Das bestätigt mich etwas in meiner Auffassung, dass ich als Laie und bestenfalls als semiprofessioneller Musiker in aller Regel nicht all das aus einem "1A-Flügel" herausholen können werde, was dieses Instrument zu leisten imstande wäre, weil mir zum vielleicht oft das entsprechende Repertoire fehlt, aber zum anderen vielmehr auch oftmals die technischen Fähigkeiten. Also, ein solides Instrument für den Hausgebrauch - mehr braucht es nicht sein? Aber du schreibst ja auch, dass im besten Fall die Pianisten "besser" an ihm spielen. Oder könnte ich auch sagen "besser ihre musikalischen Vorstellungen umsetzen, bzw. zum Klingen bringen können" oder "die Musik besser hörbar oder erlebbar wird" ? Dann wäre ein solches Instrument ja für Jede und Jeden erstrebenswert?
Nun, wer kann schon "alles" aus einem Instrument herausholen, was es zu leisten im Stande wäre? Das mit dem "besser Spielen" meinte ich in doppeltem Sinn: Ein guter Flügel ermöglicht die Realisierung der eigenen klanglichen Vorstellungen, aber er inspiriert auch durch seine Möglichkeiten dazu, solche Vorstellungen im Moment des Spielens zu entwickeln, zu verfeinern und dann wieder zu realisieren. Man spürt bei den besten Flügeln mit dem Anschlag, dass sich die Vorstellung des Klangs sozusagen erweitert. Das ist schwer zu beschreiben... Ob ein solches Instrument für jeden erstrebenswert ist, kann ich ehrlich gesagt kaum beurteilen: Natürlich müssen gewisse technische Fähigkeiten vorhanden sein, um aus den Möglichkeiten eines Flügels auch etwas zu machen. Aber wenn man auf einem Niveau spielt, welches überhaupt ermöglicht, den Klang gestalterisch zu formen, dann lohnt sich auch ein sehr guter Flügel. Ob es gleich eines der weltbesten Spitzenfabrikate sein muss (z.B. Steinway, Fazioli, Bösendorfer oder die Yamaha CF-Serie), ist eine andere Frage. Ich sage mal so: Haben ist besser als Brauchen . Außerdem haben solche Instrumente natürlich auch einen geringeren Wertverlust bzw. höheren Wiederverkaufswert. Ansonsten gibt es eine Stufe darunter inzwischen hervorragende Flügel, die in der Qualität nah an die besagten herankommen, aber vielleicht 30 oder 40 Prozent weniger kosten. Das gespielte Repertoire halte ich übrigens für unwichtig: Auch eine Scarlatti- oder Haydn-Sonate, eine Chopin-Mazurka oder ein Brahms-Intermezzo profitiert von den Möglichkeiten eines guten Flügels. Dazu braucht es keine Liszt-Sonate oder Schumann-Fantasie.
Bei der Beschäftigung mit dem Thema Klavierbau (wirklich immer noch auf einem laienhaften Niveau) meine ich, nach und nach meine ich gelernt zu haben, dass es bei einem Klavierkauf (egal ob gebraucht oder neu) auf zwei Dinge ankommen sollte:
a) Der Zustand des Instruments muss einwandfrei oder mindestens bekannt sein - bei einem neuen Instrument sollte das kein Problem, ein gebrauchtes Instrument möchte ich von jemandem in Augenschein genommen wissen, der ernsthaft etwas von Klavierbau versteht.
b) Mir muss der Klang und das Spielgefühl gefallen.
Ja, das sind schon die wichtigsten Kriterien. Wobei man beim Klang unterscheiden muss zwischen dem Grundklang (der weitgehend Geschmacksache ist) und seiner Variabilität. Beides ist wichtig.
Nun kommen aber doch noch andere Dinge ins Spiel. Du hast z.B. davon geschrieben, das viele Instrumente im Diskant gerne schwächeln. Worauf achtest Du, oder achtet "man" denn bei einem Instrument nun? Oder ist das am Ende doch alles völlig subjektiv?
Nein, ganz subjektiv ist das nicht: Manche Kollegen gehen zum Beispiel mit einem Normgewicht zur Auswahl, welches ihnen erlaubt, einzelne Töne mit exakt definierter Kraft anzuschlagen, und messen dann in verschiedenen Lagen die Länge der hörbaren Töne. Ich mache das nicht, sondern verlasse mich auf meinen (hoffentlich) gleichmäßigen Anschlag und mein Gehör, indem ich in der Regel zunächst eine gleichmäßig angeschlagene chromatische Skala über die ganze Breite vom Bass bis zum Diskant spiele und dabei darauf höre, ob es irgendwo klangliche Einbrüche gibt. Dann folgen Akkorde, bei denen ich beobachte, wie präzise sich die Einzeltöne dynamisch differenzieren lassen, so dass man durch deren Mischung die Klangfarbe steuern kann. Dann teste ich mit Stücken, die verschiedene Anforderungen stellen, z.B. Schuberts B-Dur-Sonate für die Präzision im untersten Dynamik-Bereich und das kantable Spiel, so was wie den Anfang der Brahmsschen f-moll-Sonate für den "orchestralen" Klang, eine Bach-Fuge für die Klarheit, eine Chopin-Etüde für die angenehme Mechanik, eine Chopin-Mazurka für die Eleganz des Klangs und die Zuverlässigkeit der Dämpfung usw.. Ich habe da kein festes Programm sondern reagiere immer auf das, was ich höre und beim Spielen bemerke, und probiere dann weiteres aus. Außerdem mache ich Auswahlen nie allein, sondern habe immer mindestens einen oder zwei Kollegen dabei, die dann nicht nur selbst spielen sondern den Klang auch aus der Entfernung beurteilen können (und ich bei ihnen).
Ganz erfasst habe ich die Problematik noch nicht, aber ich würde behaupten wollen, dass für die Pfeifenorgeln der Name des Erbauers noch eine sehr viel größere Rolle spielt als im Klavierbau. Wenn ich von einer Beckerath-, einer Führer- oder einer Silbermann- oder Klais-Orgel höre (die Beispiele sollten völlig wahllos sein - nur zur Sicherheit), dann weiß ich in etwa, was ich erwarten kann. Für den Klavierbau mag ich das nicht behaupten. Vielleicht liegt es daran, dass der Orgelbau eine längere Geschichte mit diversen Brüchen hat? Zweifelslos hat der Klavierbau auch bedeutende Neuereungen erfahren, aber möglicherweise nicht in der Tiefe, dass nahezu die gesamte Verbindung zwischen "Taste und Ton" neu erfunden wurde? Eine entscheidene Rolle mag auch Spielen, dass Orgeln in wesentlich kleineren Stückzahlen hergestellt werden als Piani? Und diese kleinen Stückzahlen sind dann zudem nicht selten Unikate, die auf den jeweiligen Raum konkret abgestimmt wurden.
Ja, Orgeln sind viel individueller als Flügel. Der moderne Konzertflügel ist im Grunde seit ungefähr 1880 ausentwickelt, alles was danach kam, waren höchstens Detail-Verbesserungen. Alle modernen Flügel haben Gussrahmen, kreuzweise Stahlbesaitung, doppelte Repetitionsmechanik usw.. Unterschiede gibt es durch die Qualität der verwendeten Hölzer und Filze, die Stabilität der Grundkonstruktion (Rim und Rasten) und des Stimmstocks, das Schwingungsverhalten des Resonanzbodens, die handwerkliche Sorgfalt bzw. den handwerklichen Aufwand usw..