Schostakowitsch, Dmitri: Sinfonie Nr. 7 - "Leningrader"

  • Ich habe mir gestern erstmal die CD mit Nelsons/CBSO (mit der Siebten) bestellt und werde sie mir dann anhören. Ob mich dann noch eine dritte Aufnahme davon mit Nelsons interessieren wird, bleibt abzuwarten. (Ähnliches gilt für Petrenko.) Muss aufpassen, dass ich allmählich nicht die Übersicht verliere. :schwitz1:

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Unter a) dem Eindruck der Currentzis- Interpretation und b) der Diskussion im eben-gehört-Faden (DSCH ohne politischen Hintergrund) folgende formale Fragen in die Runde: Der Kopfsatz ist doch ein Sonatensatz, nicht wahr? Knulp deutet das mit dem Begriff "Exposition" in der Werkbeschreibung an. Ich denke, das lässt sich angesichts der beiden im Charakter sehr unterschiedlichen Themen des ersten Abschnitts auch gut vertreten. Diese beiden Themen erscheinen nach der sog. Invasionsepisode auch in variierter Gestalt, quasi gebrochen, wieder. Diesen Abschnitt würde ich dann als Reprise auffassen.

    Die Invasionsepisode wäre demnach die Durchführung. Vielleicht ist das Maxim-Thema ja eine karikierte Version des ersten Themas, ich habe mir zumindest eingebildet, das so zu hören, aber rhythmisch, vom Charakter wie auch von der Stereotypie ist der Abschnitt mit den Variationen des Piefke-Themas ja doch etwas Neues.

    Gibt es ähnliche gelagerte Beispiele vor der Leningrader? Ein Sonatensatz mit einer Durchführung, in der in Variationsform ein neues Thema verarbeitet wird? Ich kenne keines. Ihr?

    Man könnte sicher streiten, ob dieser Satz ein Sonatensatz ist. Ein neues Thema nach einem ersten Durchführungsabschnitt, das dann ebenfalls "durchgeführt" wird (wenn auch nicht besonders ausführlich) gäbe es im Finale von Beethovens 9., nämlich die "Seid umschlungen"-Strophe in g-moll, nachdem schon B-Dur als 2. Tonart und das Orchesterfugato als eine Art Durchführung vorgekommen sind. Ähnlich lange Sätze von zB Mahler, in denen evtl. auch recht spät im Verlauf neue Themen auftreten, habe ich nicht genügend präsent, um ähnliches zu finden.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Man könnte sicher streiten, ob dieser Satz ein Sonatensatz ist.

    Ja, sicher. So richtig ins Konzept passt da wohl nur die "Exposition".

    Mahler läge allein schon von den Dimensionen nahe, und wenn man an DSCH 6, 8 oder 10 denkt, drängt sich wegen der langsamen Kopfsätze in diesen Fällen vielleicht auch M 9 als entferntes Vorbild auf. Aber eine ähnliche Anlage wie der Kopfsatz von DSCH 7? Da fällt mir bei Mahler nichts ein.

  • In den letzten Tagen habe ich mich mit meinen Aufnahmen der 7.Sinfonie beschäftigt . Das Konzert mit den Leningradern unter Karl Eliasberg aus 1964 hat - wie Doc Stänker so richtig bemerkte - einen sentimentalen Anteil , ist aber gerade unter Berücksichtigung der Historie eine hörenswerte Einspielung . Dann gibt es bei mir noch die im September 1957 im Studio entstandene Interpretation von Karel Ancerl und den Tschechischen Philharmonikern , in Mono . Sehr intensiv , und ich weiß schon , wofür ich die Tschechen liebe . Und nochmal das selbe Orchester , nun 1974 und mit Vaclav Neumann am Pult . Andere Lesart , vorzüglich gespielt . Zwischen den beiden Tschechen liegt zeitlich noch die Liveaufnahme aus der Kongresshalle Leipzig , mitgeschnitten bei einem Konzert am 16.Mai 1972 des Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig unter der beeindruckenden Leitung von Herbert Kegel . ( Dieser Dirigent überrascht mich immer wieder , denn neben Aufnahmen , die mich überhaupt nicht erreichen , gibt es immer mal wieder eine , mit der er mich "umhaut". Bei Schostakowitsch war dies sein Stepan Razin, und nun noch diese 7. ). Abgesehen von der ersterwähnten Eliasberg-Einspielung sind meine weiteren Aufnahmen nicht von russischen Dirigenten . Irgendetwas haben alle 3 gemeinsam - obwohl jeder seine individuelle Handschrift hat - was mich so anspricht und weshalb ich sie anderen Aufnahmen vorziehe . Nur was ist es genau ? Das feinnervige , auf Vordergründiges verzichtende ? ( Nachdem mein Player kein Oversampling mehr hat , klingt Kegel aufregend gut ) .

    Für Eliasberg fand ich bei amazon.de keine Abbildung . https://www.youtube.com/watch?v=cXXbomx3610&t=0s

    Die Studio-Aufnahme ist hier dabei : https://www.youtube.com/watch?v=qfqkrFDmRxk


    https://www.youtube.com/watch?v=hZq4p_mnu3A


    https://www.youtube.com/watch?v=v-S4Nd0ItcE

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • die im September 1957 im Studio entstandene Interpretation von Karel Ancerl und den Tschechischen Philharmonikern

    Oh, ja, eine vorzügliche Aufnahme:
    Ebenfalls in dieser Qualitätsklasse sind seine Interpretationen der 1., der 5. und der 10.
    Sssünde, wie der Flensburger sagen würde, dass diese Aufnahmen hinter dem "eisernen Vorhang" jahrzehntelang quasi verborgen blieben,
    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Gerade auch wieder Ancerl gehört mit der 7., schon eine klasse Aufnahme. Dann habe ich aber noch einmal den letzten Satz mit Lenny in Chicago gehört und muss sagen: da kommt kein Orchester der Welt heran an die Power, die hier aufgefahren wird.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Dann habe ich aber noch einmal den letzten Satz mit Lenny in Chicago gehört und muss sagen: da kommt kein Orchester der Welt heran an die Power, die hier aufgefahren wird.

    :thumbup: In der Tat eine Aufnahme, die ich auch ganz oben ansiedeln würde, lieber Lutz.
    Aber was Power und Aussagekraft angeht, steht Swetlanow dieser kaum nach:


    WARNER, 1978 (7.), ADD

    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang

  • Aber was Power und Aussagekraft angeht, steht Swetlanow dieser kaum nach:

    Lieber teleton , du schreibst von der '78 Aufnahme . In diesem Fall bin ich der Meinung Michael Schlechtriems : die Studioaufnahme aus 1968 ist deutlich vorzuziehen . Ja, ja , die 68er . Die müßte dir doch auch mehr gefallen ?

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Dann habe ich aber noch einmal den letzten Satz mit Lenny in Chicago gehört und muss sagen: da kommt kein Orchester der Welt heran an die Power, die hier aufgefahren wird.

    Da stimme ich voll zu! :top:

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
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                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • RE: Swetlanow 1968

    In diesem Fall bin ich der Meinung Michael Schlechtriems : die Studioaufnahme aus 1968 ist deutlich vorzuziehen . Ja, ja , die 68er . Die müßte dir doch auch mehr gefallen ?

    Ja stimmt, lieber b-major,

    aus klangtechnischen Gründen greife ich daher auch gerne zu Swetlanows späteren Leningrader (Warner, 1978)..
    :thumbup: Aber stimmt, die straffere Aufnahme von 1968 liegt mir auch mehr ... nur klanglich ist die leider nicht so umwerfend, was bei mir schon ein sehr entscheidender Fakor ist.

    Zitat von teleton von 2012

    Fazit:<br style="box-sizing: border-box; color: rgb(15, 17, 17); font-family: &quot;Amazon Ember&quot;, Arial, sans-serif; background-color: rgb(255, 255, 255);">Swetlanows interpretation ist ausgezeichnet, aber die "mrawinskyähnliche" Klangtechnik stört mich dann doch gewaltig. Und sein zügigerer Zugriff in seiner 68er-Aufnahme (Eurodisc-LP) hatte mich als meine Erstaufnahme ebenfalls doch mehr begeistert. Das "majestätische zurücknehmen des Tempos in der Final-Coda" wie hier LIVE 1978, kommt bei mir weit weniger gut an.<br style="box-sizing: border-box; color: rgb(15, 17, 17); font-family: &quot;Amazon Ember&quot;, Arial, sans-serif; background-color: rgb(255, 255, 255);"><br style="box-sizing: border-box; color: rgb(15, 17, 17); font-family: &quot;Amazon Ember&quot;, Arial, sans-serif; background-color: rgb(255, 255, 255);">Ich höre die Sinfonie und das Finale lieber so flott wie bei Kondraschin / Moskauer PH (Melodiya/AULOS): 26:28 - 10:33 - 16:40 - 17:27,<br style="box-sizing: border-box; color: rgb(15, 17, 17); font-family: &quot;Amazon Ember&quot;, Arial, sans-serif; background-color: rgb(255, 255, 255);">oder den vorbildlichen Glücksfall, dass Roshdestwensky / SO des Kultusmin der UDSSR (Eurodisc, 1988, DDD) die mit allen Details liefernde Digitalklangtechnik zur Verfügung hatte: 27:28 - 10:50 - 17:08 - 20:31; 4.Satz auch sehr auszelebriert (aber wie !!!).

    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang

  • nur klanglich ist die leider nicht so umwerfend, was bei mir schon ein sehr entscheidender Fakor ist.

    Ich habe die 78er Live nicht mehr im Ohr , aber das sie klanglich besser als die 68er Studio-Aufnahme war , erinnere ich nicht . Es war noch die Stockholmer im Spiel , aber zur Studioeinspielung gab es für mich keine Alternative . - Apropos live - du zeigst ja immer das Bild der Warner Doppel-CD mit den Sinfonien 1 , 5 & 7 an : du weißt sicherlich ,daß die 5 nicht live aus 1970 ist , sondern tatsächlich die Studioaufnahme aus 77/78 ?

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  • Ich zitiere mich mal ganz frech selbst aus "Eben gehört".

    Das erste mal gehört und kennengelernt habe ich die Leningrader mit Mariss Jansons und den Leningrader Philharmonikern, auf EMI, muss 1995 gewesen sein¹. Es dauerte nicht lange, bis ich das Gefühl bekam, an manchen Stellen könnte es besser sein. So fand ich manche Stellen aus der Haitink-Box der DSCH-Sinfonien besser (etwa der lang gezogene Schlussakkord). Naja, inzwischen habe ich eine stattliche Anzahl von Aufnahmen, ich kann im Moment gar nicht sagen, welche ich nun deutlich besser finde. Habe auch nicht alle auf dem Schirm. Eindrucksvoll fand ich Ashkenazy mit dem gleichen Orchester, das dann St. Peterburger Philharmoniker hieß. Wuchtiges Schlagzeug, allerdings auch recht geschlossenes Klangbild. Erst spät bin ich zu Bernstein mit dem CSO gekommen, und das ist wohl seitdem meine Lieblingsaufnahme. Generell habe mich von Mariss Jansons Schostakowitsch Aufnahmen mit dem Symphonieorchester der Bayrischen Rundfunks mehr beeindruckt als die früheren Aufnahmen mit anderen Orcherstern. Und so empfinde ich das nun auch hier bei der heute erhaltenen Leningrader (wie auch z. B. bei der Zehnten). Gefällt mir sehr gut, könnte ein würdiger zweiter Platz nach Bernstein/CSO für mich sein. Ich denke, die Klangqualitätist ist sehr gut. Allerdings habe ich die CD heute nur auf dem Laptop gehört, ohne Kopfhörer (weil ich momentan etwas lärmempfindlich bin). Auch ein lehrreicher Booklet-Text. Sehr schön!

    ¹Ich erinnere mich an ein Vergleichsreinhören im Klassikpavillon (JPC) auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz in Hamburg, den es leider schon lange nicht mehr gibt. Verglichen hatte ich Jansons mit Haitink/LPO. Hatte mich dann für Jansons entschieden, weil das psychologisch irgendwie hipper und authentischer (Leningrader Phil.) wirkte. Die Decca-Box kaufte ich dann wenige Wochen später bei 2001...

    maticus

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  • Ein schönes "Footage", der weltgewandte Bernstein und der schüchterne Schostakowitsch. Der wohl denkt "Oh Shit, was will der jetzt von mir?"

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    maticus

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