Regeln für das richtige Verhalten des Besuchers eines klassischen Konzerts

  • Das erleichtert dann wieder die Konzentration auf das Neue, das dann folgt.

    Diese Bemerkung leuchtet mir unmittelbar ein und finde ich interessant. Vielleicht am meisten bewundere ich bei Profimusikern die Fähigkeit, unmittelbar unterschiedlichste Emotionen und Gefühlslagen darstellen zu können. Für jemanden, der quasi method acting betreibt (du musst innerlich weinen, um auf der Bühne glaubwürdig weinen zu können), dürften solch schnelle Wechsel kaum möglich sein. Aber auch bei denjenigen, die das vorrangig technisch umzusetzen verstehen, dürfte solch eine Pause helfen. Sehr häufig kommen solche Emotionswechsel aber auch innerhalb eines Stückes vor (das heitere Trio im ernsten Streichquartettsatz). Gibt es bestimmte Mittel, um das hinzubekommen? Z. B. in Farben denken?

  • Der Konzertbetrieb ist natürlich auch ritualisiert und quasi ein Hochamt der Hochkultur. Kann man gut finden oder nicht. Eigentlich erfährt ein ritualisierter Konzertbetrieb im Zeitalter der Tonkonserve mMn mehr Berechtigung als früher. Man kann ja auch zuhause Musik hören, wenn einen der Betrieb so stört. Dementsprechend ist es vielleicht eher als egoistisch zu werten, in Schlappen und Schmuddeljeans ins Konzert zu gehen.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Dementsprechend ist es vielleicht eher als egoistisch zu werten, in Schlappen und Schmuddeljeans ins Konzert zu gehen.

    Ich finde es auch eine Respektlosigkeit gegenüber den Musikern, der Musik und den anderen Zuhörern.

    Abgesehen davon ist das für mich persönlich auch immer ein besonderes Ereignis, das auch vom Ambiente lebt - und dazu gehört eben auch entsprechend "schöne" Kleidung aller Anwesenden.
    Und nein: das kleine Schwarze oder gar ein Abendkleid oder ein Smoking muss es auch nicht mehr sein - wenngleich ich tatsächlich früher im Abendkleid ins Konzert bin. Heute scheitert das lediglich daran, dass ich keines habe .... Ansonsten bin ich tatsächlich meistens "overdressed" im Konzert - verglichen mit der Mehrheit des Publikums ;(

    Viele Grüße - Allegro

    "Musik ist ... ein Motor, Schönheit, Intensität, Liebe, Zauber, alles in allem: ein Elixir." Lajos Lencsés

  • Die Meinungen über "angemessene" Kleidung sind halt verschieden. Wenn der Veranstalter und die Künstler den Wunsch haben, auch andere Kreise als die "einschlägigen" anzusprechen, ist es wichtig, so viele Zugangsbarrieren wie möglich abzubauen. Die Kleideretikette ist eine davon. Ich finde sie verzichtbar, da ihre Einhaltung m.E. für das eigene Konzerterleben nicht relevant ist.

  • Ich finde sie verzichtbar, da ihre Einhaltung m.E. für das eigene Konzerterleben nicht relevant ist.

    Ach ja, schwieriges Thema ...

    ... heute sind wir gerne "authentisch" und sagen, weder unsere Zugewandtheit noch unsere Affinität für die Darbietung hat etwas mit unserem Äußerem zu tun. Was ja auch richtig ist.

    Oder auch nicht. Die Kleidung ist eben auch äußeres Zeichen eines inneren Gestimmtseins. Ich laufe in Alltagskleidung durch die Fußgängerzone und esse dort ein Eis oder dort eine feine Pasta, je nach Lust und Laune. Passt. - Auf das Konzert freue ich mich, habe schon länger eine Karte, weiß, was gespielt wird, bin in Hochstimmung auf dem Weg dorthin. Das Anlegen besonderer Kleidung ist dann Teil des Rituals, um sich selbst auf den Moment zu fokussieren.

    Ganz anderer Kontext, trotzdem: Ich fände es schräg, wenn Bundesverfassungsrichter ihr Urteil in Jeans und Turnschuhen verkündeten. Sie sprechen ihr Urteil ja nicht als Privatperson, sondern in der Rolle, die sie haben. Der rote Talar erinnert nicht nur das Saalpublikum, sondern auch sie selbst.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Mauerblümchen: Den von die zitieren Satz habe ich etwas missverständlich formuliert, mir ging es darum, dass die Einhaltung einer Kleideretikette durch andere für mein Konzerterlebnis nicht wirklich relevant ist. Ich selbst halte es ähnlich wie du. Wenn aber jemand eigentlich geneigt wäre, ein klassisches Konzert zu besuchen, aber durch eine Kleideretikette davon abgehalten würde, ist es mir lieber, dass diese Barriere entfällt...

  • mir ging es darum, dass die Einhaltung einer Kleideretikette durch andere für mein Konzerterlebnis nicht wirklich relevant ist.

    Genau. :cincinsekt: Eher Respekt gegenüber den Gastgebern (ich meine die Aufführenden) und "Besondersmachen" des Abends.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Eine formale Kleideretikette in Konzert oder Theater, die über das hinausgeht, wie man sich generell in der Öffentlichkeit verhalten und kleiden sollte (z. B. nicht nackt o. ä.), gibt es schlicht nicht (mehr). (Vom aktuellen Mund-Nasen-Schutz mal abgesehen.) "Casual" gekleidet ist vollkommen ausreichend. Wenn das irgendeinem Fatzke nicht passt, ist das sein Problem. :etsch1:

    An die höfliche Form (eine formale Regel ist es ja auch nicht), an bereits sitzenden Personen zugewandt (jedenfalls mit dem Körper) vorbeizugehen, halte ich mich immer. Ich finde es ja selbst nicht so schön, wenn mir jemand seinen Ar*** direkt in mein Gesicht hält.


    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Ich finde es ja selbst nicht so schön, wenn mir jemand seinen Ar*** direkt in mein Gesicht hält.

    Wenn Du es auf dieser Ebene (hier wirklich räumlich gemeint) betrachtest ... ist die andere Seite denn wirklich angenehmer ... ? :versteck1:

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Auf welcher Ebene soll man es denn sonst betrachten?

    maticus

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    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Vielleicht am meisten bewundere ich bei Profimusikern die Fähigkeit, unmittelbar unterschiedlichste Emotionen und Gefühlslagen darstellen zu können. Für jemanden, der quasi method acting betreibt (du musst innerlich weinen, um auf der Bühne glaubwürdig weinen zu können), dürften solch schnelle Wechsel kaum möglich sein. Aber auch bei denjenigen, die das vorrangig technisch umzusetzen verstehen, dürfte solch eine Pause helfen. Sehr häufig kommen solche Emotionswechsel aber auch innerhalb eines Stückes vor (das heitere Trio im ernsten Streichquartettsatz). Gibt es bestimmte Mittel, um das hinzubekommen? Z. B. in Farben denken?

    Wahrscheinlich macht das jeder Musiker etwas anders. An Farben denke ich z.B. so gut wie nie, kenne aber Kollegen, die das teilweise sehr differenziert und konkret tun (auch Komponisten, ein berühmtes Beispiel war Messiaen). Emotionswechsel sind eigentlich nur dann ein Problem, wenn man sie nicht aus innerer Notwendigkeit empfinden und darstellen kann, und sie sich dann "falsch" anfühlen. Dann ist man aber entweder selbst nicht gut genug, oder das Stück ist zu schlecht :) . In beiden Fällen sollte man besser die Finger davon lassen.

  • Falls ich vor Beginn auf dem Weg zu meinem Platz an bereits Sitzenden vorbei muss, tue ich das zügig ohne Körperkontakt und wende ich ihnen dabei meine Vorderseite zu.

    Das tut heute kaum noch jemand, fiel mir auf. Kehrseite rules. Meine Frau verwies auf Corona und darauf, dass ihr die Kehrseite bei vielen Gästen lieber sei, sie möchte nicht immer so nah beäugt werden.

    Hat sich da etwas geändert?

    Beobachtet habe ich das auch schon vor Corona, von daher machen es die Menschen wohl nicht aus aktueller Rücksichtnahme. Abgesehen davon würden sie ja nun der Vorderreihe in den Nacken husten.
    Rosamunde weiß es sicherlich besser, aber bei diversen Theaterbesuchen in England habe ich eigentlich immer festgestellt, dass die Briten, was die Kehrseite angeht, uns wohl voraus waren. Da war Hintern ins Gesicht immer angesagt.
    Vielleicht aber setzt sich diese neue Form bei uns auch deshalb durch, weil das Publikum immer älter wird und sich dabei aus Sicherheitsgründen noch an der Sessellehne festhalten kann. :versteck1:

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Vielleicht aber setzt sich diese neue Form bei uns auch deshalb durch, weil das Publikum immer älter wird und sich dabei aus Sicherheitsgründen noch an der Sessellehne festhalten kann. :versteck1:

    :wink: Wolfram

    Oder im Falle eines Schwächeanfalls gleich in den Schoß des/der bereits Sitzenden sinken kann.

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

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    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Rosamunde weiß es sicherlich besser, aber bei diversen Theaterbesuchen in England habe ich eigentlich immer festgestellt, dass die Briten, was die Kehrseite angeht, uns wohl voraus waren. Da war Hintern ins Gesicht immer angesagt.

    hm....ich denke da gerade darüber nach. Kann sein. Ein Hintern kann ja schon auch mal das beste Teil sein :D . Nein, im Ernst.....in einigen Theatern ist es im Amphitheater sehr steil und wenn ich mich im Vorbeigehen zuwenden würde, hätte ich Bedenken, dass ich rücklings runterfliege. Ich glaube im Parkett oder wo es nicht steil ist wenden sich die Leute zu. Aber ehrlich gesagt achte ich da bei anderen nicht darauf. Meistens unterhalte ich mich gerade und da bemerke ich es nicht. Ich weiss nur, wie ich es mache.

  • Die Leute, die (auf ihrem Platz vor dem Konzert) die ganze Zeit quatschen (meist super-belangloses Zeug a la "was wird heute eigentlich gespielt"), gehen mir -- gerade in dieser Corona-Zeit -- völlig auf den Senkel. Wenn, dann sollen sie das mit Maske tun, und selbst dann dürfen sie gerne die Klappe halten. Tun sie aber nicht, also weder noch. Dann fühle ich mich genötigt, meine Maske aus Selbstschutz aufzusetzen.


    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
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