Messiaen: Das Orgelwerk (V) – La Nativité du Seigneur
„La Nativité du Seigneur“ = „Die Geburt des Herrn“ ist, wenn man bei Orgelmusik im Allgemeinen und bei Messiaen im Besonderen überhaupt von Popularität sprechen mag, wohl sein populärstes Orgelwerk und sein erster „großer“, fast abendfüllender Zyklus.
In finaler Fassung ist ihm der Untertitel „Neuf Méditations pour Orgue“ = „Neun Meditationen für Orgel“ beigegeben. Die neun Sätze sind wie folgt überschrieben:
I. La Vierge et l’Enfant (= die Jungfrau und das Kind)
II. Les Bergers (= die Hirten)
III. Desseins éternels (= ewige Absichten/Pläne)
IV. Le Verbe (= das Wort)
V. Les Enfants de Dieu (= die Kinder Gottes)
VI. Les Anges (= die Engel)
VII. Jésus accepte la souffrance (= Jesus nimmt das Leiden an)
VIII. Les Mages (= die Magier, d. h. die Weisen aus dem Morgenland)
IX. Dieu parmi nous (= Gott [mitten] unter uns)
Die Uraufführung des Werkes spielten Jean-Yves Daniel-Lesur, Jean Langlais und Jean-Jacques Grunenwald am 27. Februar 1936, jeder steuerte drei Sätze bei.
Zum ersten Mal hielt es Messiaen für ratsam, den Hörern Kommentare an die Hand zu geben. Bei den ersten Aufführungen konnte man von Handzetteln erfahren:
L’émotion, la sincérité de l’oeuvre musicale. Qui seront au service des dogmes de la théologie catholique.
Qui s’exprimeront par des moyens mélodiques et harmoniques : l’acroissement progressif des intervalles, l’accord sur la dominante, les pédales, broderies et appogiatures agrandies.
Plus encore par des moyens rythmiques: rythmes immédiatement précédés ou suivis de leur augmentation et additionés parfois d’une valeur brève (la demi-unité de valeur ajoutée).
Et surtout par les modes à transpositions limitées : modes chromatiques, d’usage harmonique, dont l’étrange couleur provient du nombre limité de leur transpositions possibles (2, 3, 4 et 6 suivant le mode).
Le sujet théologique ? Le meilleur puisqu’il contient tous les sujets. Et l’abondance des moyens techniques permet au cœur de s’épancher librement.
(Die Emotion, die Aufrichtigkeit/Wahrhaftigkeit des musikalischen Werkes. Die den Dogmen der katholischen Theologie zu Dienste sein werden.
Die durch melodische und harmonische Mittel ausdrücken werden: das progressive Anwachsen der Intervalle, der Akkord auf der Dominante [siehe unten], die Haltetöne, Verzierungen und vergrößerte Appogiaturen.
Mehr noch rhythmische Mittel: Rhythmen, deren Vergrößerung unmittelbar vorangeht oder folgt und denen manchmal ein kurzer Wert (die Hälfte des zugefügten Wertes) beigefügt wurde.
Und vor allem durch die Modi mit begrenzter Transponierbarkeit [siehe unten]: chromatische Modi, von harmonischem Gebrauch, deren eigenartige Farbe aus der begrenzten Zahl der ihnen möglichen Transpositionen herrührt (2, 3, 4 und 6, je nach Modus).
Das theologische Thema? Das beste, da es alle Themen enthält. Und der Überfluss der technischen Mittel erlaubt dem Herz, sich frei auszuschütten.)
So weit der Meister. - Mögen die folgenden Worte eine kleine Hilfe bei der Begegnung mit Messiaens magisch-mystischer Musik sein.