Wiederholungen - Nur "nochmal"?

  • Wiederholungen - Nur "nochmal"?

    Die Frage zu Wiederholungen ergab sich aus dem Thread, was richtig und falsch sei bei der Interpretation.
    Dem Wunsch nach einem eigenen Thread zu dem Thema wurde hier gerne entsprochen.


    audiamus


    Man verzeihe mir, daß ich immer auf der Maximalforderung beharre: Notentext UND Musik ist beides wichtig. Halbe Lösungen sind für mich nur peripher interessant, solange es Alternativen gibt.
    Ketzerisch ausgedrückt: niemand zwingt Herrn Brendel, ein Werk zu spielen, mit dessen Notentext er nicht einverstanden ist.

    Mehr Respekt habe ich in diesem Zusammenhang vor Furtwängler, der es abgelehnt hat, Beethovens Missa Solemnis zu spielen mit der Begründung (so sagte mir mein Lehrer) daß das Werk nicht zum Klingen zu bringen sei.

    Ciao,
    Gerardus


    Es ist ja nicht so, daß Brendel den ganzen Satz für miserabel erklärt hätte. Konkret geht es ihm um eine Wiederholung. Im Barock war das Weglassen von Wiederholungen, soweit mir bekannt ist, durchaus noch üblich. Vereinfacht gesagt: Brendel hat, nach tiefgreifender Überlegung, eine barocke Methodik auf ein Stück von Schubert übertragen.

    Eine andere Frage ist sicherlich, warum Gould meinte, unbedingt die Mozart-Sonaten spielen zu müssen. Es soll aber Leute geben, die diese Lesart schätzen, ebenso wie einige den Zeitlupen-Beethoven von Klemperer oder den "superslow"-Bruckner von Celibidache mögen. Wenn die Interpreten mit eigenwilligen Interpretationen Menschen erreichen, so werde ich ihnen nicht ihre Fehler aufzählen - es gibt schließlich genug andere Interpretationen, die meinem Gusto entsprechen. Wobei der Celi-Bruckner m. E. schon was hat... ;)

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Es ist ja nicht so, daß Brendel den ganzen Satz für miserabel erklärt hätte. Konkret geht es ihm um eine Wiederholung. Im Barock war das Weglassen von Wiederholungen, soweit mir bekannt ist, durchaus noch üblich. Vereinfacht gesagt: Brendel hat, nach tiefgreifender Überlegung, eine barocke Methodik auf ein Stück von Schubert übertragen.

    soweit mir bekannt, war im Barock das Weglassen von Wiederholungen durchaus NICHT üblich.
    Brendel hat die Wiederholung wegen der irritierenden Überleitung, der prima volta, weggelassen, die er nicht spielen wollte. Und das ist original Schubertscher Notentext von 9 Takten Länge, die also bei ihm fehlen. Das wichtigste an dieser prima volta ist der für den Satz typische Triller im Baß, der nur hier im Fortissimo gespielt werden soll (an allen anderen Stellen ist er pianissimo).

    Bezüglich Celi gebe ich dir Recht. Ein beeindruckender Beweis, daß alles nicht so einfach ist.

    Ciao,
    Gerardus

  • soweit mir bekannt, war im Barock das Weglassen von Wiederholungen durchaus NICHT üblich.
    Brendel hat die Wiederholung wegen der irritierenden Überleitung, der prima volta, weggelassen, die er nicht spielen wollte. Und das ist original Schubertscher Notentext von 9 Takten Länge, die also bei ihm fehlen. Das wichtigste an dieser prima volta ist der für den Satz typische Triller im Baß, der nur hier im Fortissimo gespielt werden soll (an allen anderen Stellen ist er pianissimo).

    Bezüglich Celi gebe ich dir Recht. Ein beeindruckender Beweis, daß alles nicht so einfach ist.

    Ciao,
    Gerardus

    Lieber Gerardus,

    vielleicht war ich mit meiner Einlassung zur Wiederholung im Barock etwas zu voreilig. Man sollte halt nicht Sachen ungeprüft aus nebulöser Erinnerung schreiben - so eine Schlamperei. :D Vielleicht kann hierzu ja noch einer der Barockspezialisten Auskunft geben.

    Bezüglich der Brendel-Entscheidung in Sachen D. 960 bin ich nicht mehr ganz sicher, und ich habe das Brendel-Buch leider gerade nicht zur Hand. Ich meinte mich dunkel zu erinnern, daß er die Wiederholung weglassen wollte und das Auslassen der 9 Takte die Konsequenz sei, es ist aber gut möglich, daß Du recht hast und er die Wiederholung wegen der 9 Takte ausließ (eine Art Henne-Ei-Problem).

    Wie auch immer, dieser Punkt verdeutlicht doch gerade, ob man hier wirklich von einem Sakrileg sprechen sollte - es gibt haufenweise Aufnahmen von D. 960, darunter viele sehr gute, und wir diskutieren hier über 9 Takte bei einem Satz von erheblicher Länge in einer spezifischen Aufnahme. Dann ist dies halt eine Eigenheit der Brendel-Aufnahme, immerhin kommt sie nicht durch Faulheit, sondern durch gründliche Überlegung Brendels zustande, auch wenn Du diese ablehnen magst.

    Anderes Beispiel: es hat sich ziemlich eingebürgert, die Goldberg-Variationen ohne Wiederholungen zu spielen. An der Aufnahme von Koroliov schätze ich gerade, daß er die Wiederholungen alle spielt. Die Forschungslage hierzu ist mir nicht bekannt, ich kann jedoch sagen, daß ich Koroliovs Entscheidung aus musikalischen Gründen mag, und nicht aus einer vermeintlichen Authentizität heraus. Da ich Bach auf dem modernen Flügel schätze, kenne ich wenig Goldberg-Variationen in HIP. Wie werden die Wiederholungen dort gehandhabt?

    :wink:

    P.S.: Kurzer Nachtrag in Sachen D. 960: Ich habe nochmal recherchiert - Du hattest in der Tat Recht und meine Erinnerung hat mich getäuscht, Brendel hat die Wiederholung wegen der Prima volta weggelassen. Das haben einige andere große Pianisten wohl auch, Brendel hat sich aber dafür gerechtfertigt.

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  • soweit mir bekannt, war im Barock das Weglassen von Wiederholungen durchaus NICHT üblich.

    Stimmt.
    Vielmehr setzte die Wiederholung voraus, dass der Sänger oder Spieler die Wiederholung nutzte, um in relativer improvisatorischer Freiheit das Stück zu variieren, in erster Linie durch Verzierungen, die einen ganz anderen Status als später hatten. Hatte der Komponist selbst schon sehr feste Vorstellungen von diesem zweiten verzierten Durchgang, schrieb er die Wiederholung aus und kennzeichnete sie als "Double". Es handelt sich also um einen Zwitter aus Wiederholung und (ad-hoc-)Variation.
    Das Weglassen war nicht üblich, denn erst und gerade hier zeigten sich nach Ansicht der Zeitgenossen die Fähigkeiten des Ausführenden wirklich.

    Außerdem gibt es viele Fälle, in denen die Proportionen eines Satzes durch Weglassen der Wiederholung so verschoben werden, dass eine andere Form entsteht.

    Bei den Goldbergvariationen treten beide Erscheinungen auf. Außerdem hat Bach – wie auch keiner seiner Zeitgenossen – das Wiederholungszeichen nicht mit einem "ad libitum" ergänzt, es war also von vornherein nicht in den Willen des Ausführenden gestellt – eine Entscheidungsmöglichkeit war gar nicht vorgesehen.

    Das Weglassen der Wiederholungen gerade in barocker Musik scheint mir eher den Spieldauern von LP und CD beziehungsweise der angenommenen Ausdauer des moderneren Publikums geschuldet zu sein.

    Bei den Goldbergvariationen passt die Ausführung mit allen Wiederholungen nicht auf eine CD. Trotzdem nehmen solche Aufnahmen zu, weil man immer mehr der oben erläuterten Auffassung zuneigt. Mit einigem Recht kann man behaupten, dass das Weglassen falsch wäre. Noch vor ein oder zwei Jahrzehnten war es der Mehrheitsmeinung zufolge nicht falsch.


  • Außerdem hat Bach – wie auch keiner seiner Zeitgenossen – das Wiederholungszeichen mit einem "ad libitum" ergänzt, es war also von vornherein nicht in den Willen des Ausführenden gestellt – eine Entscheidungsmöglichkeit war gar nicht vorgesehen.

    Verständnisfrage: fehlt hier das Wort "nicht" nach "Wiederholungszeichen" oder verstehe ich den Begriff "ad libitum" falsch? Für mich bedeutet es das Gegenteil von dem, was Du sagst, d. h. es ist in das Belieben des Ausführenden gestellt.

    :stern: ?( Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Verständnisfrage: fehlt hier das Wort "nicht" nach "Wiederholungszeichen" oder verstehe ich den Begriff "ad libitum" falsch? Für mich bedeutet es das Gegenteil von dem, was Du sagst, d. h. es ist in das Belieben des Ausführenden gestellt.

    Völlich richtich, danke für den Hinweis.
    Das "nicht" steht jetzt da.
    :wink:

  • Bei den Goldbergvariationen passt die Ausführung mit allen Wiederholungen nicht auf eine CD.


    Das ist so nicht richtig - in einigermaßen flottem Tempo gespielt dauert das Werk mit allen Wiederholungen 75-80 Minuten, das passt gerade noch :D

    Die Goldbergvariationen sind aus meiner Sicht ein Spezialfall: Da der A- und B-Teil der Aria gleichlang ist (16 Takte), kann man alle Wiederholungen weglassen, ohne die Proportionen zu zerstören (so hat es z. B. Gustav Leonhardt gemacht). Allerdings gehen so bei einigen Variationen die auskomponierten Überleitungen bei den Wiederholungen verloren. Inkonsequent wäre es, die Wiederholungen je nach Variation unterschiedlich zu handhaben (was häufiger zu hören ist).

    Bei Barockmusik ist oft nur ein mehr oder weniger großer Teil dessen notiert, was zu spielen ist; das jeweilige Stück war je nach Geschmack und Fähigkeiten der Musiker weiter auszugestalten. Verzierungen sind hier ein ganz wichtiger Aspekt, und es wurde damals weit mehr verziert, als wir heute meinen (siehe z. B. die "Methodischen Sonaten" von Telemann mit ausgeschriebenen Verzierungen für die Solostimme). Vieles wurde bei der Ausführung improvisiert - bei einer CD-Aufnahme geht dieser Improvisationscharakter natürlich bei wiederholtem Hören verloren, weswegen hier meist nur sehr zurückhaltend verziert wird (auch bei den Wiederholungen).

    Ich sehe hier schon wieder zwei Spezialthemen: Bachs Goldbergvariationen und barocke Verzierungspraxis :D

    :wink: Fugato

  • Kurzer Nachtrag in Sachen D. 960: (...) Brendel hat die Wiederholung wegen der Prima volta weggelassen. Das haben einige andere große Pianisten wohl auch, Brendel hat sich aber dafür gerechtfertigt.

    es war eben lange Tradition, mindestens alle längeren Wiederholungen zu unterschlagen. Die Ausführung mit Prima volta und mit Wiederholung hat sich aber inzwischen richtigerweise weitgehend durchgesetzt. :P

    Ich bin gespannt, ob es im Fall der Goldbergvariationen auch mal so weit kommt.

    Gerardus

  • Stimmt.
    Vielmehr setzte die Wiederholung voraus, dass der Sänger oder Spieler die Wiederholung nutzte, um in relativer improvisatorischer Freiheit das Stück zu variieren, in erster Linie durch Verzierungen, die einen ganz anderen Status als später hatten. Hatte der Komponist selbst schon sehr feste Vorstellungen von diesem zweiten verzierten Durchgang, schrieb er die Wiederholung aus und kennzeichnete sie als "Double". Es handelt sich also um einen Zwitter aus Wiederholung und (ad-hoc-)Variation.
    Das Weglassen war nicht üblich, denn erst und gerade hier zeigten sich nach Ansicht der Zeitgenossen die Fähigkeiten des Ausführenden wirklich.

    Außerdem gibt es viele Fälle, in denen die Proportionen eines Satzes durch Weglassen der Wiederholung so verschoben werden, dass eine andere Form entsteht.

    Bei den Goldbergvariationen treten beide Erscheinungen auf. Außerdem hat Bach – wie auch keiner seiner Zeitgenossen – das Wiederholungszeichen nicht mit einem "ad libitum" ergänzt, es war also von vornherein nicht in den Willen des Ausführenden gestellt – eine Entscheidungsmöglichkeit war gar nicht vorgesehen.

    Das Weglassen der Wiederholungen gerade in barocker Musik scheint mir eher den Spieldauern von LP und CD beziehungsweise der angenommenen Ausdauer des moderneren Publikums geschuldet zu sein.

    Bei den Goldbergvariationen passt die Ausführung mit allen Wiederholungen nicht auf eine CD. Trotzdem nehmen solche Aufnahmen zu, weil man immer mehr der oben erläuterten Auffassung zuneigt. Mit einigem Recht kann man behaupten, dass das Weglassen falsch wäre. Noch vor ein oder zwei Jahrzehnten war es der Mehrheitsmeinung zufolge nicht falsch.

    Danke für die Informationen! Die einzige Rückfrage, die ich jetzt hätte, wäre, ob bei HIP-Aufnahmen der Goldberg-Variationen die Wiederholungen generell gespielt werden und nur bei einigen Aufnahmen auf dem modernen Klavier nicht, oder ob es diese klare Trennlinie nicht gibt. Mit anderen Worten: Ist Deine Einschätzung zu den Wiederholungen eine generelle HIP-Lehrmeinung?

    Übrigens: Koroliov braucht, obwohl er nicht schleppt, 2 CDs.

    :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • ...ob bei HIP-Aufnahmen der Goldberg-Variationen die Wiederholungen generell gespielt werden und nur bei einigen Aufnahmen auf dem modernen Klavier nicht, oder ob es diese klare Trennlinie nicht gibt. Mit anderen Worten: Ist Deine Einschätzung zu den Wiederholungen eine generelle HIP-Lehrmeinung?

    Übrigens: Koroliov braucht, obwohl er nicht schleppt, 2 CDs.

    Das würde mich auch interessieren, aber wir verbraten hier laufend Themen, die eigentlich einen eigenen Thread verdient hätten:
    - Goldberg-Variationen
    (Hildebrandt vor...!)
    - Ausführung von Wiederholungen in der Barockmusik
    - Expositionswiederholung in der Klassik und Romantik

    Gerardus

  • Doppeltes "revoco"

    es war eben lange Tradition, mindestens alle längeren Wiederholungen zu unterschlagen. Die Ausführung mit Prima volta und mit Wiederholung hat sich aber inzwischen richtigerweise weitgehend durchgesetzt. :P

    Ich bin gespannt, ob es im Fall der Goldbergvariationen auch mal so weit kommt.

    Gerardus

    Lieber Gerardus,

    leider muß ich meine gestern angebrachte Korrektur meiner Aussage zu Brendels Verständnis von D. 960 insofern nochmals wiederrufen, als ich inzwischen Brendels Originaltext gelesen habe. Gestern hatte ich noch schnell per Internetrecherche versucht, Brendels Position zu ermitteln, aber es geht halt doch nichts über die Originalquelle, welche in diesem Fall dieses Buch, S. 208-213, ist (obwohl der besagte Text an sich bereits 20 Jahre oder so alt ist):

    Brendel legt dort ausführlich sein Verhältnis zu Wiederholungen als Spielanweisung im Allgemeinen sowie seine Gesichtspunkte bei der Entscheidung "spielen oder nicht" dar. Er führt eine Reihe von Gründen an, D. 960 ohne die Wiederholung zu spielen (u. a. die Ähnlichkeit von Exposition und Reprise und die Relationen zum zweiten Satz) und geht dann auf das Gegenargument ein, daß man damit aber die bewußten 9 Takte auslassen muß. Hier führt er an, daß er dies insofern in Kauf nehmen würde, als er die von Schubert komponierte prima volta nicht für unproblematisch hält - gerade den lauten Triller. Wir hatten also gewissermaßen beide Recht mit unseren anfänglichen Ausführungen, und die Henne-Ei-Frage kann man wohl einer Detailinterpretation des Brendelschen Textes überlassen.

    Dies zeigt doch aber gerade, daß sich hier ein Pianist wirklich Gedanken gemacht hat (die 5 Seiten zu den Wiederholungen sind Teil eines 75-seitigen (!) Aufsatzes über die 3 späten Schubert-Sonaten). Es handelt sich also nicht um eine "Traditions-Schlamperei" im Mahlerschen Sinne, und in einem solchen Fall finde ich einen Begriff wie "falsch" (oder was auch immer man sich an neuen Euphemismen dafür ausdenkt :P ) unangebracht, selbst wenn man die Entscheidung des Interpreten rundheraus ablehnt.

    :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Die einzige Rückfrage, die ich jetzt hätte, wäre, ob bei HIP-Aufnahmen der Goldberg-Variationen die Wiederholungen generell gespielt werden und nur bei einigen Aufnahmen auf dem modernen Klavier nicht, oder ob es diese klare Trennlinie nicht gibt.

    Wie gesagt: Die Zahl der Einspielungen mit allen Wiederholungen nimmt zu, aber längst nicht alle neue Cembalo-Aufnahmen bringen alle.
    Da existiert also keine Trennlinie.

    Zitat

    Mit anderen Worten: Ist Deine Einschätzung zu den Wiederholungen eine generelle HIP-Lehrmeinung?


    Vermutlich wird mir kein Musikwissenschaftler da widersprechen, diese Frage ist kein Streitfall.
    Eine zweite Frage ist, ob diese "Lehrmeinung" auch bei den Ausführenden ankommt und umgesetzt wird.
    Musikwissenschaftliche Erkenntnisse und Aufführungspraxis sind nicht dasselbe Paar Schuhe, das gilt auf jeden Fall auch für hiP.

    Vielleicht begründet die Spieldauer moderner Tonträger ja in gewissem Umfang auch eine Art von "Aufführungspraxis"?

  • [...] Vielleicht begründet die Spieldauer moderner Tonträger ja in gewissem Umfang auch eine Art von "Aufführungspraxis"?

    Wenn man sich anschaut, wie pragmatisch es im Barock musikalisch zum Teil zuging, sicherlich kein abwegiger Gedanke... :D

    :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Ich bin auch der Meinung man sollte das sehr spannende Thema der Wiederholungen ja/nei in einen eigenes Thema verlegen.


    Ich bin der Meinung, sie sollten gespielt werden, da z.B. die Expositionswiederholung oft hilft das weitere besser zu verstehen, weil es sich so auch besser einprägt, insgesamt besser bei der Orientierung im Satz hilft. Ausserdem hat Beethoven z.B. mal Wiederholungen vorgesehen und mal nicht, mal sogar die Wiederholung von Durchführung und Reprise hat sich also Gedanken dazu gemacht und seine Gründe für die Wiederholung, weshalb sie auch gespielt werden sollte.

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum (Nietzsche)
    In der Tat spuckte ... der teuflische Blechtrichter nun alsbald jene Mischung von Bronchialschleim und zerkautem Gummi aus, welchen die Besitzer von Grammophonen und Abonnenten von Radios übereingekommen sind Musik zu nennen (H Hesse)
    ----------------------------
    Im übrigen bin ich der Meinung, dass immer Sommerzeit sein sollte (gerade im Winter)

  • Wenn man sich anschaut, wie pragmatisch es im Barock musikalisch zum Teil zuging, sicherlich kein abwegiger Gedanke... :D

    auf den ersten Blick ein überzeugendes Argument. Aber wenn ein Interpret aus pragmatischen Gründen (Spieldauer & zum Teil problematische Darstellbarkeit auf dem modernen Klavier) nicht einige Wiederholungen, sondern einige Variationen weglassen würde, dann würden alle aufschreien.

    Oh ja, ich weiß, ich vergleiche Äpfel mit Birnen...

  • Wenn man sich anschaut, wie pragmatisch es im Barock musikalisch zum Teil zuging, sicherlich kein abwegiger Gedanke...

    Einen Interpreten im heutigen Sinne wird man im Barock aber vergeblich suchen, ebenso ein Publikum, das etwa dem entspricht, das einen Klavierabend besucht.
    Bach hat wie alle anderen Komponisten seiner Zeit bei den 'Claviersachen' zuerst an den einzelnen Spieler gedacht, erst in zweiter Linie an Zuhörer.
    Insofern ist das da mit der Pragmatik eine einfache Sache. :D

    Bei der Orgel, die in die Liturgie eingebunden ist, sieht das schon wieder ganz anders aus. Und bei Ensemblemusik wieder anders...

  • auf den ersten Blick ein überzeugendes Argument. Aber wenn ein Interpret aus pragmatischen Gründen (Spieldauer & zum Teil problematische Darstellbarkeit auf dem modernen Klavier) nicht einige Wiederholungen, sondern einige Variationen weglassen würde, dann würden alle aufschreien.

    Oh ja, ich weiß, ich vergleiche Äpfel mit Birnen...

    Eigentlich nicht unbedingt. Wenn man nämlich Hildebrandts Ausführungen mit einbezieht, so wären ja in den Wiederholungen erhebliche musikalische Leistungen (durch den Einsatz von Verzierungen, wenn auch auf Tonträgern vielleicht besser im überschaubaren Ausmaß) zu erbringen, um die sich der nicht-wiederholende Interpret "drückt".

    Der Unterschied kommt aber sicherlich dadurch zustande, daß man eine Aufnahme der Goldberg-Variationen ohne einzelne Variationen wohl als "Auszüge" kennzeichnen müßte, hingegen ohne Wiederholungen läge m. E. immer noch eine GA vor.

    Vielleicht sollten wir wirklich das Thema "Wiederholungen" in einen eigenen Thread auslagern, denn das hier vorliegende Thema scheint mir dann doch breiter intendiert gewesen zu sein.

    :wink:

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  • Ziemlich alt dieser Thread, aber dennoch einen kurzen Kommentar: Ich habe gelernt, dass eine Wiederholung in der Barockmusik nie gleich gespielt werden soll. Die Komponisten haben nicht, wie in späteren Zeiten üblich, alle Verzierungen notiert. Es war dem Musiker überlassen, was er daraus macht.

    Gruß
    corda vuota

  • Ich habe gelernt, dass eine Wiederholung in der Barockmusik nie gleich gespielt werden soll. Die Komponisten haben nicht, wie in späteren Zeiten üblich, alle Verzierungen notiert. Es war dem Musiker überlassen, was er daraus macht.

    Hallo Corda vuota!

    Als erstes möchte ich Dir danken für den Beweis, dass es noch Capriccioisti gibt, die sich zum Thema äußern. Und bevor ich Dir meine Frage stelle, möchte ich erwähnen, daß ich zum Großteil mir mein musikalisches Grundwissen autodiktatisch angeeignet habe und sich dadurch bei mir vielleicht Fehlinformationen und Mißverständnisse eingeprägt haben könnten, deswegen JETZT meine Frage: Gilt die Forderung die Rousseau in seinem Traktakt aufstellt, bei Wiederholungen gleicher Motive, die gleichen Verzierungen anzuwenden nur für die Anfänger des Gambenspiels, an die er sich ja mit dem Traktat ausdrücklich wendet oder allgemein für französische Gambenmusik des 17./18. Jahrhunderts? Oder hat sich mir etwas Falsches eingeprägt?


    Viele Grüße
    Ein_Mensch

  • Hallo Ein_Mensch,

    als Anfänger ist es sicher leichter, wenn man die Verzierungen in der Wiederholung beibehält. Man ist da sicher auch noch genügend mit anderen Dingen beschäftigt. Mit fortschreitendem Können sollte man den Zuhörern jedoch Neues bieten. Punktgenaue Wiederholungen langweilen eher. Im 17./18.Jahrundert war der blanke Notentext wohl eher als grobe Vorlage für den Solisten gedacht. Was er daraus machte, war seine Sache. Dies bezieht sich aber wirklich auf solistische Werke. Weiter oben wurde ja bereits erwähnt, dass dies bei Orchesterwerken auch zu dieser Zeit schon nicht gewünscht war.

    Viele Grüße
    corda vuota

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