Musique D'Abord - Harmonia Mundi France und ihre Zweitverwertung
Seit nunmehr dreißig Jahren hat die Harmonia Mundi France eine "Billig-Reihe" in ihrem Programm, die in Bereich der Klassischen Musik allzu bekannt ist: Musique D'Abord. Zuerst für die LPs, die in weißen Hüllen nur den Titel der Einspielung trugen, ab 1986 auch auf CD, dessen Look einprägsam war:
Dort wurden viele ältere Veröffentlichungen des Labels äußerst preisfreundlich neu aufgelegt, und man sparte auch nicht mit den Booklets, die zwar schmal sein konnten, aber immer noch einige Informationen über die Werke (und eventuell auch die Texte) mehrsprachig enthielten. Sie waren in den normalen CD-Hüllen untergebracht, sogenannten Jewelcases.
Um das Jahr 2000 änderte sich der Look:
Die Ausgaben lagen nun in aufklappbaren Papphüllen vor, sogenannten Digipacks. Die CD war in einer durchsichtigen Schale, und das Booklet befand sich in einer aufgeschnittenen Wölbung auf der Innenseite der Papphülle. Zwar hatte man den Eindruck, daß die Booklets dünner waren als zuvor (und im Laufe der Zeit noch dünnerer wurden), aber die Infos blieben weitesgehend erhalten. Doch zunehmend fehlten die Texte der Singwerke.
Ohne Frage sind diese Ausgaben empfindlicher als die alten Jewelcases. Man muß schon sorgfältiger mit ihnen umgehen, sonst sehen sie sehr schnell schäbig aus. Doch wenn sie ihren festen Platz im CD-Regal haben, sollten sich die Gebrauchsspuren in Grenzen halten.
Ab 2010 änderte sich das Design wieder etwas:
Jetzt ist es eine reine dreiflügelige Papphülle, wo links das Heft in die Pappe eingeschoben ist und wo rechts die CD in einer dafür ausgelegten Falz eingeklemmt wird. Das Heft ist leider so dünn wie nie zuvor, es werden nur noch in drei Sprachen über das Werk einige Worte gemacht; Texte fehlen komplett. Doch der größte Unterschied macht die CD-Pressung selber aus: sie hat einen LP-ähnlichen Schriftdruck und ist auf der Abtastseite nicht mehr silbern, sondern schwarz beschichtet - so wie es früher mit den CDRoms der PlayStation I war! Die CD-Ausgabe sieht äußerlich nun möglicherweise wie die früheren LP-Ausgaben aus.
Die neue Hülle macht die CDs noch anfälliger für Kratzer, zumal die schwarze Oberfläche wenig vertrauenserweckend wirkt in Bezug eines reibungslosen Abspielens (in der Regel laufen auch diese Pressungen auf Standalone-Playern ohne Probleme). Man merkt schon, daß auch Musique D'Abord sich dem Konsens der günstigeren Ausführungen gebeugt hat, obwohl der Unterschied zu anderen Labels und ihrer "Billig-Reihen" (z.B. DGG und eloquence) noch vertretbarer erscheint.
Doch nun zum Repertoire: Bernard Coutaz (1922-2010) hatte die Harmonia Mundi France (HMF) 1958 gegründet und damit eines der größten unabhängigen Klassik-Labels der Welt geschaffen. Seit fünfzig Jahren produziert es fleißig Aufnahmen und hat von Anfang an den Fokus vor Allem auf die Alte Musik gelegt. Es war neben anderen Labels auch die HMF, die uns den Klang des Frühbarock, der Renaissance oder des Mittelalters ins Bewußtsein brachte, und das tat sie durch Künstler, die ihre diskographische Heimstätte bei der HMF über Jahrzehnte fanden. Doch sie beschränkte sich nicht darauf: in den 1980er Jahren starteten neue Ensembles und Interpreten durch, die sich dem HIP verschrieben hatten und das Repertoire der Klassik und/oder Romantik neu aufarbeiteten. Welches Repertoire es auch war, die Aufnahmen in Verbindung mit dem Design der Cover und den Informationen dazu waren vorbildlich über lange Zeit und zeigen deutlich, was passiert, wenn man das Repertoire stets im Auge behält und sich nicht einem Starrummel hingab, der die Produktionen unrentabel werden läßt. Bis heute hat sich der Eindruck gehalten, daß die HMF weiß, was sie tut, wenn es um die Musik geht. Das ist wohl auch der Grund, daß sie in der heutigen Zeit noch sehr gut dasteht - im Vergleich etwa zu den früheren Majors wie DGG oder EMI...
Ich selber besitze rund 60 HMF-Titel, zwei Fünftel davon aus der Musique D'Abord-Reihe. Ich persönlich könnte nicht einen Titel nennen, den ich als schlecht bezeichnen würde. Selbst wenn es um Titel wie diese geht,
wäre die Umsetzung prinzipiell natürlich angreifbar, aber nicht die Ausführung. Dabei hat der HMF-Katalog inzwischen solche Dimensionen erreicht, daß die Zweitauswertung selbst schon nicht mehr schmal geblieben ist. Zur Zeit sind rund 150 Titel verfügbar, ganz zu schweigen von den Titeln, die innerhalb der Musique D'Abord-Reihe schon als Out Of Print gelten. Man findet aus jedem verfügbaren Repertoire etwas und kann sich auch hier eine breitgefächerte Sammlung zusammenstellen.
Klanglich sind die Einspielungen grundsätzlich sehr gut bis überragend; ein Remastering scheint es aber nicht zu geben, wenn die Titel vom Hochpreis in die Nice-Price-Riege abwandern. Solche Maßnahmen sind mir bisher noch nicht zu Ohren gekommen...
Und jetzt meine Frage: was haltet ihr von Musique D'Abord?
Ramschladen oder preisgünstige Schätzchen?
jd