BACH, JOHANN SEBASTIAN: Ouvertüren Nr. 1-4 (BWV 1066-1069)

  • BACH, JOHANN SEBASTIAN: Ouvertüren Nr. 1-4 (BWV 1066-1069)

    Nanunana...noch kein Thread für die Orchestersuiten... :shake:


    Insgesamt vier Suiten für Orchester sind von Bach erhalten geblieben, die als BWV 1066-1069 gelistet sind. Kein einziges liegt noch als Autograph vor, sondern ist nur als Abschrift überliefert; da sie unabhängig voneinander überliefert sind, kann man eine zyklische Komposition nicht voraussetzen. Man geht heute davon aus, daß die Suiten frühestens 1716 (Nr. 4) und spätestens 1723 (Nr. 1 & 2) entstanden, als Bach also noch in Weimar und Köthen war.

    Die Besetzung neben b.c., zwei Violinen und eine Viola ist je nach Suite unterschiedlich: in Nr. 1 treten Fagott und zwei Oboen hinzu, in Nr. 2 erklingt die Traversflöte; in Nr. 3 und 4 sind Pauken, drei Trompeten und zwei bzw. drei Oboen gelistet, das Fagott rundet zusätzlich die Besetzung von Nr. 4 ab. Das ist ein Klangapparat, der genug Krach machen kann... :yes:

    Die Orchestersuiten werden aufgrund ihres I. Satzes auch Ouvertüren genannt. Dieser Satz ist grundsätzlich sehr umfangreich und spaltet sich in drei Teile auf: im ersten wird ein punktierter Rhythmus aufrechterhalten, der im zweiten Abschnitt zu einem Fugato wechselt; der letzte Teil stellt eine variierte Wiederholung des ersten Teils dar.

    Danach folgen immer eine Folge verschiedener Tänze: eine Bourrée ist in jeder Suite zu finden, Menuett und Gavotte in dreien; die restlichen Tänze sind nur jeweils in einer Suite zu finden. Hier die genaue Abfolge:


    Nr. 1 - C-Dur
    I. Ouvertüre
    II. Courante
    III. Gavotte I/II
    IV. Forlane
    V. Menuett I/II
    VI. Bourrée I/II
    VII. Passepied I/II


    Nr. 2 - h-moll
    I. Ouvertüre
    II. Rondeau
    III. Sarabande
    IV. Bourrée I/II
    V. Polonaise - Double
    VI. Menuett
    VII. Badinerie


    Nr. 3 - D-Dur
    I. Ouvertüre
    II. Air
    III. Gavotte I/II
    IV. Bourrée
    V. Gigue


    Nr. 4 - D-Dur
    I. Ouvertüre
    II. Bourrée I/II
    III. Gavotte
    IV. Menuett I/II
    V. Réjouissance


    Der Glanz, der den Ouvertüren innewohnt, hat etwas geradezu Magisches, mit den Pauken und Trompeten, die gemessenen Schrittes die Streicher begleiten. Wenn dann das Fugato beginnt, wird eine Lawine an Rhythmik und Melodik losgetreten, die erst im vermeintlichen Tal sein Ende findet. Das Air ist sicherlich eines von Bachs unsterblichsten Werken und existiert in unzähligen Bearbeitungen; ich glaube nicht, daß irgendein Mensch in der westlichen Zivilisation es nie gehört haben soll, auch wenn er nicht sagen kann, von wem das ist.


    An Aufnahmen kann man einen zuschmeißen. Ich schätze, daß allein auf CD mindestens vierzig komplette Suiten-Sätze veröffentlicht wurden; mit den LPs wird es sicherlich noch mehr werden. Eine genaue Aufstellung habe ich nicht gefunden; allerdings diese Diskographie hier, die jedoch nicht vollständig ist:

    Nr. 1: "http://www.jsbach.org/1066.html"
    Nr. 2: "http://www.jsbach.org/1067.html"
    Nr. 3: "http://www.jsbach.org/1068.html"
    Nr. 4: "http://www.jsbach.org/1069.html"


    Ich werde noch die Einspielungen posten, die ich selber besitze, aber es sind nur wenige; ansonsten kann sich jeder dazu berufen fühlen, hier etwas beizutragen, ob zu Aufnahmen oder zur Geschichte der Suiten selber.


    Links:
    "http://de.wikipedia.org/wiki/Orchestersuiten_%28Bach%29"
    "http://www.zeit.de/2011/50/M-KK-Bach"


    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Gerade zu dieser Werkgruppe konnte ich, bislang jedenfalls, kein besonderes Verhältnis entwickeln. Goebel, Harnocourt 1, Rilling und Reiner (waren das jetzt alle?) schlummern bei mir so vor sich hin. Die Gründe müßte ich bei Gelegenheit mal ergrübeln. Vielleicht reduziere ich gerade hier auf Schönklang und höre selektiv bisweilen allenfalls "Air" Suite Nr. 3 oder/und "Badinerie" Suite Nr. 2. Ein Schicksal, das die Orchestersuiten, das ist mir wohl bewusst, mit Sicherheit nicht verdient haben.

    :love:

  • Ich habe selber erst begonnen, sie mal intensiver zu hören. Sie sind als Ergänzung zu Bachs Brandenburgischen Konzerten nicht zu verachten; allerdings habe ich sie noch nicht so gut im Ohr wie jene. Dementsprechend war ich auch etwas überrascht, was ich an Aufnahmen in meiner Sammlung fand: das ist nicht sehr viel, aber ich liste es mal auf.

    An kompletten Sätzen mit allen vier Suiten habe ich:


    New London Consort
    D: Philip Pickett

    (P) 1997 L'Oiseau-Lyre




    Münchener Bach-Orchester
    D: Karl Richter

    (P) 1961 Archiv Produktion



    Café Zimmermann
    (P) 2000-2010 Alpha


    Dann habe ich noch einzelne Suiten:

    Nr. 2 & 3:

    Neues Bachisches Collegium Musicum
    D: Max Pommer

    (P) 1984 Capriccio


    Nr. 4:


    Freiburger Barockorchester
    D: Thomas Hengelbrock

    (P) 1993 dhm


    Nr. 1 & 2:

    Collegium Aureum
    Km: Franzjosef Maier

    (P) 1969 dhm


    Das ist wirklich eine bunte Mischung, aus verschiedenen Jahrzehnten und durch die Auffassungen Welten getrennt voneinander. Aber das bietet sich als Vergleich erst recht an.


    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

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  • Café Zimmermann

    Wie soll man da nicht neidisch werden! Ich schleiche da seit Monaten wegen des Preises drumrum und der hat sie da stehen und hört sie nicht! :cry:
    besonders liebe ich:
    die h-moll-Suite, nur die Ouvertüre nicht. die ganzen Tanzsätze aber sind für mich Schätze, vor allem, seit ich sie ca `93 auf einer CD mit Trevor Pinnock wiederentdeckt habe, die bei meinem Vater rumstand...
    Die beiden D-Dur-Suiten finde ich auch großartig - weil ich sie aber so oft hintereinandergehört habe, sind sie für mich wie eine einzige geworden...
    Na gut, die Air ist jetzt schon das "let it be" der Klassik - tausendmal gespielt, begleitet mit Gitarre oder Bass, mit oder ohne Schlagzeug - das geht für mich fast nur noch als Jazzstandard mit allen Freiheiten...
    Ich finde das Genre sehr interessant - dadurch, daß es tatsächlich (mehr oder weniger stilisierte) Tänze sind, kann sich die barocke Motorik besonders gut entfalten, finde ich - wenn es denn auch so gespielt wird. Und da täte mich die Aufnahme mit Café Zimmermann schon sehr interessieren...

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Wie soll man da nicht neidisch werden! Ich schleiche da seit Monaten wegen des Preises drumrum und der hat sie da stehen und hört sie nicht! :cry:

    Und da täte mich die Aufnahme mit Café Zimmermann schon sehr interessieren...

    Tja, was soll ich da sagen:

    Und das Beste ist immernoch
    Kaufen kaufen kaufen

    :D

    Im Ernst: Ich habe sie mir ja nicht als Staubfänger ins Regal gestellt, was sie auch nie war, seit ich sie habe. Aber wir hatten ja schon unsere Diskussion zu dieser Box:

    Bach im "Café Zimmermann"

    Und du kannst sicher sein, daß ich bald was dazu poste - nur zur Zeit muß ich erstmal hören.


    jd :wink:

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  • Beginnen wir mit Konzertmeister Franzjosef Maier:

    nur: Nr. 1 & 2

    Die Aufnahmen erschienen 1969 von dhm als Doppel-LP. Das Collegium Aureum musiziert mit historischen Instrumenten in gepflegter, volltönender Weise. Hier ist ein herrlicher tänzerischer Schwung zu erhaschen, der sich durch alle Tänze zieht. Das Ensemble wirkt kompakt, aber differenziert, mit einer konsequenten Klangbalance zwischen allen Instrumenten. Mir gefällt diese Klangästhetik schon sehr: es klingt warm, freundlich, nach einer "barocken" Tradition, die es aber wohl eher nie wirklich gab... :D


    Da ist Karl Richter schon ein ganz anderes Kaliber:

    Nr. 1-4

    1961 war beim Münchener Bach-Orchester noch eine andere Interpretationsästhetik vorhanden: großes Orchester mit modernen Instrumenten, ein Überhang an Streichern, die die Klangbalance ein bißchen zu sehr in ihre Richtung formuliert. Richter läßt mit breiten Tempi musizieren, eine eher schwerfällige Angelegenheit, die das "Tänzerische" entweder wenig betont oder so gut wie gar nicht aufkommen läßt. Langsame Sätze ziehen sich etwas, die schnelleren haben einen gleichmäßigen Duktus. Dieses Schreiten wirkt würdig, aber etwas hohl. Ich finde die Aufnahmen noch ganz gut, weil sie konsequent ihre Linie verfolgen, aber sie strahlen eine kalte Pracht aus, die Einiges an Intimität nehmen. Allerdings dröhnen die Trompeten so schön... ;+)


    jd :wink:

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  • Komme ich nun zu Philip Pickett:

    Nr. 1-4

    Was sein New London Consort da 1997 musiziert hat, kann man wirklich als Understatement bezeichnen: die Instrumentalstimmen sind je einfach besetzt, was einen kammermusikalischen Klang erzeugt, der an die Substanz geht. Hier klingen die Suiten nicht nach großer Pracht und Würde, sondern nach intimer Reduktion. Die Tänze klingen verspielt und träumerisch, überschattet von einer melancholischen Empfindsamkeit. Dementsprechend ist ein tänzerisches Element nur in begrenzter Form vorhanden, zumeist in den schnellsten Sätzen. Pickett veranschaulicht eine virtuose Durchhörbarkeit mit einem schreitenden Rhythmus, was eher den Kopf als das Herz anspricht. Ohne Frage ist das wunderbar musiziert, mit einer Balance, die so zerbrechlich wirkt, als sei sie aus dünnstem Glas. Wenn die Trompeten und Pauken erschallen, wirkt alles robuster, ohne dabei die Fragilität zu verlieren. Ich bin einerseits erstaunt, wie weit man den Klang ausdünnen kann, ohne die Klangstruktur zu ruinieren; andererseits verfolgt die Interpretation eine gemäßigte Richtung, die ich eher schade finde: Picketts Einspielung wirkt very british - brillant, aber unterkühlt.


    Da gibt Konzertmeister Pablo Valetti was anderes vor:

    Nr. 1-4

    Wenn das Café Zimmermann seine Pforten öffnet, dann darf man sich an genau derselben Besetzungsstärke wie bei Pickett erfreuen - nur mit dem Unterschied, daß hier beinhart zugepackt wird: elegant wie das New London Consort, aber mit straffer rhythmischer Finesse wird stramm gefidelt. Die Tempi sind deutlich schneller, der Odem einer virilen Lebensfreude durchzieht alle Tänze. Hier steckt eine gesunde Körperlichkeit in den Dingen, die auch eine empfindsame Seite zeigen kann. Die Trompeten erklingen voll, die Pauken trommeln wuchtig - ohne daß die reduzierte Besetzung darunter zu leiden hat. Ich meine, die Reduktion bringt wesentlich mehr Emotion an den Tag als bei Pickett. Also: brillant und viel wirkungsvoller gestaltet.


    jd :wink:

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  • Was hat uns Thomas Hengelbrock zu sagen:

    nur: Nr. 4

    Das Freiburger Barockorchester hat sich auf eine schnelle, schnörkellose Interpretation mit ordentlich Schmackes eingelassen. Der Klangapparat ist größer besetzt, hat aber nicht die Dimensionen eines Karl Richter. Hellwach wird hier eine transparente Virtuosität geradezu beiläufig präsentiert. Es hört sich herrlich an, wie der tänzerische Rhythmus die Sätze bestimmt. Allerdings fehlt tatsächlich Satz IV (Menuett I/II)! 8| Das ist mehr als verwunderlich, denn der Platz wäre auf der CD noch dagewesen.


    Wie gegensätzlich klingt es dagegen bei Max Pommer:

    nur: Nr. 2 & 3

    Der Klangapparat des Neuen Bachischen Collegium Musicum ist nicht mehr viel größer, aber er wirkt wuchtiger. Die Prächtigkeit wird mehr herausgestellt, das Schreiten in den Ouvertüren wird besonders betont, ohne jedoch zu langsam zu werden. Pommer setzt auf wirkungsvolle Akzente, kann aber in den langsamen Sätzen auch mal zu tranig werden. Das Air wird recht zurückhaltend gespielt, was aber nicht unbedingt unpassend wirkt. Insgesamt halte ich es für eine gute, unspektakuläre Einspielung, die anständig musiziert wird.


    jd :wink:

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  • Ich habe zwei neue Aufnahmen:


    Beginnen wir mit Neville Marriner:

    Was er 1970 mit seiner Academy of St. Martin-in-the-Fields aufnahm, erweist sich als eine flotte, vitale Leistung. Der Orchesterapparat ist größer besetzt, klingt aber sehr ausgewogen. Das Tempo ist insgesamt das Schnellste, welches ich bisher erlauschen durfte: gerade mal 78 Minuten dauern alle vier Suiten, was somit auf einer einzelnen CD draufpaßt. Marriner betont das Tänzerische besonders und erreicht damit ein großes Maß an Lebendigkeit. Er staffelt die Dynamik sehr geschickt und kann insgesamt eine gut durchhörbare Interpretation abliefern.

    Mir fiel aber auf, daß die jeweils I. Sätze - die Ouvertüren - recht kurz ausfallen (5'56", 8'25", 6'35" & 7'26"): möglicherweise hat Marriner zum schnellen Tempo zusätzlich einige Wiederholungszeichen ignoriert.


    Und die andere stammt von Herbert von Karajan:

    nur Nr. 2 & 3

    In den 1960er Jahren hat Karajan für die DGG Einiges von Bach aufgenommen: die gesamten Brandenburgischen Konzerte, drei Violinenkonzerte (BWV 1041-1043) und zwei Orchestersuiten. Er dirigiert die Berliner Philharmoniker, die mit ihren großen Klangapparat mit modernem Instrumentarium eine wuchtige Leistung vollbringen. Die Ouvertüre Nr. 3 wird mit großem Gestus begonnen, mit Trompeten, die die Streicher klar überstrahlen; im schnellen Mittelteil kommt ein ordentliches Tempo zum Tragen. Das Air ist sehr langsam (6'35") und mit "schlafwandlerischer" Qualität musiziert. Die Tänze sind durchaus mit einem tänzerischen Gestus realisiert, wirken manchmal aber etwas schwerfällig.

    Karajans Interpretation kann man insgesamt in die Nähe von Richters Einspielung verorten. Sie ist groß besetzt, klangschön, aber auch seltsam kalt. Karajans Klangsinn ist sicherlich passend für die Romantik und die frühe Moderne, aber bei Barock wirkt es heutzutage - wenn man nun unzählige HIPpe Einspielung im Ohr hat - steril und zu wuchtig.


    jd :wink:

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  • Vor Kurzem hinzugekommen:

    Diese Aufnahme von Masaaki Suzuki erschien 2005 auf zwei Hybrid-SACDs. Er läßt die Werke langsam intonieren, verspielt und bedächtig. Die Ouvertüren haben sämtliche Wiederholungen. Die Tänze laufen mit andächtiger Würde ab, was ihnen eine große Zurückhaltung verleiht. Suzuki setzt nicht auf harte Akzente und große Festlichkeit, sondern stellt eher den kammerspielartigen Charakter heraus. Allerdings kann sein Klangapparat durchaus Dynamik entwickeln, wenn die Pauken und Trompeten hinzukommen. Alles ist erlesen und virtuos gespielt, mit einem Ohr fürs Detail. Das ist mit knapp 100 Minuten die längste Aufnahme, die ich bisher erworben habe. Überflüssig zu erwähnen, daß die Klangqualität überragend ist.


    jd :wink:

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  • Es hat sich wieder was getan:

    Ich habe Max Pommers Einspielung nun komplett und kann meinen Eindruck der vorher besprochenen 2. & 3. Ouvertüre auch für die anderen zwei (Nr. 1 & 4) bestätigen: eine prächtige, akzentuierte Aufnahme, anständig musiziert. Insgesamt geht der Zyklus 96 Minuten. Die Wiederholungen der jeweils I. Sätze werden ausgeführt.


    jd :wink:

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  • Eine weitere:

    Diese entstand 1998 unter dem Dirigat von Helmut Müller-Brühl (1933-2012) und ist nur einige Sekunden länger als die von Neville Marriner 1970 (78 Minuten). Dementsprechend ist sie vom Tempo vergleichbar. Das Kölner Kammerorchester musiziert auf modernem Instrumentarium, spielt aber nach Prinzipien der historischen Aufführungspraxis. Es ist nicht übermäßig groß besetzt, spielt transparent und schnörkellos.

    Die Wiederholungen der jeweils I. Sätze werden hier ignoriert, womit ihre Laufzeiten kurz geraten (5'51", 6'24", 6'19", 7'22"). Hier wird der langsame Teil würdevoll schreitend angeboten, um dann sehr flott im Fugato zu münden. Die folgenden Tanzsätze haben einen leicht beschwingten Charakter; das Air fließt in einer schönen Beiläufigkeit dahin, doch die Gigue (Nr. 3: V) wirkt etwas zu zahm. Müller-Brühl nimmt die Menuette (Nr. 1: V; Nr. 4: IV) und den Passepied (Nr. 1: VII) in so einem langsamen Tempo, daß es schon seltsam stolpernd wirkt. Immerhin gehen diese Stücke jeweils eine Minute länger als bei Marriner!

    Allgemein wirkt Müller-Brühls Lesart deutlich bedächtig und zurückhaltend. Hier wird die glanzvolle Würde herausgestellt, ohne jedoch die klangliche Präzision aufzugeben. Das klingt nicht groß aufregend, aber immerhin kompakt und treffend. Die einzelnen Instrumentengruppen sind gut gestaffelt und verdecken sich nicht gegenseitig. Aufgenommen ist das Ganze in einer transparenten Art und Weise.

    Ich will nicht übertreiben: das ist nicht die weltbeste Aufnahme der Ouvertüren, aber für "tiefste Provinz" ( ;+) ) klingt das schon verdammt gut. Das ist eine solide Einspielung, exquisit musiziert, wenn auch nicht besonders extrovertiert im Ausdruck.


    Links:
    "http://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_M%C3%BCller-Br%C3%BChl"


    jd :wink:

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  • Dann habe ich noch ein bißchen Stückwerk:

    nur: Nr. 2

    Die Akademie für Alte Musik nahm die Suite im Juli 1988 in Leipzig auf. Sie spielen auf historischen Instrumenten und sind gerade mal mit sieben Musikern in der kleinsten Besetzung zu hören (Flauto traverso, Violine I & II, Viola, Violoncello, Kontrabaß, Cembalo). Dementsprechend durchhörbar präsentiert sich die Aufnahme: deutlich in ihren klanglichen Details, dynamisch in ihrer Reduktion. Der I. Satz beachtet die Wiederholungen und präsentiert die Ouvertüre als ein fragiles Gespinst mit rhythmischer Präzision. Die Tänze betonen das Beschwingte in herrlicher Weise: die Bourrée wird gekonnt in flottem Tempo realisiert, das Menuet fließt in elastischer Art dahin. Die Badinerie wird besonders rhythmisch betont.


    nur: Nr. 2

    Unter den gleichen Besetzungsbedingungen hat 1982 auch die Musica Antiqua Köln unter Reinhard Goebel diese Suite aufgenommen. Mit virtuoser Beiläufigkeit präsentieren sie das Fugato und erlauben sich ein variabel temporiertes Rondeau. Die sonstigen Tänze zeigen den Wechsel von präziser, schneller Fingerfertigkeit und traurigem, elegantem Ausdruck - je nach Satz. Auch das ist klanglich sehr gut eingefangen worden, etwas präsenter als die Aufnahme von der Akademie.


    Insgesamt finde ich beide Einspielungen für sehr schön gespielt und effektvoll interpretiert. Vor allem die MAK klingt sehr geschlossen in ihrem Ensembleklang und sehr überzeugend in ihrer Tempowahl. Man vermißt ein großes Orchester nicht wirklich, was ich für eine besondere Qualität bei den Suiten erachte.
    :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup:


    jd :wink:

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  • Hallo Bach-Freunde,

    Von Jordi Savall gibt es auch eine Einspielung der Orchestersuiten:

    "

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    "


    :wink:

    amamusica :pfeif:


    Wobei ich gerade beim Stichprobenhören eine Stelle habe, die ich viel "leichter" kenne, hier etwas "zäh" geraten :huh:

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)

    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...


  • Die Orchestersuiten / Ouvertüren gibt es auch gespielt von Frans Brüggen und dem Orchestra of the Age of Enlightenment:

    Nicht wirklich mehr erhältlich, aber - wer möge, der höre!

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    :wink:

    amamusica :pfeif:

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  • Noch aus alter Zeit sind die mir bekannt, muß mal schauen, welche Aufnahme das war.

    Besonders gefällt mir die Nr. 2 = BWV 1067 mit der Querflöte, die habe ich aber "spritziger" und "leichter" in Erinnerung als hier in Brüggens Fassung.


    :wink:

    amamusica :pfeif:

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
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    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
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  • Inzwischen habe ich die Einspielung vom Collegium Aureum komplett erworben:

    Nr. 1-4

    Den Eindruck, den ich zuvor bereits beschrieben hatte, kann ich nochmals bestätigen: füllig, warm, geschlossen, elegant, leicht tänzerisch in den schnellen Sätzen. Mag ich sehr... :yes:


    jd :wink:

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  • Nun diese:

    Nr. 1-4

    Sie entstand 1994 und präsentiert sich in schlanker Form: Andrew Manze läßt die La Stravaganza Köln in solistischer Besetzung spielen. Was man hört ist: mittleres Tempo, sehr artikulierte Rhythmik in den schnellen Sätzen, aber langsame Nachdenklichkeit in den langsamen Sätzen. Eine transparente Einspielung mit exzellenten Solisten, die sich dennoch wunderbar ins Gesamtgefüge einbinden. Die Air (3/II) ist eher straff umgesetzt, ohne eine lyrische Note darinnen, wie man es sonst kennt; Manze verfolgt hier eindeutig die Aufhebung einer schwärmerischen Tradition. Die jeweils I. Sätze klingen prachtvoll, aber nicht überfrachtet; die Wiederholungen werden alle gespielt. Die Badinerie (2/VII) erklingt schwungvoll, die Réjouissance (4/V) läuft mit flotter Dramatik ab. Das Ganze dauert rund 100 Minuten. - Klangtechnisch ist das sehr gut eingefangen worden.

    Mir gefällt diese HIP-Aufnahme sehr gut. Vielleicht nicht gerade brennendes Feuer, aber die wohlige Wärme ist äußerst angenehm. Ist übrigens Teil der Brilliant-Bach-Box (CDs 3-4).
    :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup:


    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

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