Dabei habe und kenne ich einige der renommiertesten Aufnahmen, etwa von Pierre Boulez (die DVD der Inszenierung Peter Steins), Gardiner (aus Lyon mit Colette Alliot-Lugaz) und De Billy (aus Wien mit Natalie Dessay). Ich habe sogar, in der Hoffnung auf eine vermeintlich kulinarischere Alternative, Karajans angeblich unidiomatische Aufnahme mit Frederica von Stade erworben und durchgehört. Es half alles nichts. Der Funke wollte einfach nicht überspringen und es fiel mir nach anfänglicher Faszination regelmäßig schwer, nach dem ersten Akt weiter zu machen. Die undramatische Oberfläche der Partitur schaffte es jedesmal, mich einzulullen und mir die Neugier auf mehr auszutreiben.
Ich möchte in dieselbe Kerbe wie Rideamus schlagen.
Zu Beginn meiner Schallplatten/CD-Karriere orientierte ich mich am dtv-Atlas zur Musik, Ausgabe von 1987 (4. Aufl.). Darin heißt es:
ZitatPelléas et Mélisande (1892-1902, UA Paris 1902), Drame lyrique von Maeterlinck, Hauptwerk der Epoche;
Es versteht sich, dass die Worte "Hauptwerk der Epoche" auf mich als Newbie den allergrößten Eindruck machten. Da ich "La Mer" und die "Préludes" für Klavier sehr mochte und auch Ravels "Gaspard" gefressen hatte, musste das Werk her - das musste dann doch eine unerhörte Potenzierung der für mich attraktiven Eigenschaften der vorgenannten Werke bieten!?
Mitnichten. Zweieinhalb Stunden handlungslose Langeweile (Abbado-Aufnahme mit Francois Le Roux und Maria Ewing). Dagegen war der "Tristan" ja der reinste Actionthriller.
Jahre später las ich eine Kritik, nach der Karajan wohl die schlechterdings unüberbietbare Aufnahme des Werkes vorgelegt haben soll. Und tatsächlich: Es war noch gleichförmiger als bei Abbado.
Letztes Jahr habe ich mir die Einspielungen von Boulez, Cluytens und Désormière besorgt nebst der DVD mit Boulez/Stein. Bei den Aufnahmen mit Cluytens und Désormière konnte ich dem Werk allerdings mehr abgewinnen als bei Karajan.
Mittlerweile habe ich über Sekundärliteratur zumindest so viel verstanden, als dass man zum Verständnis des Werkes wohl erst einmal die Antennen entwickeln müssen, die für Maeterlincks Symbolismus empfänglich sind und die Werkzeuge, die die verwendeten Chiffren entschüsseln können (zumindest ahnungsweise): Das Schweigen der Mélisande im ersten Akt, das Lichtsignal vom Schiff, Sterben/Reise, der Brunnen, die Grotte, die drei Greise, der goldene Ball, die Geburt der Tochter und der Tod der Mutter usw. usw.
Vielleicht liege ich völlig falsch. Aber wenn jemand die Chiffren auflösen könnte (oder Denkanstöße geben könnte), wäre ich sehr dankbar! Bei dem Werk habe ich das Gefühl, völlig auf dem Schlauch zu stehen.
Gruß
MB