JANÁČEK- Příhody lišky bystroušky (Das schlaue Füchslein)

  • JANÁČEK- Příhody lišky bystroušky (Das schlaue Füchslein)

    Als große Janacek-Verehrerin kann ich natürlich nicht damit leben, dass hier bisher nur ein Opern-Faden zu ihm existiert, den der gute Areios hier eröffnet hat.
    Warum nicht chronologisch vorgehen, dachte ich mir zuerst und halte mich doch nicht dran. Natürlich liebe ich alle Janacek-Opern abgöttisch und könnte (und muss es zum Glück ja auch nicht) mich nie für eine einzige entscheiden, aber sozusagen mit Pistole auf der Brust würde ich doch noch das Füchslein nennen und deswegen dieser Faden zuerst.
    Vielleicht lasse ich andere folgen oder andere Janacekianer im Forum starten welche, was ich äußerst begrüßen würde.

    Die Oper "Příhody lišky bystroušky (Das schlaue Füchslein)" basiert auf dem 1920 erschienen Märchen "Liška Bystrouška (Abenteuer des Füchsleins Schlaukopf)" des tschechischen Schriftstellers Rudolf Těsnohlídek und erzählt eine pantheistische Fabel über ein eine Füchsin, die von einem Förster als Jungtier im Wald eingefangen wird, auf dessen Hof aufwächst, eines Tages jedoch fliehen kann und im Wald auf einen Fuchs trifft um mit ihm eine Familie zu gründen. Die Parallelgeschichte handelt von den Menschen, speziell dem Förster und seinen beiden Freunden, dem Dorflehrer und dem Pfarrer. Sie alle stehen in der einen oder anderen Beziehung zu einem Zigeuner-Mädchen namens Terinka. Die Füchsin und Terinka scheinen auf seltsame Art verbunden, die Männer sehen Terinka, wenn sie der Füchsin begegnen. Eine Metapher für Anziehung, Leidenschaft, Freiheit und dafür, dass das Mädchen nicht festzuhalten ist.
    Als der Förster nach längerer Zeit wieder durch den Wald streift, begegnet er dem Geflügeldieb und Herumtreiber Háraschta, der ihm verkündet, dass er Terinka heiraten wird. Als die Füchsin mit ihren inzwischen geborenen Kindern in dessen Nähe herumstreicht um eines seiner Hühner zu stehlen, erschießt Háraschta die Füchsin (aus ihrem Fell wird bezeichnender Weise ein Muff für Terinka). Der Wald und seine Tiere trauern um die Füchsin, doch gleichzeitig geht das Leben weiter, die Kinder der Füchsin leben weiter und werden wachsen und selbst Kinder zeugen. Der Kreis des Lebens kennt kein Ende.

    Nicht nur wegen dieser Botschaft ist diese Oper wunderschön, vor allem die Musik des Waldlebens gehört zum Lyrischtem und Berrückenstem, was Janacek komponiert hat. Die Handlungsebene der Menschen hat Janacek in seinem Werk allerdings stark eingekürzt und nur mehr in Andeutungen belassen (Terinka tritt kein einziges Mal auf), seine ganze Konzentration richtet sich vornehmlich auf das Tierreich, dass der Menschenweld als positiver Spiegel vorgeführt wird. Interessanter Weise muss dabei auch betont werden, dass einige Singstimmen ausdrücklich so besetzt wurden, dass "Tierrolle" und "Menschenrolle" vom gleichen Sänger gesungen werden sollen, umso so die Verstrickung, aber auch Parallelität herauszustreichen; der Dachs und der Pfarrer, die Mücke und der Dorflehrer, die Eule und die Försterin. Schon die Eingangsmusik der Oper führt den Hörer tief in einen Wald hinein, wo die Natur noch im Einklang, unberührt und geheimnisvoll ist. Überhaupt sind die Waldszenen einige der eindringlichsten, die größte Steigerung ist erreicht beim Hochzeitsreigen der Füchse an dem der ganze Wald beteiligt ist.
    So wie die ganze Oper eine symbolische Parabel auf das Wirken der Natur und des Lebens selbst ist, so sind die Figuren in ihren Wechselwirkungen Symbole für ihre jeweilige Welt, die immer wieder divergieren. Nur die Füchsin und der Förster können am Ende aus dieser Divergenz heraustreten und Teil eines Ganzen werden.

    Die Uraufführung der Oper erfolgte am 6. November 1924 in Brünn. In Deutschland wurde lange die von Max Brod geschaffene deutsche Text-Fassung gespielt, die allerdings dramaturgisch um einiges von der Originalfassung abweicht, da Brod versuchte Zusammenhänge, die die tscheschischen Leser aus Těsnohlídeks Buch kannten, auch den deutschen Hörern nachvollziehbar zu machen. Max Brod nannte das Werk „Traum von der Ewigkeit der Natur und Liebeslust“.
    In Hans Hollanders Janacek-Biografie liest sich folgendes :

    Zitat

    Der hellsichtige Sinnesmensch Janacek ergeht sich hier in einem reizvollen Spiel der Übergänge [...] Die Schatten des Dunklen, Animalischen reichen hinüber in die Tagsphäre des Offiziellen und Menschlichen [...] alle werden hineingezogen in das geheimnisvolle Dämmerlicht des Eros, dem jedes Wort der Handlung und jeder Takt der Musik gehorcht. Nirgends ist Janacek so frei, so sher er selbst wie in dieser Oper [...] Mit einer heiteren Unbefangenheit und seinem tiefen Glauben an die Einheit alles Geschaffenen legt hier Janacek sein Bekenntnis zum Großen Pan ab.


    Hollander geht sogar so weit, die Füchsin als Sinnbild des ewigen Weiblichen zu bezeichnen.
    Janacek selbst hielt das Füchslein für sein bestes Werk.

    Referenz-Aufnahme :

    "Allwissende! Urweltweise!
    Erda! Erda! Ewiges Weib!"

  • Zu sehen gibt es diese Oper erstaunlicher Weise in sehr vielen Variationen (und das obwohl ich immer geglaubt habe, sie sei eher schwierig zu realisieren) :

    Diese Aufführung von 1995 aus Theatre du Chatelet in Paris mag ich sehr :

    Es spielte das Orchestre de Paris unter Maestro Mackerras.
    Mit Thomas Allen, Eva Jenis; Hana Minutillo; Libuse Marova; Harasta - Ivan Kusnjer etc.
    Regisseur Nicholas Hytner, Bühnen- und Kostümbildner Bob Crowley, Choreograph Jean-Claude Gallotta
    Eine wunderbare Inszenierung, die die Balance zwischen Grundintension und Naturalismus sehr gut wahrt, nie kitschig, aber auch nie zu abtrahiert. Macht einfach Spaß.

    Eine andere ist die legendäre Version von Felsenstein :

    Die deutsche Fassung, die nicht auf die von Max Brod zurückgreift, sondern von Felsenstein selbst verfasst wurde. Auch sie ist sicher nicht textgetreu, aber wer die Oper schon kennt und um die Diskrepanzen weiß, kann, denke ich, doch seinen Spaß damit haben.

    Weiterhin gibt es noch diese, die ich aber nicht kenne :

    Außerdem einen sehr sehenswerten englischen Trickfilm :

    "Allwissende! Urweltweise!
    Erda! Erda! Ewiges Weib!"

  • Referenz-Aufnahme :
    [Mackerras]

    War sie für mich auch (bin sowieso Lucia-Popp-Liebhaber), bis ich folgende entdeckte:

    Neumanns Dirigat ist viel farbiger als Mackerras, dort entdeckt man richtig Janaceks Liebe zur Natur imkl. dieser unvollkommenen Kreaturen, die Menschen heißen. Sie ist auch nicht so dick aufgetragen, sondern nuancenreicher.
    Für die Sänger hatte auch Neumann eine glücklichere Wahl. Magdalena Hajossyova hat eine leichtere Stimme als Lucia Popp, die bringt das Freche der Füchsin besser heraus.
    Die Partie des Fuchses Zlatohrbitek ist mit einem Sopran besser besetzt (und Gabriela Benackova ist hier eines Luxus-Besetzung) als mit einem tiefen Mezzo wie Eva Randova.

    Sie alle stehen in der einen oder anderen Beziehung zu einem Zigeuner-Mädchen namens Terinka.

    Das ist nicht im Original-Libretto, wo nur der Schulmeister in Terynka verliebt ist. Hier hat wieder Max Brod verschlimmbessert, indem er den Pfarrer und den Förster von Terynka sprechen läßt, was im Original nicht vorkommt (der Pfarrer spricht von einem anonymen Mädel mit einem goldenen Zopf - Terynka ist Zigeunerin, kann kaum blond sein - das er liebte, als er Student war und mit dem Metzgerlehrling durchgebrannt ist und der Förster singt von Veronika/Verunka ). Daß der Pfarrer wegen übler Verleumdung nach Straní versetzt ist, ist auch Brods Erfindung.

    da Brod versuchte, Zusammenhänge, die die tschechischen Leser aus Těsnohlídeks Buch kannten, auch den deutschen Hörern nachvollziehbar zu machen.

    Nachgeschobene Erklärung. Janacek ändert sowieso die Zusammenhänge in Tesnohlideks Buch. Das, was Brod zudichtet, ist auch nicht bei Tesnohlidek zu finden (Tesnohlideks Terynka ist die vermögende Inhaberin eines Süßwarengeschäfts und keine mysteriöse Zigeunerin).
    Brod hat wie immer geglaubt, er kann es besser.
    Die Zusammenhänge in der Oper sind bewußt vage. Janacek wollte in seinen Wörtern eine "Waldidylle" komponieren im Sinne des "Symbolismus".
    Für ihn gab's keine deutlichen Zusammenhänge sondern Symbole, die, wie alle Symbole, unterschiedlich gedeutet werden können. Bei ihm spielt der Wald, die Natur, die Hauptrolle.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Hallo Philbert,

    Bei der Neumann-Aufnahme bin ich mir nur nicht sicher, ob es sich dabei um die Original-Opernfassung oder die schon bearbeitete Fassung handelt, kannst du das nicht sagen?

    Was den Rest angeht, dass das mit Terynka in Janaceks Libretto nicht vorkommt, ist mir durchaus bewusst, allerdings wusste ich wirklich nicht, dass auch bei Tesnohlidek die Geschichte ganz anders ist...woher weißt du das, hast du das Buch gelesen, wenn ja, wo gibt's das?

    "Allwissende! Urweltweise!
    Erda! Erda! Ewiges Weib!"

  • Bei der Neumann-Aufnahme bin ich mir nur nicht sicher, ob es sich dabei um die Original-Opernfassung oder die schon bearbeitete Fassung handelt, kannst du das nicht sagen?

    Es ist mir nicht bekannt, daß es vom Schlauen Füchslein eine "bearbeitete Fassung" gibt.

    allerdings wusste ich wirklich nicht, dass auch bei Tesnohlidek die Geschichte ganz anders ist...woher weißt du das, hast du das Buch gelesen, wenn ja, wo gibt's das?

    Ich habe das Buch auf Tschechisch gelesen (eigentlich ist es im mährischen Dialekt geschrieben). Ich habe es vor Jahren in der Tschechischen Republik gekauft. Hab's soeben wieder zu Rate gezogen. Die Geschichte vom Pfarrer wird etwas ausführlicher dargestellt, dort heißt das blonde Mädchen, das ihn einst verführte, allerdings Marenka. Das "Verunka"-Lied, das in der Oper der Förster singt, hat Tesnohlidek für Janacek verfaßt. Es kommt im Roman nicht vor, wo es der Schulmeister ist, der mehrere Lieder singt, u.a. eines über Veronika (in der Szene wird im Roman Terynka gar nicht erwähnt).
    Janacek hat viel vom Roman gekürzt (anders ging's auch nicht) und das Ende neu gestaltet. Bei Tesnohlidek wird Bystrouska nicht erschossen.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Zitat von »Succubus«
    Bei der Neumann-Aufnahme bin ich mir nur nicht sicher, ob es sich dabei um die Original-Opernfassung oder die schon bearbeitete Fassung handelt, kannst du das nicht sagen?

    Es ist mir nicht bekannt, daß es vom Schlauen Füchslein eine "bearbeitete Fassung" gibt.


    So weit ich weiß, gibt es da doch ebenso wie beim Totenhaus eine "geglättete Version", die lange Zeit gespielt wurde, weil man meinte das Original niemandem zumuten zu können, und erst Mackerras hätte sich wieder an den Original-Partituren Janaceks orientiert.

    "Allwissende! Urweltweise!
    Erda! Erda! Ewiges Weib!"

  • So weit ich weiß, gibt es da doch ebenso wie beim Totenhaus eine "geglättete Version", die lange Zeit gespielt wurde, weil man meinte das Original niemandem zumuten zu können, und erst Mackerras hätte sich wieder an den Original-Partituren Janaceks orientiert.

    Das glaube ich ehrlich nicht. Mackerras hat seine Verdienste leicht übertrieben. Janaceks Partitur ist sofort bei Universal veröffentlicht worden.

    Für das Totenhaus ist die Situation anders. Janacek hat bis zu seinem Tod daran gearbeitet. Am 20.06.1922 war die Kopie (sollte als Druckvorlage gelten) seines Autographs fertig. Janacek hat aber weitere Änderungen eingetragen, allerdings nur in den Akten I und II, denn der hat den dritten Akt nicht überprüfen können. Er starb am 12.08.1922.
    Osvald Chlubna und Bretislav Bakala, die die erste Ausgabe erstellt haben, haben in Akt I und II die Orchestration "vervollständigt" und den dritten Akt "korrigiert" (verschlimbessert).
    Die Chlubna/Bakala-Fassung ist die, die 1930 von Universal veröffentlicht wurde.
    Rafael Kubelik hat dann diese Fassung von den meisten Chlubna/Bakala Ergänzungen bereinigt und 1964 verlegen lassen. Mackerras hat zuerst die Kubelik-Fassung dirigiert.

    John Tyrell und Charles Mackerras haben dann die kritische Ausgabe besorgt, indem sie für Akt I und II die fertige Kopie mit Janaceks Einträgen übernahmen unf für Akt III die Kopie mit Janaceks (kaum lesbarem, denn auf eigens freihand gezeichnetem Musikpapier mehr gekritzeltem als geschriebenem) Manuskript konfrontierten.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Liebe Succubus!

    Mit diesem Thread hast du mich heute schon zum Weinen gebracht. :P Ich glaube, ich höre diese Oper deshalb von allen Janácek-Opern am seltensten, weil sie mich emotional am meisten mitnimmt und ich das nicht jeden Tag aushalte. Besonders das Ende - wenn der Förster über die "Rusalky" singt, die das Glück ausstreuen, und ganz besonders, wenn dann der junge Frosch singt "Das war nicht ich, das war der Opa! Man hat mir von Ihnen erzählt!" - da kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten, obwohl ich gar nicht so recht weiß, was das Schöne und Traurige ist, das diesen Frosch-Worten innewohnt. Aber Janácek selbst muss es ähnlich empfunden haben, denn von ihm wird ja die Anekdote berichtet, dass er selbst bei der Generalprobe bei den Worten des jungen Frosches in Tränen ausgebrochen sein soll und sich die Musik dann zum Begräbnis gewünscht hat.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Lieber Areisos,
    weinen tut manchmal gut und man weint ja nicht immer nur, weil alles so schrecklich ist

    ganz besonders, wenn dann der junge Frosch singt "Das war nicht ich, das war der Opa! Man hat mir von Ihnen erzählt!" - da kann ich die Tränen nicht mehr zurückhalten, obwohl ich gar nicht so recht weiß, was das Schöne und Traurige ist, das diesen Frosch-Worten innewohnt.


    Ich finde, es hat etwas Tröstliches, sicher auch melancholisches. Das ganze Ende der Oper mit dem Monolog des Försters klingt ja auf eine gewisse Weise so unaufgeregt aus, dass die Oper eigentlich gleich wieder von Neuem beginnen könnte, das Ende ist hier kein Aufhören, kein abruptes Ausbleiben, es ist ein Übergang ins nächste, das Rad des Lebens eben. Und wenne das Fröschlein dann meint, der Opa hätte ihm vom Förster erzählt, ist das für mich nicht nur ein Symbol vom Weiterströmen des Lebens, sondern auch vom Weiterströmen der Erinnerung, nicht nur die des Großvater-Froschs, sondern auch die an den Großvater-Frosch selber,; Das Alter hat immer noch die Erinnerungen (was ja auch für den Förster gilt) ,das Sterben, dass trotz allem noch etwas hinterlässt, die Erinnerungen. Das hat etwas Trauriges, weil Erinnerungen stets der Hauch des Vergangenen umweht, aber es ist eine schöne, liebevolle Traurigkeit. Und ich denke, auch Meister Janacek wird das gewusst haben.

    "Allwissende! Urweltweise!
    Erda! Erda! Ewiges Weib!"

  • Habe über die Weihnachtstage u.a. diese Scheibe in den Player geworfen:

    Als im Grunde Nicht-Liebhaberin von Eindeutschungen fremdsprachiger Opern muss ich auch hier mal eine der wenigen Ausnahmen machen, wobei es mir weniger darum geht die deutsche Textfassung zu loben, als vom Film (respektive der Aufführung) insgesamt begeistert zu sein. Jedoch möchte ich betonen, dass ich gerade in Bezug auf Janaceks besonderes Sprach-Gesang-Musik-Gebilde, welches so gesehen ja fast keine Veränderung durch sprachliche Veränderung "ertragen" kann ohne an seiner Essenz zu verlieren, den Umgang Felsensteins damit würdigen, er hat sich wirklich mächtig angestrengt dem im Deutschen sehr nahe zu kommen, weshalb hier eben auch niemand markieren muss, was ohnehin in der Musik und der Gesangslinie steckt. Ich finde es geradezu erstaunlich wie einem durch seine deutsche Version als Deutsch-Sprachler (und des Tschechischen nicht mächtig) erst einmal richtig diese Eigenart des Janacek'schen Schaffen buchstäblich vorgeführt und aufgezeigt wird. Dass habe ich noch nie so empfunden wie in diesem Film. Chapeu!
    Von der Bildqualität der damaligen Aufnahme soll nun nicht gesprochen werden, immerhin wurde denke ich, das Beste getan um mit der neuen Technik heute noch Alles aus dem alten Material herauszuholen was ging. Aber das ganze Set- und Kostümdesign ist so herrlich und liebevoll gemacht!
    Und was ich eigentlich nicht laut genug bejubeln kann ist die Leistung von Irmgard Arnold in der Rolle der Füchsin, sowohl gesanglich als auch darstellerisch ist das absolute Spitze, ich glaube, ich werde mir nie wieder jemand anderen in der Rolle denken können, großartige Verbindung aus kindlicher Frechheit, vorwitziger Schläue und später in der Hochzeitsszene sogar verspielte Erotik. Überhaupt die ganze Füchsin-Fuchs-Szene in diesem Film ist so ungefähr eine der Glanzleistungen der gesamten Produktion wie ich finde. Sie (wie eigentlich der gesamte Film) machen sehr gut deutlich, dass diese Oper eben nicht, obwohl es vielfach oberflächlich gesehen so erscheinen mag, keine Kinderoper ist.
    Ganz, ganz wundervoll! :verbeugung1: :verbeugung1: :verbeugung1:

    Kurzer Eindruck für die, die's nicht kennen: "

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  • Janáček ist mein unbestrittener Lieblingskomponist. Er hat eine unverwechselbare Musiksprache, und seine Werke berühren mich so sehr wie keine anderen. Das Schlaue Füchslein ist meine Lieblings-Janáčekoper, danach kommt die Sache Makropulos, dann das Totenhaus. Erst später folgen Jenůfa und Osud, dann Káťa Kabanová, erst dann die anderen (wobei ich Die Ausflüge des Herrn Brouček leider noch gar nicht kenne). Aber auch Janáčeks Instrumentalmusik finde ich ganz großartig.

    Am 21. Dez. 2018 hatte ich in Brünn/Brno eine Aufführung des Schlauen Füchsleins erlebt. Danach habe ich in einem anderen Internetforum einen längeren Bericht darüber geschrieben, in dem ich besonders auf das Werk und auf die Inszenierung eingegangen bin. Heute schrieb dort jemand über den damaligen Text "ich habe selten so gescheite Gedanken zu einem Werk gelesen" wie die meinigen zum Schlauen Füchslein, und er sei "angeregt" durch meine "Überlegungen zu der Neuinszenierung" dafür nach Brünn gefahren, was mich enorm freut.

    Ich habe mich daher entschlossen, den Text, den ich vor einem halben Jahr geschrieben hatte, hierher ins Capriccio-Forum zu kopieren für alle gegenwärtigen und zukünftigen Janáček-Fans. Vielleicht ist er für Euch lesenswert. Allerdings ist er in mindestens einer Hinsicht fehlerhaft, siehe unten.


    Müsste ich ein Ranking der Janáček-Opern aufstellen, belegte das Schlaue Füchslein den ersten Platz (dicht gefolgt von der Sache Makropulos). Um meine Meinung zur Inszenierung begründen zu können, muss ich zuerst meine Sicht des Stückes darlegen. Auf den ersten Blick handelt es sich um eine Tiergeschichte (der Förster findet eine junge Füchsin im Wald, nimmt sie zu sich nach Hause mit, dort entkommt sie, findet im Wald einen Fuchs, gründet mit ihm eine Familie, wird aber vom Wilderer totgeschossen), aber es ist unbestreitbar, dass in dieser Oper von bloß 90 Minuten Dauer weit mehr steckt, es geht nämlich im wesentlichen um die großen Themen Sexualität und Tod. Fast jedes auftretende Tier hat ein Äquivalent in der Menschenwelt, und damit das auch ganz klar wird, müssen Dachs und Pfarrer vom selben Sänger verkörpert werden. Darüber hinaus steht die Stechmücke für den Lehrer, der Hund für den Förster (wobei sich vermutlich auch Janáček selbst im Förster gesehen hat), und die Füchsin steht für die eigentliche Hauptperson dieser Oper, von der immer nur erzählt wird, da sie nie auftritt, nämlich das Zigeunermädchen Terynka, zu dem jeder der auftretenden Männer in irgendeiner Beziehung steht: Die Füchsin vertreibt den Dachs aus seinem Bau, genauso vertreibt eine Frau – (wohl) Terynka – den Pfarrer, sodass dieser in eine andere Gegend versetzt wird; der Förster hat offenbar eine kurze außereheliche Affäre mit Terynka, die ihn aber wieder verlässt, genauso fängt er im Wald die Füchsin ein, die aber auch nicht lange bei ihm bleibt, wohl abgeschreckt durch die plumpe Art des Hundes ( = des Försters), sich ihr zu nähern; der Wilderer heiratet Terynka, beraubt sie also ihres freien Lebens, genauso beraubt er die Füchsin des Lebens, denn er schießt sie tot, um das Fell in einem Muff für Terynka zu verwerten; der Lehrer steht jahrelang auf Terynka, bekommt sie aber nie. Dass die Tiere für Menschen stehen, wird auch dadurch klar, dass sie sich ganz eindeutig wie Menschen benehmen und unterhalten (zum Beispiel Fuchs und Füchsin: "Bin ich wirklich so schön?", "Willst Du mich?" – "Ja, ich will Dich!!", "Rauchen Sie?" – "Jetzt nicht.", "Ich habe mich in Dich verliebt, weil Du die bist, die ich mir immer gewünscht habe, ich liebe nicht Dein Äußeres, sondern Dein Inneres"). Klammer der Erzählung sind zwei Szenen, in denen sich der Förster im Wald aufhält (er fühlt sich dort mehr zu Hause als bei sich daheim), und in beiden springt ihm ein Frosch ins Gesicht, nur ist es am Ende der Enkel jenes Frosches, der ihm am Anfang über den Weg gelaufen ist. Der Förster erkennt das und schließt quasi inneren Frieden, denn er erkennt, dass sich die Welt stets verändert, wir also alle sterben werden, aber von der Natur immer neues Leben hervorgebracht wird. Darüber hinaus sind die Charaktere sehr intelligent gezeichnet, genauso verhalten sich die Menschen im wirklichen Leben auch (zum Beispiel der Pfarrer, der mit lateinischen und griechischen Zitaten um sich wirft und eine Moral predigt ("Non des mulieri corpus tuum"), die er nicht verkörpert). Des weiteren gibt es ein paar Verweise auf die Entstehungsgeschichte dieser Oper (zum Beispiel: "Man wird über mich und Dich in Zeitschriften schreiben" – so ist ja auch diese Oper entstanden). Wesentlich ist, dass die relevanten Details nur nebenbei genannt werden; viel Zwischenmenschliches spielt sich ab! Beispielsweise die Gefühle der Männer, die im Gasthaus ihre Einsamkeit begießen, oder die Aussage des Hundes ( = des Komponisten, weil Komponist = Förster = Hund), dass er aus Einsamkeit sein Leben der Kunst gewidmet habe, und beim ersten Anhören kann man das gar nicht alles mitbekommen. Deshalb habe ich das Stück auch anfangs für schwach gehalten, aber seit ich es großteils verstanden habe, lässt es mich nicht mehr los. Das Wesentliche wird in der Musik ausgesagt, zum Beispiel der sexuelle Traum des Försters mit der Füchsin ( = mit Terynka) oder die Musik ganz am Schluss. Die Natur wird phänomenal durch die Musik geschildert (als ich letztes Jahr mit dem Bus durch Wälder und kleine Dörfer Mährens gefahren bin, habe ich den Eindruck gehabt, dass Janáček genau diese Gegend beschrieben hat).

    Es gibt also verschiedene Handlungsebenen in diesem Stück, und Regisseur Jiří Heřman hat das auch durch unterschiedliche horizontale Ebenen verdeutlicht. Auch beim zweiten Anschauen finde ich diese Inszenierung super, ja heute sogar noch besser als im November. Die Personenführung ist exzellent. Normalerweise stört es mich, wenn sich viele Leute auf der Bühne befinden, die dort nichts zu suchen haben, aber Heřman hat das nur sehr gezielt eingesetzt, und in den erforderlichen Momenten herrscht auch Ruhe, sodass sich die Stimmung entfalten kann. Die ergänzte Rahmenhandlung beginnt mit der Gründung eines Kinderheimes, und diese Kinder verkörpern anfangs mit Holzspielzeug die Tiere (da hat es auch gleich mehr Tragik, wenn ein Kind nach seiner Mama schreit als wenn das nur ein kleines Füchslein im Wald tut), der Förster nimmt einem Mädchen (das wie die Füchsin gekleidet ist) dessen Stofftier-Füchsin weg und bringt sie seiner Frau, die ihm darauf den Vogel zeigt. Der Förster liegt oft am Boden und träumt (es ist ja nicht ganz klar, wieweit er welche Ereignisse nur träumt oder sie sich wirklich ereignen), Förster und Försterin beobachten oft Fuchs und Füchsin bzw sind genau parallel auf der Bühne platziert. Die Försterin sitzt oft im Hintergrund strickend am Herd, sie bekommt von den Gefühlen, Träumen und Handlungen ihres Mannes nichts mit; sie registriert nur, dass die Ehe erkaltet ist (einmal wird er von ihr auch abgewatscht). Heřman hat allerdings nicht des Poetischen der Oper vergessen, denn durch Bäume und Erscheinen einer weiteren, hinteren Ebene wird dem Märchenhaften und der Naturschilderung Rechnung getragen. Ich bin von dieser Produktion begeistert und bin sicher, dass ich in ihr noch einiges Neue entdecken werde und sich mir dadurch diese meisterhafte Oper noch besser erschließen wird.


    Das ist nicht im Original-Libretto, wo nur der Schulmeister in Terynka verliebt ist. Hier hat wieder Max Brod verschlimmbessert, indem er den Pfarrer und den Förster von Terynka sprechen läßt, was im Original nicht vorkommt (der Pfarrer spricht von einem anonymen Mädel mit einem goldenen Zopf - Terynka ist Zigeunerin, kann kaum blond sein - das er liebte, als er Student war und mit dem Metzgerlehrling durchgebrannt ist und der Förster singt von Veronika/Verunka ). Daß der Pfarrer wegen übler Verleumdung nach Straní versetzt ist, ist auch Brods Erfindung.

    Die Erläuterung von Philbert habe ich erst jetzt gelesen, ich finde sie äußerst interessant - als ich den kursiven Text verfasst habe, hatte ich davon aber keine Ahnung. Offenbar steht das Füchslein NICHT für Terynka, oder vielleicht doch (weil sich die genannten Frauen in Terynka spiegeln)? Das heißt, ich muss sowieso meine ganze Meinung zu dieser Oper von Grund auf überdenken :D

    Eine Frage an Phibert: Weißt Du, ob es von Těsnohlídeks Novelle eine deutsche (oder englische) Übersetzung gibt? Auf die Schnelle habe ich nichts dergleichen im Internet gefunden. Ich kann zwar ein paar Tschechisch-Grundlagen, aber damit geht sich bei weitem kein Lesen einer Novelle aus.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Keine Ahnung. Těsnohlídeks Buch habe ich im Original daheim. Ich würde allerdings jedem raten, Brods Adaptation des Librettos zu entsorgen und nach einer richtigen Übersetzung zu suchen.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Okay, danke! Ich habe noch nie ein Libretto des Füchsleins gelesen, nur die deutschen oder englischen Übertitel bei diversen Aufführungen. Dass Terynka mit den anderen Frauen ident ist, habe ich wohl irgendwelchen falschen Inhaltsangaben entnommen und dann selbst geglaubt, obwohl ich es hätte besser wissen können.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Max Brod hat Janáček einen Bärendienst erwiesen, indem er die Libretti seiner Opern für die deutsche Bühne adaptiert hat. Dabei hat er viel reingedichtet. Leider wird er nach wie vor als der große Janáček-Förderer betrachtet und oft basieren Inhaltsangaben oder Kommentare auf seinen gefälschten Versionen.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Ich bin mir nicht sicher, ob Brods Tätigkeit wirklich so streng zu beurteilen ist. Wenn ich es richtig verstanden habe, hat er ja im deutschsprachigen Gebiet einen ganz wesentlichen Beitrag zur Verbreitung der Janáček-Opern geleistet. Ich denke mir: Lieber einige nicht originale Janáček-Aufführungen (und dafür ein höherer Bekanntheitsgrad dieses genialen Komponisten) als gar keine Aufführungen. Dann wäre Janáček vermutlich einer der slavischen Komponisten, die heute bei uns keiner kennt. Das fände ich viel bedauerlicher.

    Außerdem bin ich ein klarer Anhänger von Opernaufführungen in der Landessprache, also in Übersetzungen. Das ist aber ein anderes Thema.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

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