Welchen Nutzen haben "Referenzaufnahmen" für den Musikfreund?
Als der Begriff "Referenzaufnahme" mir das erste Mal begegnete, ging es um Einspielungen von Werken klassischer Musik, die hinsichtlich der Aufnahmetechnik und des Klanges referentiellen Charakter hatten. Mit der steten Verbesserung der Wiedergabemöglichkeiten und der zunehmenden allgemeinen Erschwinglichkeit von Anlagen, die ein solches Hörerlebnis ermöglichten, hatte dieses Kriterium zumindest für einen Teil der Musikfreunde seine Berechtigung, Dagegen stand immer schon der unermessliche Schatz von Interpretationen, die dieses Kriterium nie erfüllen konnten, aber zum Maßstäblichen in der Auseinandersetzung mit einem Werk gehören.
Inzwischen ist der Begriff auch auf die Interpretation übertragen worden und gibt vor allem unerfahrenen Musikfreunden eine falsche Orientierung, Um diesen überdehnten Begriff geht es im folgenden:
Was sind schon "Ideal"- oder sog. Referenzeinspielungen? Manchmal glaube ich, sie halten einen mehr davon ab, ein Kunstwerk zu erleben, als dass sie die ideale Voraussetzung für ein Kunsterlebnis sind. Es gibt keine Referenzeinspielung! Wenn eine Einspielung einem das Gehör verklebt für die 1001 Möglichkeiten, ein Werk anders aufzuführen und zu hören, dann stimmt etwas nicht - beim Interpreten oder beim Hörer.
Was die zu Recht in Kritik geratene "Werktreue" bei der Oper ist (nicht zuletzt weil der Begriff als stupide Waffe gegen kreatives Weiterdenken eingesetzt wird), scheint bei der Instrumentalmusik die "Referenz" zu sein. Das Werk hat das Recht, unabhängig vom Komponisten weiterzuleben - nur so entrinnt es Affirmation und Fetischcharakter, in jeder Aufführung wird es neu geboren, neu geschaffen. Und die Buchstabentreue ist mehr eine Sache der Bürokratie als die der Kunst.
Liebe Grüße Peter