J.S.Bach - Sonaten und Partiten für Violine Solo, BWV 1001-1006

  • J.S.Bach - Sonaten und Partiten für Violine Solo, BWV 1001-1006

    Manche Werke haben eine fast schon sakrale Aura, die es nicht unbedingt leichter macht, sich ihnen zu nähern. Neben den späten Streichquartetten Beethovens zählen auch Bachs Partiten und Sonaten für Solo-Violine dazu, um die es hier gehen soll. Vor allem der fünfte Satz aus der zweiten Partita (BWV 1004), die Chaconne, hat diesen Nimbus. Der Satz gilt als besonders großes, schwer zu spielendes Stück, an dem die technische und künstlerische Qualität eines Interpreten gemessen wird.

    Bach, selbst ein sehr guter Geiger, hat diese virtuosen Stücke um 1720 in Köthen komponiert. Während die drei Sonaten der überlieferten Form der viersätzigen Kirchensonate folgen (jeweils ein langsamer und ein schneller Satz im Wechsel), handelt es sich bei den drei Partiten um eine lockere Folge von Tanzsätzen, die eher aus der höfischen Sphäre stammen. Die sechs Stücke des Zyklus sind jeweils so angeordnet, das auf eine Partita eine Sonate folgt, wobei der zweite Satz der Sonate durchgängig als Fugato gestaltet ist.

    Wie aber spielt man eine Fuge, also ein mehrstimmiges Stück, auf der Geige? Die Rede ist in diesem Zusammenhang von Doppelgriffen, aber das können Kundigere als ich sicher besser erklären. Wie das dann klingt, kann man besonders gut an der Fuge der dritten Sonate hören (2. Satz von BWV 1005), deren Thema auch als Choral Komm heiliger Geist, Herre Gott bekannt ist. Die enorme technische Schwierigkeit dieser Stücke scheint bereits Generationen von Geigern beschäftigt zu haben. Schon Albert Schweitzer schlägt beispielsweise einen modifizierten Geigenbogen vor, um die spieltechnischen Probleme der Mehrstimmigkeit in den Griff zu bekommen (Seite 341 ff seiner Bach-Biographie). Es scheint, dass diese Probleme mit einer barocken Geige und vor allem mit einem barocken Bogen eher zu lösen sind als mit einem modernen Instrument, da mit einem barocken Bogen leichter alle Saiten gleichzeitig zum Klingen gebracht werden können. Auch da wissen andere hoffentlich mehr.

    Bach hat das Präludium der letzten Partita (E-Dur, BWV 1006) in einer sehr schönen Ratswechselkantate wieder verwendet (BWV 29), wobei der Violinpart nun von der Orgel gespielt wird. Ich finde solche Übertragungen faszinierend. Eigentlich mag ich alle Stücke dieses Zyklus, gerade auch, weil sie häufige Stimmungswechsel, von tänzerischer Heiterkeit bis zu grüblerischer Melancholie und wieder zurück, bieten. Auf die Dauer kann es allerdings ganz schön anstrengend sein, dieser Musik konzentriert zuzuhören.

    Wie hört Ihr das?

    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

  • Du nimmst Bezug auf Schweitzer, erwähnst gleichzeitig, dass es scheint, dass man den Schwierigkeiten der Werkgruppe mit einem "barocken Bogen" am besten gerecht werden könne. Meinst Du deshalb einen Rund-/Krümmbogen oder wie auch immer man dieses Teil bezeichnen möchte, dessen Verwendung Schweitzer, ob als erster weiß ich nicht, nachhaltig empfohlen hat? Durchgesetzt hat sich dieser Bogen wohl wegen der mit der Verwendung verbundenen Schwierigkeiten, offensichtlich nicht, im übrigen auch nicht in der historischen Aufführungspraxis. Ob die Musik durch die Verwendung eines solchen Bogens authentischer wird, vermag ich nicht zu sagen. Aber ich denke in diesem Forum dürften Experten sein, die uns erklären können, wie man die spieltechnischen Schwierigkeiten, wollte man denn den Notentext 1:1, d.h. bis in kleinste Verästelungen, umsetzen, umgehen kann.

  • Ich habe hier nur 2nd hand Wissen, aber demnach ist der "Rundbogen" nicht historisch korrekt, sondern eine Idee des frühen 20. Jhds.? Die Barockbögen waren wohl etwas loser gespannt, dennoch kann man nur 2 Saiten gleichzeitig anstreichen und im Barock wurden, wie heute, Akkorde arpeggiert.
    Ich finde die Chaconne grandios, die Fugen gewöhnungsbedürftig bis unschön, meine Favoriten sind daher die d-moll und E-Dur-Partiten und die langsamen Sätze aus den Sonaten. Insgesamt bin ich immer wieder überrascht von der anscheinend großen Beliebtheit dieser Stücke. Eine gewisse Faszination kann ich zwar nachvollziehen aber ich finde sie, außer der E-Dur, widerspenstiger und uneingängiger als jeglichen späten Beethoven und auch als etliche als dornig verschrieene Musik des 20. Jhds.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Soweit ich weiß, entspricht der von Schweitzer favorisierte Rundbogen nach heutigem Wissen nicht dem Geigenbogen der Barockzeit. Ich habe ihn dennoch erwähnt, weil ich zeigen wollte, wie lange schon an diesem Problem getüftelt wird.

    Eva Grant schreibt im Beiheft dieser Aufnahme:

    Dank eines stärker gebogenen Bogens und eines flacheren Stegs seien Doppelgriffe und Akkordpassagen im 18. Jahrhundert vermutlich leichter zu bewältigen gewesen. Auch Harenbergs Kammermusikführer schreibt im Hinblick auf die bereits erwähnte Fuge aus BWV 1005, dass die geforderte Vierstimmigkeit heute weitaus schwieriger zu realisieren sei als mit dem locker gespannten Bogen der Barockvioline (Seite 46).

    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

  • Ich habe hier nur 2nd hand Wissen, aber demnach ist der "Rundbogen" nicht historisch korrekt, sondern eine Idee des frühen 20. Jhds.? Die Barockbögen waren wohl etwas loser gespannt, dennoch kann man nur 2 Saiten gleichzeitig anstreichen und im Barock wurden, wie heute, Akkorde arpeggiert.

    Das ist auch mein Kenntnisstand. Der Geiger Rudolf Gähler setzt sich zwar heute noch für einen "Rundbogen" ein, allerdings (wenn ich das richtig verstehe) nicht aus Gründen historischer Korrektheit, sondern weil das seiner Meinung nach eine sinnvollere Realisation des Notentexts ermöglicht. Gähler hat die Stücke auch mit Rundbogen eingespielt, ein paar Hörproben kann man sich zu Gemüte führen:


    Insgesamt bin ich immer wieder überrascht von der anscheinend großen Beliebtheit dieser Stücke.

    Als ich in die "Forenwelt" eintrat, war ich eher überrascht, dass die Cellosuiten Bachs viel poulärer zu sein scheinen als die Geigensonaten und -partiten (mit Ausnahme der Chaconne natürlich, die verzerrt das Gesamtbild etwas).

    Mit der Klanglichkeit habe ich bei den Stücken nie Probleme gehabt (egal ob Milstein oder van Dael). Dass ich bei den Fugen gelegentlich geistig aussteige bzw. nicht mehr mitkomme, geht mir auch bei manchen Nummern des WTK so (von der Kunst der Fuge ganz zu schweigen).


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Die Klanglichkeit ist für mich ambivalent: Einerseits ist es faszinierend, was eine einzelne Geige erreichen kann, andererseits klingt es stellenweise schon etwas dünn und kratzig. Und mindestens eine von den Fugen wirkte auf mich immer trocken und viel zu lang. Da die Nebenstimmen meinem Eindruck nach oft nur angedeutet sind, glaube ich auch nicht, dass diese Fugen musikalisch die Komplexität typischer Fugen aus WTK oder KdF erreichen. Anders als beim WTK, wo ich tendenziell immer überrascht bin welche Vielfalt, auch im Ausdruck unter den Fugen herrscht (und ansatzweise sogar bei der KdF, obwohl alle über ein Thema und nicht so verschieden im Ausdruck), scheinen mir die in den Solosonaten alle zu der demonstrativ-schwierigen Gattung "brillante Lösung einer extrem komplexen selbstgestellen musikalischen Aufgabe zu fallen". Wobei es besser ist, wenn sie mit einer gewissen Verve gespielt werden. Ich muss aber auch gestehen, dass ich noch nicht die Geduld für eine wirklich intensive Auseinandersetzung aufgebracht habe. Aus Faulheit höre ich dann entweder gleich die d-moll-Partita oder schalte in den Sonaten bei den Fugen tendenziell ab (mental, nicht den CD-Spieler).
    Die Cello-Suiten mögen einfacher gestrickt sein, ich finde sie größtenteils viel melodischer und weniger bemüht-demonstrativ (und die Zeiten, in denen ich letzteres für eine unzweifelhafte Qualität hielt, sind vorbei...)

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Die Cellosuiten sind sicherlich eingängiger und ich liebe sie auch sehr. Mindestens genauso schön finde ich aber die Violinenstücke. Besonders gerne verfolge ich die Musik mit diesem kleinen Büchlein,

    das ein Faksimile der Bach-Handschrift in verkleinerter Form enthält. Bach hatte eine sehr klare und ausgewogene Notenschrift, man kann das mit etwas Übung problemlos lesen. Kann ich nur empfehlen.

    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

  • Der Brahms-Freund Joseph Joachim war einer der ersten, der Bachs Solstücke für Violine öffentlich aufführte. Georg Bernhard Shaw beschrieb das Ereignis folgendermaßen:

    Joachim kratzte frenetisch seinen Bach - produzierte Töne, nach denen der Versuch, Muskatnuss auf einer Schuhsohle zu reiben, sich wie eine Äolsharfe angehört hätte. Die Noten, die zwar genügend musikalisch waren und deren Höhe man so ziemlich unterscheiden konnte, waren gewöhnlich unrein. Wäre es ein unbekannter Spieler gewesen, er wäre nicht mit dem Leben davongekommen! Aber wir alle – ich selbst eingeschlossen - waren interessiert und begeistert. Die ehrenvolle künstlerische Laufbahn Joachims und die Größe von Bachs Ruf hatten uns so hypnotisiert, dass wir ein gräuliches Geräusch für Sphärenmusik hielten.

    So ähnlich scheint es ja auch einigen hier im Forum zu gehen, wenn sie diese Musik hören. Gar nicht gräulich finde ich allerdings die Geräusche, die ich bei diesen beiden Einspielungen höre:

    Ich kann nicht sagen, welche der beiden Aufnahme ich besser finde - es ist immer die, die ich gerade höre. Huggetts Ansatz ist eiin wenig introvertierter als der von Schmitt, die sehr kraftvoll und sinnlich spielt. Beide lassen die technischen Schwierigkeiten der Stücke vergessen, es klingt nie angestrengt oder kratzig, das finde ich sehr wichtig. Alles andere ist Geschmacksache, wobei der deutliche Preisunterschied ein gutes Argument für die Huggett-Aufnahme ist. Beide Geigerinnen spielen übrigens auf einer Barockgeige mit Darmsaiten und entsprechendem Bogen.

    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

  • Das ist auch mein Kenntnisstand. Der Geiger Rudolf Gähler setzt sich zwar heute noch für einen "Rundbogen" ein, allerdings (wenn ich das richtig verstehe) nicht aus Gründen historischer Korrektheit, sondern weil das seiner Meinung nach eine sinnvollere Realisation des Notentexts ermöglicht. Gähler hat die Stücke auch mit Rundbogen eingespielt, ein paar Hörproben kann man sich zu Gemüte führen:

    Eine Aufnahme mit einem Rundbogen hat vor vielen Jahren der ungarische Geiger Emil Telmánnyi (1892-1988) vorgelegt.
    Auf dem Cover kann man diesen Bogen sehr schön erkennen:

    Die Chaconne aus der Partita Nr. 2 klingt teilweise schon recht ungewohnt – finde ich, aber hört selbst:
    "

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    Grüße,
    Wolfgang

    Die Wahrheit zu sehen müssen wir vertragen können, vor Allem aber
    sollen wir sie unseren Mitmenschen und der Nachwelt überliefern,
    sei sie günstig oder ungünstig für uns. (August Sander)

  • Wie historisch korrekt ist die Geschichte mit dem Rundbogen eigentlich? Ich meine irgendwo einmal gelesen zu haben, dass dieser Rundbogen in Wirklichkeit nie existiert habe. Irre ich da?

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Wie historisch korrekt ist die Geschichte mit dem Rundbogen eigentlich? Ich meine irgendwo einmal gelesen zu haben, dass dieser Rundbogen in Wirklichkeit nie existiert habe. Irre ich da?

    Du irrst; denn wenn das Cover nicht gefakt ist, haben solche Bögen in WIrklichkeit existiert. :D
    Aber man hat nach dem heutigen Forschungsstand jedenfalls nicht zu Bachs Zeiten damit gegeigt (s.o.)

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Du irrst; denn wenn das Cover nicht gefakt ist, haben solche Bögen in WIrklichkeit existiert. :D

    Ich sehe schon, ich werde hier nicht ernst genommen ;+)

    Aber man hat nach dem heutigen Forschungsstand jedenfalls nicht zu Bachs Zeiten damit gegeigt (s.o.)

    Das wollte ich wissen.

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Chaconne

    Die Chaconne, der letzter Satz aus der d-Moll-Partita (BWV 1004), sprengt in gewisser Weise jeden Rahmen. Der Satz ist mit 256 Takten länger als die vorhergehenden vier Sätze zusammen. Das Stück hat im Laufe der Zeit geradezu ein Eigenleben entwickelt, es wird teilweise gar nicht mehr als Finalsatz der zweiten Partita wahrgenommen, sondern als eigenständiges Werk gehört. Die Chaconne dürfte eines der bekanntesten Stücke von Bach sein

    Als Chaconne bezeichnet man einen Variationensatz über ein gleichbleibendes Bassthema. In dieser hier soll es insgesamt 64 Variationen einer viertaktigen Bassfigur geben. Ich muss allerdings gestehen, dass ich diese 64 Variationen auch nicht ansatzweise verfolgen kann. Was ich höre ist, dass es zwei Mollteile und einen nach Dur aufgehellten Mittelteil gibt. Ansonsten höre ich Freude, Schmerz, Ekstase, immer neue Anläufe und Aufschwünge - ziemlich beeindruckend.

    Das Stück ist nachweisbar erstmals 1840 aufgeführt worden, allerdings mit einer Klavierbegleitung von Felix Mendelssohn versehen. Auch Schumann, Brahms und viele andere haben eine Begleitung zur Chaconne komponiert oder es in anderer Weise bearbeitet (zum Beispiel für Orchester). Den Mut zur Aufführung der Originalfassung hatte als erster Joseph Joachim (1848, da war er 16).

    Der Bach-Biograph Philipp Spitta schrieb 1873 über die Chaconne einen für unseren Geschmack vielleicht allzu blumigen Text, den ich euch aber nicht trotzdem nicht vorenthalten möchte:
    Man bedenke: das alles ist für eine einzige Geige geschrieben! Und was läßt einen dieses winzige Instrument erleben! - von der ernsten Größe des Anfangs an durch die nagende Unruhe des zweiten Themas zu den dämonisch auf- und abwärts jagenden Zweiunddreißigsteln, welche die Gestalt des dritten düster umhüllen; wieder von jenen zitternden Arpeggien, die kaum merklich sich regend wie Wolkenschleier über finsterer Bergschlucht hängen, die aber der stärker herwehende Wind nun zusammentreibt und dicht geballt mit Brausen in die Baumkronen hineinpeitscht, daß sie sich ächzend hierhin und dorthin neigen und abgerissene Blätter umherwirbeln, bis zu der feierlichen Schönheit des D dur-Satzes, wo der Abendsonnenschein sich ins Thal senkt: golden fließt es durch die Luft, golden ziehen die Wellen des Stroms und werfen das Bild der Himmelskuppel zurück, der majestätischen, ins Unermeßliche aufragenden!
    (zitiert nach Bach-Lexikon, S. 143)

    Womöglich behindern solche Sätze heute eher die Rezeption, als dass sie den Zugang zur Chaconne fördern. Trotzdem, ich kann Stück und Text eigentlich ganz gut zusammenbringen (von der majestätisch aufragenden Himmelskuppel mal abgesehen).

    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

  • Die Chaconne, der letzter Satz aus der d-Moll-Partita (BWV 1004), sprengt in gewisser Weise jeden Rahmen. Der Satz ist mit 256 Takten länger als die vorhergehenden vier Sätze zusammen. Das Stück hat im Laufe der Zeit geradezu ein Eigenleben entwickelt, es wird teilweise gar nicht mehr als Finalsatz der zweiten Partita wahrgenommen, sondern als eigenständiges Werk gehört. Die Chaconne dürfte eines der bekanntesten Stücke von Bach sein

    Als Chaconne bezeichnet man einen Variationensatz über ein gleichbleibendes Bassthema. In dieser hier soll es insgesamt 64 Variationen einer viertaktigen Bassfigur geben. Ich muss allerdings gestehen, dass ich diese 64 Variationen auch nicht ansatzweise verfolgen kann. Was ich höre ist, dass es zwei Mollteile und einen nach Dur aufgehellten Mittelteil gibt. Ansonsten höre ich Freude, Schmerz, Ekstase, immer neue Anläufe und Aufschwünge - ziemlich beeindruckend.

    Ich bin der Meinung Bach wollte hier Bibers berühmte Passacaglia für Violine Solo überflügeln (er wollte ja immerzu jemanden überflügeln: Westhoff, die französischen Gambisten (mit den Cellosuiten), Weiss (mit den Lautenstücken), Fux und Zelenka (mit der "h-moll Messe"), usw.).

    Woher er das Stück kannte ist natürlich fraglich, mE sind aber die Bezüge ganz konkret: nicht nur, dass beide Stücke Ostinato-Variationen sind: auch bei Biber wird nach dem Vorstellen das Bassthema 64mal wiederholt, sogar die eröffnende Phase scheint mir zumindest verwandt sein.

    Natürlich ist Bibers Werk viel violinistischer, ich meine mehr instrumentengerecht komponiert und weniger ausgeklügelt-demonstrativ, wie bei Bach. Eben ein Paradestück eines Virtuosen.

    (man soll daraus nicht herauslesen Biber wäre ein bessrer Komponist, als Bach (nicht das ich was dagegen hätte :D ), nur dass er ein besserer Violinist war.)

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Als Chaconne bezeichnet man einen Variationensatz über ein gleichbleibendes Bassthema. In dieser hier soll es insgesamt 64 Variationen einer viertaktigen Bassfigur geben. Ich muss allerdings gestehen, dass ich diese 64 Variationen auch nicht ansatzweise verfolgen kann.

    Das ist im Grunde nicht schwer zu hören: Du musst die Basslinie beobachten, die immer wieder vom Grundton d in zwei Terzen abwärts zum g und von da aus über a (den Dominant-Grundton) wieder aufwärts zum d geht. Diese kadenzierende Grundlinie d-b-g-a-d wird dann mal chromatisch ausgefüllt, rhythmisch leicht verschoben usw., aber das viertaktige Schema und das grundsätzliche harmonische Gerüst bleibt bis zum Schluss erhalten. Mit etwas Übung (und am besten der Partitur in der Hand) problemlos zu hören.

    Viele Grüße,

    Christian

  • Vielen Dank für diese Erläuterungen, Christian. Ich habe mir das Thema jetzt einige Male auf dem Klavier vorgespielt und siehe da - nun höre ich es auch in der Chaconne besser heraus. Ausgerechnet die Basslinie zu verfolgen, finde ich generell nicht ganz einfach, die Ohren neigen doch immer schnell zur Oberstimme (jedenfalls meine). Bei den Goldbergvariationen habe ich damit auch so meine Schwierigkeiten.

    Seit gestern habe ich die Chaconne einige Male mit Mullova gehört - die Aufnahme gefällt mir ebenfalls sehr gut, vor allem wegen ihrer großen Klarheit.

    Mullova benutzt einen Barockbogen und spielt auf Darmsaiten, dennoch klingt sie hörbar anders als die anderen mir bekannten "HIP"-Aufnahmen. Ihr Ton ist deutlich strahlender und sie setzt auch das Vibrato häufiger ein als zum Beispiel Huggett oder Schmitt. Manches geht mir allerdings bei dieser Aufnahme ein bisschen zu schnell, die Gesamtspielzeit beträgt denn auch nur gut 132 Minuten. Zum Vergleich: Huggett braucht 152 Minuten, das ist allerdings auch die langsamste Aufnahme, die ich kenne.

    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

  • Du irrst; denn wenn das Cover nicht gefakt ist, haben solche Bögen in WIrklichkeit existiert. :D
    Aber man hat nach dem heutigen Forschungsstand jedenfalls nicht zu Bachs Zeiten damit gegeigt (s.o.)


    Dazu habe ich eine Website gefunden: "http://bach.bogen.pagespro-orange.fr/index.htm".
    Da werden alle möglichen Aspekte dieser Bögen behandelt, auch Literatur und CDs sind zu finden, neben Werken für Violine werden auch solche für das Cello aufgelistet, selbst Videos sind zu finden, damit man mal sieht und hört, wie das Ding benutzt wird.


    lg vom eifelplatz, Chris.

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