Wiederholungen - Nur "nochmal"?

  • so wie beim Rondo auch...

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Das meinte ich. Und die Unterscheidung zwischen symphonischer und Kammermusik in diesem Punkt macht für mich auch verständlich, wieso in manchen Symphonien die Wiederholungen noch auftauchen, wo sie in Sonaten schon nicht mehr obligat notiert sind.

    Meinem Eindruck nach ist es schwierig, beim mittleren/späten Beethoven und den späteren Komponisten des 19. Jhds. nachzuweisen, dass bei Sinfonien die traditionellen Wiederholungen länger vorkommen als in der Kammermusik. Brahms' Werke mit/ohne Wdh. im Kopfsatz wurden ja irgendwo weiter oben schon aufgezählt. Beim späten Beethoven fehlt die Wdh. in dem ansonsten vergleichsweise "strengen" (aber eben auch sehr langen) Kopfsatz der 9. Sinfonie ebenso wie bei den vielleicht eher fantasieartigen der Sonaten op.109 und 110. Dagegen in op.106 und 111 Wdh. im Einklang mit der insgesamt eher klassizistischen Anlage der Kopfsätze. Bei den Quartetten hat der sehr ungewöhnliche Kopfsatz von op.130 die Wdh. (vielleicht um angesichts der Tempowechsel und anderer Freiheiten deutlich zu machen, dass "rein technisch" die Sonatenform erfüllt wird), ebenso das klassizistische nachkomponierte Finale dieses Werks.

    Ebenso bleibt Chopin in den beiden reifen Klaviersonaten bei der Wiederholungsvorschrift, obwohl der Kopfsatz der b-moll sonst nicht allzu konventionell daherkommt.

    Es wurde hier und anderswo schon mehrfach behauptet, es sei inzwischen ja meistens üblich, alle Wiederholungen zu spielen, so dass es schon eine Kühnheit wäre, sie wegzulassen. Das trifft m.E. nicht auf die Wdh. von Durchführung und Reprise bei Haydn und Mozart und eben vereinzelt auch bei Beethoven zu. Die ganz gewiss nicht rein konventionelle (weil es in den Schwesterwerken und den meisten anderen Stücken Beethovens eben anders gehandhabt wird) in op.59/2i wird meistens weggelassen (ich habe sie auf zwei Einspielungen (Melos/DG und Musikverein/Platz) von mehr als 10 in meiner Sammlung). Ähnlich die (vielleicht konventionellen, allerdings auch einzigen im Opus) in op.18/5+6. So ähnlich dürfte es auch bei den Klaviersonaten aussehen.
    Bei Expositionen ist die Befolgung von Wdh. zwar bei den Wiener Klassikern und Schubert inzwischen eher der Standard geworden, aber bei Brahms 1.+2. Sinfonie und seinen längeren Kammermusikwerken (z.B. Klarinettenquintett, Klavierquintett, Sextette) findet man auch viele Interpretationen ohne.

    Was zusätzliche Wdh. betrifft, gibt es Einspielungen der Haffner-Sinfonie, die die gestrichene Wdh. wieder einfügen. Ebenso meine ich, dass in mancher Barockmusik einige Interpreten Doppelstrichwdh. sogar dreimal, jeweils mit neuen Verzierungen, sozusagen als "Double" spielen. Aber sicher ist das seltener als das Weglassen.

    Wie auch immer, ich glaube nicht so recht, dass die Tatsache, dass ein Stück nur einmal (oder wenige Male) gehört wird, der zentrale Punkt bei den Wiederholungen gewesen ist. Ich sehe jedenfalls keinen ausreichend deutlichen Unterschied diesbezüglich zwischen öffentlicher Musik, die vielleicht nur wenige Male erklang und Musik, die eher für Spieler bzw. private kleinere Rahmen gedacht war, in dem die sich entscheiden könnten, wie oft sie Lust haben, ein Stück zu spielen.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Es wurde hier und anderswo schon mehrfach behauptet, es sei inzwischen ja meistens üblich, alle Wiederholungen zu spielen, so dass es schon eine Kühnheit wäre, sie wegzulassen. Das trifft m.E. nicht auf die Wdh. von Durchführung und Reprise bei Haydn und Mozart und eben vereinzelt auch bei Beethoven zu. Die ganz gewiss nicht rein konventionelle (weil es in den Schwesterwerken und den meisten anderen Stücken Beethovens eben anders gehandhabt wird) in op.59/2i wird meistens weggelassen (ich habe sie auf zwei Einspielungen (Melos/DG und Musikverein/Platz) von mehr als 10 in meiner Sammlung).

    Die Betonung liegt auf "inzwischen". In den letzten ca. zwanzig Jahren sind vermutlich mehr Aufnahmen von 59/2 mit der Wiederholung von Durchführung/Reprise erschienen als ohne: z.B. Auryn, Takács, Leipziger, Brodsky, Artemis, Skampa, Gewandhaus. Neuere Aufnahmen ohne Wiederholung: z.B. Belcea, Hagen, Kuijken. Grosso modo lässt sich auch in diesem Fall die behauptete Tendenz nachweisen.

    Was zusätzliche Wdh. betrifft, gibt es Einspielungen der Haffner-Sinfonie, die die gestrichene Wdh. wieder einfügen.

    Ich bin mir nicht sicher, aber das könnte auch ein Problem der verwendeten Edition sein. Ich besitze noch eine ziemlich alte Eulenburg-Ausgabe, in der die Expositionswiederholung notiert ist (Mozart hatte ja die Wiederholungszeichen bei der Umarbeitung von Serenade zu Sinfonie gestrichen).


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Im Messiah gibt es übrigens meines Wissens nur zwei Dacapo-Arien. Die sind allerdings beide auch noch ungewöhnlich lang: "He was despised" und "The trumpet shall sound". Bei letzterer könnten Solist und Trompeter sicher im Dacapo auch kräftig auszieren. Dagegen sollte man das bei "He was despised" m.E. nicht übertreiben, da die relative Schlichtheit hier für den Ausdruck wesentlich ist.


    Kennst du eigentlich eine Aufnahme von "He was despised", bei der das deiner Meinung nach übertrieben ist? Mir kommt vor, dass eh alle Altisten und Altistinnen (und Dirigenten und Dirigentinnen) sich da deiner Ansicht anschließen und das Auszieren eher unter- als übertreiben.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Ein interessantes Beispiel ist das Finale von Schuberts a-moll Sonate D784.

    Es kann als Satz in Sonatenform betrachtet werden, und zwar

    Exposition: T 1-79 mit zweitem Subjekt in F-Dur

    "auskomponierte Wiederholung": T 80-159 diesmal mit zweitem Subjekt in C-Dur wie erwartet

    Durchführung T 160-198

    Reprise T199-252 mit zweitem Subjekt in A-Dur

    Coda T 253-296

    Alles, wie immer, IMHO.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!