Gabriela Montero - eine großartige Pianistin und Improvisatorin
Auf dieser "Bach & beyond"-CD finden sich mmer wieder staunen machende Improvisationen der Meisterpianistin Gabriela Montero, die ich vor ihrer letztjährigen Deutschland-Tournee nur einmal im Jahr 2008 als Kammermusikpartnerin des Cellisten Gautier Capucon auf der Bühne gesehen habe. An jenem Abend wurden natürlich ausschließlich "die Noten gespielt" - wer sollte es auch mit ihrem schier grenzenlosen Improvisationstalent aufnehmen. Als sie dann aber am 19. Oktober 2010 mit einem Solo-Abend in den kleinen Saal der Hamburger Musikhalle kam (der große Saal war an jenem Abend mit einem Joyce DiDonato-Konzert ausgebucht), konnte ich endlich "Montero pur" erleben: also sowohl als texttreue Interpretin auskomponierter Werke vor der Pause sowie als brilliante Improvisatorin nach der Pause. Im ersten Programmteil gab es Werke von Ernesto Lecuona ("La Malaguena" und drei weitere Klavierstücke), Alberto Ginastera (u.a. die hochvirtuose Sonate Nr. 1 mit einem an Chopins Finalsatz der 2. Klaviersonate erinnernden "Presto misterioso" als zweitem Satz), Ernesto Nazareth, Moisés Molero und Paul Desenne (dessen Komposition "La Tierra" nach Gabriela Monteros Ansage erst eine Woche zuvor fertiggestellt worden war). Nach der Pause gab es dann etwa eine Stunde lang Improvisationen über vom Publikum vorgeschlagene Themen: und es war über die Maßen sagenhaft, was Frau Montero aus dem Material machte. Den Shanty "Ick heff mol den Hamborger Veermaster sehn" dürfte sie noch nie zuvor in ihrem Leben gehört haben. Besonders ergreifend war ihre Improvisation auf den Beginn der "Unvollendeten" von Schubert, den ihr ein älterer Herr mit dem (von ihm erfundenen?) Begleittext "This is a symphony that Schubert has never finished" vorsang. Und bei "Besame mucho" war sie natürlich ganz in ihrem Element: witzigerweise erinnerte ihre Improvisation stark an eine Domenico Scarlatti-Sonate.
Das Hamburger Konzert vom 19. Oktober 2010 wurde - ebenso wie alle anderen Konzerte der Deutschland-Tournee - von Tontechnikern der Londoner Abbey Road Studios mitgeschnitten. Der Gag dabei war (mich wundert, warum das nicht öfter gemacht wird): die Doppel-CD mit beiden Teilen des gerade eben erlebten Hamburger Konzerts wurde noch vor Ort gebrannt und es gab sie ca. 10 Minuten nach Konzertende für 20 Euro zu erwerben. Später kam von diesem Material, das bei allen Konzerten der Tournee gesammelt wurde, eine Einzel-CD für den "normalen" Handel heraus: Gabriela Montero live in Germany:
Gabriela Montero improvisiert auf dieser CD über folgende Themen (teilweise selbst gewählt, teilweise vom Publikum zugerufen bzw. vorgesungen):
Voi che sapete (Die Hochzeit des Figaro / Mozart)
Rhapsody in Blue (Gershwin)
Die Gedanken sind frei (Trad.)
For my girls (freie Improvisation Montero)
Der Mond ist aufgegangen (Trad.)
Mas que Nada (Ben Jor)
La Cucaracha (Trad.)
Ein Männlein steht im Walde (von Fallersleben)
Auf in den Kampf, Torero (Carmen / Bizet)
1. Satz der "Unvollendeten" (Schubert)
Kanon (Pachelbel)
La Cumparsita (Rodríguez: in 2 Versionen aus Berlin und aus Hannover)
Largo al factotum (Der Barbier von Sevilla / Rossini)
Freude schöner Götterfunken aus der Sinfonie Nr. 9 (Beethoven)
Prélude cis-moll (Rachmaninow)
In a state of love (freie Improvisation Montero)
Wer einen Eindruck gewinnen möchte, wie begeisternd es bei einem Gabriela Montero-Konzert zugeht, dem empfehle ich ein im Internet abrufbares Video aus Köln. Sie wollte gern über ein typisches Thema aus Köln improvisieren. Das Publikum singt ihr "Mer lasse de Dom in Kölle" vor. Und was sie daraus macht, ist einfach sagenhaft.