Claudio Monteverdi - Vespro della Beata Vergine (1610) - Marienvesper

  • King, Christophers und Katschner habe ich wenigstens mal reingehört, und mir ist nichts aufgefallen, was ein Verriß rechtfertigt.

    Christophers mit The Sixteen gehört mittlerweile zu meinen vier Einspielungen (neben Gardiner/Decca, Alessandrini, Savall). Ohne momentan auf Details eingehen zu können (da müßte ich mich mehr einhören, bin auch kein Experte): Ich finde Christophers, Alessandrini und Savall gleichermaßen spannend!

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Was sagen denn die Experten zu dieser Sensation - einer Marienvesper von Monteverdi aus dem Jahre 1650, welche von der bekannten "Vespro" anno 1610 verschieden sein soll?

    Ist das nur ein Gag oder wirklich eine zweite Marienvesper derselben Qualität?

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Gag vielleicht nicht - aber verkaufsfördernd. Wenn ich mich nicht irre, gab es mindestens eine posthume Ausgabe von einem Verleger, den auch The Sixteen schon ausgeschlachtet hat:

    https://thesixteenshop.com/products/cor16142


    lg vom eifelplatz, Chris.

    Das Booklet mit näheren Infos zur Aufnahme mit The Sixteen gibt es hier.

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Das Booklet mit näheren Infos zur Aufnahme mit The Sixteen gibt es hier.

    Danke, Lionel. Ich bin gespannt - Wilson wird ja wohl seine Quellen angeben, dann wird man sehen. Concerto Italiano/Alessandrini haben z.B. auch mal Vespri solenni per la festa de San Marco von Monteverdi aufgenommen, da stammten fast alle Stücke aus der Selva Morale. Aber die Musik ist großartig und im letzten Fall auch die Interpretation.


    lg vom eifelplatz, Chris.

  • Was sagen denn die Experten zu dieser Sensation - einer Marienvesper von Monteverdi aus dem Jahre 1650, welche von der bekannten "Vespro" anno 1610 verschieden sein soll?

    Sensation? Naja, laß mal stecken... :D

    Monteverdi 1650 bedeutet schlicht und einfach:


    Messa a quatro voci, et Salmi A Una... Otto Voci, ... Concertati, e Parte da Cappella, ..., (p1650)

    Das ist ein Druck mit Werken von Monteverdi, die zuvor noch nicht gedruckt wurden - neben der Messa a 4 voci da Cappella sind es:

    • 2x Dixit Dominus
    • 2x Confitebor tibi
    • 1x Beatus vir
    • 1x Laudate pueri Dominum
    • 1x Laudate Dominum
    • 2x Laetatus sum
    • 2x Nisi Dominus
    • 2x Lauda Jerusalem
    • 1x Laetaniae della Beata Vergine

    Damit kann man eine Vesper bestücken. Es ist eine Sammlung wie Selva morale von 1641.


    Es gibt noch diese Aufnahme:

    Ansonsten müßte man verschiedene CDs durchkämmen, aus welchen Drucken die Vespern zusammengestellt wurden; es gibt einige mehr mit Stücken aus dem Selva.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Ab heute wird übrigens das Gardiner-Paket ausgeliefert, bestehend aus seiner Archiv-CD und der venezianischen Live-DVD

    =

    +


    Die Bildqualität der Archiv-DVD ist, jedenfalls auf PAL-Fernsehern, grottig. (p.s.: ist doch nicht ganz so schlimm, wie ich es in Erinnerung hatte!). Aber es gibt ja mittlerweile Gardiners dritten Anlauf in Sachen Marienvesper.

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Was sagen denn die Experten zu dieser Sensation - einer Marienvesper von Monteverdi aus dem Jahre 1650, welche von der bekannten "Vespro" anno 1610 verschieden sein soll?

    Ist das nur ein Gag oder wirklich eine zweite Marienvesper derselben Qualität?

    Gruß
    MB

    :wink:

    Die Trackliste ist inzwischen veröffentlicht.

    Dixit Dominus I, SV 191

    2
    Audi dulcis amica mea

    3
    Laudate pueri Dominum, SV 196

    4
    O quam pulchra es, SV 317

    5
    Laetatus sum, SV 198

    6
    Sonata terza a tre

    7
    Nisi Dominus, SV 200

    8
    Ardet cor meum

    9
    Lauda Jerusalem Dominum, SV 202

    10
    Sonata Xii A 6

    11
    Ave maris stella

    12
    Magnificat I, SV 206:13

    13
    Salve Regina, SV 327

    14

    • Laetaniae della beatae Vergine, SV 204

    Hier kann man sehen, aus welchen Quellen geschöpft wurde:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Stattkus-Verzeichnis


    lg vom eifelplatz, Chris.

  • Dann sind insgesamt sechs Stücke verwendet worden:

    • Dixit Dominus I, SV 191
    • Laudate pueri Dominum, SV 196
    • Laetatus sum, SV 198
    • Nisi Dominus, SV 200
    • Lauda Jerusalem Dominum, SV 202
    • Laetaniae della beatae Vergine, SV 204

    Wird bestimmt eine interessante Einspielung sein... :)

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Am 26.04.18 erscheint eine Neuaufnahme mit Philippe Herreweghe:

    Im vergangenen Jahr ging Herreweghe mit der Marienvesper auf Konzerttournee und dirigierte das Werk u. a. im August bei der Ruhrtriennale sowie in weiteren Konzerten u. a. in Antwerpen, Amsterdam, Barcelona, Bologna, St. Petersburg und Moskau. Könnte sein, dass es eine Live-Aufnahme von diesen bzw. weiteren Konzerten ist oder es handelt sich um eine Studioproduktion.

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Ein wunderschönes Werk, dessen Potential, wie ich meine, noch sehr viel weniger erschöpft ist, als das anderer Kompositionen. Je öfter ich es anhöre, desto mehr erscheint es mir ungewöhnlich zeitlos und ungewöhnlich global übergreifend in seiner Spiritualität. Es kommt mir so vor, als ob ich Elemente aller Musikepochen, Musikgenres und unzähliger Kulturen darin finde - fast von Anbeginn der Menschheit bis jetzt (oder sogar bis in alle Zeiten). In saecula saeculorum. Oder zum Raum wird hier die Zeit. Wirklich ganz ungewöhnlich erstaunlich in dieser Hinsicht.

    Um so mehr frage ich mich, wie es dazu kommt, dass es tendenzmässig eher in einer momentan vorherrschenden Ästhetik dargestellt wird und es zu einem gegebenen Zeitpunkt nicht viel mehr reflektierte und tiefgreifende Variation in seiner Wiedergabe gibt.

    Hier diese Aufnahme finde ich sehr schön gelungen. Meist für mein Verständnis sehr textnah und daher mit einer für mich ergiebigen Variation des Ausdrucks, hervoragend gesungen und gespielt.

  • Eugen Jochum 1957 (München) live, Chor & Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

    s - Maria Stader

    a - Hertha Töpper & Marga Höffgen

    t - Richard Holm & Helmut Krebs

    bt - Herbert Brauer, Hans Braun & Walter Berry

    Wieso sollte man das heute nicht (mehr) so "saftig" singen? Gut, im Pulchra es ist im Sopran selbst mir zu viel Vibrato und der Chor ist hin und wieder zu verschwommen, aber ansonsten ist dieser Ansatz sehr stimmungsvoll. Gerade Nigra sum und Audi Coelum finde ich berührend, aber andere Soli ebenso - für mich keineswegs zu dick aufgetragen, da (soweit ich das bei 2 mal Hören erfasst habe) alles jeweils zum Text passt. Auch Duo Seraphim, meine persönliche Lieblingsnummer in diesem Werk, ist sehr fein. Ave Maris Stella ist wunderbar. Eine historische Aufnahme, die mich einfängt.

  • Sigiswald Kuijken, Le Petit Bande

    s - Gerlinde Sämann & Marie Kuijken

    a - Alessandro Carmignani & Paolo Costa

    t - Giuseppe Maletto, Fabio Furnari & Jean-Francois Lombard

    b - Marco Scavazza, Fulvio Bettini & Valter Testolin

    Fast perfekt homogenes Ensemble. Deklamatorisch hervorragend. Die Melismata sind spot on, meine ich. Angenehme Phrasierung, keine affektierten Übertreibungen. Intonation überirdisch gut.

    Stimmlich bemerke ich, wie sich die beiden Altos zurückhalten müssen, um die anderen Sänger im Ensemble nicht an die Wand zu singen. Ich bilde mir ein es zB zu hören im Gegensatz/Hintereinander der Soli im Ave Maris Stella. Aber schon im Dixit meine ich es hin und wieder zu bemerken. Weiterhin erscheint es mir, als wolle man die Stimmen doch relativ oft als fast unausgebildete Laienstimmen oder sogar Knabenstimmen darstellen, siehe vorletzte Strophe im Ave Maris Stella oder Sopran in der Sonate. Aber es gibt auch andere Beispiele. Das letzte Solo von Scavazza (?) im Gloria Patria im Magnificat würde ich hervorheben als hervorragend und relativ ausdrucksstark gesungen, mMn im Gegensatz zum Rest der Aufnahme.

    Interpretatorisch, wenn man die Schöpfung auf einen Nenner bringen möchte, dann hat man es hier mMn getan. Die Homogenität dieser Aufnahme ist superb. Es entspräche also der Idee des All is One. Das stimmt schon, man sollte es nicht vergessen. Für mein Empfinden hat man das hier sehr gelungen dargestellt.

    Allerdings wird dadurch andererseits die Vielfalt der Schöpfung fast ignoriert. Oder hofft man, dass das neutrale Singen der Noten, also die Komposition allein, ausreicht, sie darzustellen? Das könnte sein und es hätte seine Rechtfertigung. Mir reicht es allerdings nicht, ich finde es langweilig so. Vielleicht will man auch nur einen Aspekt darstellen, nämlich die Jungfrau. Das ist natürlich nachvollziehbar.

    Der musikalischen Ausdruck ist für mein Empfinden von einer potentiellen Bandbreite an menschlich und göttlich möglicher Vielfalt von 100% auf etwa 5% reduziert worden. Variationen des Ausdrucks, wenn auch nur sehr subtil, kann ich mit einem Ohr an einer Hand abzählen und sie sind durchaus aus dem Text zu erklären. Für den Rest, also 95% , kann ich ausser Neutralität des Ausdrucks keine weiteren Emotionen erkennen. Ich kann mir vorstellen, dass man auch einen ganz anderen Text genau so singen könnte. Aber das ist natürlich mein persönliches Problem und ich verstehe, dass dieser Eindruck nicht allgemeingültig ist. Und ich gebe zu, dass Neutralität auch ein Ausdruck ist, das ist schon richtig.

    Eine gewisse Ruhe wird vermittelt, eine Stille... die Zeit bleibt stehen. Dieser Eindruck wird durch diese von mir empfundene emotionale Neutralität stärker vermittelt, als bei anderen Aufnahmen, welche sich mehr aus dem Fenster hängen. Man befindet sich in einem zeitlosen Raum - in der Gegenwart des Ewigen, des Unbelasteten. Meinem Mann gefällt das sehr gut, aber er drückt es anders aus, er sagt nur "that is really beautiful, it calms me down." Wenn ich ihn frage "wieso", sagt er nur, "weiss ich nicht" und geht weg. Er ist extra in mein Zimmer gekommen, um mir das zu sagen. Schon sehr aussagekräftig für mich.

    Dynamische Unterschiede gibt es zB fast nur dadurch, dass das Ensemble sich vergösserrt oder verkleinert. Ich könnte noch viel dazu schreiben, aber ich glaube so ungefähr wird mein Eindruck klar.



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