Haben Konzertsolisten keine Kondition? Oder sind sie Opfer des eingefahrenen Konzertrituals?
Meistens gehe ich nicht grundlos einfach so ins Konzert (bin mit anderen Worten kein Abonnent), sondern suche ich mir gezielt Konzerte aus, und zwar der aufgeführten Werke oder der Darbietenden wegen. Besonders oft gehe ich ins Konzert, weil ich bestimmte Solisten hören möchte, darunter wiederum sehr häufig Cellisten. Der Ablauf des Konzerts ist dann regelmäßig wie folgt: Solistenkonzert, Zugabe des Solisten, Pause, Sinfonie (ohne Solisten).
Selbstverständlich habe ich gar nichts gegen die Aufführung von Sinfonien. Aber wenn das Konzert auf den Solisten zugeschnitten ist, es sich bei dem Solisten um einen besonders interessanten handelt, warum spielt der Solist dann nach der Pause nicht noch ein Konzert? Stellen wir uns vor, wir besuchen ein Konzert mit Piotr Anderszewski (mit ihm habe ich es vor einigen Monaten erlebt und es besonders schade gefunden, dass ich nicht mehr von ihm hören konnte): Im Konzert spielt er ein Bartok-Konzert (Nr. 3). Warum nicht vor der Pause Mozart, nach der Pause Bartok? Das wäre superinteressant gewesen.
An der Kondition dürfte das kaum liegen, denke ich. So geben speziell Pianisten Soloabende, bei denen sie im Regelfall wohl noch weitaus mehr gefordert werden als bei einem Solokonzert. Entsprechendes gilt für Streicher. Wenn tatsächlich mal besonders fordernde Konzerte geboten werden, können sie gern ans Ende gelegt werden.
Liegt es also an der vermeintlich publikumsgerechten Programmgestaltung? Wahrscheinlich. Aber wer möchte denn bitte schön, wenn er beispielsweise den Star-Cellisten Wispelwey (oder Sol Gabetta) auf der Bühne hat, nach der Pause eine Sinfonie hören, wenn man stattdessen auch ein zweites Konzert mit dem Solisten hören könnte, zumal der Solist zumeist mit dem Hausorchester auftritt und man auf dieses zumeist ja nicht sehr neugierig ist?