Man sollte meinen, daß ein so schönes Opernhaus wie das Teatro Principal in Palma de Mallorca auch regelmäßig mit Oper bespielt wird, aber meist findet alles mögliche dort statt, Kabarett, Popkonzerte, Sprechtheater. Die „Opernsaison“ 2012 umfaßt drei Werke Carmen, Bohème, Troubadur, und man muß den Planern konzedieren, daß sie sich nun kein unaufregenderes Programm hätten einfallen lassen können, und wenn sie 14 Tage lang ausschließlich darüber nachgedacht hätten. Wenn man die alten Plakate sieht, die im Foyer des Gebäudes hängen, dann war der Einfallsreichtum früher stärker ausgeprägt: Dinorah, Sonnambula, Fanciulla, Nozze, alles da. Aber heute ist das Geld in Spanien und gerade auch auf der Insel (absurd bei 10 Mio Touristen jährlich, aber wahr!) so verzweifelt knapp, daß mehr anscheinend nicht geht.
Für Carmen gab es bereits Dekoration (nicht der Rede wert, Gebäude angedeutet) und Kostüme, also konnte man das wenige vorhandene Geld für Sänger aufwenden.
Ich war in der Aufführung am 1. April, aber die Besetzung scheint an allen drei Aufführungstagen gleich gewesen zu sein.
Die Carmen gab die rumänische Mezzosopranistin Carmen Topciu. Groß gewachsen, doch ein bißchen mollig singt sie mit volltönendem, meiner Ansicht eher in der osteuropäischen als in der italienischen Tradition gebildeten Mezzo eine ziemlich uninteressierte Carmen, von der ich nicht recht weiß, warum man ihr verfallen sollte; es sei denn, man spielt und singt den Don José als geborenen Verlierer wie Gustavo Porta, der schon optisch stark absticht von den feschen anderen Soldaten seines Wachbataillons: er ist ausgesprochen stämmig, und die Stimme hat eine angestrengte Höhe und sehr wenig Glanz, wenngleich Porta sich achtbar schlägt. Es stellt sich aber keine Tenor- Euphorie ein.
Liebling des Publikums war Carlos Àlvarez als Escamillo. Auch er nicht wirklich bestens disponiert, hält er seine baritonalen Spitzentöne dann aber zirkusmäßig so lang, wie er meint, daß das bei einem Provinzpublikum wohl sein müsse - in der Wiener Staatsoper würde er sich das, denke ich, nicht erlauben. Nun ist ja Escamillo auch alles andere als ein intellektueller Charakter, von daher paßte es also einigermaßen.
Die anderen Rollen waren mit örtlichen Kräften achtbar besetzt; heraus stach Josep Miquel Ribot als Zuniga, der eine bemerkenswert gute Baßstimme besitzt und fast als einziger auch so eine Art idiomatisch klingendes Französisch sang ; mit den anderen hätte ich gerne noch mal ein paar Wochen gearbeitet: keine Nasale, kein „ü“, alles vokal plattgemacht.
Das Orchester (städtisch und balear zugleich, das einzige hier) ist der wahre Schatz dieses Hauses und mit einer tadellosen, sehr inspirierten Leistung unter dem wie immer ungemein engagierten Dirigat von José Maria Morena der eigentliche Star des Abends. Es hat sehr unter den anstehenden Rasenmäher-Kürzungen zu leiden und kämpft mit einigen Aktionen tapfer dagegen (wer sich informieren und diesen Kampf um die Existenz vielleicht sogar unterstützen will, klicke hier: "http://www.youtube.com/watch?v=aV1XvKqwmzA']http://www.youtube.com/watch?v=aV1XvKqwmzA"
Alles in allem kein schlechter Abend. Meiner Familie hat’s gefallen. Ich hätte mir schon differenziertere Rollengestaltungen, bessere Aussprache, einen tenoral überzeugenderen Don José und eine Carmen gewünscht, die nicht das derzeit wohl populäre Bild der Hauptfigur als ziemlicher Schlampe bedient, aber da suche ich wahrscheinlich an vielen Häusern vergebens. Wichtig für diese Insel, die weithin eher vom Ballermann als vom Ballo in maschera geprägt iat, war, daß der Abend überhaupt stattfand. Man wird bescheiden.
Grüße!
Honoria
Für Carmen gab es bereits Dekoration (nicht der Rede wert, Gebäude angedeutet) und Kostüme, also konnte man das wenige vorhandene Geld für Sänger aufwenden.
Ich war in der Aufführung am 1. April, aber die Besetzung scheint an allen drei Aufführungstagen gleich gewesen zu sein.
Die Carmen gab die rumänische Mezzosopranistin Carmen Topciu. Groß gewachsen, doch ein bißchen mollig singt sie mit volltönendem, meiner Ansicht eher in der osteuropäischen als in der italienischen Tradition gebildeten Mezzo eine ziemlich uninteressierte Carmen, von der ich nicht recht weiß, warum man ihr verfallen sollte; es sei denn, man spielt und singt den Don José als geborenen Verlierer wie Gustavo Porta, der schon optisch stark absticht von den feschen anderen Soldaten seines Wachbataillons: er ist ausgesprochen stämmig, und die Stimme hat eine angestrengte Höhe und sehr wenig Glanz, wenngleich Porta sich achtbar schlägt. Es stellt sich aber keine Tenor- Euphorie ein.
Liebling des Publikums war Carlos Àlvarez als Escamillo. Auch er nicht wirklich bestens disponiert, hält er seine baritonalen Spitzentöne dann aber zirkusmäßig so lang, wie er meint, daß das bei einem Provinzpublikum wohl sein müsse - in der Wiener Staatsoper würde er sich das, denke ich, nicht erlauben. Nun ist ja Escamillo auch alles andere als ein intellektueller Charakter, von daher paßte es also einigermaßen.
Die anderen Rollen waren mit örtlichen Kräften achtbar besetzt; heraus stach Josep Miquel Ribot als Zuniga, der eine bemerkenswert gute Baßstimme besitzt und fast als einziger auch so eine Art idiomatisch klingendes Französisch sang ; mit den anderen hätte ich gerne noch mal ein paar Wochen gearbeitet: keine Nasale, kein „ü“, alles vokal plattgemacht.
Das Orchester (städtisch und balear zugleich, das einzige hier) ist der wahre Schatz dieses Hauses und mit einer tadellosen, sehr inspirierten Leistung unter dem wie immer ungemein engagierten Dirigat von José Maria Morena der eigentliche Star des Abends. Es hat sehr unter den anstehenden Rasenmäher-Kürzungen zu leiden und kämpft mit einigen Aktionen tapfer dagegen (wer sich informieren und diesen Kampf um die Existenz vielleicht sogar unterstützen will, klicke hier: "http://www.youtube.com/watch?v=aV1XvKqwmzA']http://www.youtube.com/watch?v=aV1XvKqwmzA"
Alles in allem kein schlechter Abend. Meiner Familie hat’s gefallen. Ich hätte mir schon differenziertere Rollengestaltungen, bessere Aussprache, einen tenoral überzeugenderen Don José und eine Carmen gewünscht, die nicht das derzeit wohl populäre Bild der Hauptfigur als ziemlicher Schlampe bedient, aber da suche ich wahrscheinlich an vielen Häusern vergebens. Wichtig für diese Insel, die weithin eher vom Ballermann als vom Ballo in maschera geprägt iat, war, daß der Abend überhaupt stattfand. Man wird bescheiden.
Grüße!
Honoria
"...and suddenly everybody burst out singing." (Busman's Honeymoon)