichen Wunsch Messiaens, wie man hört). Insofern muss man davon ausgehen, dass mit der jetzigen Aufführung an der Bayerischen Staatsoper ein großer persönlicher Traum Naganos in Erfüllung geht: Saint-François während seiner "Amtszeit" in München auf die Bühne zu bringen. Ich weiß nicht, wer die Idee hatte, daraus dann gleich die Eröffnungsvorstellung der diesjährigen Opernfestspiele zu machen. Vielleicht war es ja Intendant Bachler - denn große überregionale, gar internationale Aufmerksamkeit war ihm damit sicher. Die drei Vorstellungen sind dann auch restlos ausverkauft, und das teilweise schon seit Monaten.

    Abzuwarten blieb, wie das Münchner Festspielpublikum das doch sehr sperrige Stück aufnehmen würde. Am Ende des ersten Akts herrschte scheinbar eine gewisse Konsterniertheit, nur wenige Hände rührten sich zum Applaus, der Auftrittsapplaus für Nagano nach der ersten Pause aber immerhin schon freundlich. Nach der zweiten Pause dann schon einige Bravorufe zum immer stärkeren Applaus. Und was dann am Ende losbrach, kaum dass der letzte Ton verklungen war, kann man nur als einen weiteren triumphalen Erfolg für den Münchner GMD bezeichnen. Die wenigen Personen, die das Theater vor dem Ende verlassen haben, kann man gerne vernachlässigen - die Reihen haben sich nicht erkennbar gelichtet. Das Publikum hat den Saint-François nicht nur freundlich, sondern in großen Teilen mit Begeisterung angenommen. Wer hätt's gedacht?

    Die Inszenierung war dem Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch übertragen worden - eine Entscheidung, die mit einer guten Portion Skepsis aufgenommen worden war. Andererseits spielen Theater und Musik in Nitschs Aktionen seit jeher eine große Rolle, auch Opernerfahrung hat er schon. Und Sakrales, Rituelles, christliche Themen wie Opfer, Blut und Tod sind in seinem Werk zentral, so dass die Wahl Nitschs für den Saint-François eigentlich sogar nahe liegt. Dass seine Religionsauffassung mit der Messiaens auf den ersten Blick wenig gemein hat, steht auf einem anderen Blatt. Am Ende ist es aber genau die daraus entstehende Spannung, die diese Produktion ausgesprochen sehenswert macht, auch für Menschen wie mich, die mit Religion jedweder Form nichts am Hut haben.

    Beim Betreten des Zuschauerraums fallen zunächst die Musiker auf der Bühne auf: Links eine Gruppe Blechbläser mit ein wenig Schlagzeug, rechts eine Schlagzeuggruppe, dazu weiteres Schlagzeug und die Ondes Martenot in den Seitenlogen - auch der Graben der Bayerischen Staatsoper ist für Messiaen zu klein. In Amsterdam hatten Pierre Audi und Ingo Metzmacher vor einigen Jahren gleich das ganze Orchester auf die Bühne verfrachtet. Die Münchner Aufstellung hat den Effekt, dass sich (zumindest vorne aus dem Parkett gehört) die Musik nicht wirklich mischt, was zunächst gewöhnungsbedürftig war, dann aber durchaus einen eigenen Reiz entfaltete und die von Nagano angestrebte Transparenz unterstützte.

    Die Oper beginnt mit einem kleinen Gag, schon bevor der erste Ton ertönt. Aus dem Zuschauerraum steigen Personen in festlicher Kleidung über eine Rampe auf die Bühne, Intendant Bachler ist auch dabei - man fragt sich, ob ein Teil des Publikums sich auf die Bühne verlaufen hat oder vielleicht dorthin eingeladen wurde. Es sind dann aber doch Statisten oder Mitglieder des Chors. Das ganze sieht ein wenig aus wie die Besucher einer Vernissage oder einer Kunstperformance, die durch die Räume flanieren, bevor es los geht. Kein ganz unpassender Anfang: Denn was folgt, ist - wenn man ehrlich ist - kein Theater, sondern Aktionskunst mit Musik, allenfalls mit theatralen Elementen. Über weite Strecken funktioniert es trotzdem.

    Nitsch versucht nicht, die handelnden Personen und das Geschehen selbst durch eine psychologisierende Personenführung auf die Bühne zu bringen, oder überhaupt eine Geschichte zu erzählen, die über den gesungenen Text hinausgeht. Was nicht bedeutet, dass die Sänger nicht genau geführt werden: Die Bewegungen sind aber stark stilisiert, wirken kodifiziert. Nitsch arrangiert die 8 Bilder der Oper in 8 Tableaus, in denen Kunstaktionen und Szene nebeneinander laufen, sich kommentierend oder verdoppelnd, um sich an entscheidenden Stellen (Heilung des Aussätzigen, Stigmatisation) immer wieder zu treffen. In den ersten Kritiken im Internet wird teilweise der Vorwurf erhoben, dass Nitsch hier nur seine wohlbekannten Aktionen wiederholt und nichts wirklich Neues bietet - das kann ich nicht beurteilen, da das gestern für mich die erste Nitsch-Aktion war und somit sich bei mir kein Wiederholungseffekt einstellen konnte. Falsch ist in jedem Fall der Vorwurf, Nitsch habe die bekannten Elemente seines "Orgien-Mysterien-Theaters" willkürlich und zusammenhangslos dem Stück übergestülpt - im Gegenteil stehen die Aktionen auf der Bühne immer eng in Bezug zum gesungenen Text.

    Das funktioniert nicht immer gleich gut, und wegen der teilweise zu häufigen Wiederholung eigentlich schöner Einfälle stellt sich an der ein oder anderen Stelle schon ein Ermüdungseffekt ein - nicht zufällig vielleicht am stärksten in der Vogelpredigt, die Messiaen selbst schon etwas arg in die Länge zieht und der eine kürzende Bearbeitung ganz gut tun könnte. Hier wird eine riesige Videoprojektion auf eine bühnenhohe, halbrunde Leinwand im Hintergrund geworfen, bei der allerlei Vogelbilder durchs Bild bewegt werden, zeitweise synchron zur Musik. Das ist zunächst hübsch anzusehen, läuft sich dann aber leer. Ebenso sind im 1. Akt die Videoprojektionen von Szenen anderer Nitsch-Aktionen etwas lang geraten, die das Ausweiden von Tierkadavern zeigen und später Menschen, die in Tiereingeweiden wühlen, auch wenn sie als Kommentar zur Kreuz-, Opfer- und Blutthematik der Aktion zunächst durchaus kraftvoll sind.

    Das auffälligste Bildmotiv, das den Abend durchzieht, ist das des Gekreuzigten. Nur im zweiten Akt, der durchaus passend zum hier sehr zurückhaltend und fast sanft dirigierenden Nagano, als lyrisches Intermezzo inszeniert wird, taucht das Bild spät auf, erst dann, wenn es auch im Text erwähnt wird. Man sieht Männer, nackt oder im knöchellangen weißen Hemd, in verschiedenen Haltungen an Kreuze unterschiedlicher Form gebunden, die von Nitschs "Aktionisten" mit Blut übergossen werden, das meist in einem schmalen Strom vom Mund über die Brust den Körper herab läuft. In den Szenen des ersten Aktes wirkt das stark als sehr körperliche Konkretisierung und komplementär zum meditativ-mystischen Ton der Oper. Zusammen mit den schon erwähnten Videoprojektionen wirkt das auch zurück auf die Musik, die im ersten Akt roher und archaischer erscheint als sonst.

    Das stärkste Bild gelingt in der Szene der Stigmata: Im Hintergrund eine gigantische weiße Leinwand, in voller Breite und Höhe der Bühne. Von einem Gerüst am oberen Rand gießen die Aktionisten über die gesamte Dauer der Szene rote Farbe in dünnen Bahnen herab, so dass die weiße Fläche mehr und mehr wie von blutigen Streifen durchzogen wird. Davor auf einem Gerüst ein nackter Gekreuzigter, darunter François, der darum fleht die Leiden Christi nacherleben zu dürfen, daneben der Chor (der hier das Theatralische zugunsten des Rituellen dadurch noch weiter zurück nimmt, dass er aus Noten und nicht auswendig singt). Das ergibt zusammen mit der hier machtvollen Musik Messiaens, bei der nun auch Nagano alle Zurückhaltung aufgibt, ein Bild von elementarer Wucht.

    Etwas zwiespältig dann das letzte Bild, der Tod des Heiligen. Hier laufen nun wirklich Aktionskunst und Oper ohne erkennbare Querverbindung nebeneinander. Die Aktionisten erstellen mit aus Bechern auf am Boden liegende Leinwände verteilten Farben ein Nitsch'ches Schüttbild, daneben läuft die Handlung der Oper weiter ab. Verschärfend kommt hinzu, dass das entstehende Bild aus dem Parkett nicht zu sehen ist. Zur Schlussapotheose tritt der Chor an den Bühnenrand und singt das Publikum frontal an. Nitsch folgt den Regieanweisungen Messiaens und lässt Scheinwerfer auf die Bühne herab, die die Zuschauer mit gleißendem Licht blenden, während Nagano alles auffährt, was sein Orchester zu bieten hat - das ist überwältigend bis an die Schmerzgrenze.

    Gesungen wurde, zumindest in den wichtigsten Rollen, grandios. Paul Gay ist fabelhaft und meistert die mörderische Partie des Saint-François bravourös. Im ersten Akt hält er sich an einigen Stellen zurück, mogelt sich um die ein oder andere hoch liegende Passage herum, hat dafür aber am Ende noch ausreichend Reserven um auch im letzten Bild noch seine Stimme unter Kontrolle zu haben. Und es gelingt ihm auch trotz der statischen Inszenierung Intensität und eine große Bühnenpräsenz zu entfalten. Christine Schäfer als Engel ist vom Stimmtypus her eine ideale Besetzung, wohlklingend, zart ohne gleich ganz körperlos zu wirken, sie bringt hier alle Vorzüge ihrer Stimme zur Geltung. Auch John Daszak gestaltet die Rolle des Aussätzigen mit an die Nieren gehender Eindringlichkeit - unverständlich, wie vergleichsweise stiefmütterlich er beim Schlussapplaus bedacht wurde. Die Franziskaner-Brüder sind fast durchgehend mit Mitgliedern des Ensembles besetzt, die nicht alle ihrer Rolle wirklich gewachsen sind, aber insgesamt eine solide Gesamtleistung bieten. Sehr gut auch der Chor der Bayerischen Staatsoper, dem die statische Regie sicher entgegen kam.

    Kent Nagano und das Bayerische Staatsorchester finden für jeden Akt einen eigenen Tonfall. Im ersten Akt wird sehr zurückhaltend musiziert, ungewöhnlich transparent, stellenweise wirkt die Musik beinahe kammermusikalisch (so weit das bei dieser instrumentalen Masse möglich ist...), irgendwie kleinteilig. Das ist gewöhnungsbedürftig, entfaltete dann aber einen hohen Reiz auf mich. Der zweite Akt hat einen fast lyrischen Grundton, die Engelsmusik des fünften Bildes, an sich schon nicht ganz kitschfrei und mich dennoch immer wieder berührend, wird mit unendlicher Zartheit gespielt. Dagegen hebt sich dann die instrumentale Wucht, die im 3. Akt entfaltet wird, umso stärker ab. Nagano lässt hier gewissermaßen das Orchester von der Leine und erreicht in der Szene der Stigmata eine dramatische Intensität, die mir weder von Metzmacher in Amsterdam noch von Naganos Salzburger Aufnahme so in Erinnerung ist. Zum Ende schließlich die grandiose Apotheose, die wohl auch den letzten Skeptiker im Theater in den Sessel gedrückt hat. Kleinere Koordinierungsprobleme hie und da, aber wen kümmert das bei dieser insgesamt doch atemberaubenden Leistung.

    Das Publikum feierte mit großem Jubel Paul Gay, Christine Schäfer und vor allem Kent Nagano und sein Orchester. Nicht unerwartet lautstarke Buhs für Nitsch, aber bei weitem keine einheitliche Ablehnung: Viel Applaus und auch Bravorufe für ihn.

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Nach Michels langer und ausführlicher Beschreibung der gestrigen Aufführung bleibt mir eigentlich fast nichts mehr zu kommentieren übrig. Man könnte vielleicht noch auf den vielfältigen Einsatz der Farben hinweisen. Dabei spielt (blut)rot eine wichtige, aber keineswegs die einzig dominierende Rolle. Die gesamte Farbpalette wird in den Video-Projektionen und Kostümen genutzt.

    Messiaen hat zu seinen Modi und Akkorden ganz bestimmte Farben assoziiert, obwohl er wohl kein Synästhetiker war. Diese Farben sind von ihm in seinen theoretischen Schritten auch dokumentiert. Inwieweit die eingesetzten Farben von Nitsch mit diesen Farbvorstellungen übereinstimmen, kann ich nicht beurteilen. Ich vermute nicht allzusehr, sonst müßten die Farben vermutlich zu häufig wechseln. Es wäre aber sicher interessant ihn (Nitsch) dazu zu befragen.

    In jedem Fall werden die häufigen Hinweise auf Nacht und Dunkelheit in Messiaens Libretto nicht umgesetzt.

    Hier kann man ein paar Fotos sehen: http://www.br-online.de/br/jsp/seitent…d=1309248247993

    Ansonsten kann ich nur ein paar persönliche Eindrücke hinzufügen, z.B. daß mir die Videoprojektionen insbesondere die Vogelprojektionen und die zunächst sehr schöne Blumenexplosion im Moment, in dem St. François den Aussätzigen küsst, ein bisschen zuviel wurden und mich auch etwas abgelenkt haben. Diese beiden Projektionen erinnerten mich übrigens an die Projektionen zu Stockhausens Sonntag aus Licht in Köln, dort waren es allerdings 3D-Projektionen.

    Mich hat die etwas prekäre Akustik durch die unterschiedliche Aufstellung der Bläser und Streicher etwas mehr gestört, als Michel. Die Streicher aus dem Orchestergraben klangen doch etwas gedämpft. Wir saßen allerdings auch ziemlich an der Seite, in der Mitte und etwas weiter hinten ist es vielleicht besser. Noch mehr gestört hat mich aber leider das Geräusch der Videoprojektoren. Die wundervollen ruhigen Szenen hätte ich lieber wirklich aus der Stille und nicht über einem Grundrauschen gestört.

    EIne ähnliche Bemerkung habe ich hierzu:

    Zitat

    Die Aktionisten erstellen mit aus Bechern auf am Boden liegende Leinwände verteilten Farben ein Nitsch'ches Schüttbild, daneben läuft die Handlung der Oper weiter ab.

    Ich muß gestehen, daß sich mir der Sinn dieser Aktionen nicht wirklich erschlossen hat. Zusätzlich hätte ich hier auch lieber weniger Schütt- und Wischgeräusche gehört. Aber auch das könnte weiter hinten besser sein.

    Als letzten Eindruck muß ich aber noch beichten, daß mich der Schluß wirklich komplett umgehauen hat. Die Mittel, die Messiaen hier einsetzt, sind nicht wirklich subtil: Licht- und Orchestermassen. Das hat mich aber auch schon in Amsterdam beeindruckt und gestern hat es mich wieder vollkommen überwältigt. Hier, im heimischen Wohnzimmer ist dieser Effekt nicht zu reproduzieren. Mir ist unverständlich, wie man dann gleich in Jubelstürme ausbrechen kann.

    Ein großen :juhu: :juhu: :juhu: :juhu: :juhu: jedenfalls an alle Ausführenden, insbesondere an Paul Gay, dem man am Schluß ein klein bisschen angemerkt hat, daß er schon was in den Knochen hat, was aber den Gesamteindruck wirklich nicht mindert (außerdem ist das bei dieser Partie wohl auch mehr als verständlich). Und an Nagano und das Orchester natürlich. Und an alle, die diese Produktion ermöglicht haben.


    Von daher freue ich mich dann doch auf die zweite Vorstellung am Dienstag.

    Viele Grüße,

    Melanie

    With music I know happiness (Kurtág)

  • Endlich Mehrkanalton aus dem Nationaltheater

    Danke für die ausführlichen Berichte. BR Klassik hat diese wirklich aufregende Premiere zum Anlass genommen, erstmalig aus dem Nationaltheater in Mehrkanalton zu übertragen. Habe die Aufführung nur im Radio mitverfolgt und war sehr angetan, jedenfalls vom Orchester und Nagano, Gay und Schäfer, von einigen der Brüder weniger.
    Mal eine Frage an die (Beneidenswerten?), die live dabei waren: Der erste Einsatz von Frère Massée im Vogelpredigt-Bild (ca. 2'15'' nach Anfang des 6. Bildes "Père, te souviens-tu du jeune homme de Sienne?") kam im Radio von links hinten, der zweite Einsatz von Frère Massée bei etwa 3'30'' von einer normalen Position auf der Bühne. War das ein Mischfehler vom BR, oder war Frère Massée am Anfang vom 6. Bild ganz seitlich oder hinten platziert?

  • Lieber ManonTanto,

    ich erinnere mich nicht mehr, wo Frère Massée am Anfang des 6. Bildes war. Es ist möglich, daß er von Links hinten hereingekommen ist. Muß ich heute abend mal drauf achten. :wink:

    Viele Grüße,
    Melanie

    With music I know happiness (Kurtág)

  • Ich bin überzeugt, daß das Ausweiden von Tierkadavern bestens zu Messiaen paßt, in dessen Oper es schließlich ein zentralen Thema darstellt.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • "Francois"

    Lieber mela, lieber Michel

    vielen Dank für den Bericht zur aktuellen Messiaen-Aufführung in München. Der "Francois" gehört für mich zu jenen Stücken, die zu hören ich anstrengend finde. Rein von der musikalischen Seite her hätte ich die Aufführung dennoch gerne gehört, Kent Nagano hat offensichtlich die hohen Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, voll erfüllt und er war auch für mich der Grund, warum ich kurzzeitig überlegt hatte, mir eine Karte zu besorgen. Zu einem Besuch einer der Aufführungen konnte ich mich dann allerdings wegen des Regisseurs nicht aufraffen - und während hier im Forum zumindest noch eine deutlich um Differenzierung bemühte Rezension zu lesen ist, gibt es auch andere Stimmen, die in der Ablehnung bestimmter ausfallen. Die Bilder, die ich gesehen habe, fand ich teilweise ganz schön, aber dass über weite Strecken eine Inszenierung gar nicht stattfand, schreckt dann bei einem doch langen Abend erheblich ab. Es ist schade, dass dieser Abend nicht von einem anderen Regisseur verantwortet wurde. Wenn man überlegt, dass die Aufführung in Teilen von der Regieassistentin inszeniert werden musste, weil der Meister selbst das nicht so richtig hinbekommen zu haben scheint, dann zweifle ich doch an der Sinnhaftigkeit dieser Personalentscheidung.

    :wink:

    Der Kunst ihre Freiheit

  • Ich bin überzeugt, daß das Ausweiden von Tierkadavern bestens zu Messiaen paßt, in dessen Oper es schließlich ein zentralen Thema darstellt.
    :wink:

    Mannomann! Gibt es denn wirklich keinen Regisseur auf diesem Planeten, der diese Oper mal einigermaßen adäquat inszenieren kann? - diese ganzen selbstverliebten Spinn... :stumm:

  • Es ist schade, dass dieser Abend nicht von einem anderen Regisseur verantwortet wurde.

    Lieber Alviano,
    das hätte man aber wissen können. In Wien "inszenierte" Nitsch die Massenet-"Hérodiade" auf dieselbe Weise, außerdem verantwortete er ein "Ballett". Holender war dann wenigstens soweit, daß er den tatsächlichen Regisseur bzw. Choreographen auf den Besetzungszettel schrieb und Nitsch nur noch die Ausstattung zubilligte.
    Ich brauche bei "St. Francois" wirklich nicht Pierre Audis Schreit- und Stehtheater, aber ich sah eben auf DVD "Tannhäuser" und "Ring" in der Regie von Kasper Holten - das wäre jemand, der den Sinn eines Werks erfaßt, aber zeitgemäß umsetzt. Es gäbe da auch noch andere, die mir einfielen. Padrissa/La Fura dels Baus würde wenigstens ein Lichtspektakel entfesseln. Aber ausgerechnet der Mysterienorgiastler? Wenn er nicht Ekel erweckt, langweilt er. Beides ist bei diesem Werk eher kontraproduktiv.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Nachdem ich die Produktion gestern zum zweiten Mal sehen konnte, muss ich das hier korrigieren:

    Aus dem Zuschauerraum steigen Personen in festlicher Kleidung über eine Rampe auf die Bühne, Intendant Bachler ist auch dabei - man fragt sich, ob ein Teil des Publikums sich auf die Bühne verlaufen hat oder vielleicht dorthin eingeladen wurde. Es sind dann aber doch Statisten oder Mitglieder des Chors.

    - anscheinend sind es keine Statisten, sondern vielleicht zwei Dutzend "echte" (wo und wie auch immer ausgewählte) Zuschauer, die somit das ganze erste Bild auf der Bühne als Teil der Aktion verbringen, und dann in der Umbaupause zum zweiten Bild ihre Sitzplätze einnehmen. Mal sehen, ob wir uns bei der dritten Vorstellung reinmogeln können. 8+)

    Das hier kann ich erklären:

    Mal eine Frage an die (Beneidenswerten?), die live dabei waren: Der erste Einsatz von Frère Massée im Vogelpredigt-Bild (ca. 2'15'' nach Anfang des 6. Bildes "Père, te souviens-tu du jeune homme de Sienne?") kam im Radio von links hinten, der zweite Einsatz von Frère Massée bei etwa 3'30'' von einer normalen Position auf der Bühne. War das ein Mischfehler vom BR, oder war Frère Massée am Anfang vom 6. Bild ganz seitlich oder hinten platziert?

    Frère Massée tritt aus dem Zuschauerraum auf, und ist beim ersten Einsatz noch auf der links vom Orchestergraben angebrachten Rampe, also noch halb im Parkett. Danach geht er weiter und ist bei seinem zweiten Einsatz dann in der Mitte der Bühne angekommen.


    dass über weite Strecken eine Inszenierung gar nicht stattfand, schreckt dann bei einem doch langen Abend erheblich ab.

    Lieber Alviano,

    dass es sich hier um keine herkömmliche Theaterinszenierung handelt, ist unbestritten - so habe ich mich ja auch geäußert. Es ist eine Kunstperformance mit Musikbegleitung. Aber eben durchaus mit Verbindungen zur Musik und zur Handlung. Wer diesen Schritt nicht mitmachen möchte, wird sich viele Stunden langweilen. Wenn man das aber grundsätzlich akzeptiert, wird man mit einigen wirklich gelungenen Bildern belohnt. Ich fand gestern den ganzen ersten Akt ausgesprochen spannend, und die Szene der Stigmata erneut ganz großartig. Der zweite Akt, besonders die Vogelpredigt, hängt zugegebenermaßen etwas durch, und mit der letzten Szene kann ich mich, wie schon geschildert, auch nicht wirklich anfreunden.

    gibt es auch andere Stimmen, die in der Ablehnung bestimmter ausfallen

    Was mich bei vielen der Totalverrisse in der Presse, soweit ich sie gelesen habe, ganz erheblich stört: Man hat den Eindruck, dass die Autoren schon vorher wussten, dass das mit dem Nitsch nichts werden konnte - die schauen da gar nicht mehr hin und hätten ihre Kritik eigentlich schon vorab verfassen können. Diese Vor-Urteile sind ziemlich uninteressant und einigermaßen irrelevant. Besser machen es Gerhard R. Koch in der FAZ und Walter Dobner in "Die Presse" . Die versuchen immerhin, sich auf das einzulassen, was auf der Bühne passiert.

    Musikalisch ist das ohnehin grandios. Man sieht ja schon an meinem Forumsnamen, dass Messiaen mir nicht ganz gleichgültig ist. In der Oper singt ein "Merle Bleu" übrigens beim Freudentanz des geheilten Aussätzigen in den Stabspielen :)

    Bis dann
    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • dass es sich hier um keine herkömmliche Theaterinszenierung handelt, ist unbestritten - so habe ich mich ja auch geäußert. Es ist eine Kunstperformance mit Musikbegleitung.


    Letzteres ist, glaube ich, bei manchen nicht angekommen, was vielleicht auch ein Defizit der Ankündigung war. Andererseits: Wenn Nitsch daraufsteht, dann WEISS MAN, was einen erwartet. Und wenn man's nicht weiß, dann gibt es das Internet. Wir leben ja nicht mehr im Jahr 1980...

    Im übrigen überlege ich mir gerade, ob ich dem Nitsch nicht einen Plagiatsprozess an den Hals hängen soll: https://www.capriccio-kulturforum.de/scherz-satire-…zu-f%C3%BChren/, dort Punkt 12... Es ginge doch nichts über einen schönen Theaterskandal... :D

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Im übrigen überlege ich mir gerade, ob ich dem Nitsch nicht einen Plagiatsprozess an den Hals hängen soll: https://www.capriccio-kulturforum.de/sche%E2%80%A6egie-zu-f%C3%BChren/, dort Punkt 12... Es ginge doch nichts über einen schönen Theaterskandal...

    Das könnte aber nach hinten losgehen. Nitsch macht das doch schon viel länger als September 2009 :D

    Ich bin auch nach der zweiten Aufführung nicht mit mir im Klaren, was ich nun von der Inszenierung halten soll. Man sollte diese Aufführung des St. François nicht auf die Skandal- und Ekelbilder der ausgeweideten Tiere reduzieren. Diese spielen nur in zwei Bildern und auch dort nicht durchgehend eine Rolle. Man kann sie dort als Versuch sehen, die Gewalt, Leid und Brutalität des Kreuzes wieder erfahrbar zu machen. Das gleicht gilt für die öfters wiederkehrenden Aktionen des mit roter und weißer Farbe übergossenen Gekreuzigten. Ob das allerdings geglückt ist? Mir haben sich diese Bilder nicht eingeprägt und beim ersten Mal habe ich sogar wenig darauf geachtet, weil mir die Musik wichtiger war.

    Unbefriedigend finde ich, daß die Kunst-Aktionen auf der Bühne nur selten einen direkten Bezug zur Handlung bekommen, oder gar mit der Handlung interagieren. So betrachtet Franziskus im ersten Bild den Gekreuzigten lange, quasi als Meditation über das Kreuz. Im dritten Bild (der Leprakranke) und im siebten Bild (die Stigmatisierung) kommt es zu den stärksten Überschneidungen, in dem z.B. Franziskus einen der Aktionisten und nicht den Leprakranken umarmt, bzw. die Wunden direkt aus den entsprechenden Wunden des gekreuzigten Aktionisten entstehen. Oft geht beides aber auch wie unabhängig nebeneinander her, am unüberzeugendsten im letzten Bild.

    Im zweiten Akt mußte ich dank der Videoprojektionen und Licht-Spiele durchaus an La Fura dels Baus denken. Wer weiß, was die aus diesem Stück gemacht hätten.

    Dennoch fand ich die Aufführung erheblich packender und spannender, als die Amsterdamer Inszenierung unter Pierre Audi, die in der reinen Handlung befangen bleibt und eigentlich nicht mal den Versuch unternimmt, starke Bilder zu finden.

    Der Saint-François ist aber natürlich auch keine Oper, die leicht auf die Bühne zu bringen wäre. Mir fehlt die Fantasie, um mir auch nur annähernd eine "Traum"-Inszenierung vorstellen zu können. Farben, Licht und Bilder müssten sicher eine wichtige Rolle spielen. Da die Personen auch recht statisch angelegt sind und allenfalls eine innere Weiterentwicklung des heiligen Franz stattfindet, bringt einen eine ausgefeilte Personenregie alleine wahrscheinlich nicht allzuweit. Ich wäre gespannt, wie die Madrider Inszenierung aussieht.

    Aber Messiaen besteht darauf, daß dies eine Oper sei: "Man hat gesagt, dieses Werk sei keine Oper. In der Tat ist es keine klassische Oper, aber ich bestehe darauf, daß es auch kein Oratorium ist: es ist Schauspiel, in dem es eine Handlung geben muß, dazu Schauspieler, Kostüme, Farben, Beleuchtungen und Bühnenbild. Man muß gleichzeitig mit dem Hören sehen."
    Und damit hat jeder, der das Stück aufführen möchte, den Ärger ;+)

    Noch ein paar persönliche Anmerkungen zum Stück: Messiaens Oper wurde und wird ja oft kritisiert: Zu lang, zu statisch, keine überzeugende Dramaturgie, keine Entwicklung der Musik.

    Hier ein Zitat von Boulez als Beispiel: "Ich sehe eher eine Abfolge von Szenen als eine dramatische Progression, und ich bemerke keinen Unterschied zwischen dem ersten und dem letzten Akt. Nicht daß ich der psychologischen Entwicklung der Person eine große Bedeutung beimessen würde, aber es hätte eines Anstiegs vom Gewöhnlichen zum Außergewöhnlichen bedurft. Vielleicht bin ich farbenblind, aber ich habe es nicht empfunden."

    Diese Kritiken sind alle für mich nachvollziehbar und richtig. Aber dennoch übt diese Musik in diesem Stück live gehört auf mich eine ungeheure Sogwirkung aus. Es macht mir keine Mühe die 5 Stunden im Theater durchzustehen und, wie schon oben beschrieben, am Ende bin ich jedesmal überwältigt. Auf CD/DVD kann ich das nicht wirklich reproduzieren. Von daher bin ich sehr dankbar, daß Stück in München live erleben zu können.

    Noch ein Wort zur Orchesterbesetzung: Messiaen fordert einen enormen Apparat:

    - 150 Chorsänger (ich glaube allerdings nicht, daß es soviele Sänger waren)
    - 22 Holzbläser
    - 16 Blechbläser
    - 68 Streicher
    - 3 Ondes Martenot
    - 5 Stabspiele
    - Viel Schlagzeug gespielt von 5 Schlagzeugern

    Dennoch wirkt die Musik sehr selten kompakt. Der Apparat wird sehr differenziert eingesetzt und erzeugt einen wunderbaren Farbenreichtum. Nur am Schluß wird dann sozusagen alles genutzt was da ist...

    Messiaen dazu: "Für den Saint François hat Liebermann (der damalige Intendant der Pariser Oper) mir freie Wahl gelassen. Da habe ich mir gesagt: 'Ich werde siebzig Jahre alt. Ich habe das Recht, Verrücktheiten zu begehen.'"
    Und damit hat jeder, der das Stück aufführen möchte, noch mehr Ärger :D

    Die Zitate sind diesem Buch entnommen:

    Das Buch enthält viel interessantes Material zum theologischen Hintergrund und zur Musik. Allerdings ist mir der musikalischen Teil dann doch an vielen Stellen zu hoch...

    Viele Grüße,
    Melanie

    With music I know happiness (Kurtág)

  • Unbefriedigend finde ich, daß die Kunst-Aktionen auf der Bühne nur selten einen direkten Bezug zur Handlung bekommen, oder gar mit der Handlung interagieren.

    Als Performance müsste es das auch nicht

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Man sollte diese Aufführung des St. François nicht auf die Skandal- und Ekelbilder der ausgeweideten Tiere reduzieren. Diese spielen nur in zwei Bildern und auch dort nicht durchgehend eine Rolle.

    Liebe Melanie,
    nicht darauf reduzieren, sich aber die Frage stellen, wozu das gut ist. Nitsch ist davon besessen, Tiere zu kreuzigen und auszuweiden. Das sind hilflose Versuche einer gezielten Blasphemie. Wenn er das im Rahmen seiner Privatreligion macht - meinetwegen, daran brauche ich nicht teilzunehmen. Wenn mir etwas Derartiges aber über das Werk eines Anderen vorgesetzt wird, habe ich damit Probleme. Ganz ehrlich: Ich hätte mir gerne die Aufführung in München angeschaut, aber ich kann es nicht. Ich halte diese Szenen nicht aus. (Und ehe eine höhnische Frage kommt, ob ich auch Vegetarier bin: Ja, bin ich, weil ich es nicht mag, wenn ein Tier getötet wird.)
    Wenn nun diese Oper etwas enthielte, das mit Tierschlachtungen und -ausweidungen parallel gesetzt werden könnte, wäre es mir immer noch unmöglich, die Aufführung zu sehen, ich könnte den Regisseur aber verstehen. Diese Oper aber enthält nichts davon. Sie ist ein Versuch, vielleicht naiv, vielleicht zu weit gehend, vielleicht auch beglückend, nachzuweisen, daß Gott in allem existiert, sogar im Leid, dessen extreme Ausprägung die Stigmata sind. Das Schlachten und Ausweiden von Tieren hat damit nichts zu tun.
    Vielmehr ist es doch so: Nitsch wird nachgesagt, er mache kultisches Theater. Das mag auch stimmen - und zwar innerhalb eines Nitsch-Kults, in dem die einzelne Aktion wenig Bedeutung hat und nur auf den kollektiven Rausch gezielt wird. Schon das paßt nicht zu Messiaens Oper - obwohl, ich leugne es nicht, eine Art kultisches Theater eine mögliche Lösung wäre. Das Problem im konkreten Fall ist aber, daß Nitsch gar kein Theatermann ist. Vielmehr gibt er einen Rahmen vor, innerhalb dessen dann Manches geschehen kann. Für das Theater, wo Schauspieler/Sänger ein Werk mittels eines Regiekonzepts vermitteln sollen, ist dieser Zugang meiner Meinung nach denkbar ungeeignet - im Fall Messiaen sogar besonders, weil ein dramaturgisch bereits zumindest problematisches Werk auf einen an Dramaturgie und Deutung von vorneherein desinteressierten "Regisseur" trifft, dessen eigene Ästhetik mit der Messiaens obendrein kaum etwas zu tun hat - das Ergebnis könnte spannender sein, wenn sich Nitsch etwa Orffs "Trionfi" vornähme, die eher in sein ästhetisches Umfeld passen; subjektiv bin ich andererseits froh, daß er es nicht macht, sonst könnte ich mir auch das nicht anschauen, würde es einmal szenisch aufgeführt...
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Für das Theater, wo Schauspieler/Sänger ein Werk mittels eines Regiekonzepts vermitteln sollen, ist dieser Zugang meiner Meinung nach denkbar ungeeignet - im Fall Messiaen sogar besonders, weil ein dramaturgisch bereits zumindest problematisches Werk auf einen an Dramaturgie und Deutung von vorneherein desinteressierten "Regisseur" trifft, dessen eigene Ästhetik mit der Messiaens obendrein kaum etwas zu tun hat - das Ergebnis könnte spannender sein, wenn sich Nitsch etwa Orffs "Trionfi" vornähme, die eher in sein ästhetisches Umfeld passen; subjektiv bin ich andererseits froh, daß er es nicht macht, sonst könnte ich mir auch das nicht anschauen, würde es einmal szenisch aufgeführt...

    Naja, vielleicht war das ja auch sein Ansatz: Es ist dramaturgisch extrem spröde, also verzichten wir von vorneherein auf Dramaturgie und Deutung und machen etwas eigenes daraus. OK: Spekulation.
    Daß die ästethischen Vortellungen des Regisseurs etwas mit denen des Komponisten zu tun haben müssen - hmmm.... Da fallen mir auch andere Realisationen ein, mit denen nicht so ins Gericht gegangen wurde: John Neumeiers getanzte Matthäuspassion, Herheims Essener Giovanni oder Claus Guths szenischer Messias. Ganz ehrlich: da ist mir ein wirklich radikaler Bruch à la Nitsch lieber als z.B. das Wiener Assoziationstheater Guths oder die wohlfeile Blasphemie Herheims, die den ästhetischen (und religiösen) Präferenzen des 18. Jhs in gleicher Manier entgegenlaufen, wie Nitschs Performance dem Katholizismus Messiaens.

    Nochmal: Man hat Nitsch engagiert, und er hat genau das gemacht, was man von ihm erwarten konnte, da er es immer so macht. Überraschend war es nicht. Ob's wirklich kreativ ist, immer wieder mehr vom gleichen zu liefern, ist eine andere Frage, aber das, was er in München gemacht hat war zumindest mutig und radikal seins. Gängige Regie-Klischees hat er (wie mancher seiner Kollegen) nicht bedient. Dafür zoll' ich ihm Respekt.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Gängige Regie-Klischees hat er (wie mancher seiner Kollegen) nicht bedient.

    Das könnte er gar nicht, weil ihm dazu das Handwerk fehlt. Nur, weil einer verbal eine Orgie beschreibt, die dann von seinen Anhängern umgesetzt wird, ist er noch lange kein Regisseur.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Ehrlich gesagt: Ich weiß gar nicht, was an Nitsch so provokativ oder skandalös sein soll. Haben die Leute nie Bataille oder Artaud gelesen?

    Adieu,
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

  • Ehrlich gesagt: Ich weiß gar nicht, was an Nitsch so provokativ oder skandalös sein soll. Haben die Leute nie Bataille oder Artaud gelesen?

    Adieu,
    Algabal

    :D

    Ich finde den Typen auch nur langweilig, aber seine Kompositionen werden hübsch verpackt verkauft . . . . .


    "Alles Syphilis, dachte Des Esseintes, und sein Auge war gebannt, festgehaftet an den entsetzlichen Tigerflecken des Caladiums. Und plötzlich hatte er die Vision einer unablässig vom Gift der vergangenen Zeiten zerfressenen Menschheit."
    Joris-Karl Huysmans

  • Geht bitte nicht von heute aus. Nitsch war vor längerer Zeit, so um 1960/70 ein Aufreger vor allem bei jenen, die Bataille und Artaud nicht gelesen haben - was damals ja noch häufiger vorkam als heute. Sowohl Nitsch-Anhänger als auch -Gegner sind in dieser Zeit steckengeblieben. Kollektiver Rausch als Kunstwerk funktioniert außerdem meiner Meinung nach nur für die unmittelbar daran Teilnehmenden, nicht für den Betrachter.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Saint François

    Besten Dank an Micha für die Klärung. Jedenfalls scheint es in München eine sehr farbenfrohe Darbietung zu sein, im Gegensatz zur einzigen Aufführung, die ich live erlebt habe - von Daniel Libeskind 2002 in der DOB Berlin, mit Ofelia Sala, Frode Olsen, Marc Albrecht am Pult. Mit den sieben mal sieben um die eigene Achse rotierenden Würfeln war das ein eher düsteres-geometrisches Erlebnis, vier Fotos davon gibt's hier.

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