Der Operngesang - Kritik
Hallo!
Es gab ja schon den Thread "Wege zu Wagner", wo ganz kurz der Gesang angesprochen wurde; auch in einem anderen Thread ging es kurz um den Gesang bei Strauss´Salome. In diesem Thread nun soll es mal nur um den Gesang gehen.
Ich weiss gar nicht recht, wie ich anfangen soll mit diesem Beitrag, aber ich versuche es mal so:
Die Ausgangssituation ist folgende: bis auf zwei Opern (die ich schon oft genug genannt habe), die ich mir in einem durch anhören kann, gefallen mir bei den meisten Opern nur vereinzelte Stellen, Arien etc. Ich weiß, dass bei folgendem Satz viele die Augenbraue heben werden, und sich denken „naja, junger Banause halt, der hat ja keine Ahnung“, aber es ist leider so, dass ich den Operngesang in den meisten Fällen nicht aushalte.
Damit meine ich allerdings in erster Linie die hohen Töne, die, wenn sie zu oft und zu laut vorkommen, für mich einfach unerträglich sind, und ermüdend und nervig.
Selbstverständlich erfordert es eine gute Technik, das zu singen, das stelle ich auch gar nicht in Frage, aber für meine Ohren ist es einfach extrem unangenehm. Oft heißt es dann „gute Sängerinnen singen das, und kreischen nicht“, aber auch wenn es noch so toll gesungen ist, ist es für mich unangenehm, weil es einfach unnatürlich hoch ist. Kein Mensch redet in dieser hohen Tonlage, zumindest nicht permanent.
Oft heißt es auch, dass das nunmal zur Rollengestaltung gehört, weil die Handlung dramatisch ist, die Figur aufgewühlt, innerlich zerrissen etc. … nur, gibt es keine andere Möglichkeit das musikalische auszudrücken, als in der zwei- und dreigestrichenen Oktave?
Ich habe schon sehr sehr oft versucht, mir eine neue Oper anzuhören, von der ich eine Arie kannte und die mir auch sehr gut gefallen hat, weil sie melodiös war, hohe Töne sparsam, dafür umso wirkungsvoller eingesetzt wurden.
Das klingt alles so theoretisch, und ich kann mich leider nicht so gut ausdrücken, vielleicht darf ich ein paar kurze Beispiele bringen:
Deh vieni non tardar, aus Mozarts Figaro, finde ich absolut toll. Der Gesang ist eher leise, melodiös, und hohe Töne werden eben, m. E., eher sparsam eingesetzt, ansonsten bewegt sich die Melodie in einer für MEIN Ohr angenehmen Mittellage, einmal geht sie sogar ziemlich tief runter. Aber die restlichen Arien der Frauen finde ich persönlich einfach langweilig.
Speziell die Arie „Come unto him“ aus Händels Messias, wo zuerst ein Alt und dann ein Sopran singt. Wenn die Sängerinnen gut sind, und einem die frohe Botschaft nicht entgegenschmettern, finde ich diese leisen hohen Töne sehr angenehm, auch wenn sie hier viel öfter vorkommen, allerdings in einer Melodie, ohne dass der gleiche Ton zig mal wiederholt wird.
Die Habanera aus Bizets Carmen ist auch so ein Fall: sehr melodiös, meistens auch in einer angenehmen Stimmlage, und wieder werden die hohen Töne nur vereinzelt eingesetzt, niemals permanent. Wenn ich die Oper weitergehört habe, kam aber wieder das „Geschrei“, wo ich mich frage „Was soll das? Grade kam sowas schönes, und jetzt wieder sowas“.
Die Agathenarie aus Webers Freischütz finde ich auch toll – sieht man sich die Noten an, bemerkt man, dass sie fast ausschließlich innerhalb der fünf Linien des Notensystems spielt; es gibt schöne Koloraturen, und wieder werden hohe Töne sparsam, dafür umso wirkungsvoller eingesetzt. Als gutes Beispiel fällt mir die Stelle ein, wo sie singt „Ob Mond auf seinem Pfad wohl lacht“, normale Stimmlage, und dann singt sie recht hoch „Welch schöööööne Nacht“. Das „schö“ ist hoch, dann steigt die Melodie während dem „öööne“ wieder ab. Bei mir wirken solche Stellen viel stärker, als wenn Senta dem Holländer am Ende extrem hoch nachschreit „treuuuuuu diiiiiir – biiiiiiis zum Tooood“. So eine Hysterikerin wünsch ich nicht mal einem Geist.
Ich hab mir schon oft vorgenommen, die Salome von Strauss ganz anzuhören. Nicht zuletzt, weil mir die Musik aus dem Tanz der sieben Schleier so gut gefällt, sondern auch weil mir dieser riesen Orchesterapparat imponiert, die Leitmotive, die immer wieder vorkommen etc. Mich selber stören hektische Stellen in der Musik nicht, ich habe damit kein Problem, womit ich aber ein Problem habe ist – richtig, der Gesang. Vereinzelt gibt es kurze Melodien die von Salome gesungen werden, und auch für mich schöne Stellen, z.B. wo sie singt „Ah, ich habe deinen Mund geküsst, Jochanaan“, normale Stimmlage, und das Orchester klingt sehr atmosphärisch. Wenn sie dann aber wieder anfängt höher zu singen, denk ich mir „Geh nein, nicht schon wieder“ und drehe genervt ab. Ich beneide die Leute, die das schön finden und beeindruckt sind von der Dramatik in dem Gesang, sich dann denken "Boah, die hat ja wirklich Probleme, toll, wie der Komponist das anhand von permanenten hohen Tönen das verdeutlicht".
Ich vergleiche die hohen Töne gerne mit einem Gitarrensolo. Wenn ein Virtuose minutenlang im Maschinengewehrtempo soliert, und die ärgsten Techniken draufhat (= hohe Töne), dann findet man es natürlich toll, man sagt „Wahnsinn, was der kann“, aber irgendwann ist es doch ermüdend und fad. Wenn allerdings ein Gitarrist auch mal langsamer spielt (= normale Stimmlage), und nur ab und zu schneller wird, dann ist man doch viel aufmerksamer, dann wirken die schnellen Stellen doch umso mehr, oder?
Ich habe mir vor ca. einem Jahr dieses Buch hier ausgeborgt aus der Bücherei:
Ich fand es auch toll geschrieben: es gab viel Wissenswertes über die Geschichte der Oper zu lesen, über Komponisten (stimmt es, dass Händel eine Sopranistin, die sich weigerte eine Arie von ihm zu singen, aus dem Fenster gehalten hat, bis sie eingewilligt hat??), und auch viele Opern wurden humorvoll, aber trotzdem interessant besprochen. Bei all dem bekam ich echt Lust mir Opern anzusehen, aber so sehr sich das Buch auch bemüht hat, dem Leser die Oper schmackhaft zu machen, auf eine einzige Sache ist es mit keinem Wort eingegangen: der Gesang. Nirgendwo steht, wie man ihn besser erträgt. Das Buch sagt einem „Oper ist nur ein Spektakel für die Leute gewesen, möglichst groß, am besten exotische Handlungen, viele Effekte, man ging in eine Oper, nahm sich was zu Essen mit, ging während der Vorstellung in die nächste, schaute was es da gab“ etc., es verrät viele interessante Hintergründe zur Entstehung der Werke. Es gibt einem Hinweise, welche Plätze in der Oper die besten sind, aber leider keine, wie man den Gesang mögen kann. Kein Wort
"Ein Vogelfänger bin ich ja". Wer kennt sie nicht, die »Zauberflöte«. David Pogue und Scott Speck begeben sich auf Menschenfang, sie wollen jeden einzelnen für die Oper begeistern. Die Autoren entführen Sie in die Welt der Stimmen, volltönenden Orchester, fesselnden Dramen, aufwändigen Bühnenbilder und prächtigen Kostüme! Von finsteren Königinnen, dem Pakt mit dem Teufel, verarmten Künstlern bis zur wahren Liebe und der trickreichen Ehefrau, die ihren Gatten aus dem Kerker rettet - in der Oper ist alles zu finden. "Oper für Dummies" nimmt Ihnen die Furcht vor der fremden, manchmal von außen ein wenig snobistisch erscheinenden Welt der Oper. Das Buch lehrt Sie die "Opernsprache" und führt Sie anhand der Operngeschichte durch vergangene Jahrhunderte zu den besten Opern, den berühmtesten Komponisten und den Opern-Schauplätzen von gestern und heute.
Oper für Dummies macht sich mit Humor an alle Vorurteile und Bedenken heran. Dieser außergewöhnliche Opernführer für willige Anfänger bietet einen sanften, verständlichen und sehr amüsanten Einstieg in die Mysterien des kultivierten Geschreis.
Das steht auf der Rückseite. Und tatsächlich funktioniert das auch: die volltönenden Orchester, fesselnden Dramen, und sonderheitlich die aufwändigen Bühnenbilder und Kostüme werden erwähnt.
Nur, was nützen einem Hintergrundgeschichten, tolle Handlungen und Kostüme, gewaltiger Orchestersound, wenn man das „kultivierte Geschrei“, wie es da genannt wird, nicht auch näher erklärt wird … wenn einem nicht geholfen wird, das besser zu ertragen?