Rebecca Saunders und die Störung der Stille

  • Rebecca Saunders und die Störung der Stille

    "Such and much more such the hubbub in his mind so-called till nothing left from deep within but only ever fainter oh to end,” so schreibt Beckett im letzten Teil von “Stirrings Still”. “Oh all to end.”

    Rebecca Saunders (*19.12.1967 in London) studierte Violine und Komposition an der Universität Edinburgh. Daran schloss sich von 1991 bis 1994 ein Kompositionsstudium bei Wolfgang Rihm an, der sie ermutigte, Stille und Leere zuzulassen. 1997 promovierte sie im Fach Komposition bei Nigel Osborne.

    Saunders' Kompositionen habe ich erst kürzlich kennen gelernt, auf dieser Aufnahme mit der musikFabrik:

    In Anlehnung an das Werk Samuel Becketts, das der Komponistin sehr wichtig geworden ist, heißt das Album „Stirrings Still“. Als ich die Werke die ersten Male hörte, empfand ich sie als karg, harsch und spröde, auch als ein wenig düster. Mir fehlten hier zunächst Melodien, Harmonien und Rhythmen – ich fühlte mich der sehr präsenten Klanglichkeit anfangs ein wenig ausgeliefert. Sehr begeistert war ich gleich von der reichen Phantasie der Komponistin, den ungewöhnlichen und spannenden Klängen und den eigenwilligen Besetzungen und Spieltechniken.

    Nach wiederholtem Hören geschah etwas Merkwürdiges: Plötzlich entdeckte ich, dass Saunders' Klangfarbenwelt sehr viel Sinnlichkeit und Energie besitzt. Saunders' Auseinandersetzung mit der Thematik der Stille führte zu einer Kargheit in ihrer Tonsprache, zu einer Klangpoesie, die reduziert ist auf das Wesentliche. So wie die Musik J. S. Bachs für mich etwas Reinigendes hat, so besitzt Saunders' Musik etwas wohltuend Befreiendes und gleichzeitig Anregendes für mich.

    Die Stille hat in Rebecca Saunders' Musik eine tragende Rolle: Jede einzelne Note, jeder Klang muss absolut notwendig sein, um die Störung der Stille, in der sie auftreten, zu rechtfertigen. ("http://www.skug.at")

    Diese Charakterisierung bringt es schnörkellos auf den Punkt, ich empfand sie sofort als nachvollziehbar. Das Wesentliche in der Musik Saunders' ist die Stille! Dieser Gedanke fasziniert mich. Rebecca Saunders in einem Interview (auf "http://www.edition-peters.de") auf die Frage „Was bedeutet Stille für Sie und wie verwenden Sie sie?“

    Es ist schon so, dass ich mir oft am Anfang eines Stückes das leere A3-Blatt vorstelle, das da vor mir liegt. Es ist beinahe, als wäre es von Stille durchtränkt. Wenn man sich dann vorstellt, dass Stille von Klang durchtränkt ist, dann zieht man als Komponist sanft diesen Klangfaden aus der Stille heraus. Man befreit ihn aus dieser Kakophonie der Stille, dann lässt man ihn wieder los und lässt ihn wieder in die Stille verschwinden. Das bedeutet nicht, dass Klang nicht auch aus der Stille hervorbrechen kann, aber sie ist wie die Leinwand, auf der wir malen. Man muss das Gewicht der Stille spüren, denn Stille kann unterschiedliche Masse haben, grundverschiedene Rollen innerhalb einer Komposition spielen. Man sollte nicht vergessen, dass die Töne selber wahrscheinlich weniger wichtig sind, als das, was davor und danach geschieht.

    Genau so ist es unmittelbar erfahrbar, fast körperlich greifbar beim Hören! Faszinierend und aufregend!

    Ein paar Zeilen noch zu den Werken:

    1. Blaauw (für Trompete) (2004)

    Dieses Werk schrieb Saunders für den niederländischen Trompeter Marco Blaauw. Der Schwierigkeitsgrad scheint enorm zu sein, wobei jedoch nicht Virtuosität im Vordergrund steht. Die Klangfarben und ihre Verläufe sind sehr aufregend, auch nach wiederholtem Hören lassen sie mich staunend zurück.

    2. Blue and gray (für 2 Kontrabässe) (2005)

    Düster und schroff, der Titel bezieht sich auf das gleichnamige Werk des Malers Mark Rothko aus 1962.

    Dann sind da noch....

    3. Duo (für Violine und Klavier) (1996/1999)
    4. Vermillion (für Klarinette, E-Gitarre und Violoncello) (2003)
    5. Stirrings still (für 5 Spieler) (2006)

    … deren Charakterisierung ich gerne kundigeren Hörern überlassen möchte.

    Ich bin überhaupt nicht erfahren, was Neue Musik angeht. Die Begegnung mit dieser Musik hat mich jedoch so nachhaltig berührt und angeregt, dass ich gerne mehr über Rebecca Saunders erfahren möchte. Wie ist ihre Musik einzuordnen? Wie wirken ihre Kompositionen auf andere Hörer? Was gibt es noch zu hören von ihr, was zu sagen über sie?

    Viele Grüße,
    Cosima :wink:

  • Liebe Cosima,

    ich freue mich sehr, dass Du die Musik von Rebecca Saunders für Dich entdeckt hast - ich habe selber erst vor wenigen Wochen zum ersten Mal ein Werk von Saunders gehört, und zwar "neither" für zwei Doppeltrichtertrompeten live bei den Wittener Tagen für neue Kammermusik. "neither" klingt ähnlich wie das "Blaauw" - ein Großteil des von Dir bestaunten Klangeffektes kommt in beiden Stücken durch den doppelten Trichter und das zusätzliche Ventil zustande, das es erlaubt, zwischen dem normalen und dem gedämpften Trompetenklang hin- und herzuschalten und beide sogar zu mischen. Quasimodo hat das hier kurz beschrieben und einen Link zu einem hochinteressanten Video gesetzt.

    Mir kam "neither" beim ersten Hören klanglich interessant, aber kompositorisch ein bisschen läppisch vor - das änderte sich erst, als ich das Stück in der Radioübertragung noch einmal hörte. Im "Next Generation"-Thread habe ich damals folgendes geschrieben:

    "Anfangs dachte ich, es gehe Saunders wirklich nur um Klänge und deren Mischungen - ihre Musik kam mir bei oberflächlichem Hören vor wie Klangtapete für karg möblierte schicke Lofts; das fand ich (in Ermangelung eines solchen) nur eingeschränkt interessant. Inzwischen bin ich dahintergekommen, dass es sich zumindest bei diesen drei Werken auch um eine ganz schön dramatische Musik handelt mit sehr langen Entwicklungsbögen und einer ziemlichen Emotionalität, die sich oft lange verborgen hält, bis sie ausbricht. Und das gefällt mir sehr. Ich musste aber mich erstmal wirklich drauf einlassen, auf Anhieb entschloss sich die Saundersmusik mir nicht. Irgendwie kam mir übrigens Bruckner in den Sinn, was vielleicht absurd klingt, aber die Länge der Steigerungsbögen bei Saunders erinnert mich ganz entfernt an seine Sinfonik."

    Grüße
    vom Don

  • auch ich freue mich über deine Emtdeckung der Tonsprache von Rebecca Saunders.

    Mich beeindruckt momentan vor allem der Mitschnitt ihres Konzerts für Kontrabass und Ensemble (2009/2010) mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden, Andreas Wylezol, Kontrabass unter Ekkehard Klemm vom 23.06.10 in Dresden.

    Sinnlichkeit und Energie sind für mich auch Eigenschaften ihrer Tonsprache. Verbunden mit erforderlicher Härte. Ich würde ihre Tonkunst noch mit dem - von mir so bevorzugtem - Holger Sambalischen Wort "kraftvoll" ergänzen wollen.

    Ich denke, wir könnnen auf zukünftige Uraufführungen ihrer Kompositionen sehr gespannt bleiben.

    Zitat

    Ich bin überhaupt nicht erfahren, was Neue Musik angeht. Die Begegnung mit dieser Musik hat mich jedoch so nachhaltig berührt und angeregt, dass ich gerne mehr über Rebecca Saunders erfahren möchte.

    ....und wer weiß, vielleicht bildet das für dich auch eine Stufe/Basis zur Entdeckung weiterer großartiger Meisterwerke unterschiedlichster Komponisten der klassischen und zeitgenössischen Moderne... dafür drücke ich dir zusätzlich ganz fest die Daumen !


    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ich denke, wir könnnen auf zukünftige Uraufführungen ihrer Kompositionen sehr gespannt bleiben.


    Als nächstes steht wohl an ein Violinkonzert als Auftragswerk des Beethovenfestes Bonn für Carolin Widmann und das BBC Symphony Orchestra; es dirigiert Sylvain Cambreling. Am 29. September in Bonn - ich werde alles tun, um das live zu erleben!
    Außerdem stellt ihr Verlag, die Edition Peters, für 2012 ein Streichquartett für, na wen wohl, die Ardittis in Aussicht.

    Grüße
    vom Don

  • wie geil sind die denn, diese Top-News ? :jub:
    wenn du auch noch Radio-Sendetermine erfährst, dann bitte unbedingt rüberwachsen lassen.
    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • "neither" klingt ähnlich wie das "Blaauw" - ein Großteil des von Dir bestaunten Klangeffektes kommt in beiden Stücken durch den doppelten Trichter und das zusätzliche Ventil zustande, das es erlaubt, zwischen dem normalen und dem gedämpften Trompetenklang hin- und herzuschalten und beide sogar zu mischen. Quasimodo hat das hier kurz beschrieben und einen Link zu einem hochinteressanten Video gesetzt.

    Ich setze den Link an dieser Stelle noch einmal: "

    Externer Inhalt www.youtube.com
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    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.
    ", denn:

    Wow! :juhu: Das ist ja ein irres Instrument! Und Marco Blaauw zaubert grandiose Klänge damit. Bin ganz hingerissen! Seltsam das alles, denn normalerweise mag ich die Trompete als Solo-Instrument gar nicht. Aber das hier ist aufregend. Witzig, wie Blaauw von den Anfängen erzählt: Das Ganze begann als Joke oder Experiment, weil er so viele Ersatzteile von Trompeten herumliegen hatte... :D Umso großartiger das Ergebnis!

    Gibt es "neither" auf CD, kann man das irgendwo hören?

    Ich habe gerade noch bei wiki ein wenig gelesen über Marco Blaauw. Das hier gefällt mir:

    Seit 2000 widmet sich Marco Blaauw zudem der pädagogischen Arbeit mit musikalischen Laien, denen er die Klänge und Ideen der zeitgenössischen Musik näher bringen möchte. Er sagt: "Von Anfang an hatte ich das Bild vor Augen von einem Troubadour, der mit den Mitteln seiner Kunst Neuigkeiten verbreitet. Genau das will ich auch – mit meiner Trompete." :thumbup:

    :wink:

  • Die Deutsche Erstaufführung von Rebecca Saunders Konzert für Violoncello und Orchester spielt Jean-Guihen Queyras mit dem Ensemble Resonanz am 26. November in einem Konzert in der Kölner Philharmonie.
    Näheres siehe hier..

  • Ö1 überträgt heute abend live aus Graz die Uraufführung der neuesten Komposition von Rebecca Saunders, "Fletch". Es spielt das Arditti Quartett (ab 19.30 Uhr).

  • ERNST VON SIEMENS MUSIKPREIS 2019 AN REBECCA SAUNDERS

    Porträt (Text):
    https://www.br-klassik.de/aktuell/news-k…s-2019-100.html

    Porträt (Audio):
    https://www.br-klassik.de/audio/die-komp…2019_x-100.html

    Radiohinweis, 17.1.2019, 22:05 BR-Klassik:
    https://www.br-klassik.de/programm/radio…ng-1634168.html
    Zu hören sind:
    Rebecca Saunders: "White" (Marco Blaauw, Trompete); "G and E on A" (Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: Peter Rundel); "Molly's Song 3" (musikFabrik: Stefan Asbury)

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Wie geil ist das denn ?
    Und ob das verdient ist, weil Rebecca Saunders mega-fetzige Mucke komponiert.
    Absoluter Spitzenreiter aus ihrem Oeuvre ist mir weiterhin Stasis.
    Reingezogen als Mitschnitte (UA-Donaueschingen 15.10.11; Kölle 10.11.12 ) aber auch richtig live. Ja. Glücklicherweise auch richtig live, weil Raumklang ein Essential für diese super-tolle Mucke bildet. Stasis = Champions-League-Platz.
    Auch Violinkonzert kommt so hammergeil rüber, wie so vieles andere von ihr..........

    Also, ick freu mir für sie.
    Herzlichen Glückwunsch an Rebecca Saunders !!!!!! :fee: :fee:

    Im kommenden Mai gibt’s in Wien UA von neuer Orchestermucke, Tinte bisher nicht gänzlich trocken.

    Am 26.Mai wird Rebecca Saunders „Yes“ in Hannover-Herrenhausen aufgeführt mit Ensemble Musikfabrik und Sopran Juliet Fraser.

    Sie lebt seit längerer Zeit in der Hertha-Stadt und gibt auch Lektionen im Hannover-Kaff .......

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Eine Neuerscheinung mit drei Werken der Komponistin:

    Still für Violine und Orchester (2011)
    (Carolin Widmann, Violine, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg.: Ilan Volkov)

    Aether für zwei Baßklarinetten (2015/16)
    (Carl Rosman, Richard Haynes, Baßklarinette)

    Alba für Trompete solo und Orchester (2014)
    (Marco Blaauw, Trompete, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg.: Peter Eötvös)

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ö1 überträgt heute abend live aus Graz die Uraufführung der neuesten Komposition von Rebecca Saunders, "Fletch". Es spielt das Arditti Quartett (ab 19.30 Uhr).

    Dieses knapp 15 Minuten Streichquartett mit dem Arditti Quartet ist hier mit drauf:

    Außerdem dabei: Benedict Mason: String Quartet No. 2 (1993); Luke Bedford: Wonderful Four-Headed Nightingale (2013); John Zorn: Pandora's Box (2013), Letzteres mit Sarah Maria Sun, Sopran.


    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Still für Violine und Orchester (2011)
    (Carolin Widmann, Violine, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg.: Ilan Volkov)


    Ich erlaube mir hier, eine persönliche Konzerterinnerung zu zitieren:

    Rebecca Saunders, 1967 in London geboren, in Berlin lebend, komponierte das 2011 uraufgeführte "Still" für Violine und Orchester in enger Zusammenarbeit mit der Solistin der Uraufführung genauso wie dieses Konzertabends, Carolin Widmann. Mitinspiriert ist das Werk von einer „Still“ betitelten Kurzgeschichte Samuel Becketts. Darin wartet eine Person auf die Nacht und einen Klang. Es ist aber nicht notwendig, die Kurzgeschichte beim Hören mitzudenken. Saunders holt meinem Hörempfinden nach noch viel mehr Substanz aus dem bisher Unbewussten des Universums der Musik heraus als Hechtle. Sie schafft es, musikalische Dimensionen eindringlichster Intensität zu öffnen. Das Werk, ca. 20 Minuten lang, hat zwei Teile. Der erste ist ein hochkonzentrierter Parforceritt sondergleichen, angestachelt von der auffahrenden Solovioline, eine extreme Herausforderung vor allem für diese. Es ist ein Kreisen um sich selbst, ein Sich-Verbeißen in einem Zustand des Aufgewühltseins, der freilich durch die extrem konzentrierte klangintensive Interpretation dann doch stets etwas faszinierend „E-Musik-Kontrolliertes“ behält. Teil 2 nimmt sich zwar, was die äußerliche Intensität betrifft, zurück, doch eine angespannte, unheimliche Stimmung bleibt aufrecht, bleibt „geladen“. Zum irisierendsten Moment des ganzen Konzertabends wird für mich der Schluss dieses Werks, wenn die Musik mit subtilsten Klängen ins Universum entschwebt. Die grandios sich fürs Werk eingesetzt habende Solistin und das auch hier im Differenzierten wie im Vollblütigen phänomenal klangprächtige Orchester werden vom Publikum für ihre großartige Leistung sehr herzlich bedankt.

    Was mich betrifft so würde ich mir sehr für die Komponistin wie für die Mitwirkenden und erst recht für alle Musikinteressierten eine offizielle CD-Veröffentlichung des Mitschnitts des Saunders-Werks wünschen.


    Nun, der Wunsch wurde also erfüllt. :thumbup: Habe "Still" gestern erstmals von CD gehört. Was mich vor allem auch beeindruckt, ist der tolle Raumklang, den die BR-Tontechniker hier zur Verfügung stellen. Das Werk fesselt mich von CD genauso wie live, ich werde es gerne immer wieder hören. Vor allem die Orchesterfarben im zweiten Teil, die eine spannend-unheimliche Atmosphäre erzeugen, kann ich gar nicht intensiv genug "inhalieren". Topmusik der Gegenwart!

    Die nächsten Tage dann "Aether" und "Alba", bin schon gespannt.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Ein weiterer persönlicher Höreindruck:

    Rebecca Saunders: Solo
    Klangforum Wien (Kairos)

    Die im August 2020 im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses aufgenommene, bei Kairos veröffentlichte Rebecca Saunders CD des Klangforum Wien beginnt mit dem Klavier-Solowerk Shadows aus dem Jahr 2013, mit dem Untertitel study for piano. Es ist eine atonale Erkundung des Nachhalls, mit mehr heftigen als schüchternen Vorgaben. Das Wesen des Werks besteht darin, jeweils in den Nachhall von Einzel- oder mehreren Akkorden einzutauchen. Bei Florian Müller dauert das Werk 11:42 Minuten.
    Dust (2017/18) für Percussion solo, gespielt von Björn Wilker und 7:37 Minuten kurz, möchte das Gewicht von Klang deutlich machen. Die Musizierenden sind entscheidend, ihre Anschlagsgewichtung bestimmt das Stück. Es ist vor allem auch ein Hineinhören in Klänge, ein stilles, behutsames Werk, nach dessen Ausklang die Stille danach plötzlich verblüffend laut erscheint.
    Das 19 Minuten lange Stück Solitude (2013) für Violoncello solo wird von Andreas Lindenbaum gespielt. Man fühlt sich wie bei einer Ur-Wesenheit, einem Ur-Sein.
    Krassimir Sterev spielt Flesh (2018), solo für Akkordeon und Rezitation, 9:28 Minuten lang – ein animalisch-eruptiver Ulysses-Monolog, im gemeinsamen Atem von Akkordeon und urlautlich emotionaler Stimme.
    InHauch (2018) für Violine solo, gespielt von Sophie Schafleitner, macht die Violine 8:09 Minuten lang den Windhauch, den Atem der Natur.
    Beito an utterance – study (2020) für solo piano wirft und streut Pianist Joonas Ahonen 11:16 Minuten lang bunte Farbkleckse aufs Klavier. Und noch einmal schält sich auch der Nachklang als wesentlich heraus, und am Ende wandelt sich die Musik zur Stille.
    Alles in allem – Musik, die für mich gleichzeitig leicht ist und doch aber alles fordert. Es ist (für mich) einfacher, pro Tag nur jeweils ein Werk zu hören.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Oh, eine neue Saunders-CD! Vielen Dank für die Vorstellung, lieber Alexander, die mich neugierig macht: Wieder scheint Stille ein wichtiges Thema zu sein. Werde wohl nicht drumrum kommen... :zahlen1:

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Das neue Streichquartett der Wahl-Berlinerin Rebecca Saunders Unbreathed findet seinen Weg auf eine CD und diese wohl bald ihren Weg in meine Sammlung. Das UA-Quartett namens Diotima spielt. Zwei Orchesterwerke mit Percussion bzw Sopran umrahmen das Streichquartett.

    Auf der website der Komponistin findet sich Folgendes zu Unbreathed.

    https://static1.squarespace.com/static/5c0e5bb4d274cbc2011b50bb/t/623089e630d1042367ecd267/1647348198508/Unbreathed%2B%282017%29.pdf

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

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