Die Detailzeichnung, die Harnoncourt bevorzugt, ist nicht jedermanns Geschmack, sie hemmt oft bewusst den (vielfach gewohnten und einer Erwartungshaltung entsprechenden) Fluss der Musik zugunsten neuer Blicke auf einzelne Nuancen von Kompositionen, auf (tiefen)psychologische Konstellationen bei dramatischen Werken bzw. auf eine gewünschte emotionale Neuerweckung bei wohlbekannten, vielfach durch Routine abgeschliffenen Werken.
Dies gehört aber auch zu einer sog. informierten Aufführungspraxis (bewusst vermeide ich hier den Begriff "historisch") dazu. Möglicherweise mag Harnoncourt die von Dir beschriebene Detailzeichnung seiner Lesarten bis in die frühen achtziger Jahre anders verstanden haben, als er es heute tut, was ihm ja von seinen Jüngern oder Denjenigen, die sich als solche verstanden wissen wollten, nachdrücklich zum Vorwurf gemacht worden ist. Harnoncourt spricht heute, wenn ich seine Äußerungen richtig deute (man möge mich gern korrigieren, wenn ich da falsch liege) von der völligen Relativität des Musizierens - recht so. Und um es noch einmal deutlich zu sagen, der frühe Harnoncourt ist mit demjenigen unserer Tage nicht mehr vergleichbar.