FLOTOW: "Martha" - Kommentierte Diskographie

  • FLOTOW: "Martha" - Kommentierte Diskographie

    Meine Lieben,

    Bis ins dritte Viertel des 20.Jahrhunderts zählte "Martha oder der Markt zu Richmond" zu den beliebtesten Opern, dann rückte sie immer mehr in den Randbereich (außerhalb des deutschsprachigen Bereichs scheint sie sich aber besser zu halten). Nur die Ohrwürmer wie "Ach so fromm" oder "Letzte Rose" stellen nach wie vor Zugnummern dar. Zweifellos gibt es musikalisch "anspruchsvollere" Opernschöpfungen. Ich gestehe allerdings, solchen Klassifizierungen nicht viel abgewinnen zu können. Für mich sind die schlichte (oder auch gar nicht so schlichte) Eleganz und die flüssige Melodik dieser "deutschen" (aber eigentlich sehr französischen) Oper nicht weniger wertvoll als die Raffinesse eines Rossini oder Gounod. Selbstverständlich ist das mein rein persönlicher Geschmack und sagt nichts über die Bedeutung des Werks innerhalb der Gattungsgeschichte etc. Daß Flotows Opern derzeit nur selten zu hören sind, wird oft beklagt, doch sind auch die Voraussetzungen nicht so günstig, diese Werke in den Spielplan aufzunehmen. Denn erstens sind sie offenbar für viele dominante Regisseure nicht interessant, weil zu naiv, zweitens stellen sie hohe Anforderungen an Sänger, denen der mehr auf italienisches und französisches Repertoire abgestimmte Stimmcharakter oft nicht so ganz entspricht. Für "Martha" bedarf es einer, wie soll ich mich da ausdrücken, warmen, empfundenen Sentimentalität in positivem Sinn, die sehr schwer zu erzielen ist. In der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts und bis in die 60er Jahre hingegen standen dafür geeignete Stimmen zahlreich zur Verfügung. Ich erinnere an die heute noch mit Recht beliebte Berliner Aufnahme von 1944, die unter mehreren Labels angeboten wurde und wird:

     

    Da singen Erna Berger, Peter Anders, Josef Greindl und Else Tegetthof - besser geht es fast nicht, wenn man von der Tonqualität absieht.

    Sehr gut, wenn auch mit Abstand zur vorigen, auch die Münchner Rundfunkaufnahme von 1955 mit Wilma Lipp, Hetty Plümacher, Waldemar Kmentt und Kurt Böhme:

     

    Für mich das Nonplusultra ist leider nur ein Querschnitt, erschienen erstmals 1960 und derzeit wohl nur mehr in Restexemplaren erhältlich: Unter Berislav Klobucar singen Fritz Wunderlich, Anneliese Rothenberger, Hetty Plümacher und Gottlob Frick.

    Was mich zu diesem Thread bewogen hat, ist aber der Umstand, daß die recht teure englischsprachige Version aus New York

    seit kurzem auch zu einem mäßigen Preis bei WALHALL zu haben ist. Den Cover haben unsere Partner noch nicht eingestellt.

    Es handelt sich dabei num einen Livemitschnitt aus der Metropolitan Opera New York von 1961. Da die Oper ja in England spielt, ist es ganz spannend, sich anzuhören, wie sie in der quasi-authentischen Sprache klingt. Nun, die Übersetzung, so kommt mir vor, hat ihre Härten, und schmiegt sich nicht so in die Noten wie die Urfassung. Nino Verchi dirigiert schwungvoll, aber auch ein bißchen humptata, oder besser ausgedrückt: Er tendiert in Richtung derbe italienische Buffokomik. Er hat herrliche Stimmen zur Verfügung. Giorgio Tozzi als Plumkett braucht ein bißchen, bis er sich hineinfindet (und auch er, obwohl Amerikaner, hat natürlich Schlagseite in die italienische Art). Richard Tucker hingegen findet sich stilistisch nicht wirklich zurecht. Er produziert zwar schöne, eindrucksvolle Spitzentöne, bleibt dem Charakter des Lyonel aber viel schuldig. Eher wirkt er wie ein ältlicher Weltmann. Die Damen sind dafür bravourös. Victoria de los Angeles in der Titelrolle singt herrlich und wirklich wie ein Edelfräulein der Königin. Sehr gut auch Rosalind Elias als Nancy. Lorenzo Alvary hingegen als Lord Tristan trifft zwar den Typ, überzieht aber zu sehr ins Klamaukhafte. Fazit insgesamt: Hörenswert, aber nur partiell Spitzengruppe.

    Liebe Grüße
    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi!

    Danke, dass Du den Martha Thread aufgemacht hast. Ichhabe eine Aufnahem, die es komischerweise noch nicht zur CD gebracht hat. Bei den CDs habe ich nur die Aufnahem mit Wilma Lipp, die mit de los Angeles leider nicht, aber dafür diese hier:

    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/51Qx7s2XtIL._SL500_AA300_.jpg]

    Lucia Popp ist euine gesanglich und spielerisch bezaubernde Lady Harriet Durham und Doris Soffel eine ebenso wundervolle Nancy, Siefried Jerusalem hatte, damals, im Oktober 1977 erschien diese Aufnahme bei Eurodisc, den Tenor als Lyonel den man sich für diese Partie, wie auch für den Hans in "Verkauften Braut", den Tamino u.s.w. wünschte, Sigmund Nimsgern als Lord Tristan Mickleford und Karl Ridderbusch als Plumkett, die beide in ihren Partien wirklich gut sind, nur habe ich bei Karl Ridderbusch immer meine Probleme. Er singt gut, ist richtig besetzt, aber er gefällt mir nicht.

    Es pielt das Münchener Rundfunk Orchester unter Heinz Wallberg, sehr sauber und gekonnt.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter.

  • Das Beste ist ja die rote Schrift auf dem grünen Rock, die man nicht mehr lesen kann ... aber ich glaube, bei dem Dekolleté schaut eh keiner mehr auf die Schrift :juhuu:

  • Lieber Merkatz!

    Lucia Popp hatte, damals, fast keines. Ich meine hier ihr Dekolleté. Auch am großen Cover der LP Ges ist keines zu sehen - Künstlerpech.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien. :wink: :wink:

  • Ichhabe eine Aufnahem, die es komischerweise noch nicht zur CD gebracht hat.


    Doch, sie hat es dazu gebracht:

    Im Moment scheint sie nur gebraucht erhältlich zu sein, als ich mir vor ein paar Jahren eine "Martha"-Aufnahme gekauft habe, gab es sie auch noch "frisch".

    Lucia Popp hatte, damals, fast keines. Ich meine hier ihr Dekolleté.


    Ist Lucia Popp nicht die rechte der beiden Damen auf dem Cover? Die trägt ja in der Tat ein sehr hochgeschlossenes Kostüm. Das üppige Dekolleté würde dann Doris Soffel gehören.

    Ich habe mir damals übrigens diese Aufnahme gekauft:

    Mit Anneliese Rothenberger, Nicolai Gedda, Brigitte Fassbaender und Hermann Prey ist sie sehr prominent besetzt. Rothenberger, Gedda und der Dirigent Robert Heger sind hörbar in ihrem Element und liefern mit charmanter Selbstverständlichkeit ihre Partien ab. Brigitte Fassbander war eine Mezzosopranistin, Hermann Prey ein Bariton. Sie singen ihr Rollen für Alt bzw. Bass und auch wenn sie beide die tiefen Töne haben und sich mit viel Verve in ihre Bufforollen werfen, hört man doch, dass es nicht ihre "Sahnelage" ist, in der sie da unten ständig herumgründeln müssen. Alles in allem ist das (ich habe sie zugegeben aber schon einige Zeit nicht mehr gehört) eine durch und durch solide Aufnahme, der man sich unbesehen anvertrauen kann.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Es gibt Wallbergs Aufnahme auch mit dem gezeigten Schallplattencover auf CD, habe ich gerade gesehen. Ob die Aufnahme diesen Mondpreis allerdings wert ist?

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Lieber Waldi!

    Auch von mir ein Dankeschön dafür, dass Du hier mal wieder die Fahne der deutschen Spieloper hoch hältst, die bei Capriccio leider viel zu kurz kommt (ja ich weiß, "Be the change you want to see in the world!" heißt es ... :rolleyes: ).

    "Martha" gehört zwar nicht unbedingt zu meinen Lieblingsopern, aber ein paar nette Sachen sind schon drinnen, die Ouvertüre gefällt mir auch ausgezeichnet ... Ich habe folgende Aufnahmen, beiden wurden hier schon genannt:

    Ich war mit beiden recht zufrieden, müsste sie aber mal wieder anhören, um genaueres dazu zu sagen.

    DiO :beatnik:

    "Wer Europa in seiner komplizierten Verschränkung von Gemeinsamkeit und Eigenart verstehen will, tut gut daran, die Oper zu studieren." - Ralph Bollmann, Walküre in Detmold

  • [size=10]
    Auf DVD bzw. VIDEO fehlen einmal Martha inszeniert von Loriot sowie die Aufnahme aus Hamburg mit Steiner, Hillebrand, Wohlers und Röhrl, dirigiert von Horst Stein.

    LG, Eva Maria

  • Auf DVD bzw. VIDEO fehlen einmal Martha inszeniert von Loriot sowie die Aufnahme aus Hamburg mit Steiner, Hillebrand, Wohlers und Röhrl, dirigiert von Horst Stein.


    Sind diese Aufnahmen denn auch noch irgendwo zu bekommen? Bei Amazon und jpc habe ich nichts dergleichen finden können. Und: Wie sind diese beiden Filmversionen denn einzuschätzen? Was hältst du von den Inszenierungen und den Sängern?

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Liebe Martha-Freunde,

    als ich die Oper gestern mal wieder laufen ließ, bin ich erneut auf eine kleine Irritation gestoßen, die mich bislang stets etwas fragend zurückgelassen hat. Und zwar gibt es in der Ouvertüre eine wunderbare, aber wie ich finde sehr eigenartige Passage, die ich nicht so recht in die Oper einordnen kann, weil sie auf mich im Gegensatz zum Rest der Oper irgendwie sehr tragisch-mysteriös wirkt.
    In der folgenden Aufnahme (ist die Schüler 44er-Aufnahme) beginnt die Passage bei 3:35 ...

    "

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    Was meint Ihr dazu? Geht es Euch auch so? Habt ihr eine Erklärung dafür?

    Dieser Post würde wohl eigentlich besser in einen Werk-Thread passen, aber da es meines Wissens nach noch keinen zu "Martha" gibt und ich jetzt nicht deswegen einen eröffnen will, stell ich es mal hier rein.

    Gruß, DiO :beatnik:

    "Wer Europa in seiner komplizierten Verschränkung von Gemeinsamkeit und Eigenart verstehen will, tut gut daran, die Oper zu studieren." - Ralph Bollmann, Walküre in Detmold

  • Lieber Diabolus,

    Tragisch-mysteriös wirkt die Stelle nicht auf mich. Sie folgt auf eine getragene, fast sentimental-schmachtende Melodie, in der ein bekanntes Thema anklingt, fast wie ein dramatisch-leidenschaftliches Vorwärtsstreben, das nach etwa einer Minute wieder von einer ruhigeren Passage abgelöst wird. Ob diese, von Dir - mit einem gewissen Recht - als so andersartig empfundene Tonfolge innerhalb der Oper wiederkehrt, kann ich aber nicht sagen. Das könnte aus dem Stegreif wohl nur ein extrem guter Kenner beantworten oder jemand, der "Martha" schon selbst mehr als einmal gespielt hat.
    Reine Spekulation ad hoc: Könnte vielleicht den Wechsel der verschiedenen Gemütszustände Lyonels spiegeln.

    :wink: Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Diabolus,

    Tragisch-mysteriös wirkt die Stelle nicht auf mich. Sie folgt auf eine getragene, fast sentimental-schmachtende Melodie, in der ein bekanntes Thema anklingt, fast wie ein dramatisch-leidenschaftliches Vorwärtsstreben, das nach etwa einer Minute wieder von einer ruhigeren Passage abgelöst wird. Ob diese, von Dir - mit einem gewissen Recht - als so andersartig empfundene Tonfolge innerhalb der Oper wiederkehrt, kann ich aber nicht sagen. Das könnte aus dem Stegreif wohl nur ein extrem, guter Kenner beantworten oder jemand, der "Martha" schon selbst mehr als einmal gespielt hat.
    Reine Spekulation ad hoc: Könnte vielleicht den Wechsel der verschiedenen Gemütszustände Lyonels spiegeln.

    :wink: Waldi

    Lieber Waldi,

    "tragisch" ist tatsächlich ein nicht ganz passender Begriff, "dramatisch" wie von Dir benutzt trifft es eher, vielleicht passt auch noch "nervös-fiebrig". Jedenfalls wirkt diese Passage auf mich immer wie ein (willkommener) Fremdkörper. In der Oper habe ich sie nicht mehr wiedergefunden, was aber auch daran liegen kann, dass ich "Martha" nicht wirklich so gut kenne ...

    DiO :beatnik:

    "Wer Europa in seiner komplizierten Verschränkung von Gemeinsamkeit und Eigenart verstehen will, tut gut daran, die Oper zu studieren." - Ralph Bollmann, Walküre in Detmold

  • Es gibt Wallbergs Aufnahme auch mit dem gezeigten Schallplattencover auf CD, habe ich gerade gesehen. Ob die Aufnahme diesen Mondpreis allerdings wert ist?

    Lieber Cherubino!

    Ich finde dass diese Aufnahme gut gelungen ist - nur den Preis, der ist ja außergewöhnlich hoch, denn es ist ein Sänger dabei die ich nicht so schätze, also für mich nicht unbedingt, als CD ist sie einfach viel zu teuer.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien. :wink: :wink:

  • Lieber Cherubino!

    Ich finde dass diese Aufnahme gut gelungen ist - nur den Preis, der ist ja außergewöhnlich hoch, denn es ist ein Sänger dabei die ich nicht so schätze, also für mich nicht unbedingt, als CD ist sie einfach viel zu teuer.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien. :wink: :wink:

    Lieber Peter,

    wenn es Dir mehr um die Aufnahme an sich als um das Cover geht, dann bekommst Du diese hier sehr günstig auf dem Marketplace:

    DiO :beatnik:

    "Wer Europa in seiner komplizierten Verschränkung von Gemeinsamkeit und Eigenart verstehen will, tut gut daran, die Oper zu studieren." - Ralph Bollmann, Walküre in Detmold

  • Lieber Cherubino!

    Ich habe diese Aufnahme auf eien Doppel LP daheim und kann sie mir jederzeit auf CDs brennen, nur mag ich Karl Ridderbusch nicht so gerne. Er singt die Partie bestimmt passend.

    Aber Danke für den Hinweis.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien, wo ers wieder kalt geworden ist. :wink: :wink:

  • Meine Lieben!

    Eine besonders "preiswerte Aufnahme" ist wohl diese hier:

    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/51vkGRWE8gL._SS400_.jpg]

    Hier gefällt mir, ausnahmsweise, Anneliese Rothenberger als Lady Harriet, sie singt diese Partie nicht so aufgesetzt wie ansonsten und hat Brigitte Fassbaender als Nancy auch als blendende, schalkhafte Partnerin an ihrer Seite. Nicolai Gedda singt den Lyonel in bewährter Art, nur habe ich bei ihm Probleme, das schon seit meiner Zeit noch, er singt alles sauber aber etwas unbeteiligt. Der Plumkett von Hermann Prey ist mir zu wenig tief, er hat ja einen Bariton und Dieter Weller als Lord Tristan singt schön, mehr kann ich nicht sagen.

    Es spielt das Bayrische Staatsorchester unter Robert Heger genau nach dem Notentext, mehr will man nicht haben - aber der Preis ist schon etwas überzogen.

    Liebe Grüße sendet Euch Euer Peter aus Wien. :wink:

  • Meine Liebne!

    Eine besonders "preiswerte Aufnahme" ist wohl diese hier:

    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/51vkGRWE8gL._SS400_.jpg
    aber der Preis ist schon etwas überzogen.

    Liebe Grüße sendet Euch Euer Peter aus Wien. :wink:

    Abhilfe naht in Kürze:

    DiO :beatnik:

    "Wer Europa in seiner komplizierten Verschränkung von Gemeinsamkeit und Eigenart verstehen will, tut gut daran, die Oper zu studieren." - Ralph Bollmann, Walküre in Detmold

  • Sehr zu empfehlen für Einsteiger:

    Die HamburgerAufnahme von 1960 kam 2011 in der Reihe der Cantus Classics heraus. Während frühere Berichte die Tonqualität als nicht so gut einstuften, scheint diese Edition recht sorgfältig remastered worden zu sein. Über weite Strecken kann ich am Ton nichts aussetzen (wobei man natürlich das Aufnahmejahr berücksichtigen muß). Vielleicht hatte man sogar ein Masterband zur Verfügung.
    Jedenfalls gehört diese "Martha" für mich zu den besten. Sie wirkt frisch und unkompliziert (was sie, wenn man genauer hinhört, trotz der vielen Ohrwürmer gar nicht ist). Walter Martin betont mit dem Hamburger Rundfunkorchester das Naiv-Volkstümliche, streift ein paar Mal sogar fast ans Humptata. Das meine ich aber nicht so kritisch, wie es sich vielleicht liest. Irgendwie ist es Ausdruck der Musizierfreude. Auch begleitet Martin die Sänger sehr einfühlsam.

    Die Besetzung ist von den Namen her vielleicht nicht so lecker, aber in der Qualität bestens geeignet, berühmte Vergleiche herauszufordern und zu bestehen! Sie vereint Können mit Schlichtheit, vermeidet jede Affektiertheit und dicken Auftrag, löst mehr Schmuznzeln als Lachen aus - genau wie es sich für diese Oper gehört.

    Sonja Schöner als Lady Harriet wirkt anmutig-mädchenhaft im Timbre, was glänzend zu der Rolle des anfangs verwöhnten und snobistisch angehauchten Edelfräuleins paßt. Kleine Unsicherheiten fallen kaum ins Gewicht. Und nach der "letzten Rose" möchte man sie wie Lyonel auch am liebsten abbusseln, das heißt, äh, als Wiener strebe ich natürlich nach einem enthusiastischen Handkuß.
    Lyonel wird durch Donald Grobe akzentfrei und mit großartigem Timbre bestens verkörpert. Seine Stimme umfaßt nicht nur den etwas ätherischen Jüngling, sondern gewinnt, wenn Lyonel böse wird, auch an Kraft und Kern, ohne die wirklich wunderschöne Färbung zu verlieren. Schade, daß dieser viel zu früh verstorbene Amerikaner heute fast vergessen scheint, obwohl er doch in Deutschland und Österreich so viel gesungen hat. Ich könnte ihn mir gut als Lohengrin vorstellen.
    Gisela Litz ist die Nancy und gehört als solche für mich eindeutig in die Spitzengruppe. Karl Christian Kohns prächtiger Baß weist nicht ganz so viele Farben auf wie der Gottlob Fricks, dafür wirkt Kohns Stimme jedoch jugendlicher und damit rollengerecht. Walter Dicks als Sir Tristan bleibt klugerweise als Stichwortbringer im Hintergrund und blödelt nicht zu viel.
    Mit einem Wort, mit dieser Aufnahme kann man rundum glücklich sein. Dabei ist sie derzeit nicht teuer.

    Liebe Grüße
    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

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