Regeln für das richtige Verhalten des Besuchers eines klassischen Konzerts

  • Ich finde die Frage tatsächlich gar nicht mal so uninteressant. Beim mexikanischen Wrestling ist es üblich nach besonders spektakulären “Kämpfen” Geld in den Ring zu werfen. Beim Trinkgeld erinnere ich mich düster eines Artikels, in dem kritisiert wurde, dass dieses zu einem zweiten Gehalt verkommen sei, das unabhängig von der Qualität des Gebotenen bezahlt wird.

    Ich war (beruflich) sehr oft in "einem" Land (siehe Zitat) in Mittelamerika. Es hieß, 10% Trinkgeld seien sozusagen Pflicht. Ich war aber manches mal so angepisst von dem Service, dass ich das manchmal verweigerte. Weil ich sauer war, dass die mit ihrem (quasi zustehenden) Trinkgeld rechnen, egal wie scheisse sie einen bedienen. Noch saurer macht mich dieses Geschäftssystem (landesweit der Normalfall), in dem die Restaurantbesitzer die Lohnvergabe quasi auf den Kunden abwälzen... Die Bedienung hat keine Ahnung von nichts, ist sogar noch unfreundlich, und der Kunde zahlt.

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Wäre aber vermutlich ein Thema für einen eigenen Thread.

    ich glaube mich dunkel zu erinnern, daß es das schon mal gab

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Gestern bei einer Autofahrt habe ich zufällig diesen interessanten Beitrag im Radio gehört:

    Von wegen Ruhe im Konzert: Warum ich zwischen den Sätzen klatsche
    Es gehört zu den starren Regeln des Konzertbetriebs: Zwischen den Sätzen wird nicht geklatscht! Aber warum eigentlich? Unser Autor Albrecht Selge wünscht sich…
    www.swr.de

    Da wir anderenorts (Stirbt das Klassik-Publikum aus?) gerade wieder einmal diskutieren, ob bzw. warum das Klassikpublikum allmählich ausstirbt, finde ich es durchaus bedenkenswert, was Albrecht Selge im "Treffpunkt Klassik" dort vorträgt. Auch scheint er Diskussionen in entsprechenden Foren, also auch in unserem, zu verfolgen; jedenfalls deutet er das an.

    Auch ich neige inzwischen dazu, manche Regeln in Klassikkonzerten etwas lockerer zu sehen. Warum sollen spontane Beifallsäußerungen so verwerflich sein, wie manche (viele?) meinen, wenn das doch auch die Begeisterung des Publikums zeigt? Früher war das bekanntlich auch üblich.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Auch ich neige inzwischen dazu, manche Regeln in Klassikkonzerten etwas lockerer zu sehen. Warum sollen spontane Beifallsäußerungen so verwerflich sein, wie manche (viele?) meinen, wenn das doch auch die Begeisterung des Publikums zeigt? Früher war das bekanntlich auch üblich.

    Ich kann Herrn Selges Argumenten und auch Deiner Schlussfolgerung durchaus etwas abgewinnen. Spontane Beifallsäußerungen zwischen den Sätzen, wie einst Tradition so auch heute für mich vorstellbar - warum nicht? Lassen wir doch das "Traditions-Publikum" dabei die Nase rümpfen...

  • Ich hätte nur ein Problem damit, wenn Applaus während der Musik stattfindet. Zwischen Stätzen finde ich es auch völlig in Ordnung, wenn auch mit gewissen Ausnahmen wie dem Beispiel aus dem Artikel (Pathétique), wo es vielleicht wirklich nicht passt.

  • Naja, also das schlimmste, was ich je erlebt habe, war ein streitendes Pärchen während Rachmaninov 2, ein Mann, der vor mir die ganze Zeit die kicker.de Website aktualisiert hat und kürzlich bei Shostakovich 8 ein alter Mann, der sich genötigt fühlte, alles - aber auch ALLES - zu kommentieren.

    Jaja... die deutsche Seele... konstatierte er dann nach irgendeinem von Strauss' 4 letzten Liedern. ACh, das ist so .. ja beeindruckend, dass ein Komponist, der vor dem Tod ist.. ja dann sowas schreibt...

    Das muss echt nich sein.

    Aber hey, Privatkonzerte kann ich mir ncht leisten :D

  • Ich hätte nur ein Problem damit, wenn Applaus während der Musik stattfindet. Zwischen Stätzen finde ich es auch völlig in Ordnung, wenn auch mit gewissen Ausnahmen wie dem Beispiel aus dem Artikel (Pathétique), wo es vielleicht wirklich nicht passt.

    Marcel Prawy hat mal erzählt, dass er in seiner Jugend bei jeder "Tosca" auf dem Stehplatz der Wiener Staatsoper stand und dass er in all den Jahren die jeweilige Piano-Fortsetzung (durchkomponiert!) nach dem beiden Cavaradossi-Arien nie gehört hat, weil das Publikum natürlich stürmisch applaudierte. Das war also seinerzeit der "Normalzustand" an der Wiener Staatsoper.

    Beste Grüße vom Stimmenliebhaber

  • Ich hätte nur ein Problem damit, wenn Applaus während der Musik stattfindet. Zwischen Stätzen finde ich es auch völlig in Ordnung, wenn auch mit gewissen Ausnahmen wie dem Beispiel aus dem Artikel (Pathétique), wo es vielleicht wirklich nicht passt.

    Obwohl das Klatschen zwischen Sätzen im 19. Jahrhundert üblich war, wurde es trotzdem nicht von jedem geschätzt. Mendelssohn hat in seinen Orchesterwerken sehr oft Überleitungen zwischen den Sätzen komponiert, damit nicht dazwischengeklatscht wird.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • stimmenliebhaber Genau diese Problematik hatte ich im Aussterb-Thread #1.139 auch schon erwähnt.

    Felix Meritis Angeblich dienten ja auch die Tutti-Schläge am Beginn vieler Werke des späten 18. Jahrhunderts unter anderem dazu, das Publikum ruhig zu kriegen.

    Das Problem ist, dass man es hier nicht beiden Haltungen recht machen kann. Spontane Begeisterung mittendrin und ungestörtes Hören sind beides verständliche Wünsche, schließen sich aber gegenseitig aus. Und dass es früher andere Gepflogenheiten gab, muss ja für heutige Bedürfnisse und Verhaltensweisen nichts zu sagen haben.

    Wo wir bei persönlichen Erlebnissen sind: Ich hatte vor ein paar Jahren mal zwei Spinner ein paar Sitze neben mir, die meinten, nach Beginn des Parsifal noch über eine Minute lang ihren Smalltalk fortzusetzen.

  • Angeblich dienten ja auch die Tutti-Schläge am Beginn vieler Werke des späten 18. Jahrhunderts unter anderem dazu, das Publikum ruhig zu kriegen.

    < - nur des späten?? so wie die Ouvertüre zur Telemann'schen 'Hamburger Admiralitätsmusik 1723' losscheppert - u. eingedenk meiner (vorsichtigen ;)) Mutmaßung, dass der damalige (zur festlichen Uraufführung notabene eingeladene) 'Führungsstab der Marine' nicht eben klassikaffin gewesen sein mag . . . ((andere 'Verdachtsfälle' aus dieser Zeit dürften sich finden lassen...))

    Spontane Begeisterung mittendrin

    - > Begeisterung würde ich's hier mal eher nicht nennen . . . aus gegebenem Anlass nach langer Zeit mal wieder ein Link auf mich selber ;) Walldorff's Gedenkblätter - Seite 10 - Literatur: Lesen - Capriccio Kulturforum (capriccio-kulturforum.de) (runterscrollen zur dritten Anekdote!)

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

  • Ich hab weder die Überleitung nach den Cavaradossi-Arien noch die nach der Calaf-Arien bisher je live hören können. Applaus in die Musik hinein ist bei Puccini definitiv immer noch üblich, und beileibe nicht nur in Wien.

    Mein übelstes Erlebnis war eine übellaunige alte Fregatte neben mir beim Liederabend, die den Applaus nach den Liedern immer ausgezischt hat und sich bei mir auch verbal beschwert hat, weil man ihr zufolge bei einem Liederabend nicht zwischen den Liedern applaudieren dürfe (es war kein Zyklus, sondern lauter Einzellieder). Das ist natürlich völliger Unsinn und ich habe dann immer aus Trotz besonders frenetisch applaudiert. Ich hoffe wirklich, dass ich ihr Konzertbesuche verleidet habe; das ist die Sorte Publikum, die ich tatsächlich gerne aktiv von klassischer Musik ausschließen würde.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Spontane Begeisterung mittendrin und ungestörtes Hören sind beides verständliche Wünsche, schließen sich aber gegenseitig aus.

    Punkt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Meine ich. Zumindest wenn es um Klassik-Konzerte geht. Dass dies bei Konzerten mit Musik anderer Stilrichtungen nicht so ist, wie andernorts ausgeführt, kann für mich kein Argument gegen Bramantes Aussage sein.

    Jeder Vergleich hinkt, aber wer mag Senf auf der Eiskugel, oder wer will ein Formel I-Rennen sehen unter der Maßgabe: "Gewinne, aber fahre nicht zu schnell" ?

    Eine sehr leise Stelle im Adagio, die so begeistert, dass man dazwischen klatscht? Nun ja, wer's mag, kann dies daheim ja tun. Im Konzert mit zwangsläufig anderen Menschen neben, hinter und vor sich, und mit den Interpreten auf der Bühne, verbietet sich das. Dazu, so denke ich, muss sich niemand vorher über "Benimmregeln" informieren. Egal, aus welchem Milieu er/sie kommt.

  • Dazu, so denke ich, muss sich niemand vorher über "Benimmregeln" informieren. Egal, aus welchem Milieu er/sie kommt.

    Du denkst falsch. Es gibt Leute, die klatschen in der Kirche, es gibt welche, die klatschen beim Adagio, es gibt welche, die klatschen während und nach Ouvertüren, es gibt Leute, die streiten im Konzert, es gibt Leute, die bringen Nüsse zum Snacken mit, es gibt Leute, es gibt Leute, es gibt Leute...

    Verhaltenskodizes (oder -kodexe) gibt's überall. Gilt auch für's Konzert.

  • Wie wäre es mit Applaus nach dem Beckenschlag in Bruckners 7.? :versteck1:

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • während und nach Ouvertüren,

    Es gab in München während der Intendanz von Sir Peter Jonas eine brillante Inszenierung von Händels Serse, da wurde so etwas vom Regisseur am Beginn in die Aufführung eingebaut: Bei noch geöffneten Türen, eingeschalteter Saalbeleuchtung und offenem Vorhang begann die Ouvertüre, währenddessen Bühnenarbeiter noch mit der Komplettierung des Bühnenbildes beschäftigt waren. Ich fand das eine faszinierende Idee !!

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • während und nach Ouvertüren,

    Es gab in München während der Intendanz von Sir Peter Jonas eine brillante Inszenierung von Händels Serse, da wurde so etwas vom Regisseur am Beginn in die Aufführung eingebaut: Bei noch geöffneten Türen, eingeschalteter Saalbeleuchtung und offenem Vorhang begann die Ouvertüre, währenddessen Bühnenarbeiter noch mit der Komplettierung des Bühnenbildes beschäftigt waren. Ich fand das eine faszinierende Idee !!

    Na, so ähnlich waren Ouvertüren ja im Barock auch gedacht.

    Ich hab übrigens im Opernhaus auch noch nie (!) erlebt, dass nach Ouvertüren nicht applaudiert wurde, und ich habe viele Opern live gesehen. Gibt es das irgendwo? Ist das gar irgendwo verpönt? Unterscheiden sich die impliziten Regelwerk für die Rezeption klassischer Musik regional so stark?

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Zum Beckenschlag bei Bruckner von putto

    Hier könnte man schon kurz klatschen, ohne Staub aufzuwirbeln...

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    PS. Die Bühnenarbeiter von leverkuehn bei der Händel-Ouvertüre finde ich gut.

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