Schubert: Klaviersonate B-Dur, D. 960

  • Ach ja, hab bisher Schwierigkeiten mir den 4. Satz quasi als Rondo einzuschmeissen, weil der Mittelteil mir wie Durchführung rüberkommt.

    Schubert in seinen Finali experimentiert oft mit dem Sonatenhauptsatz. So kann man das Finale der c-moll Sonate als einen solchen interpretieren: Exposition-Durchführung (beginnt in H-Dur)- Reprise-Coda.
    Auch das Finale von D784 kann als Exposition-Wiederholung-Durchführung (beginnt in H-Dur)- Reprise-Coda interpretiert werden.

    Daß sich die Tarentella von D958 ins Finale von D960 einlädt ist wohl auch kein Zufall ...

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Dass ein Rondo-Abschnitt durchführungsartig sein kann, ist ja nichts Neues. Schubert führt hier nur "Sonatenrondo"-Ideen fort, die es schon bei Haydn und Mozart (und natürlich auch Beethoven und sicher weiteren Komponisten der Zeit) gibt.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Der Kater hat wohl nicht kapiert, dass nicht alle Komponisten über dessen analytische Übersicht der gesamten Musikentwicklung verfügten und dass jeder bestrebt war, seine eigenen Stilmittel zu entwickeln,ohne an einen linearen Fortschritt zu denken.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Die kannte er sicher sehr gut. Und nicht nur die, er hat auch Händel und Bach studiert. Und mit Gluck war er bestens vertraut.
    Ihm zu unterstellen, daß er "nur Ideen fortführt", die andere gehabt haben, ist aber für mich die falsche Perspektive, die auf der Prämisse beruht, daß sich die Musikgeschichte linear entwickelt und daß jeder bestrebt ist, sein Stück an die Fortschrittslinie heranzureihen. Und daß es immer "etwas Neues" sein muß.

    Nicht die Tatsache, andere hätten es schon ähnlich gemacht, ist das wesentliche, sondern was er tatsächlich geschaffen hat.
    Das selbstverständlich gilt nicht nur für Schubert. Man könnte auch sagen, Schumann habe in seinen Davidsbündlertänzen nur die Idee der Anreihung von Tänzen fortgeführt, die andere vor ihm gehabt haben. Nix Neues. Oder daß Mendelssohn in seiner Mittsommernachtouvertüre nur die Idee der programmatischen Konzertouvertüre fortgeführt hat, die andere vor ihm gemacht haben. Nix Neues. Es würde aber die Sonderstellung eben dieser Tänze und dieser Ouvertüre völlig verkennen.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Ihm zu unterstellen, daß er "nur Ideen fortführt", die andere gehabt haben, ist aber für mich die falsche Perspektive, die auf der Prämisse beruht, daß sich die Musikgeschichte linear entwickelt und daß jeder bestrebt ist, sein Stück an die Fortschrittslinie heranzureihen. Und daß es immer "etwas Neues" sein muß.

    Wenn es denn doch nicht "immer etwas Neues sein muß", ist es ja auch keine irgendwie abwertende Aussage, wenn jemand (in formaler Hinsicht, und nur um die ging es ja gerade) "nur Ideen fortführt, die andere gehabt haben". Das besondere an Schubert wird sicher nicht geleugnet, wenn man feststellt: die Erfindung des Sonatenrondos ist es nicht.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Wenn es denn doch nicht "immer etwas Neues sein muß", ist es ja auch keine irgendwie abwertende Aussage, wenn jemand (in formaler Hinsicht, und nur um die ging es ja gerade) "nur Ideen fortführt, die andere gehabt haben". Das besondere an Schubert wird sicher nicht geleugnet, wenn man feststellt: die Erfindung des Sonatenrondos ist es nicht.

    Das stimmt zwar, aber die Frage ist doch, was mit der bloßen Beschreibung der Form bzw. dem Hinweis auf ihre Vorbilder eigentlich gesagt werden soll. Wenn man z.B. das Finale der B-Dur-Sonate formal betrachtet, ohne seine harmonischen Irritationen zu berücksichtigen, kommt man über nichtssagende Äußerlichkeiten nicht hinaus. In der ganz eigen(-)artigen Spannung dieses Satzes zwischen innerer Labilität und äußerer Stabilität erfüllt die Form eine inhaltliche Funktion, die man sinnvollerweise nicht einfach außer Acht lassen kann. Ein Satz wie "Sonaten-Rondos hat es schon bei Haydn gegeben" sagt deshalb über dieses Werk ungefähr genau soviel aus wie "B-Dur-Sonaten hat schon Dussek komponiert".

    Christian

  • Die kannte er sicher sehr gut. Und nicht nur die, er hat auch Händel und Bach studiert. Und mit Gluck war er bestens vertraut.
    Ihm zu unterstellen, daß er "nur Ideen fortführt", die andere gehabt haben, ist aber für mich die falsche Perspektive, die auf der Prämisse beruht, daß sich die Musikgeschichte linear entwickelt und daß jeder bestrebt ist, sein Stück an die Fortschrittslinie heranzureihen. Und daß es immer "etwas Neues" sein muß.

    Da stimme ich natürlich unumwunden zu! Dein vorheriges Post hatte ich aber so interpretiert, dass Schubert keine Übersicht über die vorherigen Entwicklungen hatte oder haben wollte.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Oben wird ein Zitat von jemand anderem mir zugeschrieben.

    Meine Antwort richtete sich offenbar sehr konkret an Amfortas vorgebliche Schwierigkeit, die eben keine ist, weil ein durchführungsartiger Abschnitt in einem Rondo (oder eine rondoartige Themenwiederkehr in einer Durchführung eines Sonatensatzes, z.B. Finale von Beethovens 7.) 1785-1830 nichts allzu bemerkenswertes ist. Sondern höchstens so empfunden werden kann, wenn man mit einer schablonenhaften, unrealistischen und unhistorischen Auffassung von "Formen" herangeht. (In dem "Komponisten über Komponisten" Rätsel gab es mal ein Zitat, in dem Berlioz das Finale von Beethovens 1., einen "lupenreinen Sonatensatz" als "Rondo" bezeichnet. Niemand wurde damals stutzig, wenn ein "Rondo" nicht irgendeinem Kindergartenschema, mit dem man die Form heute Siebtklässlern erklärt, folgte.)
    Das hatte offenbar weder den Anspruch, irgendeine Leistung von Schubert zu relativieren noch eine tiefe Erkenntnis über diesen Satz auszudrücken. Ganz im Gegenteil habe ich auf etwas hingewiesen, was gerade KEINE tiefe Erkenntnis ist, und das war im Kontext eigentlich auch ziemlich deutlich.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Meine Antwort richtete sich offenbar sehr konkret an Amfortas vorgebliche Schwierigkeit, die eben keine ist, weil ein durchführungsartiger Abschnitt in einem Rondo (oder eine rondoartige Themenwiederkehr in einer Durchführung eines Sonatensatzes, z.B. Finale von Beethovens 7.) 1785-1830 nichts allzu bemerkenswertes ist.

    Die Schwierigkeit beim Reinziehns entstand, weil mir dieser Durchführungsteil nicht bloß einfach als durchführungsartiger Abschnitt irgendeines eines Rondos rüberkommt, sondern als zentraler/entscheidender Abschnitt im Verlauf der Mucke vom 4. Satz ... nach Durchwirbelung - vor allem - von Thema 1 + 2, verendet dieser Durchführungsteil gleichsam wie ins Leere (m.E. durchs 2. Thema geprägt) .... . und die danach veränderte Gestalt des 1. Thema verbinde ich bisher eher mit Reprise als mit A’.....

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Vor 1 paar Wochen zog ich mir wieder mal die Einspielung mit Maria João Pires rein. Sie spielt den Anfang des 4. Satzes in gleichsam überschlagender-verzweifelter Hektik. Ein freundlicher Tastenquäler, der sich intensivst mit der B-Dur-Sonate beschäftigt und sie auch fleißig quält (mit 2 x Expo :D ), versicherte mir auf Nachfrage, dass diese Lesart durchaus notengerecht wäre...

    Die erste oder die zweite Aufnahme?

     

    Hab mir gestern die DGG-Aufnahme angehört, hier mein persönlicher Höreindruck:

    Die im April 2011 in der Friedrich-Ebert-Halle in Hamburg-Harburg entstandene Aufnahme der 1944 in Lissabon geborenen Pianistin Maria João Pires von Franz Schuberts Klaviersonate B-Dur D 960 (CD DGG 00289 477 8107) ersteht so wie ich sie höre aus kontrollierter Ruhe und innerer Ausgeglichenheit heraus. Der Schuss Melancholie der dazugehört und auch das Forcieren bei Passagen, die ein energisches Anziehen „anbieten“ (etwa wenn das Thema ab Takt 36 gefestigter wiederkehrt), sorgen für eine bewusst erzeugte, gut überlegte Mehrschichtigkeit. Pires versteht es, Block auf Block leicht unterschiedlich zu charakterisieren. Wie Zimerman wiederholt sie die Exposition des großen, weit ausschwingenden 1. Satzes. Auch Pires begibt sich in die Durchführung dieses 1. Satzes wie in ein geheimnisvolles Labyrinth, die Zurückhaltung, die diesen Durchführungsbeginn interpretatorisch prägt, schärft die Intensität. Bald aber kann sie umso energischer, wenn auch weiter voll kontrolliert, dagegenhalten. Das mögliche Abgründige in der Musik erscheint durch diesen „wissenden“, abgeklärt wirkenden Ansatz abgemildert.

    Dieses „Wissen“ setzt sich in den Folgesätzen fort. Die Verlorenheit des 2. Satzes verwandelt sich dadurch von ursprünglich gelebter, unmittelbar mitfühlbarer Verlorenheit in eine gespielte, quasi „schaugespielte“ Verlorenheit. Damit gewinnt der Satz an Festigkeit, Balance, das Moment des geheimnisvoll Erstaunlichen, nicht Fassbaren tritt demgegenüber aber etwas zurück. Im Mittelteil wird Pires wieder energischer.

    Hat man so wie der Schreiber dieser Zeilen am Tag davor die Aufnahme mit Krystian Zimerman gehört, fällt die Regelmäßigkeit, das Gleichförmige des Finalansatzes bei Pires auf. Trotz aller feinen Abtönungen „radelt“ die Musik weniger abwechslungsreich durch. Sie gleitet eher linear dahin, im Fluss der Zeit. Das vom Schreiber beim reinen Notenlesen und Selberspielen (gerne immer wieder vom Blatt) automatisch sich einstellende „Ringelspielgefühl“ stellt sich mit dieser Aufnahme nicht richtig ein.

    Insgesamt finde ich ist dies eine „wissende, kontrollierte“ Aufnahme, die mit ihrem „Wissen“ die Möglichkeiten des Erstaunens und des Abgründigen wohl bewusst etwas zu-harmonisiert, energischere Passagen zur Spannungssteigerung sinnvoll kalkuliert einsetzend.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Die erste oder die zweite Aufnahme?

    Ist die erste und war nach S. Richter meine 2. CD-Studio-Konserve - vor Jahrhunderten - von Schuberts B-Dur-Sonate, weil Pires sehr kontrastierend zu S. Richter..
    Ich hatte mir auch einen String mit Live-Mitschnitt von Pollini reingezogen. Während Richter Schuberts Mucke schier einfriert (was höchstlich beeindruckt) lassen Pires und Pollini dagegen das 1. Thema vom ersten Satz sehr cantabel rüberkommen. Pollini vielleicht weil er Italiener ist :D .. beim Scherzo zieh ich Pollini Pires vor, weil das Trio mir bei ihm viel schärfer, deutlicher und prägnanter rüberkommt ...

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Dass ein Rondo-Abschnitt durchführungsartig sein kann, ist ja nichts Neues. Schubert führt hier nur "Sonatenrondo"-Ideen fort, die es schon bei Haydn und Mozart (und natürlich auch Beethoven und sicher weiteren Komponisten der Zeit) gibt.

    Wobei es bei Beethoven eine Eigentümlichkeit war.

    Gib dich nicht der Traurigkeit hin, und plage dich nicht selbst mit deinen eignen Gedanken. Denn ein fröhliches Herz ist des Menschen Leben, und seine Freude verlängert sein Leben.

    Parsifal ohne Knappertsbusch ist möglich, aber sinnlos!

  • Zimerman bekennt sich zur Wiederholung der Exposition, der einzig hier laut gespielten Bassfigur wegen.

    Schreibt er das so? Das würde mich genauer interessieren. (Ich habe mich nämlich gerade aus demselben Grund für ein Weglassen der Wiederholung entschieden...)

    Christian

  • Schreibt er das so? Das würde mich genauer interessieren. (Ich habe mich nämlich gerade aus demselben Grund für ein Weglassen der Wiederholung entschieden...)

    Christian

    Da muss ich natürlich sofort an Brendels Äußerung zu den Wiederholungen in (Schubert-)Sonaten denken (werden viele sicherlich kennen): "Auch dort, wo der Komponist einige Takte der Rückleitung, die zum Beginn des Satzes führen, eigens komponiert hat, ist damit ein Wiederholungszwang nicht immer gegeben. In Schuberts B-Dur-Sonate, die so oft als Beispiel herangezogen wird, verzichte ich auf diese Überleitung mit besonderem Vergnügen: so ohne jede logische oder atmosphärische Beziehung steht dieser zuckende Ausbruch da, als hätte er sich aus einem fremden Stück in die großartige Harmonie dieses Satzes verirrt." (aus: A. Brendel: Nachdenken über Musik. München 1982, S.93)

    ...schreibt Christoph :wink:

  • Da muss ich natürlich sofort an Brendels Äußerung zu den Wiederholungen in (Schubert-)Sonaten denken (werden viele sicherlich kennen): "Auch dort, wo der Komponist einige Takte der Rückleitung, die zum Beginn des Satzes führen, eigens komponiert hat, ist damit ein Wiederholungszwang nicht immer gegeben. In Schuberts B-Dur-Sonate, die so oft als Beispiel herangezogen wird, verzichte ich auf diese Überleitung mit besonderem Vergnügen: so ohne jede logische oder atmosphärische Beziehung steht dieser zuckende Ausbruch da, als hätte er sich aus einem fremden Stück in die großartige Harmonie dieses Satzes verirrt." (aus: A. Brendel: Nachdenken über Musik. München 1982, S.93)

    Ja, das kenne ich natürlich auch. Zusätzlich zu Brendels Argumenten (der besonders den unpassenden forte-Triller nennt) finde ich die Wiederholung hier auch deshalb überflüssig, weil der Beginn der Durchführung durch die harmonische Rückung nach cis-moll ohnehin auf einzigartige und unüberhörbare Weise markiert wird. Man braucht deshalb nicht den Vergleich mit einer vorherigen Rückführung zur Tonika, um den Aufbruch in ganz andere harmonische und atmosphärische Sphären hier unmittelbar zu erleben.

    Christian

  • Es ist ein ewiges Thema und bekanntlich sind wir darüber nicht derselben Meinung. Aber immerhin ist es die freie Entscheidung des Pianisten und wie immer, was zählt ist das Ergebnis. Ich freue mich, wenn ich die Exposition zweimal hören kann - und über die Überleitungstakte der prima volta habe ich auch einen positiven Blick - aber wenn ein Pianist wie Boris Zarankin es schafft, diesen Satz ohne Wiederholung großartig zu interpretieren, genieße ich es auch.

    Eines meiner Argumente ist eigentlich dasselbe wie Christians, nur anders gedreht. In der Exposition hört man, wie mehrere Ansätze auf einen Triller stranden. Jeder Ansatz geht weiter als der vorherige, bis man die ganze Exposition schafft, die aber auch auf einen Triller, diesmal besonderst schmerzhaft, strandet. Erst nach einem neuen Ansatz gibt es diese magische Modulation, die uns weiterbringt (der Triller kommt aber später auch wieder ...).

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Schreibt er das so? Das würde mich genauer interessieren. (Ich habe mich nämlich gerade aus demselben Grund für ein Weglassen der Wiederholung entschieden...)

    Kann das korrekte Zitat gerne morgen im Lauf des Tages nachliefern.

    Hier ein weiterer persönlicher Höreindruck, diese Aufnahme (gestern gehört) ging mir besonders nahe:

    Daniel Barenboim (dessen Klaviersonaten-Gesamtaufnahme im Jänner 2013 und Februar 2014 im Berliner Teldex-Studio aufgenommen wurde, 5 CD Box DGG 479 2783) spielt mir aus dem Herzen (und das hat zunächst mal nichts mit Wien zu tun). Er beginnt poetisch, so wie ich es höre ganz tief empfunden. Die Kontraste des großen 1. Satzes hebt er pointiert und musikantisch hervor (für mich ist Musikant ganz positiv besetzt). Auch er wiederholt die Exposition des 1. Satzes. Den Durchführungsbeginn höre ich bei Barenboim als traurig-melancholischen Gesang, das wirkt auf mich besonders innig. Diese Balance zwischen Musikantik und Gefühlstiefe geht mir aber sowas von nahe. Auch das Ende des über 20 Minuten langen 1. Satzes rundet Barenboim wunderschön poetisch ab.

    Ein einsamer, weltvergessener Sänger singt im 2. Satz, es ist ein Lied ohne Worte. Die Resignation bevor es in den Mittelteil geht gestaltet Barenboim wieder ganz besonders einfühlsam. Jener Mittelteil lässt erneut den Erzmusikanten aufspielen. Ich höre das bei Barenboim als Klavierspieler, der das vollkommen nachvollziehen kann wie Barenboim es spielt. Wenn im dritten Teil der Sänger wieder einsetzt und der Bass dazu klopft, so mahnt dieser sanft, aber deutlich. Einmal mehr tiefempfunden poetisch höre ich den Wechsel zu C.-Dur (Takt 103) bei Barenboim und das erneut sensibel erfühlte resignative Ende des Satzes.

    Den 3. Satz geht Barenboim rustikaler an als andere. Damit geraten so wie ich es höre die poetischen Wendungen und das Tänzerische wo es Barenboim hervorhebt eine Spur zu gewollt. Die Trio-Vertiefung mit ihren Abtönungen liegt ihm dafür umso mehr. Ich finde poetischer kann man das nicht spielen, anders sicher, aber kaum poetischer.

    Im Finale steuert meinem Hörempfinden nach ein Vollblutmusikant das Ringelspiel, augenzwinkernd bis schelmisch, aber auch „den Ernst der Lage“ nicht kaschierend.

    Eine Aufnahme, die mir persönlich sehr, sehr nahegeht.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Krystian Zimerman im Gespräch mit Jessica Duchen, Booklet zur CD-Veröffentlichung:

    "Die Wiederholungen empfinde ich als absolut notwendig. In D 960 erklingt der tiefe Triller in der linken Hand nur am Ende der Exposition im Fortissimo, in der ersten Klammer, im Gegensatz zu den anderen drei Malen. Außerdem wirkt der Anfang beim zweiten Hören wie verwandelt, sobald man die gesamte Exposition erlebt hat."

    Ich persönlich teile die Meinung von Philmus. Wenn ich die Sonate selbst am Klavier spiele, spiele ich sie immer mit Wiederholung der Exposition. Aber genauso respektiere ich die andere Entscheidung und kann die Begründung auch gut nachvollziehen. Heute werde ich noch die Aufnahme von Dora Deliyska hören, dann mache ich bewusst ein paar Tage D 960 Pause vor den nächsten Aufnahmen.

    PS (zu Gedankengängen zu Beginn des Threads): Ähnlich wie bei Beethovens "Eroica" könnte man meinen, nach den ersten beiden Sätzen falle der Rest etwas ab. Mit den Aufnahmen etwa von Zimerman und Barenboim könnte man vielleicht denen denen es so geht das Finale so richtig schmackhaft und somit unverzichtbar machen.

    Edit: Hier eine "Vernichtung" der Zimerman Aufnahme (im Kommentar):
    http://www.zeit.de/2017/37/krysti…chubert-sonaten

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • "Die Wiederholungen empfinde ich als absolut notwendig. In D 960 erklingt der tiefe Triller in der linken Hand nur am Ende der Exposition im Fortissimo, in der ersten Klammer, im Gegensatz zu den anderen drei Malen. Außerdem wirkt der Anfang beim zweiten Hören wie verwandelt, sobald man die gesamte Exposition erlebt hat."

    Danke für das Nachschlagen des Zitats. Mich überzeugt die Begründung dennoch nicht. Dass der Triller nur hier im Fortissimo erklingt, ist zwar richtig, aber ich kann nicht erkennen, dass das dramaturgisch irgendwie vorbereitet oder gar "absolut notwendig" wäre. Für mich klingt die ganze Überleitung und erst recht dieser penetrant lärmende Triller wie ein Fremdkörper, der weder motivisch noch atmosphärisch irgend etwas mit dem sonstigen Stück zu tun hat. Und das Erlebnis der bei der Wiederholung "wie verwandelten" Exposition hat man als Hörer später bei der Reprise ungleich stärker.

    Edit: Hier eine "Vernichtung" der Zimerman Aufnahme (im Kommentar):
    http://zeit.de/2017/37/krysti…chubert-sonaten

    Das geht mir in der Kritik zu weit, aber ich muss zugeben, dass ich Zimermans Aufnahme als alternative Sichtweise insgesamt eher "interessant" als überzeugend finde. Es bleibt auch für mein Empfinden manches zu "folgenlos", z.B. gleich zu Beginn der B-Dur-Sonate das Wiederansetzen nach dem dem ersten Triller und der Generalpause: Da spielt Zimerman einfach ein zweites Mal, als wäre nichts gewesen (bzw. sogar etwas schneller als zu Beginn). Von Verunsicherung nach dem "gescheiterten" Anfang ist nichts zu spüren. Beim ersten Hören dachte ich noch, er meinte damit vielleicht so eine Art "Pfeifen im Wald", aber der ganze Satz bleibt doch für mich etwas zu harmlos. Der spektakuläre Übergang in die Durchführung, wo man Angst haben müsste, das Herz bleibe stehen, klingt hier (gerade nach der wiederholten Exposition) enttäuschend "normal", einfach nur nach einer interessanten Ausweichung. "Aufgeräumt von allen Schubertschatten, wie eben erst munter aus Eisenstadt zurück, launig und bei bester Gesundheit": Doch, da ist schon was dran.

    Christian

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!