"Wow, interessant.. ich wusste nicht das man sowas studieren kann.." - oder: Der Organist am Arsch der Nahrungskette

  • Wenn irgendjemand in der näheren Verwandtschaft der Brautleute glaubt, singen zu können, dann ist es fast unvermeidlich, dass das Ave Maria von Schubert oder Bach-Gounod (habe ich in verschiedenen Tonarten vorrätig) oder sonst ein Schinken (Händel-Xerxes etc.) zum Besten gegeben werden soll. das erfordert seriöserweise eine vorhergehende Probe mit den Damen und Herren Sängern.
    Sonderwünsche der Brautleute sind aus einem ganz großen Spektrum, von Pop-Schnulzen bis zu Filmmusikschnulzen, seltener auch mal einen konkreten Wunsch aus dem klassischen Repertoire. Sollte der zusätzliche Übeaufwand unverhältnismässig sein, schlage ich allerdings derartige Bitten aus. Manchmal melde ich auch Bedenken an, dass die ein oder andere Idee der Heiratswütigen (zB liturgisch) schlicht unpassend wäre.
    (Hochzeitsmarsch Wagner und Mendelssohn ist natürlich vorhandenes Kernrepertoire, auch wenn ich immer von Lohengrin abrate. Ein "Standardprogramm" drücke ich nie auf, da findet immer individuelle Beratung statt)

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Aber wenn es dann so ist, wie Du beschreibst, trittst Du ja auch mit den zu Trauenden in Verbindung. D.h. Du könntest ja therotisch auch mit diesen verhandeln, vielleicht darauf hinwiesen, dass über den Standard hinausgehende Sonderwünsche gesondert/zusätzlich zu vergüten sind. Dies müßte doch eigentlich vermittelbar sein. Oder verfügen die Kirchengemeinden über Gebührenordnungen, die ein Pauschalentgelt für eine Orgelleistung vorsehen, dass entweder ganz oder teilweise an den Organisten durchgereicht wird, unabhängig vom Aufwand, den dieser zu betreiben hat? Schreib doch mal, wie das im einzelnenn so abläuft.

  • Der Aufwand für eine Hochzeit kann manchmal gegen Null gehen, hieße also: lediglich in die Tasche greifen und das Spielen, was ich für schön halte.
    Meist einigt man sich gemeinsam auf die zu orgelnden Lieder und Stücke (ich biete dann an, dass man sich in der Kirche trifft und ich spiele geeignete Sachen an/vor).
    Manchmal wirds aber wirklich anstregend in Sachen Sonderwünsche oder (Horrorszenario) die unmusikalische Verwandtschaft will singen/musizieren und dabei begleitet werden.

    Das ist ein Spektrum, das sich von keiner Gebührenordnung abdecken lässt (gleichwohl gibt es wohl in vielen Bistümern und Gemeinden eine solche Gebührenordnung).

    Mein Standardtarif mit ausführlicher Vorbesprechung und ohne weitere Nasenflötenbegleitung läge bei 50 Euro, wobei ich auch weniger nehmen würde, wenn ich vorher mal wieder vergessen habe, über Geld zu reden.

    Die Nutzung der Kirche und das Spenden der Sakramente sollte bei der Trauung von pfarreiansässigen Schäfchen kostenlos sein, und das ist auch gut so. Mein monatlicher Fixbetrag fürs Orgeln schliesst aber keine Hochzeiten ein. Das muss also verhandelt werden.
    Normale Gottesdienste spiele ich ja sozusagen "zur Ehre Gottes" während Hochzeiten doch soetwas sind wie eine "Privatveranstaltung" (oft mit besonders nervigem Publikum). Da muss die Kundschaft dann halt mal tiefer in die Tasche greifen. Was den Arbeitsaufwand mit Üben, Anreise, etc. betrifft, liege ich dann auch nicht deutlich über dem Stundenlohn des Kutschers oder des Kellners der anschliessenden Feierlichkeiten. Ganz zu schwegen von dem "Musiker"-Kollegen, dessen Instrumente schwarze und Silberne Plastiktellerchen sind. DJ nennt man diesen Wundermann, der die Leute zum Tanzen bringt.

    Wirkliche Verständnis-Probleme mit der Kundschaft hatte ich eigentlich nie.

    Taufen hingegen, die bei uns meist separat nach der Sonntagsmesse stattfinden, orgle ich meist freiwillig mit, obwohl ich nicht dazu verpflichtet wäre und finanziell auch meist leer ausgehe. Ich nehme das den Leuten auch nicht sonderlich übel, es denken halt wirklich viele ohne Argwohn, dass der Organist halt zum Inventar und Service selbstverständlich dazugehört. Und wegen eine 30-Minuten-Taufe dann auch noch die Hand aufzuhalten, verbietet mir mein Stolz.

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Oder verfügen die Kirchengemeinden über Gebührenordnungen, die ein Pauschalentgelt für eine Orgelleistung vorsehen, dass entweder ganz oder teilweise an den Organisten durchgereicht wird, unabhängig vom Aufwand, den dieser zu betreiben hat?


    Na ja, im Prinzip... Stammt noch aus der Zeit, als der orgelnde Hilfslehrer froh sein durfte, daß man ihn nicht verhungern ließ, weil ja seine Dienste noch gebraucht wurden. Aber bitte auch nicht so viel, daß er übermütig werden hätte können...!
    Schöne Grüße vom Bruckner Toni aus Windhaag!

    Ansonsten ist es schon beachtenswert, wie erstaunlich phantasielos die Bräute (und Brautmütter, die Männer haben da meistens eh' nix zu vermelden) in der Regel bei der musikalischen Gestaltung der Trauung sind... Und das trotz dieser kiloschweren Hochglanz-Magazine, die frau im Vorfeld der Hochzeit halbdutzendweise ersteht - da steht nämlich diebezülich auch nix drin - und dem von diesen verbreiteten Hype (kann da gerade mitreden, hatte nämlich erst kürzlich eine Hochzeit in der Familie :D ). "Vater der Braut" war da noch richtig harmlos. Und es ist schon schwer verständlich, daß gelegentlich beim Honorar des Organisten in einer Weise geknausert und gefeilscht wird, bei der man sich beim Trinkgeld (!!!) für die Bedienung im Lokal vermutlich so schämen würde, daß man sich nicht zur Tür raustraut...

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Mein Standardtarif mit ausführlicher Vorbesprechung und ohne weitere Nasenflötenbegleitung läge bei 50 Euro, wobei ich auch weniger nehmen würde, wenn ich vorher mal wieder vergessen habe, über Geld zu reden.

    Für wie lange? Ich meine, mußt Du da nicht doch alles in allem ne Stunde abhängen? Und erst mal hinfahren?
    ich find das, euphemistisch ausgedrückt, echt nicht viel...

    Gruss
    Herr Maria

    jene besagten 50 Euro hatten sich kulturbeflissene Menschen aus dem Nachbardorf (keine Bekannten, wohlgemerkt) auch mal für einen lustigen Nachmittag mit mitsingen (Grusel!) vorgestellt. Da mußte ich leider ablehnen... (Überhaupt zu kommen, meine ich )
    Wenn schon Schmerzensgeld, dann wenigstens ordentlich.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • was die selbersingende oder -spielende Verwandtschaft etc. betrifft (gelegentlich will sogar die Braut ihrem neuen Gspons was singen...):
    Da ist herablassende Hochnäsigkeit a priori nicht unbedingt angebracht. Das kann durchaus professionelle Qualitäten haben... Also Vorsicht!
    (my two cents...)

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Natürlich.
    Aber einen Grund für Gagenminderung sollte es schon mal garnicht darstellen. Sondern es ist eine extra-Leistung, sich womöglich live-transponierend auf unbekannte Mitsänger und -spieler einzustellen.

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • @ bustopher
    logisch, ich habe da neben ganz grauenhaften Darbeitungen auch sehr gute begleiten dürfen.
    Ansonsten kann ich meine Dünkel glaube ich sowieso gut überspielen.

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • jene besagten 50 Euro hatten sich kulturbeflissene Menschen aus dem Nachbardorf (keine Bekannten, wohlgemerkt) auch mal für einen lustigen Nachmittag mit mitsingen (Grusel!) vorgestellt. Da mußte ich leider ablehnen... (Überhaupt zu kommen, meine ich )
    Wenn schon Schmerzensgeld, dann wenigstens ordentlich.

    Jene 50 EUR scheinen aber doch offenbar im Tarifgefüge zu liegen. Jedenfalls ist das mein Eindruck, wenn man sich mal so die Web-Seiten diverser Kirchengemeinden zurm Thema "Was kostet die Trauung" anschaut. Ausreißer nach oben war ein A-Diplominhaber, einige weitere Diplome und ein Dr. phil. wurden gleich mitaufgeführt, der als Kantor aus dem Raum Wiesbaden für die Standardorgelleistung, also ohne Sonderwünsche (was Sonderwünsche sind, wird beschrieben), 100 EUR vereinahmen möchte.

  • Ich würde nur 10 Euro verlangen. Aber ich kann auch nicht Orgel spielen.

    DiO :beatnik:

    "Wer Europa in seiner komplizierten Verschränkung von Gemeinsamkeit und Eigenart verstehen will, tut gut daran, die Oper zu studieren." - Ralph Bollmann, Walküre in Detmold

  • Ich würde nur 10 Euro verlangen. Aber ich kann auch nicht Orgel spielen.

    DiO


    Man könnte natürlich auch behaupten, was ich persönlich natürlich nicht tue, dass es ein Privileg darstellt ein mehrere 100tsd Euro teures Instrument bespielen zu dürfen, von daher ein Honorar eigentlich überhaupt nicht entrichtet werden müßte.


  • Man könnte natürlich auch behaupten, was ich persönlich natürlich nicht tue, dass es ein Privileg darstellt ein mehrere 100tsd Euro teures Instrument bespielen zu dürfen, von daher ein Honorar eigentlich überhaupt nicht entrichtet werden müßte.

    Ja, solch ein lobenswerter Idealismus ist der Generation, zu der ich auch TB zähle, leider abhanden gekommen. Welch Schande! :wut2:

    DiO :beatnik:

    "Wer Europa in seiner komplizierten Verschränkung von Gemeinsamkeit und Eigenart verstehen will, tut gut daran, die Oper zu studieren." - Ralph Bollmann, Walküre in Detmold

  • dass es ein Privileg darstellt ein mehrere 100tsd Euro teures Instrument bespielen zu dürfen, von daher ein Honorar eigentlich überhaupt nicht entrichtet werden müßte.


    Unter diesem Aspekt wäre ein Honorar allerdings zu erwägen - das müsste aber dann der Organist entrichten. :D

    :wink:
    Renate

    Unsre Freuden, unsre Leiden, alles eines Irrlichts Spiel... (Wilhelm Müller)

  • das müsste aber dann der Organist entrichten


    ... und natürlich Vergnügungssteuer!
    Einerseits.
    Andererseits: Für's Ave Maria (egal welches von beiden. Gibt's eigentlich auch andere?), Lohengrin, Sommernachtstraum, Jeremiah Clarke... müßt's eigentlich Schmerzensgeld geben.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Auch wenn die "gibts auch andere?"-Frage hoffentlich/offenbar einen spöttischen Unterton hatte:

    Die bekannteste Komposition des Winnetou-Autoren und Komponisten Karl May ist ein Ave Maria für vierstimmigen Chor. Ist zwar typische "Gesangsvereinsmusik" aber eine gar nicht so unbeholfene Komposition.

    http://www1.cpdl.org/wiki/images/c/ce/May_-_ave_maria.pdf

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Aber einen Grund für Gagenminderung sollte es schon mal garnicht darstellen. Sondern es ist eine extra-Leistung, sich womöglich live-transponierend auf unbekannte Mitsänger und -spieler einzustellen.

    Mist. Warum hast Du mir das nicht vor dem Capriccio-Treffen geschrieben??

    Viele Grüße,

    Christian

  • Mist. Warum hast Du mir das nicht vor dem Capriccio-Treffen geschrieben??

    Weil das wohl kein Job war, und wenn doch, die Verhandlungen nicht Forenöffentlich geführt wurden..
    Hätte es auch gern gehört und u.U. auch was beigetragen, aber es sollte halt nicht sein. Statt dessen ein schöner "halbprivater" (= wenig Gage, viel Freude) Auftritt auf dem Elbdeich mit nettem Publikum und schönem Blick...

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

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