RAMEAU, JEAN-PHILIPPE: Hippolyte et Aricie (1733)

  • RAMEAU, JEAN-PHILIPPE: Hippolyte et Aricie (1733)

    Rameau war tatsächlich bereits 49 Jahre alt, als er den Poeten und Schriftsteller Abbé Simon-Joseph Pellegrin um ein Libretto für eine Oper bat. Bis dato hatte Rameau nichts an Bühnenwerken komponiert; nur einige weltliche Kantaten hatte er geschrieben. Pellegrin lieferte ihm eins: Hippolyte et Aricie, eine Geschichte aus der griechischen Sage in einem Prolog und fünf Akten - so wie die Form der Tragédie lyrique es vorschreibt.


    Pellegrin schrieb das Libretto nach Phèdre (1677) von Jean Racine (1639-1699). In dieser Tragödie wird die Geschichte von Hippolytos, dem Sohn Theseus, erzählt, der sich in Arikia verliebt hat, die als Gefangene in Theseus' Palast lebt. Doch hat sich Phaidra, seine Stiefmutter, sich in ihn verliebt und begehrt ihn offen, da Theseus vor langer Zeit bereits Athen verlassen hat und nun als tot gilt. Als sie sich Hippolytos eröffnet, weist er sie jedoch zurück, was sie zu seinem Schwert greifen läßt. Hippolytos kann aber verhindern, daß sich seine Stiefmutter ins Schwert stürzt. Dann aber erscheint Theseus quicklebendig wieder in Athen, und Phaidra schwärzt Hippolytos bei ihm an, daß Hippolytos sie vergewaltigt habe. Theseus verbannt daraufhin seinen Sohn und beschwört seinen Vater, Gott Poseidon, ihn zu töten. Hippolytos kommt am Strand ums Leben, als er von einem Meeresungeheuer angegriffen wird. Phaidra, endlich aus ihrer Eifersucht erwacht, gesteht Theseus ihre Lüge und vergiftet sich danach. Theseus, schmerzlich betrübt ob dieser Täuschung, adoptiert Arikia als seine Tochter.

    Im Libretto ist das Ende positiver umgestaltet worden: Hippolytos wird von Diana, der Göttin der Jagd, vor dem Tod gerettet und zum König der Waldbewohner gemacht; Arikia darf man seiner Seite als Ehefrau leben. Theseus wird ihn aber nie wieder sehen dürfen. - Der zweite Akt spielt im Hades, wo Theseus versucht, seinen Freund Peirithoos aus den Händen Plutos zu befreien. Dieser läßt den Freund jedoch nicht gehen, und Theseus ruft Poseidon an, damit der ihn aus dem Hades holt. Theseus kann den Hades verlassen, aber die Furien kündigen ihm großes Unheil in seinem eigenen Palast an.


    Bereits Anfang 1733 hatte Rameau die Partitur fertig, und im April 1733 wurde sie als geschlossene Vorstellung im Hause von Rameaus Mäzen Alexandre Le Rice de La Poupelinière (1693-1762) uraufgeführt. Am 1. Oktober 1733 lief sie in der Académie Royale de Musique in Paris als erste öffentliche Opernvorstellung. In der Opersaison 1733/34 lief sie insgesamt vierzigmal.

    Von Anfang an gab es jedoch eine große Kontroverse um das Werk. Einerseits gab es Befürworter wie André Campra, die den großen Melodienreichtum und die brillante musikalische Konzeption lobten; andererseits gab es allerdings eher traditionell Eingestellte, die Rameaus Musik als dissonant und bizarr bezeichneten. Sie hielten die Oper für einen Angriff auf die von Jean-Baptiste Lully einst ersonnene Form der Tragédie en musique, die sie als unabänderlich und institutionell sahen. Rameau habe sie einfach verändert und somit zerstört. Eine Versöhnung schien es so schnell nicht zu geben, denn es bildeten sich zwei Lager heraus, die traditionellen Lullyistes, die Rameau ablehnten, und dessen Befürworter, die Ramoneurs.


    Hippolyte et Aricie ermöglichte Rameau eine zweite Karriere als Opern- und Ballettkomponist: danach folgten u.a. Les indes galantes (1735), Castor et Pollux (1737), Zaîs (1748), Pigmalion (1748) oder Les Boreades (1764), die noch erfolgreicher waren als sein Erstling. Im Jahre 1908 wurde Hippolyte et Aricie nach über 140 Jahren wieder in Paris aufgeführt, und die erste Aufnahme folgte in den 1950er Jahren (Roger Désormière, L'Oiseau-Lyre); doch erst durch die Argo-Aufnahme von Anthony Lewis 1965 schien die Oper wieder bekannter geworden zu sein. Dennoch bleibt die Diskographie recht dünn:


    1.
    Roger Désormière [Auszüge]

    (P) 195? L'Oiseau-Lyre OL-LD 10 (1 LP) Mono
    "http://img.iwascoding.com/2/2012/04/20/6…E5595F8DBC3.jpg"

    2.
    Anthony Lewis

    (P) 1966 L'Oiseau-Lyre SOL 286-288 (3 LPs) Stereo
    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/61WflHqqI6L._SL500_AA300_.jpg]

    3.
    Osborne McConaghy (live: April 1966)

    (P) 1980 Historical Recording Enterprises HRE 408 (3 LPs)

    4.
    Jean-Claude Malgoire (live: April 1978)

    (P) 1978 Broadcast Reel Tape Mr. Tape 3335

    5.
    Jean-Claude Malgoire

    (P) 1979 CBS "Masterworks" 79314 (3 LPs)
    "http://www.amazon.de/Rameau-Hippoly…e/dp/B0046M6B4C"

    6.
    John Eliot Gardiner (live: 1983)

    (P) 2003 Celestial Audio CA 199 (3 CDs)

    7.
    Mark Minkowski

    (P) 1995 Archiv Produktion 445 853-2 (3 CDs)

    8.
    William Christie

    (P) 1997 Erato 0630 15517-2 (3 CDs)

    9.
    Emmanuelle Haîm (live: 2009)

    (P) 2009 Premiere Opera Ltd. CDNR 3526-3 (3 CDs)

    10.
    Jed Wentz (live: 2009)

    (P) 2009 premiereopera.net (2 CDs)


    Zur Zeit sind zwei Einspielungen als CDs greifbar: Minkowski und Christie. [Anthony Lewis ist noch gebraucht als CD zu bekommen.] Der Rest ist entweder nur als LP oder als Bootleg erhältlich. Ich selber habe die Christie-Einspielung und finde sie wundervoll: großartig gesungen, elastisch gespielt, mit schöner Klangwirkung.


    Links:
    "http://de.wikipedia.org/wiki/Hippolyte_et_Aricie"
    "http://en.wikipedia.org/wiki/Hippolyte_et_Aricie"
    "http://www.operone.de/opern/hippolyte.html"
    "http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLRAHIPP.HTM"


    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Mir gefällt derzeit sehr gut die Aufnahme aus der Opéra Garnier von 2012, vor allem, weil man da eben auch die Tanzszenen hat. "

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    Die Kostüme finde ich ganz hübsch. Am besten gefällt mir der 2. Akt. Rumzukritteln habe ich nur an der Zusammenlegung einzelner Rollen wie dem Auftritt Amors im 3. Akt dieser Inszenierung, der so in der Form einfach keinen Sinn ergibt. Er ersetzt damit eine Matrosin.

  • Eine Versöhnung schien es so schnell nicht zu geben, denn es bildeten sich zwei Lager heraus, die traditionellen Lullyistes, die Rameau ablehnten, und dessen Befürworter, die Ramoneurs.

    Ich kenne sie unter den Namen Lullystes et Ramistes. "Ramoneur" bedeutet auf Französisch "Kaminkehrer", so daß es ein schönes Wortspiel gibt.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Ich sah neulich den schönen Musikpädagogenfilm Die Kinder des Monsieur Mathieu / Les Choristes und wollte wissen, was es mit dieser Hymne de la nuit von "Rameau" auf sich hat.

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    ist aber kein originaler Rameau sondern ein Arrangement einer Melodie aus Hippolyte et Aricie

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    zwischenzeitlich erschienen übrigens zwei neue DVDs

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

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