Johannes Brahms - Rhapsodie für eine Altstimme, Männerchor und Orchester op. 53 (Alt-Rhapsodie)

  • Auch Maureen Forrester hat die Alt-Rhapsodie gesungen:

    1. Einmal unter der Leitung von Igor Markevich zu sehen und zu hören auf DVD:
    "http://www.arkivmusic.com/classical/Dril…441&name_role=1"

    Hier gibts eine Rezension darüber:
    "http://magazin.klassik.com/reviews/review…=5740&REID=3972"

    2. Dann auf CD unter der Leitung von Ferenc Fricsay:

    Lionel

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Auch Maureen Forrester hat die Alt-Rhapsodie gesungen:


    Danke, Lionel. Vor einer Weile habe ich mir mal das Vergnügen gemacht, einen Sonntgnachmittag lang Altistinnen auf Youtube zu hören. Neben Kathleen Ferrier war es Mareen Forrester, die mich immer noch berührte, viele InterpretInnen aus meiner Kindheit/Jugend haben der Zeit nicht standgehalten.

    Von den neueren Interpretationen, die ich da gehört habe, hat mich Stutzmann doch sehr enttäuscht, die hatte ich viel besser in Erinnerung!

    Manchmal habe ich den Eindruck, als ob Ferrier und die Altrhapsodie inzwischen als eine zusammen gehörende Einheit angesehen werden; wann immer im Radio irgendetwas in Richtung Altrhapsodie gebracht wird, hört man Ferrier.
    Und ich denke, es zeigt die Qualität von Ferriers Interpretationen, dass man (ich) ihrer nicht überdrüssig werden. Und beim letzten "sein Herz" - es zieht mir immer wieder die Schuhe aus. Fantastisch.


    lg vom eifelplatz, Chris.


    PS. Marian Andersson, eine sehr interessante Altistin aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, hat sich mir auch sehr eingeprägt, hier gibts eine Aufnahme:
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  • Da kündige ich gestern vollmundig an, meine mäandernden Gedanken zu den mir vorliegenden Aufnahmen hier kundzutun, komme dann doch nicht dazu und schaue nun hier herein und sehe, dass vieles von dem, was ich hätte sagen können, schon trefflich gesagt, wesentliche Aufnahmen des Werkes schon genannt wurden.
    Ich liste dennoch einmal auf, welche Einspielungen ich gestern gehört habe. Eine gewichtige Aufnahme ist noch hinzugekommen, die ich zunächst übersehen hatte: Jessye Norman mit Riccardo Muti.

    Überhaupt ist das mit der "Alt-Rhapsodie" so eine Sache. Schaue ich auf den Korpus an Aufnahmen, der mein Regal füllt, könnte ich meinen, ich hätte gezielt gesammelt. Tatsächlich ist die "Alt-Rhapsodie" von mir nie bewusst angeschafft worden, sondern sie ist oft schlicht als Füllsel mit dabeigewesen - was dem besonderen Reiz des Werkes im Grunde nicht gerecht wird.

    Beim Querhören der einzelnen Einspielungen ist mir jedoch aufgefallen, dass sich meine Präferenzen über die Zeit doch verändert haben.




    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/513xMhWqcBL._AA300_.jpg]

    Kathleen Ferrier, London Philharmonic Orchestra, Clemens Krauss
    Mildred Miller, Columbia Symphony Orchestra, Bruno Walter
    Christa Ludwig, Philharmonia Orchestra, Otto Klemperer
    Christa Ludwig, Wiener Philharmoniker, Karl Böhm
    Brigitte Fassbaender, Tschechische Philharmonie, Giuseppe Sinopoli
    Marjana Lipovšek, Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado
    Jessye Norman, Philadelphia Orchestra, Riccardo Muti
    Natalie Stutzmann, Orchestre Révolutionnaire et Romantique, Sir John Eliot Gardiner

    Zunächst ist da Kathleen Ferrieres Aufnahme mit Krauss, die hier schon hinlänglich gelobt wurde. Es ist eine besonders intensive Einspielung, die - wenn man von dem vielleicht etwas zähen Tempo, Ferriers eigenen Vokalfärbungen und dem rustikalen Chor absehen kann - tatsächlich zu Tränen rühren kann.

    Bruno Walters Einspielung mit Mildred Miller und dem Columbia Symphony Orchestra hingegen rührt mich überhaupt nicht. Die Aufnahme zeugt in meinen Ohren kaum von einer profunden oder gar persönlichen Auseinandersetzung der Ausführenden mit dem Stück und gelingt in meinen Ohren daher nicht - wie (jetzt oute ich mich einmal wieder als der Dilettant, der ich bin) oft bei Walter, dessen Interpretationen ich nicht selten wenig abgewinnen kann.

    Dann ist das Christa Ludwig, deren Kunst ich liebe und deren Einspielungen des Werkes unter Klemperer und Böhm lange meine Favoriten waren. Mittlerweile ist das nicht mehr ganz so. Sicher, die Ludwig singt großartig - wenngleich sie bei Böhm noch mehr den Text deutet als vormals bei Klemperer. Man erkennt hier - ähnlich wie bei ihren Mahler-Interpretationen - die gereifte Deutungs- und Gestaltungsfähigkeit. Was mich aber nicht mehr so recht angeht, ist der durchweg weiche Ton den die Ludwig hier wählt. Das ist mir persönlich in den ersten beiden Strophen nicht mehr herb, nicht bitter genug. Die Dirigate sind sehr unterschiedlich, ja schon gegensätzlich - Klemperer fast ein wenig zu nüchtern, Böhm sehr breit, am Ende sehr hart am Kitsch - und mit stark untergemischtem Hall, der dem Werk einen eigenartigen Ton verleiht.

    Den Lorbeer würde ich persönlich am liebsten Brigitte Fassbaenders Interpretation des Werkes unter Sinopolis Leitung zusprechen. Ihre herbe, hier schon fast kratzig klingende Stimme scheint mir für die Partie ideal, zumal sie spielend in der Lage ist, in der dritten Strophe auf einen lieblichen Ton umzuschalten. Allerdings ist die Aufnahmequalität sehr mäßig (wie auch bei Sinopolis Einspielung des "Requiem" bei der DG). Das Orcherster verschwimmt zu einer amorphen Soße, so auch der Chor. Schade.

    Die von Rideamus gelobte Abbado-Aufnahme empfinde ich wegen Marjana Lipovšek als ausgesprochen hörenswert. Sie steht Christa Ludwig in ihrer Ausdeutung des Textes in nichts nach, ist in der Detailarbeit sogar nicht selten differenzierter. Allerdings liegt mir die von Abbado recht milde, bisweilien etwas flauschige Herangehensweise an die ersten beiden Strophen nicht so recht.

    Da gefällt mir der düster-zupackende Muti deutlich besser, der die im Orchestersatz umgesetzten unterschiedlichen Seelenregungen prägnanter herausarbeitet. Muti präsentiert keinen elegischen Brautgesang, sondern das Bild eines emotional instabilen Abseitigen. Zur Seite steht ihm Jessye Norman, die diesen Ansatz nun wieder nicht so richtig mitträgt, sondern irgendwie über der orchestralen Ausdeutung schwebt und - zumindest in meinen Ohren - nicht so recht involviert erscheint.

    Wenn ich mir nun meine Kurzeinschätzungen so anschaue, stelle ich fest, dass ich meine ideale Interpretation noch nicht gefunden zu haben scheine. Mmh. 8|

    Ich habe mir Gardiners Aufnahme mittlerweile per Youtube angehört und muss sagen: musikalisch fantastisch. Da wird die emotionale Breite der Partitur voll ausgeschöpft, deutlich packender noch als bei Muti. Aber Natalie Stutzmann ist stimmlich wirklich nicht mehr das, was sie einmal war. Sicher, ihre Textauslegung ist schon sehr durchdacht. Aber ihr Klang? Sehr "vibratös", schreibt Archaeopteryx weiter oben. Das ist an sich schon nicht so berückend. Gepaart aber mit dem sehr kartoffeligen Ton, den sie hier anbietet, kann mich das aber so überhaupt nicht begeistern. Gerade in der mittleren Strophe (und in der hohen Lage) wirkt die Stimme alt, nicht mehr so ganz sicher geführt und in der Tongebung nicht mehr wirklich attraktiv. Schade - wäre die Interpretation 10 Jahre älter, so wäre sie wahrscheinlich ein echtes Highlight.

    :wink: Agravain

  • Ausser den bereits genannten Aufnahmen von Lipovšek/Abbado und Stutzmann/Gardiner, zu denen bereits alles gesagt wurde und ich mich dem anschliessen kann, besitze ich noch eine Aufnahme mit Anne Sophie von Otter:


    (Aufnahme vom November 1992, Wiener Musikverein, live)

    Diese Aufnahme gefällt mir sehr gut, denn Anne Sophie von Otter gestaltet und interpretiert den Text nach meinem Empfinden so wie ich es mir vorstelle, denn jedes Detail und jede Nuance des Textes lotet sie exzellent aus. Jedenfalls gefällt mir ihre Darbietung deutlich besser als denen von Lipovšek und Stutzmann.

    Vortrefflich unterstützt wird von Otter von James Levine, der die WP zu einem dramatisch-kernigen Spiel antreibt. Da merkt man Levines langjährige Erfahrung als musikalischer Chef der New Yorker MET. Die bestens disponierten Männerstimmen des Arnold Schönberg-Chores sind zudem auch sehr präsent und sind glücklicherweise von der Tontechnik nicht in den Hintergrund gedrängt.

    Die ebenfalls auf dieser Aufnahme enthaltenen Werke, die 3. Sinfonie und die Tragische Ouvertüre, kann man hier auch in packenden Interpretationen hören. Das klingt nach meinem Empfinden expressiver und gereifter als in Levines früheren RCA-Aufnahmen.

    Lionel

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Ich habe mir Gardiners Aufnahme mittlerweile per Youtube angehört und muss sagen: musikalisch fantastisch. Da wird die emotionale Breite der Partitur voll ausgeschöpft, deutlich packender noch als bei Muti. Aber Natalie Stutzmann ist stimmlich wirklich nicht mehr das, was sie einmal war. Sicher, ihre Textauslegung ist schon sehr durchdacht. Aber ihr Klang? Sehr "vibratös", schreibt Archaeopteryx weiter oben.

    Das erstaunt mich jetzt doch: so eine Fülle explizit vibratoloser Töne habe ich selten gehört. Okay, es gibt auch immer wieder mal das gewisse Übermaß, aber doch eher punktuell...

    Gepaart aber mit dem sehr kartoffeligen Ton, den sie hier anbietet, kann mich das aber so überhaupt nicht begeistern. Gerade in der mittleren Strophe (und in der hohen Lage) wirkt die Stimme alt, nicht mehr so ganz sicher geführt und in der Tongebung nicht mehr wirklich attraktiv. Schade - wäre die Interpretation 10 Jahre älter, so wäre sie wahrscheinlich ein echtes Highlight.

    So verschieden kann man das hören.. Ich empfinde den mittenreichen, obertonarmen Ton hier sehr stimmig...
    Bin dankbar für den youtube-Tipp :juhu:

    Bestätigt mich mal wieder in meiner Vorliebe für Gardiner, was romantische Oratorien und Verwandtes angeht...

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Ich habe mir Gardiners Aufnahme mittlerweile per Youtube angehört und muss sagen: musikalisch fantastisch. Da wird die emotionale Breite der Partitur voll ausgeschöpft, deutlich packender noch als bei Muti. Aber Natalie Stutzmann ist stimmlich wirklich nicht mehr das, was sie einmal war. Sicher, ihre Textauslegung ist schon sehr durchdacht. Aber ihr Klang? Sehr "vibratös", schreibt Archaeopteryx weiter oben. Das ist an sich schon nicht so berückend. Gepaart aber mit dem sehr kartoffeligen Ton, den sie hier anbietet, kann mich das aber so überhaupt nicht begeistern. Gerade in der mittleren Strophe (und in der hohen Lage) wirkt die Stimme alt, nicht mehr so ganz sicher geführt und in der Tongebung nicht mehr wirklich attraktiv. Schade - wäre die Interpretation 10 Jahre älter, so wäre sie wahrscheinlich ein echtes Highlight.


    Eine ältere Aufnahme mit Natalie Stutzmann gibt es, vielleicht findet sich ja jemand im Forum, der was dazu sagen kann:

    Grüße,
    Wolfgang

    Die Wahrheit zu sehen müssen wir vertragen können, vor Allem aber
    sollen wir sie unseren Mitmenschen und der Nachwelt überliefern,
    sei sie günstig oder ungünstig für uns. (August Sander)

  • So, nun komme ich endlich dazu, mal alle Einträge ausführlich anzuschauen und zu würdigen. Freut mich, dass dieser Thread so viel frequentiert ist!

    Meine erste Aufnahme der Alt-Rhapsodie war eine Schallplatte mit den Wiener Philharmonikern, Dir. Hans Knappertsbusch, die Altistin war Lucretia West, deren Stimme mir damals sehr gut gefiel. Ich glaube, Knappertsbusch dirigierte ziemlich langsam. Ich kann es nicht mehr nachprüfen, da sich die Aufnahme leider nicht mehr in meinem Besitz befindet.

    Ich habe mal nachgeschaut, ist das die Aufnahme, die Du meintest?
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    Die Stimme von Lucretia West ist sehr beeindruckend, und ich finde die Tempi gar nicht zu langsam - muss die Aufnahme aber noch öfter hören um mir ein Urteil bilden zu können...
    Die Aufnahme gibt es sogar als CD:

    Speziell was Kathleen Ferrier`s Aufnahmen der Alt-Rhapsodie von Brahms angeht, so listet Arkivmusic folgende Aufnahmen auf:

    Das ist ein bisschen irreführend, denn Arkivmusic listet natürlich nicht nur alle Aufnahmen, sondern auch alle Ausgaben - letztendlich bleibt es bei den drei überlieferten Aufnahmen Ferriers; eine im Studio mit Krauss, zwei live mit Tuxen und Busch, wobei die Decca-Aufnahme naturgemäß am meisten neu aufgelegt wurde. Trotzdem ist die Liste, auch die allgemeine, natürlich eine große Hilfe beim Bibliographieren!

    Noch schöner es selber gesungen zu haben.....was eine große Ehre für mich war, unvergessen mit dem Bonner Orchesterverein.

    Das kann ich mir vorstellen, toll dass Du diese Gelegenheit hattest, ich selbst warte noch darauf, es spielen zu können...

    PS. Marian Andersson, eine sehr interessante Altistin aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, hat sich mir auch sehr eingeprägt, hier gibts eine Aufnahme:
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    Da wollte ich auch gerade drauf hinweisen - ebenfalls eine grandiose Stimme, die ja auch geschichtlich eine besondere Persönlichkeit ist. Sie hat überlieferterweise über Kathleen Ferrier gesagt: "What a voice! And - what a face!" - nun, dieses Kompliment kann man genausogut über sie machen... Danke für den Tip!

    Da kündige ich gestern vollmundig an, meine mäandernden Gedanken zu den mir vorliegenden Aufnahmen hier kundzutun, komme dann doch nicht dazu und schaue nun hier herein und sehe, dass vieles von dem, was ich hätte sagen können, schon trefflich gesagt, wesentliche Aufnahmen des Werkes schon genannt wurden.
    Ich liste dennoch einmal auf, welche Einspielungen ich gestern gehört habe.

    Danke für diese tollen Besprechungen - da wird man ja wirklich glatt neidisch...

    Den Lorbeer würde ich persönlich am liebsten Brigitte Fassbaenders Interpretation des Werkes unter Sinopolis Leitung zusprechen. Ihre herbe, hier schon fast kratzig klingende Stimme scheint mir für die Partie ideal, zumal sie spielend in der Lage ist, in der dritten Strophe auf einen lieblichen Ton umzuschalten. Allerdings ist die Aufnahmequalität sehr mäßig (wie auch bei Sinopolis Einspielung des "Requiem" bei der DG). Das Orcherster verschwimmt zu einer amorphen Soße, so auch der Chor. Schade.

    Fassbaenders Aufnahme kenne ich leider (noch) nicht, die steht aber ganz oben auf der Liste, Fassbaender mag ich manchmal fast lieber als Ludwig... eben wegen dieses herben, kratzigen Klanges - ich kann mir sehr gut vorstellen dass sie optimal zu der Alt-Rhapsodie passt!!

    Ich habe mir Gardiners Aufnahme mittlerweile per Youtube angehört und muss sagen: musikalisch fantastisch. Da wird die emotionale Breite der Partitur voll ausgeschöpft, deutlich packender noch als bei Muti. Aber Natalie Stutzmann ist stimmlich wirklich nicht mehr das, was sie einmal war. Sicher, ihre Textauslegung ist schon sehr durchdacht. Aber ihr Klang? Sehr "vibratös", schreibt Archaeopteryx weiter oben. Das ist an sich schon nicht so berückend. Gepaart aber mit dem sehr kartoffeligen Ton, den sie hier anbietet, kann mich das aber so überhaupt nicht begeistern. Gerade in der mittleren Strophe (und in der hohen Lage) wirkt die Stimme alt, nicht mehr so ganz sicher geführt und in der Tongebung nicht mehr wirklich attraktiv. Schade - wäre die Interpretation 10 Jahre älter, so wäre sie wahrscheinlich ein echtes Highlight.

    Ich kenne nur diese Einspielung von ihr und muss sagen, dass ich ihren Klang sogar mag - sicher, sie klingt manchmal schon etwas auffällig dunkel und maskulin, aber das ist ihr persönlicher Stil - vor 10 Jahren sang sicherlich noch nicht so maniriert wie heute, und ihre Höhe hatte weniger Vibrato... sie ist eben jemand, der stolz darauf ist, solch ein Organ zu besitzen und das zeigt sie gerne... nichtsdestotrotz verstehe ich natürlich, wenn man das nicht mag. Mir liegt in dieser extremen Alt-Lage auch Sara Mingardo mehr - von ihr gibt es aber leider keine Brahms-Aufnahme.... und was ist eigentlich mit Ewa Podles? Sie hat das Stück sicherlich auch mal gesungen...

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."

    Max Bruch (1838-1920)

  • Noch nicht genannt wurde, falls ich es nicht übersehen habe, diese CD, die ich sehr gut finde. Von Alice Coote sehr schön warm gesungen, fein detailreich von den Bambergern musiziert:
    (das ist übrigens eine klanglich hervorragende SACD)

    Heike

    „Wahrscheinlich werden künftige Generationen sich erinnern, dass dieses Jahrhundert das ,Century of Recordings’ war, in dem die Menschen auf die seltsame Idee verfielen, man könne Musik in kleine Plastikteile einfrieren. Mich erinnert das an die Idee der Ägypter vom Leben nach dem Tod. Eine ungesunde Idee. Studiomusik ist eine Verirrung des 20. Jahrhunderts. Das wird verschwinden.“ (F. Rzewski, Komponist, in der FAZ vom 21.4.2012)

  • Tja, es ist ja schon alles erwähnt an Aufnahmen, was ich kenne und dazu jede Menge, wo dem nicht so ist. Dass Natalie Stutzman sich drangemacht hat, liegt durchaus nahe, weil sie eine umfassende und m. E. ausgezeichnete Interpretin von Brahms - Liedern ist, aber, allerdings nur aus der Kenntnis ihrer Stimme an sich aber in Unkenntnis der Aufnahme bemerkt, glaube ich, dass dieses Stück nicht so ganz ihr Ding ist. Die Stimme muss m. E "größer", eben doch richtig opernhaft sein, meine ich, denn gegen Orchester und Männerchor muss sie sich jederzeit durchsetzen und führend sein.. Sara Mingardo könnte ich mir vorstellen und Ewa Podles auch, aber erstere hat es sicher nicht gemacht und von zweiterer habe ich trotz einiger Sucherei generell von Aufnahmen die Altrhapsodie nicht gefunden.

    Mein persönlicher Favorite ist Kathleen Ferrier.

    Mit dieser Partie habe ich mich auch befasst unsd hätte da schon Lust daruf, weil es stimmlich echt gut liegt und richtig satt bedient werden kann, ohne sich allzusehr, etwa mit überhohen Tönen, zu strapazieren, aber mir fehlt dazu die Logistik.

    :wink: :wink:

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)

    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

  • Ich finde die Colin-Davis-Aufnahme mit Natalie Stutzmann in Ordnung, ohne daß sie mich je so berührt hätte wie die Ferrier - Aufnahme. Bei Kathleen Ferrier wirkt alles selbstverständlich und fast mühelos, so daß der Text so recht seine Wirkung entfalten kann. Natalie Stutzmann bekommt das nicht so ganz hin; bei ihr stört mich das Voluminös-Pastöse ihrer Stimme an dieser Stelle fast etwas. Sie schafft die Abschnitte mit dem Männerchor mühelos (m.E. ist sie "opernhaft" genug, liebe Ulrica, verzeih' den Widerspruch), aber sie gestaltet den Text fast gar nicht und hat keine Farben in der Stimme (zentral für das Urteil muß m.E. die Phrase "Die Öde verschlingt ihn" sein und was man daraus macht)- aber das ist wirklich persönlicher Gusto.

    Ich habe die Alt-Rhapsodie nur einmal live gehört (Muti in Sarajewo mit dem Chor des Maggio Musicale, glaube ich, die Sängerin ist mir jetzt entfallen) und habe sie einmal in Chisinau mit dem dortigen Symphonieorchester gesungen. Das war schon sehr schön, aber mittlerweile habe ich, fürchte ich, die erforderliche satte Tiefe nicht mehr. Orgeln darf man freilich nicht, um über den Männerchor hinweg zu singen, aber die notwendige Frequenz für ein -ich formuliere mal flapsig- sattes Singen hat auch, wie die Diskussion zeigt, längst nicht jeder Alt.

    Das Stück wird nicht so oft gegeben, wie es das verdiente; nicht unähnlich der von mir sehr geliebten Beethoven'schen Chorphantasie: wahrscheinlich ist allen Intendanten der Aufwand zu groß.

    Grüße aus dem Glutofen bei 37 °C

    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing." (Busman's Honeymoon)

  • Ein sehr ausführlicher und interessanter Artikel über die Alt-Rhapsodie mit dem Titel Brahms Rhapsodizing: The Alto Rhapsody and Its Expressive Double erschien in The Journal of Musicology letztes Jahr. Der Autor ist Christopher Reynolds.

    Wer Interesse daran hat, kann sich gerne bei mir via PN melden.

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."

    Max Bruch (1838-1920)

  • Ich habe vor einiger Zeit mal die Aufnahmen von Kathleen Ferrier (1947) und Nathalie Stutzmann (live 2007 in Paris) verglichen (eigentlich wollte ich auch noch Christa Ludwig mit Klemperer dazu nehmen, aber die Zeit fand sich bisher mal wieder nicht).
    Was mir auffällt ist die doch sehr bemerkbare Differenz in den Ansätzen.
    Während die Stutzmann recht dramatisch daherkommt, ist das Ganze bei Ferrier verinnerlichter, intimer. Auch wenn Stutzmanns Gesang hochvirtuos ist, bleibt er mir ein wenig zu oberflächlich, die Ferrier wirkt beteiligter. Auch in der orchestralen Begleitung findet sich das wieder. Ferrier wird begleitet vom London Philharmonic Orchestra unter Clemens Krauss, der sehr klar und fein spielen lässt, wogegen das Orchestre Révolutionnaire et Romantique unter John Eliot Gardiner bei Stutzmann eher beliebig klingt, ohne Tiefe, ohne Höhepunkte.

    "Allwissende! Urweltweise!
    Erda! Erda! Ewiges Weib!"

  • Ich habe vor einiger Zeit mal die Aufnahmen von Kathleen Ferrier (1947) und Nathalie Stutzmann (live 2007 in Paris) verglichen (eigentlich wollte ich auch noch Christa Ludwig mit Klemperer dazu nehmen, aber die Zeit fand sich bisher mal wieder nicht).
    Was mir auffällt ist die doch sehr bemerkbare Differenz in den Ansätzen.
    Während die Stutzmann recht dramatisch daherkommt, ist das Ganze bei Ferrier verinnerlichter, intimer. Auch wenn Stutzmanns Gesang hochvirtuos ist, bleibt er mir ein wenig zu oberflächlich, die Ferrier wirkt beteiligter. Auch in der orchestralen Begleitung findet sich das wieder. Ferrier wird begleitet vom London Philharmonic Orchestra unter Clemens Krauss, der sehr klar und fein spielen lässt, wogegen das Orchestre Révolutionnaire et Romantique unter John Eliot Gardiner bei Stutzmann eher beliebig klingt, ohne Tiefe, ohne Höhepunkte.

    Das finde ich recht interessant und dann fragt man sich, was möchte man lieber?

    Ich habe die Rhapsodie vor vielen Jahren mit Orchester gesungen und genau so hat die Presse dann geschrieben...sehr verinnerlicht..mit viel Gefühl...was will man mehr.

    viele Grüße von musica

  • Hallo Ihr beiden!

    Da gibt es kein lieber , beide und die Ludwig dazu!
    Seid herzlich gegruesst
    palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Nicht zu vergessen: SIGRID ONÉGIN unter Leitung von Dr. Kurt Singer (Berlin 1929)-Chapeau !!

    ansonsten FERRIER (Busch) und Merriman (Fricsay).


    :wink: Bassbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten...

    GB

  • Ferrier, die mit ihrer pastösen und melancholisch gefärbten Alt-Stimme die idealen Voraussetzungen für eine gelungene Interpretation dieses Werkes vorbringt, sah diese Aufnahme als ihre beste an, und tatsächlich haben wenige Sängerinnen nach ihr solch eine innige, tief empfundene und ehrliche Lesart vorgelegt. Vom ernsten, deklamatorischen Aber abseits über das tieftraurige und in seiner Intensität beinahe zerreißende Ach wer heilet bis hin zum wunderbar strömenden und tröstenden Ist auf deinem Psalter klingt alles stimmig, durchdacht, emotional und dabei vollkommen authentisch und nie larmoyant. Clemens Krauss wählt extrem langsame Tempi, die einem anfangs beinahe den Atem nehmen, dann jedoch so stimmig und passend erscheinen dass man es quasi nie mehr anders hören will. Der Chor ist manchmal etwas poltrig, und sprachlich nicht ganz einwandfrei, aber das fällt kaum in Gewicht, denn die Musikalität und das tiefgehende Verständnis zwischen Solistin, Chor, Orchester und Dirigent kann man nur als Sternstunde der Schallplatte bezeichnen.

    "Sternstunde"? Kann ich nicht beurteilen, da ich nicht so viele Alternativen kenne. Doch der Bewertung stimme ich grundsätzlich zu. Kathleen Ferrier gefällt mir hier deutlich besser als in den Vier ernsten Gesängen, die ebenfalls dort eingespielt sind (vgl. hier). Mit dem Orchester scheint ihre eigenartig klangvolle Stimme sich besser zu mischen als mit dem Klavier. Das Tempo ist in der Tat extrem langsam, ohne daß es zäh wird und auseinanderfällt. Erstaunlich!

    Diese Aufnahme habe ich heute im Vergleich mit dieser aktuellen Einspielung gehört:


    Ann Hallenberg, Mezzosopran, Collegium Vocale Gent, Orchestre des Champs-Elysées, Ltg.: Philippe Herreweghe
    Phi, aufg. 2011

    Hier geht's deutlich flotter zu als bei Ferrier/LPO/Krauss 1947: 11'34'' statt 16'05''! Natürlich bietet die moderne Aufnahmetechnik mehr Transparenz. Zu schnell oder gar gehetzt hört sich's auch nicht an. Die Schwedin Ann Hallenberg singt nicht so schmermütig-charaktervoll wie Kathleen Ferrier - doch mir gefällt auch das gut. Ein anderer Ansatz und ich mag mich nicht entscheiden, welche Aufnahme ich vorziehe, denn auch Herreweghe und die Seinen entwickeln aus der Musik einen natürlich und organisch wirkenden Fluß.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

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