John Lennon - ein Genie des zwanzigsten Jahrhunderts

  • Ohne die stileinende Vorarbeit der Beatles hätte es meiner Meinung nach so phenomenale Folge-Gruppen wie Pink Floyd, Yes, Genesis, (natürlich nur die MIT Peter Gabriel) und Queen niemals geben können. Da halte ich es wie mit der Romantik und Spätromantik: Ohne Beethoven und letztendlich auch ohne Bach einfach undenkbar. Die Stones fristen bei mir ein ein ähnliches Dasein wie Haydn: Beide durchaus fruchtbaren Musikquellen sind mir persönlich einfach zu trocken, vom Kaiserquartett und vom Song Angie mal abgesehen :hide: :D

    Da bin ich -zumindest was Pink Floyd angeht- anderer Meinung! Pink Floyd waren -nach Aussage von Richard Wright- z.B. von Stockhausen beeinflusst und haben m.E. nun wirklich nichts mit den Beatles zu tun oder wurden von dieser Musik beeinflusst. Pink Floyd hatten -unter dem maßgeblichen Einfluss von Syd Barrett- schon von Anfang an einen eigenen Stil geprägt - nicht umsonst gelten sie als die Erfinder des "psychedelischen Cosmic-Rock".

    Aber das gehört alles in einen eigenen Floyd-Thread.

    Viele Grüße :wink:


    Roger

    "Ich brauche keine Musikkritiker"
    (Gennadi Roshdestwenskij)

  • Liebe Mitforianer.

    Dank gewisser Boxen und meiner Arbeit an der Quelle seit bald zwei Jahren, besitze ich zwar mittlerweile eindeutig mehr "Klassik" als "Pop", was nie meine Absicht war und eigentlich auch nicht wirklich viel sagt; - ich liebe "Pop"-Musik und in gewissen Lebenslagen höre ich auch hauptsächlich sie. Sie ist mir also wichtig und da wir hier nun die Möglichkeit haben über sie zu schreiben, ohne daß sie nur geduldet wird, sollten wir das vielleicht etwas ernsthafter angehen. - Der Geniebegriff als solcher ist ja in der "Klassik" bereits seit einiger Zeit ein strittiger und wenn man "Pop" ernstnehmen will, sollte man sehr sehr vorsichtig damit umgehen, ja ihn am Besten gar nicht verwenden - vor allem nicht, ohne sein Verständnis davon bekanntzugeben.
    -
    Ich mag die Beatles nicht, aber einige ihrer Songs sind ganz einfach großartig, ich mag Pink Floyd sehr gerne, gebe aber auch gerne zu, daß es da gar nicht so wenig Kitsch gibt - The Wall ist ein für mich sehr wichtiges Album, da es mir vor Zeiten durch so manche psychische Krise begleitet hat und ich die Texte bis zu einem gewissen Grad mehr als nur nachvollziehen konnte, die kritische Distanz hat mich gelehrt zu erkennen, daß es nicht im Geringsten seinen hohen Ansprüchen gerecht wird, was nichts daran ändert, daß es für mich nach wie vor wichtig ist, selbst wenn ich es kaum noch höre. - Roger Waters hat etwas Interessantes an sich, aber er hat nach seinen Tagen bei Floyd einige Solo-Alben aufgenommen, wo sich zwar gute Ansätze finden lassen, aber eigentlich sind diese Werke unausgereift, musikalisch zu einem nicht geringen Teil äußerst schwach und lächerlich in ihrem Scheitern. - Das experimentelle Post-Frühwerk von Pink Floyd bietet eindeutig spannende Ansätze (Ummagumma), aber umgesetzt wurden diese nie. - Von der eigentlichen musikalischen Substanz sind Pink Floyd nicht einmal mit einem Möchtegern-Saint-Saëns ähnlich.

    Jetzt versuche ich noch die Kurve zu kriegen: John Lennon hat mit seiner Frau einige Platten aufgenommen, die als experimentell gelten - die habe ich noch nie gehört, die würden mich interessieren (obwohl ich mit einer großen Enttäuschung rechne); seine anderen Soloplatten zeigen denke ich ganz gut, daß dieser Mann einigermaßen durchschnittlich war - sogenannter Schweinerock (und rocken konnte er nie, auch nicht zu Beatles-Zeiten) und glatte Balladen (denen ich nicht ganz abgeneigt bin). - Genie - was auch immer das sein mag - besaß er bestimmt keines - aber immerhin hat er ein Lied mit jemanden aufgenommen, der ein Lied namens "Jean Genie" geschrieben hat . . . . :pfeif:

    Wir sehen uns hoffentlich bald im Thread zu Joy Division 8) .

    Einen angenehmen Abend wünscht

    Bernhard

    P. S. : Drüben war am neunten Tag des Jahres 2009 einer meiner allerersten Beiträge in einem Thread namens "War Beethoven ein Genie?" dieser:

    Monteverdi war ein Genie,
    Bach war ein Genie,
    Beethoven war ein Genie,
    doch der größte war Satie.

    Und sollte das nicht so sein - ich mag sie trotzdem.

    -

    Den wollte ich immer schon hier auch haben :pfeif: .


    "Alles Syphilis, dachte Des Esseintes, und sein Auge war gebannt, festgehaftet an den entsetzlichen Tigerflecken des Caladiums. Und plötzlich hatte er die Vision einer unablässig vom Gift der vergangenen Zeiten zerfressenen Menschheit."
    Joris-Karl Huysmans

  • Da bin ich -zumindest was Pink Floyd angeht- anderer Meinung! Pink Floyd waren -nach Aussage von Richard Wright- z.B. von Stockhausen beeinflusst und haben m.E. nun wirklich nichts mit den Beatles zu tun oder wurden von dieser Musik beeinflusst. Pink Floyd hatten -unter dem maßgeblichen Einfluss von Syd Barrett- schon von Anfang an einen eigenen Stil geprägt - nicht umsonst gelten sie als die Erfinder des "psychedelischen Cosmic-Rock".

    Aber das gehört alles in einen eigenen Floyd-Thread.

    Viele Grüße :wink:


    Roger

    Hallo Roger.

    Gerade die hochgelobte Syd Barrett-LP zu der heute noch so manche Musikkritiker gern onanieren :wink: ist näher an den Beatles, als alles was nach seinem Weggang kam. - Ok, die - nett gesagt - Dada-Lyrik eines Barrett gab es bei den Beatles in der Form nicht.

    Angenehme Abendstunden wünscht

    Bernhard


    "Alles Syphilis, dachte Des Esseintes, und sein Auge war gebannt, festgehaftet an den entsetzlichen Tigerflecken des Caladiums. Und plötzlich hatte er die Vision einer unablässig vom Gift der vergangenen Zeiten zerfressenen Menschheit."
    Joris-Karl Huysmans

  • Hallo Bernhard,

    ich hätte Dir einiges zum Thema Pink Floyd und Roger Waters zu erwidern, aber das würde ein eigenes Thema innerhalb dieses Threads werden, was sicher nicht Sinn der Sache ist.

    Bis hoffentlich demnächst in einem speziellen Floyd-Thread.

    Gruß :wink:

    Roger

    "Ich brauche keine Musikkritiker"
    (Gennadi Roshdestwenskij)

  • Hallo Aquarius,

    Da ist wieder Vermengung von scheinbaren Fakten und Gefühl mit im Spiel...tsts :D

    Also, ob die Romantik und Spätromantik ohne Beethoven nicht vorstellbar gewesen wäre, ist eine nicht falsifizierbare Aussage. Hingegen kann man natürlich sagen, dass Beethoven einen immensen Einfluss ausgeübt hat, teilweise bis heute noch. Aber darum geht es hier ja auch nicht. Auch eigtl. nicht darum dass Haydn Dir zu trocken ist (was ich sehr schade finde, Haydn ist unglaublich elegant und seine Musik empfinde ich stets als - so doof es klingt - klug).
    Bands wie Yes, King Crimson (Robert Fripp!!) Van der Graaf Generator (auch hier, wenn man unbedingt will, eher ein Genieanwärter: Peter Hamill) knüpfen IMO anfangs eher bei The Who an, um bald zu ihrem ganz eigenen, sehr progressiven Stil zu finden.
    Dazu nur un ein kurzes Beispiel: Robert Fripp und Brian Eno erfanden 1972 die sog. "Frippertronics" genannte Methode, die sich von den Tonbandexperimenten von Steve Reich ableitet bzw. sie modifiziert.

    Ein großer Beatles-Verehrer bin ich nicht, allerdings A Day In The Life sollte man schon mal gehört haben (die späteren Songs, von denen ich einige auch ganz gerne höre, weil sie unartifiziell gute Laune verbreiten können, kennt man ja meist eh schon).

    :wink:
    Wulf

    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

  • Wir sehen uns hoffentlich bald im Thread zu Joy Division

    :thumbup:

    Bands wie Yes, King Crimson (Robert Fripp!!) Van der Graaf Generator (auch hier, wenn man unbedingt will, eher ein Genieanwärter: Peter Hamill) knüpfen IMO anfangs eher bei The Who an, um bald zu ihrem ganz eigenen, sehr progressiven Stil zu finden.

    An The Who? Höre ich nicht. Ansonsten rennst du, lieber Wulf, bei mir vor allem mit King Crimson und Van der Graaf Generator natürlich offene Türen ein, Yes aus den 70ern mochte ich aber auch. Vor allem Steve Howe ist ein vorzüglicher Gitarrist von kaum zu überschätzender Wirkung auf andere Gitarristen.

    Überhaupt finde ich es schwer faßbar, wieviel sehr guter, wirklich einfallsreicher Rock Ende der 60er/Anfang der 70er entstand und damals auf Platte herauskommen und ein Publikum finden konnte - alleine in Canterbury, GB, aber nicht nur dort, sondern nahezu überall in Europa und in den USA. Einer meiner Favoriten sind z. B. Musica Mechanica aus Italien.

    :wink: Matthias

  • Meine Güte, hier fliegen die wilden Vergleiche nur so durch die Gegend: Meiner Oma Nichte ist eine bessere Tante als es deiner Nichte Schwägerin je sein könnte! Wenn die Beatles Langweiler sind, dann sind Pink Floyd die Band, die die pickeligen Jugendlichen hörten, die keine Mädchen abbekamen, aber als erste einen Commodore 64 hatten... Diejenigen, die sich stundenlang über den angeblich aberwitzigen Sound der Gruppe austauschten, der in Wahrheit doch nur ein blutleeres Nichts ist... ;)

    Aber im Ernst:
    Wenn man sieht, woher die Beatles kamen, mit welcher Art von Rock'n Roll und Beat sie begannen, wie sie schon darin alle anderen rasch alt aussehen ließen und dann hört, in wie kurzer Zeit sich das alles zu einem enorm vielseitigen Kosmos ausgebildet hat, dann ziehe ich meinen Hut. Wer nach Help Platten wie Revolver oder Rubber Soul aus dem Hut zaubert und dann nach dem unvorstellbaren Irrsinn der weltweiten Beatlemania nicht durchdreht, sondern Sachen wie Sgt. Pepper und Abbey Road nachlegt, kann ganz so blöd nicht sein. Das heißt noch lange nicht, dass ich Lennon für ein Genie halte. Ich sehe es eher als Glücksfall an, dass sich zwei so unterschiedliche Köpfe wie Lennon und McCartney gesucht und gefunden haben und in der Reibung ihrer unterschiedlichen Charaktere zu besonderen Leistungen imstande waren. Wobei man nie den fünften Beatle vergessen darf, der maßgeblich an der Entstehung der Aufnahmen mitgewirkt und sein musikalisches und technisches Knowhow eingebracht hat: George Martin.

    Wulf erwähnte A Day in a Life: Ein Songfragment von Lennon, eines von McCartney, mehr oder weniger durch Zufall zusammengeführt zu einem Stück und veredelt von den Fertigkeiten des Produzenten Martin. Laut dem Rolling Stone Magazine das Popstück des Jahrhunderts...

    Und vergessen wir nicht die enorme Wirkung der Beatles auf einen großen Teil einer ganzen Generation. Das hat zwar nicht direkt etwas mit der musikalischen Qualität zu tun, aber doch mit der ziemlich einmaligen Bedeutung, die wohl nur die Rolling Stones in der Form ebenso für sich beanspruchen können. Als Kind zweier Eltern, die vor nunmehr mehr als 40 Jahren intensiv mit den Beatles groß geworden sind, weiß ich, welche Bedeutung deren Musik in jeder einzelnen Lebenslage hatte. Ich kenne in dieser Form nichts vergleichbares. Mich gäbe es übrigens gar nicht ohne die Beatles. Das zu erklären, würde jetzt allerdings etwas zu weit führen... :D

    Helter Skelter
    Carsten

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Lieber Carsten,

    darf ich den vielgescholtenen Michael Jackson anführen, dessen Scheibe Thriller die nachwievor meistverkaufte Scheibe der Welt ist und der meines Wissens einen nicht minderen Einfluss auf seine Generation ausübte??
    Was schliessen wir daraus? Um mit Goethe zu sprechen, dass sich das, was sich jahrelang in der Publikumsgunst hält, von so schlechten Eltern nicht sein kann?? Vielleicht.
    Abba erfreut sich noch heute ungetrübter Popularität - dass sie zur Speerspitze der Pop/Rock-Musik gehören, wird wohl kaum jemand behaupten.

    Klar waren die Beatles eine wichtige Band, die sehr gute Musik machen konnten. Aber es gab so einige Bands, die sich nicht der Hälfte an Belibtheit erfreuen konnten und die nahezu parallel einen Sound schufen, der so ganz anders war, einige Protagonisten habe ich weiter oben genannt.
    Aber ich habe auch gar kein Interesse, die Gruppen gegeneinander auszuspielen - nicht dass der Eindruck entsteht. Ich wollte nur auf einen Missstand aufmerksam machen, der mir bei Pop/Rock viel evidenter ist als bei der Klassik. Velvet Underground & Nico sind heute zwar etwas bekannter, aber im Vergleich zu den Beatles? Und wer kennt heute noch King Crimson, Van der Graaf Generator, Peter Hammill, die Canterbury Scene (Hatfield & The North, Caravan, die jazzlastigen Soft Machine etc.)??

    Lieber Matthias,

    Du hast natürlich recht. Ich wollte nur betonen, dass die Bands eher an The Who orientiert klangen als an den Beatles. Aber auch der Bezug ist natürlich nicht wirklich richtig.
    Du sprichst die Canterbury Scene an, vielleicht können wir uns da mal in einem Extra-thread tummeln? Habe für mich gerade Caravan entdeckt.
    Übrigens: Henry Cow ist auch noch so ein interessante Gruppe. Man höre sich mal das herrlich abgedrehte "Bittern Storm Over Ulm" an....

    :wink:
    Wulf

    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

  • Du sprichst die Canterbury Scene an, vielleicht können wir uns da mal in einem Extra-thread tummeln? Habe für mich gerade Caravan entdeckt.
    Übrigens: Henry Cow ist auch noch so ein interessante Gruppe. Man höre sich mal das herrlich abgedrehte "Bittern Storm Over Ulm" an....

    Lieber Wulf,

    Sollten wir machen und nicht den Thread des armen Aquarius so umwidmen. Aber seine Vorlage war für mich einach zu provozierend. Deswegen hier nur noch, alle von dir genannten Bands schätze ich auch heute noch außerordentlich, aber ganz besonders Henry Cow.

    Lieber Carsten,

    ich war sicherlich kein Nerd, Commodore hätte ich für ein Auto gehalten, aber Pink Floyd mochte ich bis zu "The Wall", besonders die experimentelle Scheibe von "Ummagumma" - und Nick Masons Solo-Scheibe mit Carla Bley! ist großartig.

    Aber es stimmt sicherlich, was du und auch Ekkehard über Prägungen schreiben. Die Beatles gab es bei meinen Eltern und meinen Freunden einfach nicht. Die Stones schon, aber bei meinen Eltern vor allem die Blues-Originale neben jede Menge Jazz. Die einzigen Rockplatten waren von Janis Joplin und ein Psychedelic-Underground-Sampler in buntem Vinyl mit Spirit, Chambers Brothers u.ä.. Jimi Hendrix gab es auf Tonbändern, zum Teil noch live aus dem Starclub. Die Stones haben meinen Vater dort wohl auf die Blues-Originale gebracht. Auch hatte ich nie das Gefühl, in Opposition zu meinen Eltern gehen zu müssen. So lagen wohl - ganz konformistisch :D - Henry Cow und Soft Machine für mich viel näher. Ich leitete deswegen ganz bewußt meinen Beitrag ja auch ein: "Ich werde die Begeisterung für die Beatles wohl nie bgreiffen..." Mich interessiert wirklich, was das Faszinosum an den Beatles ausmacht, das mir so völlig fremd ist und ich bislang nicht nachvollziehen kann.

    :wink: Matthias

  • Ich selbst bin immer schon ein Beatles-Fan gewesen und kann mich noch an mein allererstes Pop-Konzert erinnern - 9.September 1976, Wiener Stadthalle - Paul McCartney & Wings. Unvergesslich (die Tour gibt es auf CD - Wings over America).

    John Lennon war mein Lieblingsbeatle, weil er viel mehr Ecken und Kanten hatte als der doch für meinen Geschmack etwas zu geschliffene Paul McCartney. Meine Lieblingslieder aus der Beatles-Zeit sind "Norwegian Wood" und besonders "Girl" - dass "Rubber Soul" das erste Beatles-Album war, dass ich mir gekauft habe, sei nur nebenbei erwähnt.

    Sgt.Pepper habe ich immer schon für etwas überschätzt gehalten (Ausnahme - A Day in the life), da war die "Abbey Road" schon viel mehr nach meinem Geschmack. Nicht ganz nachvollziehen sind für mich einige Aussagen hier, dass er in seiner Solokarriere nichts mehr zusammengebracht hat. "Imagine" wurde leider fast schon totgespielt, ist aber ein toller Song. Auch hier wieder sind meine Favorits eher unbekanntere Werke wie einerseits "Mother" - und besonders das im Radio mit Spielverbot belegte "Working Class Hero". Spannende Alben sind "Some Time in New York City" (u.a. Jam-Session mit Zappa und der Plastic Ono Band, wo immerhin auch Clapton dabei war).

    Beatles mit Beethoven zu vergleichen finde ich auch übertrieben - aber in den 60ern schrieb ein Kritiker dass die Beatles "die bestens Songschreiber seit Schubert" wären. Ich glaube, dass dies ein interessanter Ansatz wäre - und vielleicht ein einem eigenen Thread behandelt werden könnte - "Unterschied von "klassischen" Liedern zu Liedern/Songs des 20.Jahrhunderts". Wo sind da die Gemeinsamkeiten, Unterschiede? Kann man überhaupt Schubert mit Brel, den Beatles (und da meine ich eher die Balladen), einen Reinhard Mey, einen Konstantin Wecker, Leonard Cohen, Bob Dylan, Neil Young vergleichen ??

    k

    Nunc est bibendum !!!


  • Aber im Ernst:
    Wenn man sieht, woher die Beatles kamen, mit welcher Art von Rock'n Roll und Beat sie begannen, wie sie schon darin alle anderen rasch alt aussehen ließen und dann hört, in wie kurzer Zeit sich das alles zu einem enorm vielseitigen Kosmos ausgebildet hat, dann ziehe ich meinen Hut. Wer nach Help Platten wie Revolver oder Rubber Soul aus dem Hut zaubert und dann nach dem unvorstellbaren Irrsinn der weltweiten Beatlemania nicht durchdreht, sondern Sachen wie Sgt. Pepper und Abbey Road nachlegt, kann ganz so blöd nicht sein. Das heißt noch lange nicht, dass ich Lennon für ein Genie halte. Ich sehe es eher als Glücksfall an, dass sich zwei so unterschiedliche Köpfe wie Lennon und McCartney gesucht und gefunden haben und in der Reibung ihrer unterschiedlichen Charaktere zu besonderen Leistungen imstande waren. Wobei man nie den fünften Beatle vergessen darf, der maßgeblich an der Entstehung der Aufnahmen mitgewirkt und sein musikalisches und technisches Knowhow eingebracht hat: George Martin.

    ...
    Und vergessen wir nicht die enorme Wirkung der Beatles auf einen großen Teil einer ganzen Generation. Das hat zwar nicht direkt etwas mit der musikalischen Qualität zu tun, aber doch mit der ziemlich einmaligen Bedeutung, die wohl nur die Rolling Stones in der Form ebenso für sich beanspruchen können. Als Kind zweier Eltern, die vor nunmehr mehr als 40 Jahren intensiv mit den Beatles groß geworden sind, weiß ich, welche Bedeutung deren Musik in jeder einzelnen Lebenslage hatte. Ich kenne in dieser Form nichts vergleichbares.
    Carsten

    Ich gehöre noch zu der Generation, die die Anfänge der Beatles miterlebt hat (überwiegend retrospektiv, was die Zeit vor A HARD DAYS NIGHT betrifft), und deshalb kann ich nur unterstreichen, was Carsten hier schreibt. Wie schnell und radikal sie sich von ihren ganz schlichten Anfängen im Star Club als Begleitband von Tony Sheridan und Nichtigkeiten wie MY BONNIE und YEAH YEAH YEAH entwickelt haben, war zu der damaligen Zeit der Vorläufer und Epigonen von Elvis Presley buchstäblich unerhört. Für mich waren damals Songs wie NORWEGIAN WOOD oder MICHELLE, ganz zu schweigen von dem SERGEANT PEPPER - Album Offenbarungen, und ich war bekanntlich nicht der einzige, dem es so ging.

    Man muss nicht unbedingt den Geniebegriff einschleppen, aber dass - um zum Threadthema zurück zu kehren - John Lennon als Texter außerordentliche Qualitäten hatte, kann niemand leugnen. Kennt oder erinnert sich noch jemand an seinen herrlichen Band von Nonsense-Gedichten "A Spaniard in the Works" von - bereits! - 1965? Auch diese Ebene, die in dem Filmregisseur Richard Lester einen - leider nur vorübergehend - kongenialen Partner fand, darf man nicht vergessen, wenn man die Beatles und ihre Bedeutung für ihre Zeit angemessen würdigen will. Alle, die nach ihnen kamen, konnten auf ihren ersten großen Fortschritten aufbauen, und dass manche davon musikalisch noch kühner waren oder ihre psychedelischen Ausflüge nicht unbedingt eine Qualitätssteigerung bedeuteten, tut dem keinen Abbruch.

    Selbst bei dem, wie ich finde, zu Unrecht gescholtenen "Obladi-Oblada" sollte man den ironischen Subtext nicht übersehen. Man vergleiche das nur mal mit dem gar nicht so unähnlichen "Gell du hast mich, gelle, gern", das Margit Sponheimer fast zur gleichen Zeit bei uns zum Faschingsschlager machte, und man erkennt sofort, warum sich der Song der Beatles nicht so ernst nimmt, wie er hier anscheinend teilweise aufgenommen wird. Er klingt nämlich nicht nur wie eine Parodie auf die populären Lieder, er ist es. Man höre sich nur einmal an, was Tommy Steele damals auf den englischen Musicalbühnen gesungen hat - oder womit Sandie Shaw damals den Grand Prix d'Eurovision nach England geholt hat. Genau, das war "Puppet on a String", und das Jahr ebenfalls 1967.

    Wenn irgendetwas die Popmusik von der klassischen unterscheidet, dann ist es das Ausmaß, in dem sie ihrer jeweiligen Entstehungszeit verhaftet ist und primär in deren Kontext gewürdigt werden will.

    Auch unter diesem Aspekt würde ich einen Thread zum Liedervergleich, wie ihn Berkshire gerade angeregt hat, sehr begrüßen, gerade weil ich mangels hinreichender Liederkenntnis leider nur wenig dazu beitragen kann.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Also Lennon war genau so wenig ein Genie wie Beethoven. Das Wort Genie hat in der Musikwelt wirklich inflationären Charakter. Aber es ist ein hübsches Wort, seiner Verehrung Ausdruck zu geben. Ich habe Rock nie gemocht, wirklich nie, in keiner Phase meines bisher kurzen und harten Lebens :D Der Grund ist einfach: ich kann Rock-Gitarre nicht leiden. Diese viel bewunderten Gitarren-Soli der Cracks empfand ich immer als Zumutung. Ich mochte von den Rock-Scheiben wirklich gerade die erste Platte der Doors. Die mochte ich allerdings sehr.

    Ich bin Jahrgang 66. Die Beatles waren also schon paar Jahre auseinander, als ich diese Apfel-Platten auf meinem billigen Plastikdreher zu Schanden spielte. Jeder hörte Beatles zu der Zeit, einfach jeder. Diese Beatlemania 10 Jahre zuvor war wohl ein gewaltiges Massenschunkel-Ereignis, das die Hornbrillen-Bürger-Kultur endgültig erledigte. Die Beatles bedienten auch alles Perfekt. Mit John Lennon identifizierte sich der linke, sozialkritische Freak. Machen wir doch die Welt etwas besser. McCartney war der süsse Junge, seine Fans waren offenbar immer am rumheulen. Keine Frage, die Beatles waren ein Ausnahme-Erscheinung. Wer sich abgrenzen wollte, brauchte auch etwas Anderes. Jawohl, die Stones. Alles ein bisschen rockiger, frecher und ausgeflippter. Dies wiederum reichte Einigen bei weitem nicht. Für die gab es dann Iggy Pop, Tom Waits und wie sie auch alle heissen. Beim Punk durfte man kultiviert herum pöbeln. Es gab wirklich für alle etwas.

    Ich habe mich allen diesen Einflüssen erfolgreich entzogen: Ich stand auf Disco! Von 82 bis 86 kaufte ich wie ein Verrückter 12"-Max-Singles. New York und Philadelphia waren die Städte, aus der meine Lieblingsmusik herkam. Es musste groovig und funky sein. Was nicht tanzbar war, wurde von mir ignoriert. Und so fand ich mich ruckzuck auf der untersten Stufe der Sozialprestige-Leiter wieder. :D

    Ich habe drei Töchter, alle schön wie die Sterne, aber was bei denen an der Wand hängt...

    :wink: Said

  • Bei mir dreht sich mal wieder alles. Und dennoch: Für mich haben Beethoven und Lennon einfach eines gemeinsam: Ihre Musik hat einen universellen genialen Funken. Es gibt viele andere Musiker, die mich bei ganz bestimmten Musikrichtungen fast genauso ansprechen, aber Stücke für jede Stimmungslage und dann noch so vielseitig - das bieten mir nur diese beiden in so effektiver Form. Vielleicht kann ich es einfach nur nicht mit den richtigen Worten erklären, aber ich empfinde es nach langer langer Hörerfahrung einfach so und - ich glaube das wird sich auch nicht mehr ändern. Macht ja nichts - die durch diesen Thread ausgelöste Diskussion hat schon was für sich ;)

    ... Alle Menschen werden Brüder.
    ... We need 2 come 2gether, come 2gether as one.
    ... Imagine there is no heaven ... above us only sky

  • Die Beatles sind in vielerlei Hinsicht - namentlich für uns Nachgeborene (auch ich reihe mich in die hierorts ewig lange Schlange der 66er ein) - role models geworden. Ihre Karriere, ihr Auftreten ist in gewisser Weise mustergültig.

    Ich fand vor allem immer den Gedanken der Weiterentwicklung interessant. Erst das Nachspielen von Standards, dann das Schreiben eigener Lieder, das Verkomplizieren, später der "Rückschritt" (meinethalben auch: das Rückbesinnen) auf die Wurzeln und schließlich das Finale: das Auseinanderbrechen, weil es so nichts mehr zu sagen gibt.
    Das fand ich schlüssig. Und ich erwische mich immer wieder dabei, dass ich heutige Bands darauf prüfe, ob sie sich denn auch ja weiterentwickeln - wenn nicht, wenn sie also ein bewährtes Konzept lediglich weiterspinnen, dann sind sie uninteressant für mich.

    Und ich muss an das denken, was ein älterer Freund aus Schleswig-Holstein immer erzählt - wie damals nach dem Aufkommen der Beatles alle anfingen, Bands zu gründen (ja, die schossen wie Pilze aus dem Boden, sozusagen). Man muss sich das mal vorstellen: Auf einmal machen alle - egal, wie perfekt oder gekonnt - Musik. Das stelle ich mir schon sehr besonders vor.

    :wink:

    Jein (Fettes Brot, 1996)

  • Im Übrigen waren die "Rutles" die besseren Beatles... Zumindest schrieben sie die besten Beatles-Songs, die die Beatles nie schrieben, oder so ähnlich...

    Fatal error: Your $intelligence_stats are too low to view $this->signature in /home/Blackadder/signature on line 1

  • Hallo Leute,

    Aquarius hat sich das mit seinem "Genie" zwar selbst eingebrockt, dennoch ist es nicht sinnvoll, dass in einem John-Lennon-Thread über Gott und die Welt diskutiert wird. Zumal Pink Floyd eh besser ist. :D

    Ich mach jetzt gleich mal einen neuen Thread auf...


    Thomas Deck

  • Ich stand auf Disco! Von 82 bis 86 kaufte ich wie ein Verrückter 12"-Max-Singles. New York und Philadelphia waren die Städte, aus der meine Lieblingsmusik herkam. Es musste groovig und funky sein. Was nicht tanzbar war, wurde von mir ignoriert.

    Das Ignorieren betraf demnach auch andere gitarrenfreie Musik, speziell den 80er-Synthpop (etwa Depeche Mode)? :)

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • [Die Beatles gab es bei meinen Eltern und meinen Freunden einfach nicht. Die Stones schon, aber bei meinen Eltern vor allem die Blues-Originale neben jede Menge Jazz. Die einzigen Rockplatten waren von Janis Joplin und ein Psychedelic-Underground-Sampler in buntem Vinyl mit Spirit, Chambers Brothers u.ä.. .

    :wink: Matthias

    Hallo Matthias,

    genau diesen Sampler habe ich damals besessen, eingetauscht gegen ein paar Singles. Ich glaube, Al Kooper war auch noch dabei. Die Platte lief eine ganze Zeit rauf und runter !
    Ich hätte nicht geglaubt, daß noch irgend jemand diese Platte bewußt sein könnte !
    Auch wir hörten damals keine Beatles, obwohl wir doch die Middle-of-the-road Sänderin anschmachteten :love: .
    Es war also der typische jugendliche Gemischtwarenladen, der eben von Spirit über Deep Purple bis zu den Byrds reichte. Aber Beatles, nö, langweilig. Dann lieber die Stones mit street fighting man und mothers little helper.
    Dennoch sollte man die Beatles mit ihrem Einfluß auf die Musik nicht kleinreden. Ich glaube, auch in hundert Jahren werden Titel der Beatles noch gespielt werden, während Gruppen wie zB die Small Faces in Vergessenheit geraten werden.


  • Willst du mich beleidigen? :D Depeche Mode habe ich vergöttert !

    Die waren aber nicht unbedingt immer "tanzbar" - jedenfalls nicht mehr oder weniger als etwa Bruce Springsteen oder
    Huey Lewis. ;)

    zwischen nichtton und weißem rauschen

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