Hans Zimmer - Sie küssen und sie schlagen ihn ...
Wohl kaum ein zweiter Komponist (ok, vielleicht James Horner ... ) spaltet die Filmmusikgemeinde so wie Hans Zimmer: Die einen feiern ihn als "Popstar", der der Filmmusik endlich wieder zu mehr öffentlicher Aufmerksamkeit verholfen hat - viele seiner Filmmusiken haben es sogar unter die TOP-100 der Albumcharts geschafft. Andere wiederum sehen in ihm und seiner Firma REMOTE CONTROL PRODUCTIONS (Talentschmiede oder Filmmusik-'Fabrik'???) den Untergang des Filmmusik-Abendlandes, das von immer gleichen Klangtapeten überschwemmt wird. Wer hat nun recht? Wie so oft findet man die Wahrheit wohl irgendwo zwischen diesen beiden Extrempolen ...
Hans Florian Zimmer wurde am 12. September 1957 in Frankfurt am Main geboren, er zählt heute zu den begehrtesten Komponisten Hollywoods und zu den wenigen Deutschen, die sich im amerikanischen Filmbusiness einen signifikanten Bekanntheitsgrad erarbeitet haben. Zimmer lernte sein Handwerk als Autodidakt und in England als Assistent des britischen Filmmusikkomponisten Stanley Myers (dessen vielleicht bekannteste Arbeit ist die Musik zu Michael Ciminos The Deer Hunter / Die durch die Hölle gehen, 1978), ein Hochschul-/Universitäts-Kompositionsstudium oder ähnliches hat er nie begonnen. Über Myers kam Zimmer auch an seine ersten Kompositionsaufträge für Fernsehen und Film. Als wichtige Meilensteine seiner Karriere dürfen u.a. seine Arbeiten zu Rain Man (1988, Regie: Barry Levinson), Driving Miss Daisy (1989, Regie: Bruce Beresford) und der Oscar-prämierte Score zu The Lion King (1994, Regie: Roger Allers, Rob Minkoff) gelten. Letzterer gehört zusammen mit Gladiator (2000, Regie: Ridley Scott), für den er 2001 den Golden Globe gewann, und den Pirates of the Caribbean-Teilen (2003-2011, Regie: Gore Verbinski) zu seinen erfolgreichsten und populärsten Werken. Im Gegensatz zu manch anderem Filmmusikkomponisten kann man Zimmer sicher nicht vorwerfen, ein "Genre-Komponist" zu sein, denn seine Kompositionen ziehen sich durch alle möglichen Gattungen: 'seriöse' Dramen, Komödien, Romanzen, Thriller, Horror, Action, Fantasy, Zeichentrick/Animation ... Zuletzt war Zimmer für seine Musik zu Christopher Nolans Inception für den Oscar nominiert.
Auch wenn schon so mancher puristische Kritiker die Nase darüber gerümpft hat, dass Zimmer synthetischen und natürlichen Orchesterklang oft nach Gutdünken mischt und sich über zimmer'sche Manierismen mockiert, so sind doch einige Arbeiten entstanden, die meiner Meinung nach alles andere als Fließbandproduktionen darstellen, sondern z.T. wahre Perlen der Gattungsgeschichte.
Ganz vorne steht dabei in meiner Gunst die Musik zu Terrence Malicks brillanter Antikriegs-Meditation The Thin Red Line (dt. Der schmale Grat, 1998):
Hier eine Kostprobe, "Journey to the line": "
Zimmer hat hier einen kongenialen, tief ergreifenden Klangstrom geschaffen, der einen langsam aber sicher mit sich zieht und (zumindest bei mir) noch lange nach dem Kinobesuch nachgewirkt hat. So wie Malicks Figuren in all dem Chaos noch Zeit für persönliche und philosophische Reflexion finden, so wirkt auch Zimmers Score über weite Strecken wie ein meditativer Stimulus, der perfekt zum Oszillieren des Films zwischen Makro- und Mikroerzählebene, ganz allgemeinen und ganz persönlichen Fragen passt. Für mich zählt die Musik zu den absoluten Meisterwerken der Filmmusikgeschichte - ohne wenn und aber. Bei Gelegenheit werde ich noch mal etwas näher auf diese Scheibe eingehen ...
Neben The Thin Red Line gibt es jedoch noch einige weitere Zimmer-Scores, die mir besonders gefallen, so z.B. die Musiken zu zwei Ridley Scott-Filmen, Gladiator (2000) und Hannibal (2001).
Im Gegensatz zu The Thin Red Line ist das hier reichlich süffige Actionmusik ... Lisa Gerrards Vokalisen sind mittlerweile etwas zum Klischee mutiert, damals war's noch recht frisch und passend ... Zimmer konnte sich über den Golden Globe freuen, mit dem Oscar hat's dann leider nicht geklappt ...
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Ein starker Kontrast zu Howard Shores eher minimalistischem Score für The Silence of the Lambs, Zimmers Musik ist üppig-barock, das passt aber zum Film, der mehr Horror-Oper als Thriller (wie der erste Teil der Lecter-Saga) ist ...
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Hier ein kleines Doku-Feature über die Entstehung der Musik ...
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Nicht unähnlich klingt Zimmers Musik für Ron Howards The Da Vinci Code (2006). Den Film hab ich schnell wieder vergessen, die Musik nicht.
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Bezaubernd und mitreißend schließlich auch die Musik zum Musical-Animationsfilm The Prince of Egypt (1998, Regie: Brenda Chapman, Steve Hickner, Simon Wells):
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Soviel erst einmal von meiner Seite ...
DiO :beatnik: