Rund um das Streichquartett

  • Nabend,

    leider habe ich mal wieder ein völlig andere Meinung. Ich bin ein absoluter Fan von Hall, dafür mag ich kein Vibrato. Zugegebenerweise ist viel Hall umso störender, je "schneller" die Musik ist.

    Was mir oft die Freude an SQs verleidet, ist der absolut ungefällige Klang. So habe ich die späten SQ von Beethoven mit dem Lindsay Quartet.

    Die klingt so scheußlich, die mag ich kaum hören. Ich frage mich, ob ich zur Wertschätzung dieser Aufnahme nötige Ästheteik möglicherweise noch nicht entwickelt habe.

    Dagegen komme ich mit den Feldman-Kammerbesetzungen gut zurecht, mit fast allen Aufnahmen. Die SQs sind auf jeden Fall angenehm im Klang.

    Habt ihr einen Tipp?

    Helli

  • Zitat

    Habt ihr einen Tipp?


    Ein anderes Ensemble als die Lindsays anhören. Klanglich und intonatorisch dürfte beinahe jede andere Aufnahme besser sein.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Lieber Kater,

    danke. Das war nicht die Antwort die ich erwartet hatte, aber umso besser! Ich hab damals vergleichsweise viel Geld ausgegeben, weil diese Aufnahme besonders toll sein sollte, laut Penguin Guide. Ich finde, dass sie es nicht ist. Dann werde ich mal bei YT und sonstwo Schnipsel hören und mir ein bessere Aufnahme zulegen.

    Helli

  • Der Penguin liebte das Lindsay Quartett (like everything British...) Meiner Erinnerung nach empfahlen sie Mitte der 90er im wesentlichen die Lindsays und fast alles vom Kodaly Q. bei Naxos. Keine wirklich überzeugende Auswahl...
    Die Lindsays sind klanglich und intonatorisch eines der problematischsten Quartette, das eine nennenswerte Plattenkarriere hatte. Die Kodalys sind solide, aber tendenziell etwas langweilig. Was Hall, Vibrato usw. betrifft, kann ich aus dem Stand nichts empfehlen, da musst Du einfach mal in ein paar Aufnahmen unterschiedlicher Ensembles reinhören.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Stimmt,

    das Kodaly Quartet war die "einzige" Alternative im Penguin. Erstaunlich. Ich habe da viele gute Empfehlungen rausgezogen, aber die ist definitv ein totaler Fehlgriff. Dabei liebe ich SQ...

    Man lernt doch nicht aus, zum Glück.

    Helli

  • Zitat

    Die Lindsays sind klanglich und intonatorisch eines der
    problematischsten Quartette, das eine nennenswerte Plattenkarriere
    hatte. Die Kodalys sind solide, aber tendenziell etwas langweilig.

    Stimmt leider.

  • Ich hab damals vergleichsweise viel Geld ausgegeben, weil diese Aufnahme besonders toll sein sollte, laut Penguin Guide. Ich finde, dass sie es nicht ist.

    Habt ihr einen Tipp?


    Ich stimme dem Kater zu! Der Penguin Guide hat lange Zeit bei allen möglichen Standardwerken die Lindsays in den Himmel gehoben - keine Ahnung, warum.

    Bei den späten Beethoven-Quartetten ist die uralte Aufnahme mit dem Busch-Quartett der Klassiker. Sehr gut haben mir noch Takács-Quartett und Hagen Quartett bei diesen Werken gefallen. Die "entspannteren späten", op. 127 und op. 135 spielt das Alban-Berg-Quartett hinreißend, es gab beide Quartette auch mal mit diesem Ensemble auf einer CD.

     

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Klanglich ähnlich wie das Lindsay Quartet empfinde ich das Buchberger-Quartett, dessen Haydn-Aufnahmen ich ziemlich unerträglich finde.

    Was Beethoven und das Alban-Berg-Quartett betrifft: es gibt zwei Gesamtaufnahmen, eine Ende der 70er/Anfang der 80er im Studio entstandene (mit Wechsel an der Bratsche) und eine 1989 in Wien live aufgenommene: ich ziehe in der Regel letztere vor, die nicht ganz so perfekt und manchmal in den Tempi gemäßigter, dafür aber lebendiger und vor allem klanglich wärmer ist, was vor allem dem Geigenspiel Pichlers zugute kommt (man höre sich im Vergleich den Variationensatz aus op. 127 an). Das ABQ klingt auf vielen Studioaufnahmen (besonders bei den frühen Digitaleinspielungen, z.B. Schubert) ganz anders, viel schärfer und härter als im Konzertsaal - ich habe das ABQ in mehreren Sälen gehört und war immer wieder verblüfft über den Unterschied zwischen Tonträgern und Konzertsaal.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Klanglich ähnlich wie das Lindsay Quartet empfinde ich das Buchberger-Quartett, dessen Haydn-Aufnahmen ich ziemlich unerträglich finde.


    Mir scheint, dass ich da einen Fehler gemacht habe.

    Ich habe mir die Buchbergers schön der Reihe nach zusammengekauft; das war - Brilliant sei Dank! - keine große Sache. Dennoch: Am Ende hätte ich alles nochmals billiger haben können! Hinzu kommt erschwerend, dass ich kaum etwas davon gehört habe. Das hängt mit vielen Interessenverschiebungen in den letzten Jahren zusammen - und damit auch Hörverschiebungen ;( bezüglich der Haydn-Quartette.

    Ich kannte vor zehn Jahren eine Handvoll Haydn-Quartette in anderen Aufnahmen - und es sind noch kaum mehr geworden, obwohl da die Gesamtaufnahme im Schrank steht.

    Jetzt lese ich zunehmend negative Kritiken über diese Integrale und meine Angriffslust auf die Materie sinkt. Die Zahl der Konkurrenten ist überdies groß und kaum etwas wird so richtig einhellig gelobt. Zwar schwebt mir in jedem Fall vor, mir diejenigen Quartette in Paralleleinspielungen zuzulegen, welche mir letztlich als Kompositionen besonders zusagen. Aber dazu - wie gesagt - müsste ich erst einmal gezielter an die Sache herangehen.

    Was ich bislang von den Buchbergerlingen gehört habe - es ist herzlich wenig -, gefällt mir eigentlich schon. Es mag schroff klingen, und mir ist auch aufgefallen, dass vielleicht die Intonation bisweilen präziser sein könnte. Andererseits kommt mir das HIPpe im Allgemeinen geschmacklich entgegen. Es geht mir da wie mit dem Zinman-Beethoven. Ich finde den nach wie vor nicht so schlecht, wie er mittlerweile gemacht wird, nachdem man ihn anfangs hochstilisiert hatte. Allerdings hat man Beethoven natürlich in vielen Einspielungen gehört, kann vergleichen, abwägen - und dies bereitet allenthalben bereits Freude. Haydns viele, viele Streichquartette hingegen ...

    Vielleicht findet sich doch mal jemand, der mir einfach Mut macht. Zwielichts nicht einmal zwielichtige Botschaft war leider nicht die richtige ... ;( ;+) :D

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich müsste die jetzt noch einmal anhören, aber ich habe mir letztes Jahr oder so zwei Folgen der Buchberger-Reihe gekauft (op.9 +33), weil sie bei 2**1 sehr preiswert waren (sie wurden dann noch billiger) und war eigentlich positiv überrascht. Es stimmt, dass es nicht das bestklingende Ensemble ist, aber wie der Vorredner sagte, sind es energische Interpretationen und gut durchhörbar. Über die alte Gesamtaufnahme mit dem Aeolian Q. habe ich noch nie etwas positives gelesen.
    Von den modernen Konkurrenten mag Kodaly/Naxos klanglich etwas angenehmer sein, aber m.E. oft eher langweilig. Tatrai/Hungaroton ist von sehr gemischter Qualität (über 20 Jahre hin aufgenommen) und teuer.
    Das Angeles Q. ist klanglich sehr schön, aber recht distanziert aufgenommen, die 1. Vl. dominiert zu stark und sie sind interpretatorisch oft etwas einseitig auf der "witzig-spritzigen" Seite (für mich allerdings Kodaly immerhin überlegen).
    Das Auryn ist klanglich top, aber sehr teuer und ich war, ehrlich gesagt, von der Folge (op.33), die ich gekauft habe, leicht enttäuscht (zu brav, auch nicht immer ideale Balance). Ich habe momentan nicht die Muße große Vergleiche anzustellen, aber wie gesagt, war ich alles in allem von den beiden Buchberger-Folgen eher positiv überrascht. Zumal zB bei separat erhältlichen op.9 die Konkurrenz minimal ist. (Ein Grund für mich, die Angeles-Box zu behalten, obwohlich vermutlich von den meisten Werken ab op.20 ein bis zwei überlegene Aufnahmen habe, ist, dass sie bei opp.1-17 wirklich sehr gut sind)
    Ich behalte aber (wenngleich ein wenig aus Nostalgie) auch meine abenteuerlich intonierte live-CD mit opp.64/5, 42 und 76/5 mit den Lindsays (meine einzige CD dieses Ensembles).

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Neulich habe ich noch einmal die beiden Quartette op. 77 mit diesem Ensemble gehört. Klar reduzieren die Buchbergers das Vibrato, aber das hat eben - wie nicht selten - zur Folge, dass Schwächen bei der Intonation so deutlich werden, dass sogar ich sie höre. "Energisch", ok, "gut durchhörbar" auch. Aber oft auch metallisch und scharf im Klang, total straight gespielt, und vor allem mit sehr wenig Schattierungen und ohne jede Farbigkeit - Haydn in schwarzweiß, um mal metaphorisch zu sprechen.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Ich stelle einmal ein paar links ein:

    Homepage von Günter Pichler (ehemals Primarius Alban Berg Quartett)

    ""http://www.guenterpichler.com""

    Homepage von Valentin Erben (ehemals Cellist Alban Berg Quartett)

    ""http://www.valentin-erben.at""

    Homepage des ehemaligen Smetana Quartetts (nach meiner Info betreut von der Tochter des (verstorbenen) Primarius Jiri Novak:

    ""http://www.smetanaquartet.com""

    Homepage des ehemaligen Quartetto Italiano

    ""http://www.quartettoitaliano.com""

    Homepage rund ums Streichquartett

    ""http://www.quartetto.info""

    Beste Grüße

    Gerhard

  • Noch ein link

    Aus einem Ausschnitt aus youtube aus einem Spielfilm über Leos Janacek, Probe und Aufführung seines zweiten Streichquartetts intime Briefe, es wird dabei mit der Viola D'Amore experimentiert, das Streichquartett, das in dem Spielfilm spielt, ist in dem Film niemand geringerer als das Panocha Quartett:

    ""

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    Beste Grüße

    Gerhard

  • Ich möchte einen link zu einem Artikel in der Zeitschrift Partituren mit Günter Pichler vom Alban Berg Quartett einstellen.

    Der Artikel trägt den Titel

    SCHUBERT UND ICH
    Es floh die Zeit im Wirbelflug

    Günter Pichler über Schubert und
    die Kunst des Streichquartett-Spiels

    Günter Pichler spricht über die Arbeit im Quartett, vergleicht die kompositorischen Qualitäten einer Beethoven Sinfonie mit einem Beethoven Streichquartett, vergleicht das Schubert Spiel und das Schosttakowitsch Spiel des Alban Berg Quartetts mit jenem des Borodin Quartetts und verrät, warum Herbert von Karajan zwar den damaligen Soloklarinettisten der Wiener Philharmoniker, Alfred Prinz, immer in seiner Besetzung haben wollte, obwohl Prinz Karajan nicht leiden konnte und diesen immer offen ignorierte.

    Hier der link
    "http://www.kultiversum.de/Musik-Partitur…elflug.html?p=3"

    Beste Grüße

    Gerhard

  • Apropos Günter Pichler - MB schreibt im Thread über Brahmsens op. 111:

    wobei der tendenziell süßliche Ton des Primarius Günter Pichler in Kauf zu nehmen ist

    Dieser besondere Ton von Pichlers Geigenspiel ist mir auch schon aufgefallen, insb. in den späteren Live-Aufnahmen des Alban-Berg-Quartetts, weniger in den früheren Studioaufnahmen. Gut hört man ihn z.B. auch in der Live-Gesamtaufnahme von Beethovens Quartetten, exemplarisch in den langsamen Sätzen aus 59/2 und 127. Ich empfinde diesen Ton als wunderschön, "gesanglich", weniger "süßlich" als "süß". Das ist natürlich eine Geschmacksfrage (zudem Pichler ja bei Bedarf auch ganz anders spielen konnte). Was mich aber interessiert: wie wird dieser Ton erzeugt? Es ist doch weniger eine Frage des Vibrato, würde ich meinen - Pichler ist ja nicht Norbert Brainin.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Norbert Brainin (Amadeus Quartet) auf Youtube zur Motivführung in Beethovens Streichquartetten

    Es gibt auf youtube einige interessante Videos eines Seminars/Vortrags von Norbert Brainin vom Amadeus Quartett zur Motivführung von Beethovens Streichquartetten. Es gibt mehrere Teile davon, ich stelle den link zum ersten Teil einmal hier ein:

    "

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    "

    Beste Grüße

    Gerhard

  • Namen

    Zwar nicht das zentrale Problem im Quartettkosmos, aber aufgefallen ist es mir auch schon:

    http://slippedisc.com/2017/11/are-st…g-out-of-names/

    Was an "Quatuor Tchalik" (nicht "Tschaik") so schlimm sein soll, weiß ich zwar nicht - das hat sich halt nach seinem Primgeiger benannt. "Idomeneo Quartet" finde ich allerdings etwas schräg (ok, das Quartett der vier zentralen Figuren in Mozarts Oper ist wirklich schön, aber trotzdem...).

    Auch die Verwechslungsgefahr steigt immens. Allein die ganzen Quartettformationen, die mit "A" anfangen...

    Bis hin zur Namensgleichheit: Das "Schumann Quartett" gibt's zweimal - einmal als nach dem Komponisten benannte, überwiegend in München tätige Formation aus vier Musikern des Bayerischen Staatsorchesters (http://www.schumann-quartett.de); einmal als Düsseldorfer Familienkollektiv, das seinen Nachnamen benutzt und in letzter Zeit groß im Aufwind ist (http://www.schumannquartett.de/).

    :wink:

    .

  • Das Quatuor sine nomine hatte das Problem anscheinend schon vor etwa 30 Jahren und originell gelöst.
    Zu ähnliche Namen finde ich etwas problematisch, so haben das spanische Cuarteto Casals und das schweizer Casal-Quartett nichts miteinander zu tun, klingen aber zum Verwechseln.

    Es gab vermutlich auch noch nie soviele international tätige Streichquartette wie heute, von denen dank Wettbewerben und vieler kleiner Labels viele auch international vertriebene Einspielungen machen. Da können die Namen schonmal knapp werden.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Das Quatuor sine nomine hatte das Problem anscheinend schon vor etwa 30 Jahren und originell gelöst.

    Stimmt. Von denen kenne ich nichts. Hatte wohl immer aufgrund des Namens die absurde Vorstellung, dass die Einspielungen irgendwie profillos seien...

    Zu ähnliche Namen finde ich etwas problematisch, so haben das spanische Cuarteto Casals und das schweizer Casal-Quartett nichts miteinander zu tun, klingen aber zum Verwechseln.

    Ja, da habe ich auch schon mal gestutzt.

    Es gab vermutlich auch noch nie soviele international tätige Streichquartette wie heute, von denen dank Wettbewerben und vieler kleiner Labels viele auch international vertriebene Einspielungen machen. Da können die Namen schonmal knapp werden.

    Fast ein wenig beängstigend, ich hab da inzwischen den Überblick verloren, den ich (behaupte ich mal) vor zehn Jahren noch halbwegs hatte.

    :wink:

    .

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