Theodor W. Adorno über Wagner, Mahler, Berg u. a. m.: Inzwischen überholt oder immer noch aktuell?
[13.03.2012
Die folgenden 3 Beiträge sind teilweise gekürzte Kopien aus Richard Wagner, Gedanken zum Werk, Gedanken zur Bedeutung (dort gibt es sie natürlich weiter ungekürzt); die dann folgenden Beiträge (bis #22) stammen aus Eben gewälzt.
Aus der Diskussion wird ersichtlich, daß Adornos Beurteilungen der Musik Wagners, Mahlers und Bergs - und möglicherweise auch über die Musik weiterer Komponisten - unterschiedlich bewertet werden. Jedenfalls verdient das Thema zweifellos einen eigenen Faden. Hier ist er.
Gurnemanz]
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Dann kam Adornos "Versuch über Wagner"... gerade eben wieder einigermaßen mit Wagner (oder doch zumindest mit dem Tristan) ausgesöhnt, verpasst mir Adorno eine schallende Ohrfeige. Aua. Ich bin mit Adorno noch nicht ganz fertig. Aber ich habe immerhin festgestellt, dass Adorno mehr geschrieben hat, als einen Komplettverriss, denn ausgerechnet den Tristan scheint er nicht ganz so vernichtend einzuschätzen, wie die anderen Wagneropern. Nun also hier ein Zitat Adornos, mit dem ich die Diskussion eröffne.
"In der Theorie wie im eigenen Verfahren ist paradoxerweise der Chromatiker Wagner eine gewisse Scheu vor der Modulation, außer im Tristan, nie ganz losgeworden. Ohne das Gegengewicht diatonischer Partien von Art des Vordersatzes (Gemeint ist das Lohengrinvorspiel, T. 5 - schüfen Stufenreichtum und chromatische Stimmführung jene Esoterik, die Wagner wie den Tod fürchtete. Ihre Verhöhnung war nicht die letzte unter den polemischen Absichten der Meistersinger, wo dem verküstelten Meistergesang schon etwas wie das nachmals losgelassene Volksempfinden kontrastiert wird: die Idee der Selbstzurücknahme reicht bis in die Geschichte von Wagners eigenem Werk hinein, das zu seiner produktiven Mitte, dem Tristan, ein wenig sich verhält wie der Reiter überm Bodensee." (Adorno, Die musikalischen Monographien, S. 50f.)
(Nebenbei: Der "Reiter überm Bodensee" steht ja für Gefahren, die man besteht, ohne sie zu kennen. Wie ist das hinsichtlich Wagner zu verstehen? So ganz verstehe ich den Vergleich nicht... was den Tristan angeht nimmt Adorno bei Wagner unschuldige Naivität an und ansonsten nicht?)
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