Schostakowitsch, Dmitri: Sinfonie Nr. 7 - "Leningrader"

  • Bei der CBS-Aufnahme aus New York von 1962 hat Bernstein Kürzungen vorgenommen.

    gerade habe ich in folgender Rezension :L:
    gelesen, daß Bernstein in seiner 62er Aufnahme ca. 40 Takte im ersten Satz gestrichen hat. In seiner 88er Konzertaufnahme mit dem Chicago


    Diese Information hätte ich gerne mal belegt, zumal ich sie in genanntem Artikel nicht finde.
    Höchst fragwürdig. Aber selbst wenn es stimmen sollte: Ich hab's nicht bemerkt, obwohl ich das Stück ganz gut kenne. Insofern hat Lenny wohl was richtig gemacht...ö

    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere.

  • Petrenko (NAXOS, 2012.DDD)

    Zwielicht ist wie ich der Meinung, dass man Hörerfahrungen nicht verstecken sollte - und bestimmt nicht, wenn es sich um interessante Neuaufnahmen handelt.

    Deshalb erlaube ich mir mal den Beitrag von Hans hierhin zu übernehmen und zur Diskussion mit einer gegenteiligen Meinung aus dem Hifi_Forum gegenüberzustellen:


    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang

  • So, So!

    Zitat

    Petrenkos neue Aufnahme der 7. reinzuhören

    Reinhören reicht eben nicht! Deshalb habe ich auch erst was geschrieben, nachdem ich mehrfach die Aufnahme komplett gehört hatte. Nur mal so reinluschern geht gar nicht! (Ich mache morgen beim "Fasten für den Frieden" mal ne Stunde aus Solidarität mit, um Maurenbrecher zu zitieren)
    Zitieren wir also jemand anders:

    Zitat


    The first movement opens broadly, the intensity already palpable. Taking full advantage of excellent sound and a wide dynamic range (crank up thevolume for this one), the central march and battle will have you sweating in your seat. - See more at: "http://www.classicstoday.com/review/petrenk…h.o65NHADL.dpuf"


    Mir gefällt es!
    Gruß aus Kiel

    Nachtrag: ich habe mal nachgeschaut. Ich habe Aufnahmen der 7. mit Toscanini, Eliasberg, Mravinsky, Ancerl, Kondrashin, Roshdestwensky, Berglund, Jansons, Barschai, Gergiev, Nelsons und eben Petrenko.
    Eliasbergs Aufnahme fällt ab, sie ist aber ein historisch wichtiges Dokument, ebenso die Aufnahme Toscaninis.
    Alle anderen Aufnahmen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, finde ich sehr gelungen.
    Besonders aber liegen mir Nelsons und Petrenko am Herzen, zeigen sie doch, dass DS auch in der Generation unter 40 angekommen ist, die hervorragende Einspielungen erwarten lassen. Im Übrigen war Mravinsky bei der Uraufführung der 5. auch knapp Mitte 30.

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Celibidache, Berlin 1946

    Ich habe gestern Nacht in die Aufnahme

    "

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    von Celibidache in Berlin mit den Philharmonikern vom Dezember 1946 gehört. Erstens ist die Klangqualität erstaunlich gut (auch wenn es mal Aussetzer o. ä. gibt). Aber auch die Interpretation klang mir weitaus interessanter als das, was man heutzutage sonst so auf CD bekommt. Abgesehen davon ist es ja historisch sehr interessant (Deutschlandpremiere, im Land des "Feindes").

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Ich habe gestern Nacht in die Aufnahme

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    von Celibidache in Berlin mit den Philharmonikern vom Dezember 1946 gehört.

    Danke für den tollen Tip!
    Diese Nachkriegsaufnahmen - ich denke, es wird sich auch hier um den Titania- Palast handeln- sind anscheinend auf Tonband aufgenommen worden.
    Es gibt viele solche Klangdokumente aus der Zeit direkt nach dem Krieg vom RIAS, und glücklicherweise ist die Klangqualität meistens überraschend gut.

  • Ich habe mich derzeit an der Leningrader überfressen. Zuletzt neu in meine Sammlung dazugekommen ist die Aufnahme von Konstantin Ivanov / Iwanow mit dem Sinfonieorchester der UdSSR, 1962. Tontechnisch weder gut noch schlecht, strahlte diese Interpretation einen Geist aus, der sich von den meisten doch eher routiniert-langweiligen Interpretationen überraschend abhebt. Immer einen Tick vorwärtsdrängend, Schnulzigkeit strikt meidend, in der Direktheit und Unerbittlichkeit etwas an Toscaninis Aufnahme erinnernd. Wenn mir mal wieder nach der Leningrader sein wird, werde ich wahrscheinlich diese Aufnahme aus dem Regal ziehen.

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Musik mitten aus der Zeit einer Diktatur und eines Weltkriegs! Eine Symphonie zum Thema Krieg allgemein, zum Thema Einmarsch der Deutschen nach Russland oder zum Thema Stalindiktatur? Mit Knulps toller Werkeinführung als Grundlage bin ich die letzten Abende ganz tief in dieses Werk eingetaucht. Hier meine persönlichen Höreindrücke zu den mir vorliegenden Aufnahmen, die ich erstmals so konzentriert und geblockt durchgehört habe:

     

    Die Aufnahme mit Mariss Jansons und den (damals noch) Leningrader Philharmonikern (als Solist ist Oleg Talipin, Fagott, genannt) entstand am 22. und 23.4.1988 im Konserthus von Oslo (gehört aus der EMI Box mit allen 15 Symphonien mit Jansons; Gesamtspielzeit 68:26 Minuten, Sätze 1 bis 4 25:54, 9:53, 16:22, 16:17). Indem sie die Gewalt des Werks klanglich exquisit etwas zurücknimmt und die friedlichen Abschnitte besonders schön ausspielt, ist sie wahrscheinlich „freundlicher“ als sie auch erklingen könnte. Nichtsdestotrotz entfaltet sie eine ungeheure Wirkung auf den Hörer. Die gewaltige Steigerung im ersten Satz vermag ich nicht als Trauermarsch zu empfinden, vielmehr als verführerisch mitreißend. Vom Orchesterspiel her eine faszinierend „geschliffene“ Aufnahme – was für Klangfarben da zu hören sind, unglaublich! Auch bei der Steigerung im Finale lässt Jansons eine unterschwellige Anspannung mitschwingen, ausgehend von der Ruhe des Beginns dieser Steigerung. Das ist total suggestiv. Jansons sagt in einem Gespräch im Begleitbüchlein zur CD Box, der abschließende, 20 Takte lange C-Dur Akkord bedeute nicht das Ende, der Kampf werde weitergehen.

    Leonard Bernstein spielte laut Humphrey Burtons Bernstein Biografie die Basstrommel bei der amerikanischen Erstaufführung der Symphonie in Tanglewood im Uraufführungsjahr am 14.8.1942 im Studentenorchester unter der Leitung von Serge Koussevitzky.

    Bernsteins wohl erste Aufnahme dieser Symphonie entstand am 22.12.1948 bei einem Konzert in der Symphony Hall in Boston mit dem Boston Symphony Orchestra. Dazu gibt es auch einen fast 25 Minuten langen Probenmitschnitt. (Beides enthalten in der Leonard Bernstein CD Box „Historical Recordings“, West Hill Radio Archives WHRA-6048.) Die Probe steigt (wie man aus Bernsteins Anweisungen mithören kann) vor Partiturziffer 34 des ersten Satzes ein und endet nach Partiturziffer 63 – das ist die Passage hin zum Höhepunkt der großen Steigerung und über diesen hinweg bis zum Fagottsolo. Bernstein unterbricht oft, er korrigiert Details, er lebt die Musik dabei leidenschaftlich mit, er singt Phrasen vor, man spürt, er ist von dieser Musik mit jeder Faser überzeugt, und er weiß genau, was er will.

    Bernsteins Gesamtspielzeit von 1948 unterschiedet sich kaum von der Jansons´- 69:35 Minuten (Bernstein) gegenüber 68:26 (Jansons). Die (teilweise gewaltigen) Unterschiede liegen in den einzelnen Sätzen (Bernstein: 26:43, 12:49, 15:41, 14:20). Die Aufnahme von 1948 hat einen „vollen“ Monosound, sie ist gut durchhörbar diesbezüglich. Für Bernstein ist dies 1948 Bekenntnismusik, und er dirigiert sie als Bekenntnisdirigent, die Identifikation überträgt sich (mir geht es zumindest so) auf den Hörer, der sich unweigerlich von der Musik extrem mitreißen lässt.

    Anfang und Ende des ersten Satzes nimmt Bernstein langsamer als Jansons. In die Steigerung geht er eine Spur deutlicher als der extrem leise, wie aus dem Nichts ansetzende Jansons. Die Flöte (Runde 2) spielt weicher, freundlicher, verhaltener, dafür wirkt das Zusammenspiel Flöte/Piccoloflöte (Runde 3) hier rauer, ungeschliffener. Dann eine Kürzung: die vierte Runde mit Oboe und Fagott ist gestrichen. Und bei der fünften (Trompete und Posaune) weicht die Interpretation von der Hauptmelodie ab und bietet stattdessen schon jene absteigende Tonfolge, die dann nach dem Rhythmuswechsel in Runde 12 zu hören sein wird. Zu Beginn der (wieder zur Hauptmelodie zurückkehrenden) Klarinetten/Oboe/Englischhorn Runde (6) lässt ein kurzer lauter, fremd wirkender Bläserakkord aufhorchen. Danach sind mir keine Kürzungen mehr aufgefallen. Ob die Kürzung und Veränderung mit der damals zur Verfügung stehenden Partitur oder mit bewussten Eingriffen Bernsteins begründet sind, konnte ich aus der mir zur Verfügung stehenden Literatur (Bernsteins Leben und Arbeit betreffend) nicht eruieren.

    Das Scherzo wird noch deutlicher verlangsamt und ersteht vor meinem inneren Ohr hier als große Trauerklage, die mir sehr nahe geht. Das Trio wirkt darin makaber, wie ein schauriges Ritual. Die außermusikalische Assoziation zum dritten Satz (danke Knulp, eine großartige Idee!) kehrt sich hier auch um – zum Gottesgericht, oder auch zu einem weltlichen Gericht. Der Mensch muss sich verteidigen, es ist wie eine Szenerie aus einem Historiendrama oder einem Monumentalfilm. (Das ist an sich oft das besonders Faszinierende an Schostakowitsch für mich: es sind unglaublich vielfältige außermusikalische Assoziationen möglich mit seiner Musik.) Der Finalsatz stachelt Bernsteins Sinn für leidenschaftliche Dramatik erneut an, er scheut auch vor Äußerlichkeit nicht zurück, kostet sie geradezu enthusiastisch aus, fast klingt´s wie Musik aus einem Hollywood-Schinken. Sofort einsetzender Applaus.

    Nach Konzerten mit der „Leningrader“ Symphonie (gespielt nach Bachs 6. Brandenburgischem Konzert) in der Philharmonic Hall in New York City am 11., 12., 13. und 14.10.1962 nahm Leonard Bernstein das Werk am 22. und 23.10.1962 ebendort mit dem New York Philharmonic Orchestra für Schallplatte auf (gehört allerdings aus der Leonard Bernstein Symphony Edition der Sony). Jetzt ist die Spielzeit auf 74:43 Minuten gestreckt (Einzelsätze 27:46, 13:51, 16:32, 16:34).

    Mich spricht ja der Klang verschiedener Aufnahmen Bernsteins mit den New Yorker Philharmonikern sehr an – nicht ganz so geschliffen wie andere Spitzenorchester, so irgendwie urtümlich (bei aller Konzentration). Da haben sie mich sofort. Doch die große Steigerung (Flöte ähnlich verhalten wie 1948, vierte Runde Oboe/Fagott erneut ausgespart, fünfte aber diesmal wieder mit der „Normalmelodie“) entwickelt sich hier ungleich mehr als Zirkusspektakel denn mit Aufmarsch- und Kriegsassoziationen für mich. Dadurch wirkt auch der Nachklang nicht wirklich „kriegsbetroffen“, vielmehr als freundliche Abrundung.

    Noch verblüffter bin ich beim Scherzo – völlig abgemildert gegenüber 1948, eine geradezu seichte Idylle, die dahinplätschert, und im Mittelteil erneut Spektakel oder Karneval. Im dritten Satz dann großes äußerliches Theater statt schicksalhafter Deklamation, statt Krieg im Mittelteil ein weiteres Spektakel.

    Und plötzlich dämmert mir: Warum muss ich mich von der Kriegsassoziation geradezu „widerwillig“ lösen? Die Musik zieht vorbei, und ob ich Krieg und Beklemmung dazu empfinde, liegt an der Einarbeitung, an der Entstehungszeit und an den Umständen der Entstehung, auch an der Prägung durch andere Aufnahmen. Vielleicht wollte Bernstein der Gefahr zu starker Suggestion bewusst ausweichen. Die Aufnahme entstand genau zur Zeit der Kubakrise, als ein neuer Weltkrieg drohte. Genau am 22.10.1962 informierte Präsident Kennedy in einer Fernsehansprache die Welt über sowjetische Raketen auf Kuba, er kündigte eine Seeblockade an und drohte mit einem atomaren Gegenschlag. Bernsteins nahezu scheuer und möglicherweise bewusst oberflächlich pompöser Umgang mit den Möglichkeiten des Werks im Oktober 1962 mag auch eine Anti-Position sein, eine Verweigerung.

    Alle sammeln sich im ersten Teil des Finalsatzes für das nächste Spektakel, und sie kriegen ihre Show, kunstvoll gesteigert ins Grandiose. Ein großes Zirkusspektakel, aber kein Kriegstriumph, ein Showhöhepunkt, kein militärischer Sieg. Die Aufnahme hat für mich etwas Hohles, Oberflächliches, und seltsamerweise höre ich dies, nun weiter denkend, aus der Sicht der Situation des 22.10.1962, auch als Qualität. Wobei ich diese Aufnahme (bei Bernstein bei mir selten) nicht unbedingt öfter hören möchte, im Gegensatz zur Jansons Aufnahme (und, vorausschauend, zur späteren Bernstein Aufnahme).

    Liest man die Spielzeiten von Leonard Bernsteins dritter Aufnahme dieser Symphonie, entstanden im Juni 1988 live in der Orchestra Hall von Chicago mit dem Chicago Symphony Orchestra (2 CDs DGG 427 632-2, Gesamtspielzeit 84:53 Minuten, Einzelsätze 31:10, 14:40, 19:25 und 18:52), so ist man auf die epische Breite eingestellt, die der Dirigent etwa auch in der Wiener Aufnahme der Schostakowitsch Symphonie Nr. 6 von 1986 auskostet. So wie ich es höre gelingt es Bernstein trotz dieser Ausdehnung, die Spannung stets zu halten. Im toll aufgefächerten Stereo-Orchesterklangbild entfaltet Bernstein die Symphonie wieder anders neu, ein ganz breites Eintauchen in diese Welt, wo also der Nachdruck des Forcierens völlig herausgenommen ist zugunsten extrem gezogener Innenspannung des Geschehens. Für mich ist diese Aufnahme keineswegs langatmig, sie ist kurzweilig, sie verkürzt die Realzeit sogar, weil Bernstein den Bogen bei aller Dehnung in allen vier Sätzen so intensiv spannt, dass man völlig aufgeht in der Musik und die Zeit ganz vergisst. Bei der großen Steigerung im ersten Satz spielt die Flöte wieder verhaltener als bei Jansons, und diesmal ist sogar die vierte Runde (Oboe/Fagott) dabei. Die gesamte Anlage ist subtil suggestiver als 1962, eben aus der permanenten Innenspannung heraus. Die gewaltige Musik hat Größe und Tiefe, etwa das sich verlierende Fagottsolo im ersten Satz. Der Schluss dieses Satzes scheint sphärisch zu entschweben, bevor sich der Marsch noch einmal kurz als Erinnerung meldet.

    Von Aufnahme zu Aufnahme senkt Bernstein beim zweiten Satz das Geschehen in Richtung Zeitlupe, aber die fein schattierten Klangfarben und die berückende Innenspannung bewahren den Satz 1988 souverän vor dem beiläufigen Plätschern von 1962. Hier erscheint mir die Mahler Nachfolge besonders stark spürbar, sowohl die Schostakowitschs als auch die Bernsteins.

    Der dritte Satz entfaltet sich als großes Schicksalsdrama, sich teilweise in endlosen Weiten verlierend, in ein Irgendwo des Seins. In epischer Größe ersteht auch der breit aufgebaute apotheotische Finaltriumph. Eine fast mystische, weihevolle Verklärungsstimmung erfüllt mich mit diesen Klängen.

    Mag sein diese Aufnahme wird den Intentionen des Komponisten in ihrer epischen Breite nicht gerecht. Aber sie hat eine Aura des Besonderen, nahezu eines Denkmals, eines überzeitlichen Postulats. Man muss sich halt dafür ganz auf sie einlassen. Dann vergisst man alles um sich herum und kann eintauchen in eine völlig eigene, vielschichtige, auch aufwühlende, aber vor allem große Welt. Ich werde die Aufnahme gelegentlich gerne wieder hören.

    Mein Fazit: Für Schostakowitschs „Leningrader“ habe ich die Jansons Aufnahme (und denke ich vor allem andere große russische Aufnahmen mit). Bernstein hat 1948 emotional aufgewühlt, 1962 den Krieg zugunsten eines Showspektakels verweigert und 1988 ein breites Mysterium entworfen. Was für ein Weg mit einem einzigen Werk…

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Dann eine Kürzung: die vierte Runde mit Oboe und Fagott ist gestrichen. Und bei der fünften (Trompete und Posaune) weicht die Interpretation von der Hauptmelodie ab und bietet stattdessen schon jene absteigende Tonfolge, die dann nach dem Rhythmuswechsel in Runde 12 zu hören sein wird. Zu Beginn der (wieder zur Hauptmelodie zurückkehrenden) Klarinetten/Oboe/Englischhorn Runde (6) lässt ein kurzer lauter, fremd wirkender Bläserakkord aufhorchen.


    Danke für die Nennung der Stellen, um die ich oben einmal gebeten hatte!
    Jetzt ist mir auch klar, warum ich so verblüfft war - ich kannte die Aufnahme von 1948 nicht. Und die späteren sind, wenn ich dich recht verstehe, ungekürzt.
    :wink:

    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere.

  • Eine vielleicht gar nicht so schlechte Interpretation (mir fehlen die Vergleiche), ein vom hr-Symphonieorchester hochgeladenes Konzert mit Marin Alsop vom April dieses Jahres:

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    Der 1.Satz kommt schon sehr intensiv rüber, aber wie gesagt, ich kann Schost. nicht allzuoft hören und deshalb fehlt mir definitiv der Bezugsrahmen anderer Aufnahmen.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • An Alberich: Wie oben vermerkt, ist bei der Bernstein Aufnahme von 1962 genauso wie 1948 die "vierte Runde" mit Oboe/Fagott nicht enthalten. Erst die Aufnahme von 1988 bringt "alle Runden".

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Hallo zusammen,

    die BBC hat für einen Film noch einige Mitwirkende der Uraufführung versammelt, vielleicht ist das für den einen oder anderen interessant:

    "http://www.theguardian.com/music/2016/jan…h-symphony-no-7"
    "http://www.bbc.co.uk/mediacentre/pr…ngrad-orchestra"

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Bernstein und Schosatkowitsch , das ist eine sichere Bank. Ich höre diesen Komponisten sehr gerne, weil er es versteht moderne Tonsprache mit klassischen Formen zu verbinden. Die 7. die Leningrader ist persönlich ein Gipfelpunkt in dem Wirken des Komponisten. Bei You Tube kann man eine Reihe von Interpretationen finden. Ich habe zunächst eine mit Jansons gehört. Mit dem Concertgebouw Orchester Amsterdam. Wie bei Jansons immer üblich überzeugt diese Aufnahme von einem guten runden Orchesterspiel. Jansons ist ein Dirigent, der einen prinzipiell weichen Klang mit ruhigen fließenden Tempi preferiet, keine Unsauberkeiten, er steuert ein hervoragendes Amsterdamer Orchester sicher durch diese Riesenpartitur, allerdigs ist er mir ein wenig zu brav. Wo bei Bernstein sind, was holt er aus diesem Werk, mit dem CSO seines Erzrivalen Solti heraus, eine Aufnahme der einsamen Spitzenklasse, man leidet, man hofft mit der Leningrader Bevölkeurng so richtig mit, packender kann man dieses Werk nicht spielen, Das CSO bei Mahler oder den modernen Russen zu loben heißt Eulen nachAthen tragen. Man merkt gar nicht das Bernstein mit 84 Minuten am langsamsten ist

  • RE: Bernstein und Schostakowitsch

    Hallo Eifelkrieger,

    angesichts meiner zahlreichen Aufnahmen habe ich die Sinfonie Nr.7 in der Aufnahme mit dem CSO (DG) nie kennengelernt, bzw. nicht für unbedingt nötig gehalten. Die mit den New Yorkern wollte ich wegen der Kürzung nicht haben !
    Trotz seines oftmaligen Missverständnis für das Doppelbödige schätze ich auch Bernsteins Schostakowitsch-Aufnahmen sehr, :thumbup: weil er Emotion pur entfacht - ;) und das ist genau das was ich brauche.
    Sicher geht die CSO-Aufnahme der Leningrader (DG) auch in diese Richtung, wie man Deinem begeisterndem Beitrag ja entnehmen kann.

    *** Ich möchte aber mal Edwins Beitrag von 2007 über Bernsteins Schostakowitsch-Sinfonien allgemein zur Überlegung geben, der auch für Alexander interessant sein dürfte:



    Die ist ein furchtbares Mißverständnis!
    (Ja, auch der Lennie hat hin und
    wieder Mist gebaut - zum Unterschied von gewissen anderen, die meistens Mist
    gebaut haben, nur hin und wieder nicht.)
    Bernstein hat absolut kein Gefühl für den doppelten Boden, für ihn ist Pathos eben Pathos. Und so dirigiert er
    Schostakowitschs Symphonien, als wären sie Auslassungen eines Roy Harris, also
    nationalistisches Klangtheater, nur halt russisch statt amerikanisch.
    Bei all meiner sonst eher unreflektierten Liebe zu Bernstein - aber bei Schostakowitsch
    ist er nicht ansatzweise die erste Wahl.

    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang

  • Mit Bernstein und Jansons im Ohr habe ich Petrenko mit dem Royal Liverpool Orchestra gehört. Eine wiederum andere Leseart. Weder symphonisch süffig romantisch wie Jansons noch expressiv dramatisch wie Bernstein,, Petrenko sieht diese Symphonie als einen orchestralen Reißer, und so führt er das fulminant aufspielende Orchester zu einer Tour de Force, das die Wände wackeln. Eine empfehlenswerte Darstellung

  • Hier auch nochmal der Hinweis auf das Full-HD Video

    "

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    mit dem HR unter Marin Alsop in der Alten Oper. Ich finde die Darbeitung sehr gelungen. Die Flöte, und ganz besonders die Tuba, sind hervorragend. Mitreißendes Dirigat. Wenn ich gezwungen würde, etwas zu kritisieren, dann würde ich sagen, dass manchmal die Pauken etwas prägnanter (brutaler) hätten sein können. Ist aber okay.

    EDIT: Sehe gerade erst, dass philmus weiter oben schon auf dieses Video hingewiesen hat.

    maticus

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                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Da ich mich in letzter Zeit wieder mehr für die Siebte interessiere, habe ich mir auch die Aufnahme Vasily Petrenkos zugelegt. (Jetzt fehlt mir, glaube ich, nur noch die Achte aus dem Zyklus.)

    Passt gut in das Gesamtbild dieser äußerst gelungenen GA der Sinfonien von Schostakowitsch. Positiv finde ich auch, dass der Schlußakkord schön in die Länge gezogen wird. Das fand ich bei der ansonsten passablen Aufnahme von Jansons mit den Leningradern (damals chronologisch meine 2. CD zu Schostakowitsch überhaupt!) immer etwas enttäuschend, wegen der Kürze, etwa auch im Vergleich zu Haitinks GA-Einspielung. Leider muss ich mich momentan mit den mp3-Daten begnügen; erst in einer paar Monaten werde ich die neue CD auf meiner Anlage hören können (die Nachbarn werden sich freuen). Ich denke mal, dass sie dann noch gewaltiger wirkt.

    Im Zuge dieses erwachten Interesses bin ich auf ein interessantes Buch gestoßen:

    An neuen Büchern über die "Leningrader" scheint es ja nicht zu mangeln. Allerdings finde ich schon, dass ihre Geschichte und ihre weltweite Rezeption so ungewöhnlich sind, dass sie die Aufmerksamkeit nach wie vor verdient hat. M. T. Andersons Buch liest sich wie ein Roman, ist aber eine gute recherchierte Biographie, die weit ausholt, bevor sie zur Siebten kommt. So lese ich gerade spannend geschriebene Abschnitte zu Schostakowitschs Kindheit und der Revolution. (Deswegen höre ich mir gerade auch die Zwölfte an, natürlich von V. Petrenko ;)

    maticus

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  • Ich meine ohne niemanden nahe treten zu wollen, dass die Leningrader von vielen Dirigenten viel zu harmlos dirigiert wird (Jansons, Nelsons) das was sich da abgespielt hatte war aus aushungern um jeden Preis. Aushungern, damit der Otto Normaldeutsche sich ein schönes Heim dann nach dem Tode des Gegners sich leisten konnte (das dritte Reich war eine Gefälligkeitsdiktatur für alle ). Hitler wollte von Beginn an die Russen vernichten, um für uns schönes Land zu gewinnen. die Wehrmacht war in der Tat die beste weil brutalste Armee der Welt,sie hatte nur ein Ziel gegenüber den Russen töten, töten töten, und wie wir aus den Märtyrergeschichten kennen geschiet das Töten der Menschen auf sehr mannigfaache Art und Weise. Nun die Deutschen wollten Leningrad aushungern, und der ausgeflogene Komponist schreibt eine Symphonie darüber, und ich sehe beim Marsch den Einmarsch der Deutschen ein Millionenheer von Kampfmaschinen , und in dem Marsch da gehe ich in zu Maxim ( Hitlerslieblingslied aus seinem Lieblingsmusikstück zu verwendenden) höre ich die Monotomie des Tötens .
    Und die Sätze 2-3 sind das Leben der Menschen im ausgehungerten Leningrad einerseits und andererseits in den Mittelteilen die deutschen Besatzter, den schneewalzer tanzen wir ein altes deutsches Volkslied während die einen hungern, feiern die anderen Partys, und dieses Lied wr bei den Wehrmachtlern damals ein Gassenhauer, heute hätte D.SCH. bestimmt einen WendlerMallorcasong karrikiert :ironie1: , den Deutschen ging es in Russland so wie es heute in Mallorca Ballermanntouristen geht, und sie spielten Shopping Queens der Guido :ironie1: von damals war der Adolf. (den Rubel werteten die um sagenhafte 470%ab). Götz Aly hat das mit einer Beweisführung von messerscharfer Präzision untermauert (Hitlers Volksstaat) Und D.SCH beschrieb das so , wie es wirklich war. Das ist keine Millitrglorifizierung sondern ein Mutmachen, und der Sieg kam. Es ist nur einem mutigen Manne wie Roosevelt und dem Kampfgeist der Russen (die größte Notwehrleistung der Menschsheitsgeschichte), dass das Aushungern nicht vollends gelang.
    Und dieses emotionale Werk braucht Bernstein wie die Luft zum atmen. Eine Aufnahme wie Klemperers Mozartsymphonien und die 2. Elgar mit Sinopoli, die alles in den Schatten stellt. Auch hat Bernstein mit dem CSO das damals in den 80ern und 90ern auf jeden Fall beste Orchester der Welt :spock1: :spock1: :spock1: Also eine perfekte Wiedergabe

  • Und noch ein klarer Nachtrag gefällig Warum schreibt D SCH einen Marsch über Hitlers Lieblingslied, aus seinem Lieblingsmusikstück. Natürlich weil aus mehreren Intentionen, das Lächerlich machen eines Diktators, ein simples Thema nur gestiegert durch crescendi und ausdissonanzen (das Gegenteil ist austerzen und Sexten) , also er sieht Hitler als einen Mann, der nur daruf aus ist zu töten. Und dass die Deutschen Invasoren nur Tod brachten, zeigt sich an der verwendung des Xylophons quasi als Karrikatur des Glockenspiels, normalerweise das Melodieinstrument in der deutschen Marschmusik.
    Da gehe ich zu Maxim. Für die deutschen oder besser gesagt die Aly Deutschen, war das die "Reise" nach Russland ein Ausflug zu Maxim, als Sinnbild eines schönen Urlaubs, wo sie sich alles nehmen konnten. Die "lustigen" Witwen, der von ihnen industriell gemordeten Russen besonders. Und D SCH hat mit diesem Marsch Hitler und die deutschen Urlauber geradezu perfekt entlarvt

  • Es mag sein, dass jede vereinfachende Interpretation, die simpel nach dem Schema "X bedeutet immer Y" arbeitet, der Größe Schostakowitschs nicht in allen Punkten gerecht wird.

    Womit ich nicht gesagt haben will, dass irgend jemand hier dem Komponisten unterstellt hätte, dass er so ein einfaches Schema benutzt hätte.

    Wir hatten die Diskussion mal bei der Interpretation des Finales des Fünften - erzwungener Jubel, offener Jubel, vorgetäuschter Jubel, ...?

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ob die Kürzung und Veränderung mit der damals zur Verfügung stehenden Partitur oder mit bewussten Eingriffen Bernsteins begründet sind, konnte ich aus der mir zur Verfügung stehenden Literatur (Bernsteins Leben und Arbeit betreffend) nicht eruieren.

    Ich dachte immer, das wäre dem LP-Zeitalter geschuldet gewesen. Bernstein wollte den 1. Satz auf eine LP-Seite pressen, oder so ähnlich.

    maticus

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    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
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