Debussy, Claude: Streichquartett g-moll op. 10
Debussy vollendete sein Streichquartett im Februar 1893. Die Uraufführung geschah am 29. Dezember desselben Jahres durch das Ysaye-Quartett, dem es auch gewidmet ist. Offenbar plante Debussy noch weitere Quartette, denn veröffentlicht wurde es im Jahr 1894 als Streichquartett Nr. 1 und erhielt dabei als einziges Werk Debussys eine Opusnummer, kurioserweise die 10.
Der Komponist bekannte, während der Entstehung des Werkes in besonderer Weise unter dem Einfluss von Chausson gestanden zu haben. Formal gesehen hat Debussy auf den ersten Blick ein ganz klassisch angelegtes Werk geschaffen: ein Kopfsatz in Sonatenhauptsatzform, ein Scherzo mit Trio, ein langsamer Satz und ein Finale, Letzteres wiederum in Sonatenhauptsatzform. Die vier Sätze sind überschrieben:
- I. Animé et très décidé (g-moll, 4/4)
- II. Assez vif et bien rytmé (G-Dur, 6/8)
- III. Andantino, doucement expressif (Des-Dur, 6/8)
- IV. Très moderé (Einleitung Des-Dur 4/4 – Hauptteil g-moll 2/2)
Debussy verwendet ein Motto-Thema, das in dreien der vier Sätze auftritt und somit das Werk zyklisch verschränkt. Dieses Verfahren ist außer bei Berlioz und Liszt auch in Kammermusikwerken César Francks nachzuweisen, etwa in dessen Klavierquintett in f-moll. – Für die Pizzicato-Abschnitte des Scherzos wurde vermutet, dass der entsprechende Satz in Tschaikowskys 4. Sinfonie Pate gestanden haben könnte. Debussy war in jungen Jahren in Russland als Hauslehrer bei Frau von Meck beschäftigt, der Widmungsträgerin dieser Sinfonie.
Das Quartett wird manchmal als erstes Meisterwerk Debussy bezeichnet. Das mag sein – ich kenne sein Oeuvre zu wenig, um dazu etwas sagen zu wollen. Bezüglich der Harmonik, der Streicherbehandlung und des Einsatzes von Klangflächen erinnert mich einiges im Quartett bereits an „La mer“, doch insgesamt ist das Werk eher noch konventionell. Jedenfalls weist das zeitgleich entstandene „Prélude à l’après-midi d’un faune“ eine deutlich progressivere Tonsprache auf. Es mag also sein, dass das Quartett die Reihe der frühen Werke Debussys würdig abschließt und das „Prélude“ in die neue Richtung weist. – Zur formalen Meisterschaft wird weiter unten mehr zu sagen sein.
Auf CD ist das Werk sehr beliebt – viele Ensembles der ersten Reihe haben es eingespielt, meist gekoppelt mit dem Gattungsbeitrag von Maurice Ravel. In Zeiten der CD darf man natürlich fragen, welche Zugaben beigegeben werden, denn mit Debussy und Ravel alleine landen gerade mal ca. 55 Minuten Musik auf einem Silberling.