• Ob sich ein Musiker als "Diener" des Werks sieht oder ob der die Partitur als "Material" betrachtet, ist eigentlich völlig egal. In beiden Fällen schaffen sie ein eigenes Werk. Das kann ähnlich zu dem sein, was sich der Schöpfer der Partitur ausgedacht hat, oder auch davon abweichen.

    Das sehe ich ebenso.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Selbstverständlich ist eine Partitur ein Kunstwerk

    Lieber Thomas.
    ich geben Dir dahingehend Recht, wenn es sich darum handelt, dass man
    in der Lage ist, diese Partitur zu LESEN und sich IMAGINÄR all das, was in der
    Partitur geschrieben und vorgegeben ist, vorzustellen.
    So als Idee fix.
    Viele Musiker können das, aber ich z.B. nicht.
    Damit meine ich eine Orchesterpartitur wie z.B. von Wagner Opern.
    Kammermusikpartituren kann ich selbstverständlich lesen und spiele auch immer wieder aus der Partitur im Quartett z.B.
    Das ist jetzt nicht das Problem.
    In einem kleinen Rahmen bewege ich mich durchaus im Partiturspiel, aber nur dort.

    Ich bin hin und hergerissen, ob ich mich als "Diener" oder "Nachschöpfer" betrachte.
    Letzteres kommt für mich eher hin.
    Und zwar nur als zufälliger "Nachschöpfer" .
    Die allermeisten Komponisten,von welchen es Tondokumente gibt-also von Komponisten des letzten Jahrhunderts- sind fast zu 100% Nachschöpfer Ihrer eigenen Werke und halten sich nicht an Ihre eigenen Partituren.

    Will sagen, ich habe eine schriftliche Vorlage, die im besten oder durchaus auch schlechtesten Sinne sehr genau formuliert wurde vom Komponisten, aber im Grunde doch nur eine Momentaufnahme darstellt oder einen Vorschlag.Im Grunde ist da gar nichts in Stein gemeißelt.

    Nun gebe ich mir zwar Mühe, dies alles so gut es geht zu verinnerlichen, zu suchen, zu analysieren, mir eine Klang und Formvorstellung zu machen.

    Aber bei einer Live- Aufführung gibt es außerdem noch solch viele Faktoren, welche einem da Schwierigkeiten machen,
    und welche die jeweilige Interpretation massiv beeinflussen:

    Die Größe des Saales,
    die Akustik,
    die Raumtemperatur,
    die Luftfeuchtigkeit,
    die Beleuchtung(!!!!sehr wichtig, nicht umsonst spielte Richter am Ende in völliger Dunkelheit, nur die Tastatur war beleuchtet) ,
    die allgemeine seelische Verfassung,
    die Nervosität;
    das Fehlen von Nervosität(!)
    die individuelle Gesundheit zum Zeitpunkt der Aufführung,
    die zeitbedingt durchaus sehr schwierige Geschmacksvorstellung des Publikums,welche man irgendwie dann doch bedienen möchte oder eben nicht, und damit klar kommen muß,
    der Zustand des jeweiligen Instrumentes(besonders schwierig für Pianisten,welche sich immer wieder mit irgendwelchen "Gurken" herumplagen müssen),

    Meiner Meinung obliegt es dem Interpreten, was er aus der jeweiligen Situation macht.
    Die Partitur ist da nur eine Vorlage.
    Es gibt furchtbar schlechte Darbietungen wirklich bedeutender Werke bedeutender Komponisten von bedeutenden Interpreten,(Gould z.B. mit Mozart,sorry! ), und absolut erstklassige und das Werk bedeutend besser erscheinen lassend, als es eigentlich ist(Khatchaturian Konzert mit Kapell z.B.)

    Die Partitur alleine reicht also normalerweise nicht.
    Es wird auch jemand benötigt, der das, was da geschrieben wurde, so aufführt, dass es berührt und ankommt.

    Und da gibt es halt zig Möglichkeiten, das zu tun.
    Das ist ja gerade das spannende an unserem Beruf!

    Und das möchte ich nicht missen.
    Insoferne, bei all diesen sehr vielen Möglichkeiten, wie man sich diesem Thema nähert,
    ist der Threadstart mit seiner Frage im Grunde schon vom Anfang her als Dauerschleife verloren.

  • P.S,

    Allerdings:
    Bei z.B. der Tzigane mit P.K. hört es für mich dann auch auf.
    In dem. was ich eben schrob, ging es um Unterschiede in der Interpretation, welche sich naturgemäß ergeben.
    Aber nicht um eine Vergewaltigung aus irgendwelchen Gründen, welche mich nicht interessieren und welche ich als Musiker ablehne.
    ;)

  • Will sagen:
    Wenn ein Interpret etwas völlig tolles mit neuen Ideen im Rahmen der Vorlage(Partitur) erschafft, dann bin ich ganz bei Ihm.
    DAS ist immer noch in diesem doch großem Feld der Interpretation erwünscht und gefordert.

    Aber wenn sich ein Interpret total über den Notentext erhebt, diesen sozusagen links liegen läßt und
    nur noch SEINE/IHRE Idee davon übrig läßt, dann ist bei mir Ende Gelände.
    Denn das ist dann eben nicht mehr "das Werk" für mich.

  • Das sehe ich ebenso.


    mir ist schon klar, daß sich der "Diener am Werk", "Werktreue" mit heutigen Ohren ziemlich als aus der pathetischen Kiste (in zugegeben leicht provokativer Absicht) geholt anhört. Letztlich ist es aber nur der Hinweis auf eine Funktionsbestimmung.

    Ein Adorno verschmähte den Anklang nicht, wenn er Interpretationsanalysen unter dem Tiel "Der getreue Korrepetitor" veröffentlichte.

    In versachlichter Sprache geht der Titel seiner Aufzeichnungen zum Thema "Zu einer Theorie der musikalischen Reproduktion" in dieselbe Richtung, und wohl kaum irgendwo sonst wurde über die Funktion des Interpreten so weitgehend nachgedacht.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • ich möchte an dieser Stelle doch noch kurz eine Anmerkungen zu Kopatchinskaja machen.

    Wie schon gesagt, halte ich Christians Darstellung dessen, was sie bei der Tzigane macht im Verhältnis zum Notentext, für völlig richtig.

    Ich bewerte das in diesem Fall allerdings etwas anders, u. zwar in der Richtung, die Ecclitico mit dem Stichwort "Picasso" angesprochen hat. Es geht ihr um Verfremdung, und die ist von einer stümperhaften Darstellung erstmal zu unterscheiden. Die Verfremdung m.E. hat auch nicht (wie es teils interpretiert wird) das Ziel, das "als Material verwendete Kunstwerk" (davon darf man in solch einem Fall m.E. ruhig sprechen) "aufzufrischen, sondern es geht wirklich um neuartige musikalische Wirkungen, was die Zerstörung von alten mit einschließen kann. Allerdings ist sie da für mein Empfinden viel zu zahm, z.B. das Orchester müßte mit einbezogen sein. Sie tritt eben nicht nur als Interpretin, sondern auch in Personalunion als Komponistin auf und unterliegt damit entsprechenden Maßstäben. Oder kurz gesagt, wenn schon Zerstörung, dann auch richtig.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Seine 'Appassionata' ist das erste Werk, dass ich jemals mit ihm gehört habe

    ... die Auffassung von der Interpretation als eigenes Kunstwerk, das ein anderes Kunstwerk verwendet, ist ja anscheinend schon ziemlich internalisiert! :D :D :D

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Das sehe ich ebenso.

    Ich nicht. Was der "Schöpfer der Partitur" sich "ausgedacht" hat, ist: eine Partitur. Die ist aber kein musikalisches Ereignis (ein rundum passendes Wort dafür gibt es nicht), kann also nicht "auch davon abweichen", sondern ist prinzipiell etwas anderes. Aber wurde ja eigentlich schon alles gesagt.

  • kann also nicht "auch davon abweichen", sondern ist prinzipiell etwas anderes

    was kreidest du der Kopachinskaja-Tzigane dann eigenlich an?

    Aber wurde ja eigentlich schon alles gesagt

    aber offenbar noch nicht alles hinreichend verstanden - von mir jedenfalls nicht.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Ich nicht. Was der "Schöpfer der Partitur" sich "ausgedacht" hat, ist: eine Partitur. Die ist aber kein musikalisches Ereignis (ein rundum passendes Wort dafür gibt es nicht), kann also nicht "auch davon abweichen", sondern ist prinzipiell etwas anderes. Aber wurde ja eigentlich schon alles gesagt.

    Du betreibst Wortklauberei. Der Schöpfer hat sich keine Partitur ausgedacht, sondern ein musikalisches Werk. Die Partitur ist die Niederschrift desselben. Wenn du weiter Haare spalten willst, kannst du auch sagen, ein Roman ist kein Kunstwerk, weil es ja nur die Niederschrift einer Idee ist. Das Werk entsteht dann erst im Kopf des Lesers.

    Da kannst allerdings sagen, die Partitur oder das Buch entfaltet allein noch keine Wirkung. Und jetzt nehmen wir noch an, wir wären alle Analphabeten, dann könnten wir weder Partituren noch Bücher lesen. Wir müssten uns also auch den Roman vorlesen lassen. Und bei jedem Vorleser wirkt es anders. Manche lassen sogar etwas weg oder fügen etwas eigenes dazu.

    Das ändert aber nichts daran, dass der Roman (als Buch) oder die Partitur auch schon Kunst sind. Gemeint ist natürlich nicht das Buch oder die Partitur an sich, sondern die dahinter steckende Idee.

    Kunst ist übrigens immer immateriell. Das Materielle (selbst Michelangelos Marmor) dient nur dazu, die Idee zu übermitteln.

    Du kannst dich jetzt als "Übermittler" deiner eigenen Ideen oder der Ideen des Komponisten sehen, das bleibt dir überlassen.

    Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass dein Beruf nie aussterben wird. Selbst wenn es irgendwann mal möglich sein sollte, eine Partitur mittels Computer "perfekt" in Musik umzusetzen. Das ist es nämlich nicht, was die Leute interessiert. Ok, es interessiert sie auch. Das hören sie sich dann ein paar mal an, dann sagen sie: Ok, jetzt wissen wir, wie es "perfekt" zu klingen hat. Das ist es aber nicht, was wir suchen. In der Technik ja, da suchen wir die Perfektion. In der Kunst geht es um etwas anderes.


    Thomas

  • Wenn du weiter Haare spalten willst, kannst du auch sagen, ein Roman ist kein Kunstwerk, weil es ja nur die Niederschrift einer Idee ist.

    Der Blödsinn, dass die Partitur kein Kunstwerk sei, stammte nicht von mir.

    Der Schöpfer hat sich keine Partitur ausgedacht, sondern ein musikalisches Werk. Die Partitur ist die Niederschrift desselben.

    Ja, wenn Du das so sagst, muss es natürlich so sein. Ich bin restlos überzeugt von der Kraft dieses Arguments.

  • Kunst ist übrigens immer immateriell.

    Ohne irgendein Material, sei es Stoff, Stimme, Schreib- oder Notenpapier, flüchtiges Feuerwerk, Happening und/oder dergleichen funzt Kunst aber nicht.
    => ohne irgendeine quasi materielle Basis kommt da nix rüber ... das was du als "Idee" bezeichnest, entfleucht, kristalisiert sich daraus, wie dieses Material angeordnet, geformt, gestaltet, artikuliert und damit sich gleichsam übersteigt => also Kunst-Chose klemmt sich zwar dadurch vom irgendwelchen bloß zweckdienstbaren Material bzw. als Gegenstand des üblichen Alltags ab, bleibt doch daran weiterhin festgezurrt => "Idee" gewissermaßen an dieser Basis gebunden.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Was der "Schöpfer der Partitur" sich "ausgedacht" hat, ist: eine Partitur.

    Genauer: eine Komposition, die in Partitur gesetzt wird. Von Max Reger wird gesagt, daß er auf langen Bahnfahrten komponiert hat (auch wenn da noch nichts erklingt, kann man das durchaus als "musikalisches Ereignis" bezeichnen: Musik im Entstehungsprozeß) und das dann später in Partituren niederlegt hat. Bei Mozart gibt es, glaube ich, Ähnliches (nur ohne Eisenbahn :D ) .

    Insofern stimme ich Eccliticos Satz zu, daß Partituren Niederschriften musikalischer Werke, sprich: von Kompositionen sind,

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Genauer: eine Komposition, die in Partitur gesetzt wird.

    Das ist ein weißer Schimmel: Eine "Komposition" ist immer ein (noten-)schriftliches Kunstwerk. In MGG heißt es z.B. dazu:

    Zitat von MGG

    ihrem Wesen nach steht die Komposition als das durchdacht, vorbereitet, ausgearbeitet Geschaffene und als solches Niedergeschriebene primär im Gegensatz zur Improvisation

    Kompositionen gibt es also erst, seit es Notenschrift gibt, was gleichzeitig die Voraussetzung für eine enorm gesteigerte Komplexität war (z.B. europäische Mehrstimmigkeit, geschlossene Großformen usw.). Das zeigt auch, dass Komponieren nicht einfach das Fixieren von Ideen ist (die es anschließend aus dem Fixierten wieder zu extrahieren gälte), sondern Idee, Ausarbeitung und Fixierung in gegenseitiger Abhängigkeit stehen. Die Partitur ist deshalb nicht die "Niederschrift" eines musikalischen Werkes, welches unabhängig von ihr entstünde bzw. existierte. Sie ist einfach eine Partitur :) .


    Bei Mozart gibt es, glaube ich, Ähnliches

    Dass Mozart ganze Opern oder Symphonien einfach so im Kopf fertig komponiert und anschließend ohne jede Notiz oder Korrektur fehlerfrei niedergeschrieben habe, ist eine schöne Geschichte aus "Amadeus" (und wurde ähnlich auch von Wolfgang Hildesheimer in seiner gleichwohl sehr lesenswerten Mozart-Biographie behauptet). Das gilt schon lange als widerlegt.

  • Das ist ein weißer Schimmel: Eine "Komposition" ist immer ein (noten-)schriftliches Kunstwerk. In MGG heißt es z.B. dazu:

    Kompositionen gibt es also erst, seit es Notenschrift gibt, was gleichzeitig die Voraussetzung für eine enorm gesteigerte Komplexität war (z.B. europäische Mehrstimmigkeit, geschlossene Großformen usw.). Das zeigt auch, dass Komponieren nicht einfach das Fixieren von Ideen ist (die es anschließend aus dem Fixierten wieder zu extrahieren gälte), sondern Idee, Ausarbeitung und Fixierung in gegenseitiger Abhängigkeit stehen. Die Partitur ist deshalb nicht die "Niederschrift" eines musikalischen Werkes, welches unabhängig von ihr entstünde bzw. existierte. Sie ist einfach eine Partitur :) .

    Das habe ich bislang nicht so gesehen. Zum einen würde ich auch von Kompositionen sprechen wollen, wenn Musik z.B. auf der Basis einer Absprache entstanden ist - als "Verabredung" sozusagen. Oder wenn ich etwas "im Kopf" komponiere und dann ohne dessen schriftliche Materialisierung vortrage. Da würde ich vom Begriff 'Komposition' im weiteren Sinne einer 'Zusammenstellung' ausgehen.
    Aus diesem Grunde schreibe ich einer Komposition zum anderen bislang auch grundsätzlich eine immaterielle Daseinsform zu - sie ist für mich ein geistiges Produkt, das jedoch einer Vermittlung, z.B. einer Verschriftlichung, bedarf.

    ...schreibt Christoph :wink:

  • Aus diesem Grunde schreibe ich einer Komposition zum anderen bislang auch grundsätzlich eine immaterielle Daseinsform zu - sie ist für mich ein geistiges Produkt, das jedoch einer Vermittlung, z.B. einer Verschriftlichung, bedarf.

    Ja, das trifft es m. E. besser. [Fettung von mir.]

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ja, das trifft es m. E. besser. [Fettung von mir.]

    :wink:

    Und weil es unwahrscheinlich ist, dass der Komponist mit der Verschriftlichung alle Nuancen seines geistigen Produktes genau so darstellen kann, wie er sich sie vorgestellt hat, gibt es einen geistigen (Interpretations-) Spielraum. Es gibt eine virtuelle Lücke zwischen dem geistigen Produkt und dem schriftlichen. Diese Lücke darf mE ein Interpret ausnutzen. Und vervollständigt damit das Kunstwerk nach seinem Gutdünken. (Sagte ich doch schon vor mehreren Seiten.)
    Dabei nicht vergessen, dass der Interpret auch Rezipient ist.

  • Und weil es unwahrscheinlich ist, dass der Komponist mit der Verschriftlichung alle Nuancen seines geistigen Produktes genau so darstellen kann, wie er sich sie vorgestellt hat, gibt es einen geistigen (Interpretations-) Spielraum. Es gibt eine virtuelle Lücke zwischen dem geistigen Produkt und dem schriftlichen. Diese Lücke darf mE ein Interpret ausnutzen. Und vervollständigt damit das Kunstwerk nach seinem Gutdünken. (Sagte ich doch schon vor mehreren Seiten.)
    Dabei nicht vergessen, dass der Interpret auch Rezipient ist.

    Es gibt überhaupt nur eine „Interpretation“, weil es diese Lücke zwischen der Vorstellung des Komponisten und der Verschriftlichung gibt. Diese Lücke ist automatisch immer da, weil die Notation unzulänglich ist.

    Es gibt bei Musik gar kein mechanisches Abspielen einer Partitur. Der Spielende füllt immer automatisch diese Lücke, ob er es weiss oder nicht.

    Es gibt dann aber noch einen weiteren, sekundären Interpretationsspielraum, der sich ergibt, wenn man sich das Gespielte anhört. Denn jeder „versteht“ oder „hört“ was anderes. Das ist ja schon bei Poesie oder Belletristik so, bei Musik aber noch um vieles mehr, denn man kann sich nicht an Wortbedeutungen entlanghangeln.

    Es bleibt deshalb für mich dabei, dass das Kunstwerk erst durch den Rezipienten vollendet wird. Denn nur er füllt letztendlich alle Lücken, die sich ganz am Anfang durch die Unzulänglichkeit der Notation -Verschriftlichung ergeben haben.

  • Und wenn jemand behauptet er könne durch Analyse bestimmen, wo genau sich dieser Spielraum befinde und wie gross er sei, dann ist das mE ein Irrweg. Er befindet sich doch sowieso überall ausser in den Noten. Denn ausser den Noten sind alle anderen Anweisungen relativ. Ein piano ist relativ, ein allegro ist relativ, ein Phrasierungsbogen ist relativ, ein sf ist relativ, eine Ausdrucksnaweisung ("leidenschaftlich") ist relativ. Man kann nicht wissen, wie der Komponist das piano wirkich gemeint hat.


    Zum Erkennen der Noten brauche ich aber keine Analyse, und das Wissen um die Relativität der anderen Anweisungen ist zum einen Teil einem musikalischen Menschen mittles des musikalischen Instinkts in die Wiege mitgegeben und zum anderen Teil vom Lehrer in angemessene Bahnen gelenkt.

    Eine Analyse ist SEHR interessant, das ist wahr, und sie ist unumgänglich für Kompositionsstudenten und Forscher. Aber der Spieler braucht sie nicht. Er kann sie machen, aber es ist nicht unbedingt nötig.

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