Andrew Lloyd Webber: Requiem

  • Andrew Lloyd Webber: Requiem

    Andrew Lloyd Webber, der 1948 geborene britische Komponist, bekannt geworden mit Musicals wie „Jesus Christ Superstar“, „Evita“ und „Cats“, arbeitete nach dem im März 1984 in London uraufgeführten Musical „Starlight Express“ an einem völlig anderen Projekt. Er reihte sich damit keck in die Reihe derer ein, die Requiem Vertonungen vorgelegt haben, als da wären unter anderem Mozart, Berlioz, Brahms, Verdi oder Britten.

    Drei Ereignisse gaben die entscheidenden Impulse für das Werk.
    Andrew Lloyd Webbers Vater, Kirchenmusiker und Komponist, starb 1982.
    Durch eine IRA Bombe in Knightsbridge um Weihnachten 1982 wurde ein junger Journalist getötet, den Lloyd Webber kannte.
    Und der Komponist erfuhr vom Schicksal eines Jungen, der in Kambodscha vor die Wahl gestellt wurde, seine verstümmelte Schwester zu töten oder selbst getötet zu werden.

    Das Werk ist für Knabensopran, Sopran, Tenor, Chor und Orchester (ohne Violinen) komponiert und dauert ungefähr 45 Minuten.
    Es wurde im Londoner Abbey Road Studio 1 von 20. bis 22.12.1984 mit Paul Miles-Kingston (Knabensopran), Sarah Brightman (Sopran), Placido Domingo (Tenor), dem Winchester Cathedral Choir und dem English Chamber Orchestra unter der Leitung von Lorin Maazel aufgenommen (CD Decca 448 616-2) und am 24.2.1985 in der Saint Thomas Episcopal Church in Manhattan (New York) uraufgeführt.

    Es gliedert sich in folgende Abschnitte:
    Requiem / Kyrie
    Dies irae / Rex tremendae
    Recordare
    Ingemisco / Lacrymosa
    Offertorium
    Hosanna
    Pie Jesu
    Lux aeterna / Libera me

    Ein grundsätzliches Spannungselement des Werks ist die immer wieder zu hörende zusätzliche Sekund in Akkorden (etwa gleich zu Beginn). Der eklektizistische Ansatz zeigt keine Scheu vor einem Stilmix vom Mittelalter bis zum Pop. Lloyd Webbers „Musiktheaterpranke“ ist bei alldem unüberhörbar.

    Quint, Grundton, Oktav, Quint, Grundton, „Requiem aeternam“, Ausgangsbasis einer einfachen Weise, mit der der Knabensopran das „Requiem“ eröffnet. Ein zweiter Sopran gesellt sich dazu. Der Chor vertieft die Stimmung und gibt dem Geschehen rasch Gewicht. Sopran und Tenor gehen im „Kyrie“ auch von diesem melodischen Grundgerüst aus und das Geschehen schwingt sich zu einem lautstarken „Christe eleison“ auf, das mit einem Orchesterschlag beendet wird, worauf der Chor verhalten wie ein Echo diesen ersten Abschnitt beendet.

    Fanfaren wie bei einem römischen Gladiatorenkampf eröffnen das „Dies irae“, in dem der Komponist offenbar die Szenerie eines zeitgenössischen Oratoriums mit durchaus theatralischen Elementen, rasch wechselnden großteils dichten Stimmungen hervorzurufen versucht. Der Tenor darf mit „Judex ergo“, einem g-Moll Solo, berühren. Mit „Mors stupebit“ vermittelt der Knabensopran wieder Verlorenheit. Archaisch geht es weiter, Sequenzen wie Bauwerke, wieder singt der verlorene Knabensopran das erste Thema, diesmal auf den Text „Rex tremendae“. Die Bitten „Salva me“ wirken verhalten, eingeschüchtert.

    Über fast zwei Oktaven gespannt ist die weit ab- und dann am Ende bis zum Cis sich aufschwingende Sopranmelodie des „Recordare“.

    Der flehentliche Gesang des „Ingemisco“ gehört anschließend dem Tenor. Der Chor erwacht daraus nahezu mystisch mit dem „Lacrymosa“. Das „Confutatis maledictis“ platzt wie ein alles niederwalzender Militärmarsch ins Geschehen. Wenn sich der Chor dann mit dem „Flammis acribus addictis“ zurücknimmt, wähnt man sich kurz in Jerry Goldsmiths „Omen“ Musik. Das mystische „Lacrymosa“ führt zur „Ingemisco“ Melodie zurück, nun mit Tenor und Chor auf „Huic ergo“, und der Sopran rundet diesen Abschnitt mit „Dona eis“ harmonisierend ab.

    Der Offertorium Chor „Domine Jesu“ hebt wieder mystisch an, um sich dann archaisch, statisch aufzuschwingen, ehe ein Orchesterzwischenspiel eine Art Volksfest oder Aufruhr evoziert, der plötzlich abbricht und dem A cappella Chor das Feld überlässt. Zur Orgel singen sie „Quam olim Abrahae“. Verunsicherung schwingt durch im rhythmisch begleiteten „Hostias“ des Chors. Zum mächtigen „Transire“ sind auch Sopran und Tenor zur Stelle. Das „Sanctus“ bringt der Chor wieder verhaltener.

    Das „Hosanna“ könnte eine veritable Musicalnummer sein, eine Art Pophymne mit Tenor und Chor, anfangs mit opernhaft rezitativischen Einschüben, eine einprägsame Melodie, teilweise im 7/8 Takt, und das Orchester wird zur Big Band. Der Solosopran bricht den Jubel mit der „Recordare“ Melodie, nun auf „Dies Irae“, rigoros ab und schafft Raum für den ganz verhaltenen, mystischen „Exaudi orationem“ Chor. Damit ist die „Recordare“ Melodie nun wieder (im Instrumentalausklang) harmonisiert.

    Das „Pie Jesu“, Knabensopran und Sopran, zum „Agnus Dei“ auch Chor, ist quasi das „Don´t cry for me Argentina“ oder „Mermory“ dieses Werks, und es war auch in der Hitparade. Lloyd Webber bemüht sich hier um innige Schlichtheit, um das musikalische Gefühl der unendlichen Tröstung.

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    Das kurze „Lux aeterna“ wird vom Sopranchor statisch in den Raum gestellt, um vom „Libera me“ abgelöst zu werden, wo zunächst hohe Stimmen die schon „Salva me“ erbeten haben nun „Libera me“ erhoffen. Der Tenor übernimmt das Flehen verinnerlicht melodiös im 6/8 Andante espressivo, fleht schließlich kurz ohne Orchester, und dann versucht sich das ganze Volk im großen Flehen, mit breitem Aufschwung angeführt vom Tenor. Immer inständiger flehen sie, viermal schwingen sie sich auf, doch der „Dies irae“ lässt den Chor wieder verhalten zurücksinken. Der Kreis schließt sich, die Bässe singen das erste Motiv, Quint, Grundton, Oktav, Quint, Grundton, „Requiem aeternam“, der Knabensopran festigt sich mit der Weise, still aber ohne sich beirren zu lassen, auch nicht durch einige schreckliche Katastrophenakkorde. Es ist als würde er mitten in verbrannter Erde einsam weiter singen.

    Von der Kritik hervorgehoben werden die schwere, hohe Gesangsstimmenführung, die kurzatmige Entwicklung, die statische Harmonik und die undurchschaubare Orchestrierung sowie der ermüdende Eindruck durch die Zusatzharmonien. Positiv werden der ehrliche Anspruch, die Originalität einiger Einfälle wie des „Recordare“ oder des „Pie Jesu“ sowie der Mut zur großen Wirkung herausgestrichen. Genaue Informationen gibt das Buch „Andrew Lloyd Webber: Der erfolgreichste Komponist unserer Zeit“ von Michael Walsh (Piper 1994).

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Sehr schöner und informativer Review!

    Dieses Werk muss ich mir endlich mal zulegen.

    Jesus Christ Superstar höre ich mindestens einmal im Jahr. Die anderen Musicals des Komponisten liegen mir leider nicht so, was aber nicht heissen soll, dass ich sie für weniger wertvoll halte.

    ... Alle Menschen werden Brüder.
    ... We need 2 come 2gether, come 2gether as one.
    ... Imagine there is no heaven ... above us only sky

  • Ich habe es mir noch in Vinyl - Form zugelegt und will das auch gar nicht anderweitig ergänzen. Die glasklaren Stimmen des Jungen und Sarah Brightmans im Pie Jesu klingen auf der alten LP wunderschön, konnte mir das damals immer wieder anhören. Ich finde, es ist Webbers stärkstes Werk

    :wink:

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)

    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

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