Deutsche Volkslieder

  • Deutsche Volkslieder

    Dieser Thread ist eigentlich längst überfällig. Wie will man Fremdes erfassen, wenn man das Eigene nicht kennt?

    Mein Schlüsselerlebnis war 2002 in einem "Peña" in La Paz (Bolivien). Peña = Essen + Livemusik. Einer der Musiker entpuppte sich als Entertainer und verlangte irgendwann von jedem Tisch, dass etwas "Eigenes" gesungen wurde. Das Publikum war ziemlich mutikulti, aber alle hatten sie etwas anzubieten: Bolivianer, Chilenen, Brasilianer, Spanier, Costaricaner. Lieder aus dem jeweiligen Land. Der Finne ging sogar auf die Bühne, schnappte sich eine Gitarre und sang etwas Finnisches. Nur ich hatte nichts zu bieten.

    Wieder zuhause, sann ich auf Abhilfe und besorgte diese CD:

    Das kann man getrost als Standardwerk betrachten. Umfangreich mit guter Qualität. Sicher wird es vereinzelt auch spannendere Interpretationen geben, und natürlich ist mit dieser 3fach-CD nicht alles abgedeckt.

    Dazu ist dieser Thread gedacht:

    Welches sind die schönsten/besten deutschen (genauer: deutschsprachigen) Volkslieder?

    Welche Aufnahmen sind empfehlenswert?


    Thomas

  • Meine Nummer 1 ist Ännchen von Tharau. Wer's nicht kennt: Siehe Youtube. Wobei auch hier die oben genannte CD eine der besten Interpretationen bietet. Tharau liegt übrigens in Ostpreußen und heißt heute Wladimirowo.

    Weitere Favoriten:

    In einem kühlen Grunde

    Im schönsten Wiesengrunde

    Am Brunnen vor dem Tore


    Und was hat meine Heimat Baden zu bieten? Tja, da habe ich immer noch Lücken. Aus der o.g. CD:

    Schwefelhölzle

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    Und natürlich das Badnerlied. Das konnte ich sogar mal auswendig. Wir spielten das seinerzeit als Blasmusikkapelle, als Marsch, bei dem das eigentliche Badnerlied erst im zweiten Teil kam. Und der wurde gesungen.

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    Der Text ist geil:
    In Karlsruh’ ist die Residenz,
    in Mannheim die Fabrik.
    In Rastatt ist die Festung
    und das ist Badens Glück.

    Residenz, Fabrik und Festung, was will man mehr?

    Das werde ich beim nächsten Mal den Bolivianern verklickern...


    Thomas

  • Ich LIEBE diese alten deutschen Volkslieder!

    Besonders, wenn sie von einem tollen Kinderchor gesungen werden - und ich meine keine billigen Einspielungen für Babys mit Keyboards und Drumcomputer, sondern wirklich tolle, richtige Chöre.
    Da brauche ich keine afrikanischen Trommelrhytmen oder chinesische Volksmusik.

    Was mir dabei wichtig ist, ist, dass der Chor und die Aussprache auch "deutsch" klingen. Die Wiener Sängerknaben können berühmt und toll sein was sie wollen, wenn sie "Auf einem Baum ein Kuckuck", oder "Alle Vöglein sind schon da" singen, dann fehlt einfach das gewisse Etwas. Und das sage ich als Österreicher ;)

    Aber sowas darf man ja nicht zu laut sagen, sonst fällt schnell der Begriff "Deutschtümelei" ... :stumm:

  • Sehr hörenswert fand ich diese CD von "Singer pur":

    Bekannte Volkslieder in modernen, leicht jazzig angehauchten Sätzen. Am besten vor dem Kauf mal in die Klangschnipsel reinhören.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Von Ännchen von Tharau gibt's hier eine schöne Version von den King's Singers:

    '

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    Übrigens bringt Arnold Schönberg in einem seiner ersten 12-Ton-Werke, nämlich der Suite für Kleine Klarinette, Klarinette, Baßklarinette, Geige, Bratsche, Violoncello und Klavier op. 29, Variationen über dieses Lied (3. Thema mit Variationen (1925)):

    'http://www.schoenberg.at/index.php?opti…mid=374&lang=de

    Vielleicht auch eine gute Einführung in die Dodekaphonie.

    :wink:

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Dieser Thread ist eigentlich längst überfällig.

    Allerdings gibt es bereits ältere Diskussionen hierzu, z. B. Zwischen Hochdeutsch und Platt - Das Volkslied nördlich der Alpen und Marmor, Stein und Eisen - was ist eigentlich ein Volkslied?, ferner Alpenmusik und, mit spezieller Fragestellung, Verfemt und missbraucht - Das Volkslied zur Nazizeit.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Das Elend mit dem deutschen Volkslied wurde schon am Anfang benannt: Volkslieder singt man, man hört sie nicht an. Ich brauche keine 3 CD-Box, um mir die Volkslieder vorsingen zu lassen, ich habe genügend Liederbücher und brauche mich nur an mein Tasteninstrument zu setzen, um sie zu singen.

    Über die Lieder, die hier genannt wurden, werde ich mich in einem eigenen Beitrag äußern (etwa über die Schrumpfform von Schuberts "Lindenbaum"). Für mich gehören aber Arbeits- und Arbeiterlieder, Lieder deutscher Demokraten, also politische Lieder, Soldatenlieder aber auch Scherzgesänge dazu, ich kann das doch nicht auf biedermeierliche Gemütlichkeit beschränken, was ich singe.

    Wenn ich Volkslieder höre, dann eben die, die ich nicht kenne und kennen lernen möchte - da habe ich eine große Sammlung von Peter Rohland bis zu Hein und Oss. Degenhardts Abgesang auf das deutsche Volkslied war ein (dazumal verständlicher) Irrtum - aber bei der Verlogenheit und dem Kitsch, der aus einem ganzen Segment von gesungenen Volkslieder spricht, ist der Degenhardtsche Ätzkalk noch immer gut. Volkslieder leben mit Liedermachern (Wader "Volkssänger") und Spielleuten - ich höre sie lieber auf Mittelaltermärkten als auf CD.

    Meine Empfehlung noch einmal: ein gutes Liederbuch und selber singen. [EDIT]Die Gitarre ist übrigens ein prächtiges Instrument, mit dem man den eigenen Gesang begleiten kann, für HIPpies gibt es noch die Laute ...[/EDIT]

    Just my 5 cts

    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Ich LIEBE diese alten deutschen, von Kinderchören gesungenen Volkslieder, da gibt es ganz wunderschöne, oft auch ganz billige CDs
    und Kassetten, mit Aufnahmen meist aus den 50ern und 60ern.

    Die "Kunst" ist, diese auch zu finden, in dem ganzen Wust von verpoppten etc Liedern.

    Habe jedenfalls ganze Stapel davon zuhause, und höre sie sehr viel und sehr gerne, und habe meinen Nachwuchs auch viel damit "traktiert", dem gefiel es auch.


    In den "Trapp-Familie" Videos (der deutschen Verfilmung) sind auch wunderschöne Stücke enthalten.

    Die Trapp-Familie hat sich ja, nach anfänglichen anderweitigen Versuchen, in den USA schließlich mit den deutschen Volksliedern
    "durchfüttern" können.

    Die günstige 2001-Edition erscheint hier aus irgendwelchen Gründen nicht schön als Bild, aber wenigstens diese andere hier:


    Kann ja mal nach und nach schauen, wie meine CDs und Kassetten heißen.

    Lieblingslieder habe ich sehr sehr viele, doch mein allerliebstes ist vielleicht "Ade du mein lieb Heimatland",
    da mußte ich lange nach einer "hörbaren" Fassung suchen.

    Es war das Lieblingslied meines Vaters, und es läßt sich wunderbar pfeifen.


    :wink:

    amamusica :pfeif:


    PS: Die CD von "Singer pur" habe ich mir auch mal bestellt, doch - :pinch: - meine Ohren vertragen das Jazzige einfach nicht...
    ..."Umerziehung" zwecklos.

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)

    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...


  • Habe mal schnell ins Regal geschaut und zwei CDs rausgefischt, aber meine Lieblings-CD ist es nicht, das ist eine andere.

    Diese beiden sind jedenfalls durchaus empfehlenswert:

    (Bei mir geht es oft einfach nur darum, das Lied kennenzulernen, weil ich mir aus Noten kein Lied erschließen kann,
    ich brauche es "vorgesungen". Wenn die Interpretation schön ist, umso besser - aber Hauptsache, ich kann die Melodie hören,
    ohne allzu großes Ohrenleid)


    " Rolfs Liederbüchermaus " :


    - da war meine "Entdeckung" das dritte Lied, " Es geht eine helle Flöte " das kannte ich noch nicht, und es ist einfach herzerfrischend
    zum Pfeifen, und eben auch gut pfeifbar, das klappt ja auch nicht immer mit jedem Lied.

    Dann gibt es von der Deutschen Grammophon eine Mischmasch-CD, " Das Liederbuch ", manche der Lieder sind sehr schön gesungen,
    manche aber verpoppt, ist halt Mischmasch. Finde da die Nummer zum Einfügen nicht, hier der Link:

    "http://www.amazon.de/Liederbuch-CD-…47266957&sr=8-1"


    Meine Lieblings-CD :rolleyes: :angel: :rolleyes: war spottbillig und von Müller. Ich glaube, es war ein "Teil 4", die anderen 3 CDs waren längst nicht so gut.
    Werde sie mal "ausgraben".


    :wink:

    amamusica :pfeif:

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)

    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...


  • Nun, jetzt bin ich gerade "dran"...

    ...es sind halt Kinderlieder, die ich viel habe, und Männerchöre, die liebe ich auch heiß und innig.

    Die Kinderlieder-CD von anno dazumal war diese, aber jetzt nochmal kurz gehört, nun, nett, aber inzwischen habe ich auch schon besseres gefunden:

    http://www.amazon.de/Kinderlieder-3…7276076&sr=8-11

    Und diese habe ich vom Flohmarkt, schön!


    Und auch die Platte vom Kreuzchor gab's auf dem Flohmarkt, die ist sehr schön:

    Nun, hier "bockt" der Link wieder, dann halt so:
    "http://www.amazon.de/Platten-volkst…47276329&sr=8-2"

    so + - dasselbe ist diese CD hier:


    Dann gibt es ja noch eine vielteilige Kinderlieder-Sammlung, finde ich gerade nicht.

    Diese Volkslieder CD vom Kreuzchor ist sehr empfehlenswert, da fand ich dann auch eine schöne "Nun Ade, du mein lieb Heimatland" Version :


    Ansonsten halt noch die ganzen Männerchöre... :rolleyes:


    :wink:

    amamusica :pfeif:

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)

    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...


  • Ganz im Sinne von Peter Brixius, dessen Volkslieder-selber-singen mir sehr nahe steht, stelle ich einfach mal das Klassikerliederbuch (zumindest seit den 70er-Jahren) mit schöner Auswahl und herrlichen Illustrationen von Tomi Ungerer, die nicht eine Sekunde lang den Eindruck von irgendetwas Verstaubtem, Altmodischem aufkommen lassen, hier hinein.

    Für mich (und meine Kinder) ein absolutes Muss.

    Tharon

  • Das Elend mit dem deutschen Volkslied wurde schon am Anfang benannt: Volkslieder singt man, man hört sie nicht an.


    Das Elend mit dem "deutschen Volkslied" ist, daß es eben kaum noch jemand singt. Und wenn das hier unter den Forumsmitgliedern vielleicht der eine oder andere auch jenseits einer Konzertsituation tut, im Alltag sozusagen, in der Familie oder meinetwegen auch in der Badewanne, dann ist das für die Allgemeinbevölkerung eher untypisch, eben genau in der erwähnten Weise:

    alle hatten sie etwas anzubieten: Bolivianer, Chilenen, Brasilianer, Spanier, Costaricaner. Lieder aus dem jeweiligen Land. Der Finne ging sogar auf die Bühne, schnappte sich eine Gitarre und sang etwas Finnisches. Nur ich hatte nichts zu bieten.


    Das ist mit ziemlicher Sicherheit der Regelfall. Nachgefragt: WO lernt man denn das einschlägige Repertoire heute noch? In der Schule nicht mehr, dort, wo es meine Generation (noch) gelernt hat. Und wenn ich ehrlich bin: Die Melodien wären ja alle noch da, aber die Texte jenseits der ersten zwei Zeilen...?!
    Genau betracht: Bezieht sich dieser "Volkslied"-Begriff nicht auf genau jenes Repertoire, das für etwas über hundert Jahre an den Schulen gelehrt wurde (s.u.)???
    Die Fortsetzung des Zitates

    Wieder zuhause, sann ich auf Abhilfe und besorgte diese CD


    ist zwar die die Konsequenz aus einer als unbefriedigend empfundenen Situation - aber wer kommt schon in diese Situation? So gesehen ist das "deutsche Volkslied" schon lange kein Volkslied mehr, sondern ein beliebig ungenauer Genrebegriff, unter dem man Mozarts "Veilchen" ebenso einordnen kann, wie Schuberts "Lindenbaum", arrangiert für vierstimmigen Männergesangsverein, traditionelles alpenländisches Liedgut im Dialekt bis hin zu dem, was heute unter diesem Etikett im großen Maßstab als gefühlsdusselige Volksverdummung vermarket wird. Der Griff zur CD ist daher naheliegender, als der zum Liederbuch. Und für mich stellt sich dann die Frage, was die Konsequenzen aus dem CD-Kauf sind: anhören und selber auswendig lernen, oder NUR anhören?

    Für mich gehören aber Arbeits- und Arbeiterlieder, Lieder deutscher Demokraten, also politische Lieder, Soldatenlieder aber auch Scherzgesänge dazu, ich kann das doch nicht auf biedermeierliche Gemütlichkeit beschränken, was ich singe.


    Volle Zustimmung! Nachdem das Repertoire, das man üblicherweise unter "Volkslied" subsummieren möchte, jenes ist, was Generationen von wohlmeinenden Lehrern (und, bitte nicht übersehen: Schul- und Ministerialbürokraten) aus welchen Gründen auch immer(!) unter das Volk gebracht haben, ist genau DIESES politisch unerwünschte Volksgut unter den Tisch gefallen. Das gleiche Schicksal teilen alle regionalen Formen im Dialekt. In der Schule wurden keine kritischen Revolutions- Arbeiter- oder Soldatenlieder (etc., auch keine Wirtshausgesänge!) gelehrt, und Dialekt war bis in die unmittelbare Vergangenheit in der Schule nicht nur tabu, sondern negativ belegt. Ausnahmen findet man nur dort, wo der ursprüngliche Sinn in Vergessenheit geraten ist oder verharmlosend umgedeutet wurde, wie bei Schubarts "Forelle" oder dem "Die Gedanken sind frei". Andere "Volkslieder" sind heute völlig zu Recht in der Versenkung verschwunden: "Die Wacht am Rhein", "Schwarzbraun ist die Haselnuss", Oh du schöner Wehehesterwald" und anderes hinreichend belastetes Liedgut.

    Degenhardts Abgesang auf das deutsche Volkslied war ein (dazumal verständlicher) Irrtum - aber bei der Verlogenheit und dem Kitsch, der aus einem ganzen Segment von gesungenen Volkslieder spricht, ist der Degenhardtsche Ätzkalk noch immer gut.


    Unterschreib' ich! Wobei: der Degenhardt ist mittlerweile auch schon wieder Geschichte: Die jüngeren kennen ihn nicht mal mehr dem Namen nach...

    Volkslieder leben mit Liedermachern (Wader "Volkssänger") und Spielleuten - ich höre sie lieber auf Mittelaltermärkten als auf CD.


    "...leben mit Liedermachern..."
    beinhaltet das nicht schon wieder eine Konsumentenhaltung? Ob auf CD oder MA-Markt: passives Hören ist passives Hören...

    ... auf dem Mittelaltermarkt... Der hat sein eigenes Standardrepertoire, Ob das "Volkslieder" jenseits der Mittelalterszene sind? Fragt doch mal in Eurer nicht-Mittelalter-bewegten Umgebung nach "Inperayritz de la ciutat joyosa", "Virgo splendens" "Prendez y garde" oder "Al vol"... Und bei einschlägigen Jugendbewegungsliedern auf "mittelalterlich" rollt's jedenfalls mir die Zehennägel auf (ok: subjektives Empfinden!)

    Davon abgesehen gibt es immer wieder Bemühungen, das Repertoire wiederzubeleben (auch um Neues bereichert), allerdings mit allenfalls mäßigem Erfolg. Lorenz Meierhofer (viele werden ihn kennen, obwohl der mittlerweile eher auf afrikanischer Folklore steht) ist da sehr tätig. Für Bayern findet man Einschlägiges im "Klampfen-Toni", herausgegeben von Christoph Well (genau: Biermösl Blosn). Darunter z.B. auch die Verballhornung "Gott mit dir, Du Land der BAYWA": Das war schon mal in einem gedruckten Liederbuch für den Gebrauch an Bayerischen Schulen. Es wurde dann entfernt, die Bücher mußten neu gedruckt werden:

    Zitat

    Kultusstaatssekretär Karl Freller antwortete dem SPD-Fraktionsvorsitzenden auf seine Anfrage, dass das Lied „Gott mit dir, du Land der BayWa“ eine Verballhornung des Bayernlieds sei, „um die Firma BayWa und den Einsatz von chemischen Düngemitteln in der bayerischen Landwirtschaft zu kritisieren“. So etwas sei für den Gebrauch im Unterricht ungeeignet. In ein bayerisches Schulbuch werde nun einmal nur aufgenommen, was Schülerinnen und Schüler in der Schule lerne sollen. Freller klipp und klar: „Das ‚BayWa-Lied‘ gehört nicht dazu.“ Außerdem müsse in Schulbüchern darauf geachtet werden, „dass keine Produkt- und Firmenwerbung erfolgt“. Und dies gelte – so der Staatssekretär – „konsequenterweise auch für Anti-Werbung“.
    (Quelle: Biermösl Blosn)


    Soweit zu "unerwünschte Texte"... stellvertretend... siehe oben... Schulrepertoire... Da bleibt nur noch "Hab mein Wage vollgelade", "Horch was kommt von draussen rein - Hollahi, Hollaho" und anderes Unverdächtiges.

    Und noch ein Bekenntnis: Ja, ich mag Schubertlieder. Auch selber gesungen. Ich mag sie nicht in Bearbeitungen für Männergesangsverein, nicht einmal von den Comedian Harmonists. Und schon gar nicht von irgendwelchen Kinderchören, und wenn's die Wiener oder sonsige Sängerknaben wären...

    notabene: Ich finde es irgendwie schon bemerkenswert, daß trotz einschlägiger Bekenntnisse in diesem Thread zum Singen und der Kritik an einschlägiger Konsumentenhaltung, sich das Thema immer wieder mal im Vorstellen von CDs bewegt...
    SO rettet Ihr das Volkslied nicht... :stumm:

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Der SWR und der Carus Verlag hatten ein Projekt gestartet. Regelmäßige Rundfunksendungen haben Volkslieder vorgestellt, die dann von Berufsängern gesungen wurden. Text, Lied und auch eine Begleitung zum Selbersingen konnten runtergeladen werden. Diese Sendungen sind auch von BR-Klassik ausgestrahlt worden.

    Parallel dazu sind CDs erschienen mit reichem Booklet: z.B.

    und Bücher mit einer Begleitung-CD:

    Dieses Projekt wurde vom Bassisten Cornelius Hauptmann iniziiert; es betraf zunächst Wiegenlieder. Inzwischen sind sie bei 2 Staffeln Wiegenlieder, 3 Staffeln Volkslieder unf 2 Staffeln Kinderlieder angekommen.

    Ich kenne mich damit zu wenig aus, als daß ich ein qualifiziertes Urteil darüber liefern könnte. Die Sendungen, die ich im Bayerischen Rundfunk mitgekommen habe, sind mir informativ und professionell vorgekommen; ich habe sie gerne gehört und vieles dabei gelernt. Auch den Vortrag der Lieder fand ich gut: schön gesungen, nicht volkstümelnd aber auch nicht opernhaft.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Andere "Volkslieder" sind heute völlig zu Recht in der Versenkung verschwunden: "Die Wacht am Rhein"


    Was ist an der Wacht am Rhein (die ich mir demnächst auf Schellackplatte zu kaufen gedenke) so schlimm, dass sie "völlig zu Recht" in der Versenkung verschwinden soll? Sind manche Lieder mehr wert als andere?
    Mir als nicht-deutscher gefällt es sehr gut.


  • 1. Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
    Wie Schwertgeklirr und Wogenprall:
    Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein,
    Wer will des Stromes Hüter sein?
    |: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, :|
    |: Fest steht und treu die Wacht am Rhein! :|

    2. Durch hunderttausend zuckt es schnell,
    Und aller Augen blitzen hell;
    Der deutsche Jüngling, fromm und stark,
    Beschirmt die heil'ge Landesmark.
    |: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, :|
    |: Fest steht und treu die Wacht am Rhein! :|

    3. Er blickt hinauf in Himmels Au'n,
    Wo Heldengeister niederschau'n,
    Und schwört mit stolzer Kampfeslust:
    Du Rhein bleibst deutsch, wie meine Brust!
    |: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, :|
    |: Fest steht und treu die Wacht am Rhein! :|

    4. So lang ein Tropfen Blut noch glüht,
    Noch eine Faust den Degen zieht,
    Und noch ein Arm die Büchse spannt,
    Betritt kein Feind hier deinen Strand!
    |: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, :|
    |: Fest steht und treu die Wacht am Rhein! :|

    5. Und ob mein Herz im Tode bricht,
    Wirst du doch drum ein Welscher nicht,
    Reich, wie an Wasser deine Flut,
    Ist Deutschland ja an Heldenblut!
    |: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, :|
    |: Fest steht und treu die Wacht am Rhein! :|

    6. Der Schwur erschallt, die Woge rinnt,
    Die Fahnen flattern hoch im Wind:
    Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein,
    Wir alle wollen Hüter sein!
    |: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, :|
    |: Fest steht und treu die Wacht am Rhein! :|

    7. So führe uns, du bist bewährt;
    In Gottvertrau'n greif' zu dem Schwert,
    Hoch Wilhelm! Nieder mit der Brut!
    Und tilg' die Schmach mit Feindesblut!
    |: Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, :|
    |: Fest steht und treu die Wacht am Rhein!

    Ein "patriotisches" Lied ... Es gibt allerdings ein paar schöne Parodien davon, die man imGroßen Steinitz findet. Ansonsten - no comment

    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Freilich ist der Text kein lustiges "Alle Vöglein sind schon da" - aber brutal sind auch andere Volkslieder, wie z.B. "Suse, liebe Suse", wo es heißt "Suse, liebe Suse, schlags Kükelein tot, es legt mir keine Eier und frisst mir mein Brot" etc.

    Zudem wird in dem Lied davon gesungen, dass das Vaterland beschützt wird. Es ist kein Wort davon, dass andere Länder angegriffen werden, beispielsweise.

    Das Problem bei solchen Texten ist heute leider, dass man sowas, auch wenn es lange vor dem zweiten Weltkrieg geschrieben wurde, immer noch mit diesem dunklen Kapitel unserer Geschichte in Verbindung bringt.

    Im Prinzip ist es das gleiche wie bei Märschen: ich mag Märsche sehr gerne, finde die Melodien etc. toll, obwohl ich ein absoluter Gegner von Krieg und Gewalt bin.

  • Volkslieder habe ich zuhause die Menge lernen dürfen, da sowohl mein Vater als auch mein Adoptivvater Wandervögel waren (Neroter, um genau zu sein)..
    Und meine Großmutter war auch so eine verhinderte (Berufs-)Musikerin, die mit Akkordeon ganze Almhütten zum Kochen bringen konnte. Nur ihre Bockflöte war in der Familie berüchtigt, wegen auf ganz fürchterliche Weise nichtvorhandener Artikulation (vulgo bösartiges Fiepsen...)
    Nein, über Liedgutmangel kann ich mich nicht beklagen.... wofür ich sehr dankbar bin. Nur daß mein Vater sich nach wie vor weigert, englischsprachige Musik überhaupt für singenswert zu halten, ärgert mich manchmal. Und daß sein Vortragsstil zunehmend zum permanenten Rubato tendiert, hat mich (und andere) schon manchmal verzweifeln lassen - zumal er immer möchte, daß seine Kinder ihn begleiten, was objektiv nahezu unmöglich ist. Aber das ist jetzt OT, wobei, es thematisiert die traditionelle Überlieferungsform jenseits irgendwelcher CDs, die dazu führt, daß es immer wieder leicht abgewandelte (leider meist simplifizierte) Versionen gibt von Familie zu Familie.

    Was mich auch manchmal wahnsinnig macht, ist, wenn Volkslieder so gleichförmig gesungen werden, daß eins klingt wie das andere... Aber das liegt wohl in der Natur des Laienmusizierens, daß man da Abstriche machen muß beim Arrangement. Mir liegt immer viel daran, die Charakteristik herauszukitzeln. Also ein Schlaflied darf einschläfernd klingen, ein Wanderlied muß vorwärtsschreiten, das Frühlingslied jubilieren und die Mühle muß klappern, jawohl!

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Was ist an der Wacht am Rhein (die ich mir demnächst auf Schellackplatte zu kaufen gedenke) so schlimm, dass sie "völlig zu Recht" in der Versenkung verschwinden soll?


    Politische Unsensibilität?
    Wenn Du mir sagen kannst, was wir dort gegen wen verteidigen wollen:

    Solang ein Tropfen Blut noch glüht,
    noch eine Faust den Degen zieht,
    und noch ein Arm die Büchse spannt,
    betritt kein Feind hier deinen Strand!

    Es gibt dort schließlich viel Heldenblut zu opfern.

    Der (Un-)Geist, der daraus spricht, hat eine lange und ungute Tradition. Den "Erbfeind" im Westen - den gibt es spätestens seit den Elysée-Verträgen von 1963 nicht mehr.
    Warum die deutschen Soldaten in "Casablanca" (1942) gerade DIESES Lied grölen? Was wollten die Macher des Filmes damit ausdrücken? (Wer darin die Guten, und wer die Bösen sind, sollte eigentlich bekannt sein. Urprünglich sollte das "Horst-Wessel-Lied" gesungen werden. Das fiel aber aus Copyright-Gründen weg, da der Film dann in neutralen Staaten nicht hätte gezeigt werden dürfen...)

    Auch Erkennungsmelodie für Sondermeldungen des Wehrmachtsberichtes im Großdeutschen Rundfunk...

    Letzteres trifft übrigends auch Österreicher.

    Nachtrag:

    Zudem wird in dem Lied davon gesungen, dass das Vaterland beschützt wird. Es ist kein Wort davon, dass andere Länder angegriffen werden, beispielsweise.


    Sorry, den politische Kontext, in dem das ganze entstanden ist, kann man (glaubte ich) eigentlich als bekannt vorraussetzen.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Wer schreibt hier vom 2. Weltkreig? Das Stück stammt von 1840 und hat etwas mit dem Aggressionskrieg von 1871 zu tun, der uns hinlänglich in Frankreich beliebt gemacht hat. Man muss eben historische Kontexte kennen - und der ist der von Arndts "Der Rhein ist Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze". Was das Dritte Reich angeht, so leitete die Melodie die Kriegssondermeldungen ein, bevor sie durch "Les Preludes" ersetzt wurde.

    Die Melodie ist unpolitisch. Was soll ich den "deutschen Jünglingen" sagen, die gar noch den Text verteidigen. Dass ein Verteidigungsministerium selbstverständlich kein Kriegsministerium ist? Dass dieser Text also herrlich in die Gegenwart passt und möglichst bei allen Heimatfesten gesungen werden sollte? Vom Männerchor, versteht sich.

    Liebe Grüße Peter
    (für die sich betroffen fühlenden

    :-I

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

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